VwGH 28.01.1963, 2027/61
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Durch die Nichtbeibringung bzw Beischaffung von Unterlagen (hier: statischer Berechnungen) kann ein Anrainer (hier: Baurecht Vorarlberg) in der Wahrung seiner subjektiven öffentlichen Rechte nur behindert sein, wenn es sich um Unterlagen handelt, denen solche Aspekte des Bauvorhabens entnommen werden müssen, die für dessen Beurteilung auf seine mögliche Beeinflussung der durch öffentlich-rechtliche Normen geschützten Rechtssphäre des Anrainers maßgeblich sind. |
Normen | BauRallg implizit LBauO Vlbg 1924 §17 Abs1 litd LBauO Vlbg 1924 §20 Abs1 litd |
RS 2 | Die Vorschriften über die Standfestigkeit eines Bauwerkes gehören nicht zu jenen Rechtsnormen, aus denen den Nachbarn subjektive öffentliche Rechte erwachsen (Hinweis auf das die Grazer BauO betreffende E , 3174/58). |
Normen | |
RS 3 | Dem Anrainer steht das Recht zu, seine Einwendungen zu jenem Bauvorhaben vorzubringen, das tatsächlich bewilligt werden soll. Dies unabhängig davon, ob es sich im Verhältnis zur ursprünglichen Planung um eine Änderung handelt, die vom Standpunkt des Anrainers aus gesehen, eine Verbesserung des ursprünglichen Projektes darstellt. |
Normen | LBauO Vlbg 1924 §43 Abs3 LBauO Vlbg 1924 §46 Abs3 |
RS 4 | Ausführungen zur Frage der Zulässigkeit der Analogie dieser Normen auf Klärgruben. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Borotha, und die Hofräte Dr. Hrdlitzka, Dr. Krzizek, Dr. Striebl und Dr. Rath als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialkommissärs Dr. Svoboda, über die Beschwerde des AF in E gegen den Bescheid des Amtes für Vorarlberger Landesregierung vom , Zl. VI a-286/5/61, betreffend Abweisung einer Anrainereinwendung in einer Bausache, nach der am durchgeführten Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Armin Schwarz, und der zweitmitbeteiligten Partei ME, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Am suchten FE und ME bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz als der gemäß § 83 Abs. 1 der Vorarlberger Landesbauordnung, Gesetz vom , LGBl. Nr. 94; mit Änderungen, im folgenden als VLBO bezeichnet, zuständigen Baubehörde erster Instanz um Genehmigung der Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses auf dem Grundstück Nr. 4041, KG. E, an. Mit Kundmachung vom , die einen Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG 1950 enthielt und in der Gemeinde durch Anschlag bekanntgemacht wurde, wurde die mündliche Bauverhandlung an Ort und Stelle für den anberaumt. An der Verhandlung nahmen die Bauwerber, der Planverfasser, mehrere Sachverständige, der gemäß § 83 Abs. 3 VLBO beizuziehende Vertreter der Gemeinde sowie die Anrainer, unter ihnen auch der nunmehrige Beschwerdeführer, teil. Nach den dieser Verhandlung zugrunde liegenden Plänen sollte das Gebäude derart situiert werden, daß von dem im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Nachbargrundstück Nr. 4042 ein Abstand von 4 m eingehalten worden wäre. Die Gemeindevertretung E hatte mit Beschluß vom die Nachsicht von der Einhaltung des gemäß § 9 lit. a Z. 1 VIBO einzuhaltenden Abstandes „vorbehaltlich der Zustimmung des AF“ erteilt. Weiters war nach diesen Plänen eine Dachneigung von 15° vorgesehen. Aus dem Verhandlungsprotokoll und einem ergänzenden Aktenvermerk vom ergibt sich folgender maßgebliche Verhandlungsverlauf: Der Beschwerdeführer hatte zunächst erklärt, mit der Erteilung der Abstandsnachsicht unter der einzigen Bedingung einverstanden zu sein, daß die anfallenden Abwässer nicht in eine Sickergrube eingeleitet werden. Noch vor Abschluß der Verhandlung widerrief.er jedoch diese Zustimmung bzw. knüpfte sie an eine weitere, die Verrohrung der Abwässer auf Kosten der Bauwerber betreffende Bedingung. Der Verhandlungsleiter nahm dies mit der Begründung nicht zur Kenntnis, die Abstandsnachsicht sei zufolge der ersten Erklärung schon „perfekt“ geworden, weshalb weitere Bedingungen nicht mehr gestellt werden könnten. Eine Protokollierung dieses Vorganges fand aus dem gleichen Grunde nicht statt, weshalb der Beschwerdeführer seine Unterschrift auf der Niederschrift verweigerte.
Am modifizierten die Bauwerber durch Vorlage eines abgeänderten Lageplanes ihr Bauvorhaben dahin gehend, daß das geplante Gebäude um etwa 1 1/2 m in nördlicher Richtung verschoben wurde. Diese Verschiebung hatte eine Vergrößerung des Abstandes von der Liegenschaft des Beschwerdeführers auf etwa 5,5 m zur Folge. Ferner wurde im Weg einer Planänderung die ursprünglich mit 15° bemessene Dachneigung auf Verlangen eines Sachverständigen auf 24° vergrößert und der vorgesehene Kniestock bis zur Oberkante der Decke reduziert. Ohne weiteres Verfahren erteilte nun die Bezirkshauptmann-Schaft Bregenz, und zwar mit Bescheid vom , die angestrebte Baubewilligung in der abgeänderten Form. Diese Bewilligung wurde an eine Reihe von Auflagen geknüpft. Ein Abspruch über die Einwendungen des Beschwerdeführers erfolgte im Spruch dieses Bescheides nicht ausdrücklich; in der Begründung (Sachverhaltsdarstellung) wird hiezu lediglich ausgeführt, der Beschwerdeführer habe erklärt, gegen das Projekt unter der Voraussetzung keinen Einwand zu haben, daß die Abwässer nicht in eine Sickergrube eingeleitet werden. Die Richtigkeit dieser Erklärung sei gemäß § 14 Abs. 3 AVG ausdrücklich bestätigt worden.
Gegen diesen Bescheid, der ihm am zugestellt worden war, brachte der Beschwerdeführer am 16. Mai des gleichen Jahres Berufung ein, in der er das Vorliegen von „Mangelhaftigkeit bzw. Nichtigkeit des Verfahrens“ behauptete. Als Begründung wurde vorgebracht, der Austausch des Lageplanes ohne seine, (des Berufungswerbers) Anhörung, stelle eine Verletzung des Rechtes auf rechtlichen Gehör dar. Ferner bestritt der Beschwerdeführer in seiner Berufung, daß eine Abstandsnachsicht überhaupt erteilt worden sei und leitete auch hieraus die „Nichtigkeit“ des Bescheides vom ab. Ebenfalls unter dem Gesichtspunkt eines mangelhaften Verfahrens nahm der Berufungswerber schließlich auf die Weigerung des Verhandlungsleiters Bezug, seinen gegen Ende der Verhandlung vorgebrachten Einwand bzw. die zusätzliche Bedingung für seine Zustimmung niederschriftlich festzuhalten. Beantragt wurde die Abweisung des Bauansuchens und insbesondere die Verweigerung der Abstandsnachsicht.
Auf Grund eines am bei der Gemeinde E eingebrachten, durch die Abänderung des Projektes und durch rechtliche Bedenken der belangten Behörde gegen den Beschluß vom veranlaßten neuen Ansuchens erteilte die Gemeindevertretung von E mit Beschluß vom die Nachsicht von der Einhaltung des gesetzlichen, 7,5 m betragenden Abstandes „bis auf 5 m gegen die Grundparzelle Nr. 4042“, und zwar diesmal Ohne Vorbehalt. Dieser Bescheid ist zufolge Berufungsverzichtes der Bauwerber am in Rechtskraft erwachsen. Diese Tatsache wurde dem Rechtsfreund des Beschwerdeführers im Wege der Akteneinsicht Ende Juni 1961 zur Kenntnis gebracht und blieb in dessen schriftlicher Äußerung vom 11. Juli des gleichen Jahres im wesentlichen unwidersprochen. Über Auftrag der Berufungsbehörde führte sodann die Behörde erster Instanz, und zwar am , unter Beiziehung der Bauwerber, eines Vertreters der Gemeinde und des Berufungswerbers eine mündliche Verhandlung durch deren Ziel die Behebung aller etwa im bisherigen Verfahren unterlaufenen Mängel war. Insbesondere sollte dem Beschwerdeführer hiedurch Gelegenheit geboten werden, zu dem abgeänderten Bauvorhaben Stellung zu nehmen. Die belangte Behörde hatte Weisung erteilt, mit Rücksicht auf die Präklusionsfolgen gemäß § 42 AVG darauf zu achten, daß der Beschwerdeführer nicht Einwendungen vorbringe, die er nicht schon bei der Verhandlung am vorgebracht hatte. Dessenungeachtet brachte der Beschwerdeführer die in der Niederschrift aufgenommenen zusätzlichen Einwendungen vor, deren Inhalt sich wie folgt zusammenfassen läßt: 1.) Die Frage der Abwässerbeseitigung sei nicht geklärt; die Bauwerber hätten den H Bach auf ihre Kosten zu verrohren; 2.) die Pläne seien unvollständig, insbesondere fehlten die statischen Unterlagen, das neue Ausmaß der Dachvorsprünge und die genaue Festlegung des Grenzverlaufes des Baches; 3.) die Abstandsnachsicht reiche nicht aus; 4.) der gesetzliche Mindestabstand der Klärgrube von der Grenze sei nicht gegeben; 5.) die Bauwerber hätten ihn, den Beschwerdeführer, für alle Nachteile, die ihm aus der Bauführung erwüchsen, schad- und klaglos zu halten.
Der Beschwerdeführer hielt diese zusätzlichen Einwendungen ungeachtet der Präklusionsfolge des § 42 AVG, deshalb für zulässig, weil ihm bei der mündlichen Verhandlung am dadurch, daß ihm der Verhandlungsleiter das Wort abgeschnitten habe, die Gelegenheit genommen worden sei, alle seine Einwendungen vorzubringen. Die belangte Behörde hat in ihrer Berufungserledigung diesen Standpunkt mit der Begründung eierkannt, daß die Behauptung des Beschwerdeführers hinsichtlich eines nur unvollkommenen Parteiengehörs nach der Aktenlage nicht widerlegt werden könne. Der Verwaltungsgerichtshof hält die am erstmalig erhobenen Einwendungen unabhängig von dieser Frage schon deshalb für zulässig, weil dem Anrainer jedenfalls das Recht zusteht, seine Einwendungen zu jenem Bauvorhaben vorzubringen, das tatsächlich bewilligt werden soll. Die Gelegenheit hiezu aber hatte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die Abänderung des Projektes erstmalig am . Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Verschiebung des geplanten Neubaues von der Nachbargrenze weg erfolgt ist und es sich daher um eine Änderung handelt, die, vom Standpunkt des Anrainers aus gesehen, eine Verbesserung des ursprünglichen Projektes darstellt.
Mit Bescheid vom 18, September 1961 wies. das Amt der Vorarlberger Landesregierung die Berufung ab und bestätigte den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom mit der Ergänzung, daß die Einwendungen des Berufungswerbers als Anrainer, soweit sie die Einleitung der Abwässer in den H Bach und den Ersatz des aus der Bauführung entstehenden Schadens betrafen, als unzulässig zurückgewiesen, im übrigen abgewiesen wurden. In der Begründung dieses nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheides heißt es: Die Frage der Abwässerbeseitigung sei nicht Gegenstand des baubehördlichen Verfahrens und ihre Aufrollung im Bauverfahren daher unzulässig; sie sei überdies mit Berufungsbescheid des Amtes der Vorarlberger Landesregierung in seiner Eigenschaft als Wasserrechtsbehörde vom rechtskräftig entschieden worden. Die im Gegensatz zum Berufungsvorbringen vollständigen Pläne seien ausreichend; so sei insbesondere der Grenzverlauf im Katasterblatt Nr. 10 KG. E deutlich ersichtlich. Der Abstand sei aber von der Grenze und nicht vom H Bach bemessen worden. Die Notwendigkeit der Vorlage statischer Berechnungen habe der Amtssachverständige verneint. Auch die Abstandsnachsicht reiche aus, da laut Plan ein Abstand von 5,5 m von der Grenze des Berufungswerbers eingehalten werde. Für Klärgruben sehe § 43 Abs. 3 der VLBO überhaupt keinen Mindestabstand vor. Diesen Berufungsbescheid bekämpft der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit und der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Über die Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Als ersten Beschwerdepunkt macht der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechtes auf vollständige Erledigung seiner Berufung geltend. Sein auch gegen die gewerbebehördliche Entscheidung erster Instanz eingebrachtes Rechtsmittel sei nicht erledigt worden. Hiebei übersieht er, daß ein Bescheid der Baubehörde nicht durch den Vorwurf der Säumigkeit, der der Gewerbebehörde gegenüber erhoben wird, wirksam bekämpft werden kann. Übrigens wurde, wie die Verwaltungsakten zeigen, mittlerweile auch über die Berufung gegen den Bescheid der Gewerbebehörde, und zwar am , entschieden.
Zu der in Z 2 der Beschwerdeschrift enthaltenen Rüge einer Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör ist zunächst festzustellen, daß eine Pflicht der Berufungsbehörde, wegen vorliegender Verfahrensmängel kassatorisch zu entscheiden, im Gegensatz zur Meinung des Beschwerdeführers nicht besteht. Die belangte Behörde hat daher keine Verfahrensvorschriften dadurch verletzt, daß sie den Bescheid der ersten Instanz nicht aufgehoben und eine neuerliche Verhandlung der Sache angeordnet, sondern in Anwendung des § 66 Abs. 1 AVG eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch die Unterinstanz hat durchführen lassen. Daß sich der Beschwerdeführer nicht daran hindern ließ, bei der am abgehaltenen mündlichen Verhandlung alle jene Einwendungen vorzubringen, mittels derer er seine Interessen vertreten zu können glaubt, zeigt die Aktenlage. Die belangte Behörde hat auch alle diese Einwendungen behandelt. Wie die belangte Behörde im Ergebnis richtig erkannt hat, fiel der Behörde erster Instanz ein Verfahrensmangel, der in einer Beeinträchtigung des Parteiengehörs gelegen war, tatsächlich zur Last; dieser Mangel wurde aber im Berufungsverfahren saniert, sodaß der beim Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid mit diesem Verfahrensmangel nicht belastet ist.
Erstmalig vor dem Verwaltungsgerichtshof führt der Beschwerdeführer ins Treffen, es liege kein „einwandfreier Nachweis“ der Zustimmung des Grundeigentümers, der gemäß § 16 Abs. 1 VLBO, erforderlich sei, vor. Dem Verwaltungsgerichtshof ist es gemäß § 41 Abs. 1 VwGG 1952 verwehrt, auf dieses als unzulässige Neuerung zu wertendes Vorbringen einzugehen.
Anders verhält es sich mit jenen Darlegungen des Beschwerdeführers, die unter Hinweisrauf § 17 der VLBO das Fehlen statischer Berechnungen bemängeln. Eine dahin zielende Verfahrensrüge findet sich schon in den Verwaltungsakten, weshalb sich der Gerichtshof mit dem betreffenden Beschwerdevorbringen auseinanderzusetzen hatte. § 17 Abs. 1 lit. d der VLBO, normiert, daß für Eisen- und Eisenbetonkonstruktionen sowie für sonstige besondere Ausführungsarten statische Berechnungen beizubringen sind. Für alle anderen Bauteile steht es der Behörde gemäß Abs. 2 der gleichen Gesetzesstelle frei, derartige Berechnungen zu verlangen, wenn sie solcher zum Zweck der Bildung eines klaren Urteiles über den Bau bedarf. Nun ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, wenn er darauf hinweist, daß sich schon aus Punkt 3 der Auflagen des erstinstanzlichen Bescheides ergebe, daß Stahlbeton-(Eisenbeton-)konstruktionen vorgesehen seien; verpflichtet doch diese Auflage u. a. den Bauwerber, Stahlbetonteile entsprechend der ÖNORM B 4200 herzustellen. Auch der Baubeschreibung ist zu entnehmen, daß solche Bauteile (z. B. das Flachdach des Nebentraktes) geplant sind. Der Verzicht auf Beibringung statischer Berechnungen entsprach daher objektiv gesehen nicht dem Gesetz. Zur Aufhebung des in Beschwerde gezogenen Bescheides aber konnte dieser Mangel deshalb nicht führen, weil es Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes ist, zu prüfen, ob der vor ihm bekämpfte Bescheid den Beschwerdeführer in einem Recht verletzt hat. Dies ist aber aus folgenden Erwägungen nicht der Fall: Der Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung (z, B. Erkenntnis vom , Slg.N. F. Nr. 3600/A) daran festgehalten, daß subjektive öffentliche Rechte nur aus solchen baurechtlichen Vorschriften abgeleitet werden können, die als besondere Schutzmaßnahmen dem Schutze des nachbarlichen Eigentums dienen. Nun kann zwar grundsätzlich ein Anrainer auch dadurch in der Wahrung seiner subjektiven öffentlichen Rechte behindert sein, daß bestimmte, durch das Gesetz geforderte Unterlagen durch den Bauwerber nicht beigebracht werden und die Behörde auch nicht für die nachträgliche Beischaffung dieser Unterlagen Sorge trägt, Voraussetzung hiefür ist es jedoch, daß es sich um Unterlagen handelt, denen solche Aspekte des Bauvorhabens entnommen werden müssen, die für dessen Beurteilung auf seine mögliche Beeinflussung der durch öffentlich-rechtliche Normen geschützten Rechtssphäre des Anrainers maßgeblich sind. Als solche Unterlagen kommen aber statische Berechnungen deshalb nicht in Betracht, weil, wie der Gerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom , Zl. 3174/58, ausgesprochen und näher begründet hat, die Vorschriften über die Standfestigkeit eines Bauwerkes nicht zu jenen Rechtsnormen gehören, aus denen den Nachbarn subjektive öffentliche Rechte erwachsen. Der Gerichtshof verweist in diesem Zusammenhang auf Art. 19 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung. Die Einrede des Mangels ausreichender statischer Ausweise ist demnach unzulässig und wäre durch die belangte Behörde nicht ab-, sondern zurückzuweisen gewesen. Dadurch, daß dies nicht geschah und die Einwendung als unbegründet abgewiesen worden ist, konnte der Beschwerdeführer aber nicht in einem Recht verletzt werden.
Als Begründungsmangel rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe zwar festgestellt, daß das Ausmaß der Dachvorsprünge den Plänen eindeutig zu entnehmen sei, befasse sich aber nicht mit der Frage, ob durch diese nicht „der Abstand“ (gemeine ist offenbar der von seiner Grundgrenze) verletzt werde. Der Verwaltungsgerichtshof vermag darin einen Begründungsmangel nicht zu erblicken. Gemäß § 9 Abs. 1 dritter Satz VLBO ist nur dann ein größerer Abstand von der Nachbargrenze einzuhalten, wenn ein Dachvorsprung mehr als 0,75 m beträgt. Bei dieser klaren Rechtslage bedurfte es einer speziellen Begründung für die Annahme, der Seitenabstand sei mit Rücksicht auf den Machvorsprung nicht zu vergrößern, nicht. Auch der behauptete Begründungsmangel ist daher der belangten Behörde nicht unterlaufen.
Gegen den Bescheid der Gemeindevertretung von E vom , mit welchem Abstandsnachsicht „bis auf 5 m“ von der Nachbargrenze des Beschwerdeführers erteilt worden war, wendet er sich mit der Behauptung, der Inhalt dieses Dispensbescheides gebe zu Zweifeln Anlaß. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß sich der Umfang der mit diesem Bescheid gewährten Ausnahmebewilligung ihrem Wortlaut nicht entnehmen ließe oder daß der Bescheid etwa mehrdeutig sei. Eine Abstandsnachsicht „bis auf 5 m“ kann nach dem natürlichen Sprachgebrauch nichts anderes bedeuten, als daß das Gebäude nicht näher als 5 m an die Grenze herangerückt werden darf. Im übrigen schützt den Beschwerdeführer, wie auch die belangte Behörde richtig erkannt hat, gegen die von ihm als denkbar bezeichnete und befürchtete andere Auslegung, nämlich, daß auch ein Abstand von 2 m ausreiche, der Konsensplan, in dem ein »stand von 5,5 m koten-mäßig festgehalten ist.
Die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit sucht der Beschwerdeführer ferner aus der Erwägung abzuleiten, die beiden vorgesehenen Klärgruben seien wegen der beabsichtigten Einleitung der Fäkalien in diese den Abortgruben gleichzuhalten, weshalb in der Nichteinhaltung des für Abortgruben 2 m betragenden gesetzlichen Abstandes eine Verletzung der Vorschrift des § 43 Abs. 3 zweiter Satz VLBO gelegen sei. Was der Beschwerdeführer der belangten Behörde hier zum Vorwurf macht, ist demnach ihre Weigerung, die zitierte Bestimmung, die zweifellos auch einen Schutz des Nachbarn im Auge hat, im Wege der Analogie auch auf Klärgruben anzuwenden. Nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes wäre dieser Vorwurf mit Rücksicht darauf, daß die Klärgruben auch Fäkalien aufnehmen sollen, dann nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, wenn die Vorarlberger Landesbauordnung keine besonderen Bestimmungen über Klärgruben enthielte. Dies trifft jedoch nicht zu. § 43 Abs. 4 des angeführten Gesetzes stellt die Abortgruben den Klärgruben ausdrücklich gegenüber. Diese Unterscheidung hat ihre Ursache in der verschiedenen Funktion, die diese Anlagen zu versehen haben. Während Klärgruben zur Reinigung der Abwässer vor ihrer Einleitung in einen Vorfluter oder vor ihrer Versickerung, bestimmt sind, dienen Abortgruben allein der Aufnahme von Fäkalien. Es liegt daher weder überhaupt eine Gesetzeslücke vor, die im Wege der Analogie geschlossen werden müßte und dürfte, noch ist die für die Zulässigkeit der Analogie erforderliche Rechtsähnlichkeit gegeben. Für die in diesem Zusammenhang „hilfsweise“ geltend gemachte Aktenwidrigkeit aber ist der Beschwerdeführer jede Begründung schuldig geblieben.
Ein weiterer Gesichtspunkt, unter dem der Beschwerdeführer gegen die erteilte Baubewilligung zu Felde zieht, ist die behauptete Verletzung seiner Rechte durch die Einleitung von Abwässern in den Hubermühlebach. Diese - zugegebenermaßen wasserrechtsbehördlich bewilligte - Einleitung bedürfe, so vermeint der Beschwerdeführer, einer Überprüfung auch durch die Baubehörde „unter eigenen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten“. Der Gerichtshof vermag nicht zu erkennen, welche „eigenen Gesichtspunkte“ dem Beschwerdeführer vorgeschwebt haben mögen; was er hiezu an konkreten Bedenken und Einwendungen vorgebracht hat - Verunreinigung eines Gewässers, das aus verschiedenen Gründen reingehalten werden sollte - gehört zur Gänze dem Normenkomplex des Wasserrechtes an. Die belangte Behörde hat daher eine meritorische Behandlung dieser Einwendungen mit Recht abgelehnt. Daran ändert auch die Aufnahme einer „Bedingung“ in den Baubewilligungsbescheid nichts, die an die Verpflichtung zur Einhaltung der im wasserrechtsbehördlichen. Genehmigungsbescheid enthaltenen Auflagen erinnert. Eine weitergehende Rechtswirkung kommt nämlich dieser „Bedingung“ nicht zu. Die Beiziehung von „Sachverständigen aus dem medizinischen und wasserrechtlichen Fach“ war bei dieser Rechtslage nicht erforderlich, weshalb auch der in der Unterlassung einer solchen Verfügung erblickte Verfahrensmangel nicht vorliegt.
Die Forderung nach Ersatz des dem Beschwerdeführer aus der Bauführung etwa erwachsenden Schadens schließlich hat die belangte Behörde als unzulässig zurückgewiesen und nicht, wie dies hinsichtlich unbehobener, auf Privatrechte sich stützender Einwendungen im § 25 Abs. 2 VLBO vorgesehen ist, auf den Rechtsweg verwiesen. Die Begründung des bekämpften Bescheides läßt nicht erkennen, was die belangte Behörde hiezu veranlaßt hat. In der Gegenschrift wird auf das hieher gehörige Beschwerdevorbringen erwidert, das Verlangen nach Schadenersatz stelle keine dem Gesetz entsprechende Einwendung dar, da hiemit nicht die Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechtes geltend gemacht werde. Der Gerichtshof wertet dieses Vorbringen in der Weise, daß er annimmt, die belangte Behörde habe aus der Formulierung der Schadenersatzforderung (Antrag, „dem Bauwerber die Vorschreibung aufzuerlegen, für alle Nachteile, die dem Berufungswerber aus dieser Bauführung erwachsen, ihn schadlos- und klaglos zu halten ,..“) abgeleitet, der Beschwerdeführer berufe sich auf Normen. öffentlichen Rechtes. Da die Schadenersatzforderung ferner nur im Zusammenhang mit den in Wahrheit dem Wasserrecht zugehörigen Einwendungen vorgebrächt worden war und überdies im .Bereiche des im Bundesland Vorarlberg geltenden Baurechtes keine Vorschrift besteht, die als Rechtsgrundlage dieser Forderung nach Schadenersatz in Betracht käme, kann der belangten Behörde auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, daß der Beschwerdeführer seinen Anspruch aus Normen des Wasserrechtes ableiten wollte. Erblickte aber die belangte Behörde in dieser Einwendung eine solche, die sich zwar auf öffentliches Recht, nicht aber auf eine durch sie selbst zu vollziehende form stützt, so hat sie nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie diese Einwendung ebenso als unzulässig zurückwies, wie dies hinsichtlich der übrigen, die Einmündung der Abwässer in den H Bach betreffenden Einwendungen geschehen ist.
Da sich die Beschwerde sohin als in jeder Richtung unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 abzuweisen.
Wien, am
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Normen | |
Schlagworte | Abortgrube Bauwerk Dokumente, Baubewilligung, Nachbar, Nichtbeischaffung Parteiengehör |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1963:1961002027.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAF-57906