VwGH 23.03.1979, 2019/79
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Norm | StVO 1960 §20 Abs2; |
RS 1 | Es muß den zur Wahrnehmung der Vorgänge im öffentlichen Straßenverkehr, insbesondere zur Überwachung der Einhaltung der verkehrspolizeilichen Vorschriften bestellten und geschulten Organen der Sicherheitswache zugebilligt werden, daß sie sich darüber ein Urteil zu bilden vermögen, ob ein Fahrzeug mit normaler oder ungewöhnlicher Geschwindigkeit fährt. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0614/52 E VwSlg 2572 A/1952 RS 1
(Hinweis E , 81/73, Kennzeichennummer, Wagentype, Farbe). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Draxler, DDr. Hauer, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde des FB in W, vertreten durch Dkfm. Dr. Heinrich Jandl, Rechtsanwalt in Wien I, Landesgerichtsstraße 6, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 64- 32/78/Str., betreffend Übertretung der Bauordnung für Wien, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4./5. Bezirk vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Eigentümer der Liegenschaft Wien 4, W-gasse 1-5, in der Zeit vom bis mindestens nicht für die Erhaltung seiner Baulichkeit in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung für Wien entsprechendem Zustand gesorgt, da er es unterlassen habe, die gegen die vier Lichthöfe gerichteten Außenflächen sowie das gegen den Lichthof gerichtete Dachbodenfenster im Hause 4, W-gasse 3, instandzusetzen oder erneuern zu lassen. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien begangen. Gemäß § 135 Abs. 1 leg. cit. wurde gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzarreststrafe von vier Tagen) verhängt.
Die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz nahm den zur Last gelegten Sachverhalt auf Grund von Erhebungen der Baubehörde als erwiesen an. Zur Rechtfertigung des Beschwerdeführers, er habe auf Grund von widerwärtigen Umständen erst am ein Verfahren nach § 7 des Mietengesetzes einleiten können, wurde in der Begründung des Straferkenntnisses im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe nicht ernstlich vorbringen können, daß er fast eineinhalb Jahre gebraucht habe, um die Widerwärtigkeiten zu beseitigen. Er hätte sich rechtzeitig über die Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit des Abbruches informieren und rechtzeitig bei der Schlichtungsstelle, wenn eine Zinsreserve nicht mehr vorhanden gewesen sei, einkommen müssen.
In seiner dagegen eingebrachten Berufung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, es sei unrichtig, ihm sein Verhalten vom bis zur Last zu legen, weil ihm mit Bescheid der Baubehörde vom für die gegenständlichen Arbeiten eine Frist von zwölf Monaten nach Rechtskraft des Bescheides zur Instandsetzung gesetzt worden sei. Diese Frist sei erst am abgelaufen. In dieser Zeit sei daher ein deliktisches Verhalten seinerseits auszuschließen. Richtig sei, daß der Antrag nach § 7 des Mietengesetzes erst am gestellt worden sei. Die Beschaffung der Kostenvoranschläge und die Aufstellung der siebenjährigen Mietzinsreserve habe eine mehrmonatige Verzögerung gerechtfertigt. Im Hinblick auf die Länge des durchzuführenden § 7 Verfahrens wäre er auch bei prompter Stellung des Antrages nach § 7 des Mietengesetzes gar nicht in der Lage gewesen, bis zum die Voraussetzungen zur Durchführung der Arbeiten zu schaffen.
Mit Bescheid vom bestätigte die Wiener Landesregierung das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe, daß im ersten Satz des Spruches das Wort "mindestens" zu entfallen hat.
Zur Begründung führte die Berufungsbehörde im wesentlich aus, die Verpflichtung zur Instandsetzung eines Gebäudes sei bereits im Gesetz selbst, nämlich im § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien verankert, sodaß es zur Begründung dieser Verpflichtung keines baupolizeilichen Auftrages bedürfe. Eine Übertretung der Instandhaltungspflicht liege daher auch dann vor, wenn die Erfüllungsfrist des auf die Beseitigung der festgestellten Baugebrechen gerichteten baupolizeilichen Auftrages noch nicht abgelaufen sei. Eine Übertretung des § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien sei ein Ungehorsamsdelikt. Bei einem solchen treffe gemäß § 5 Abs. 1 VStG 1950 den Täter allgemein die Beweislast dafür, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei, bei einer Übertretung des § 129 im besonderen die Beweislast dafür, daß er alles in seinen Kräften Stehende unternommen habe, um das Baugebrechen innerhalb kürzester Frist zu beseitigen. Unter Bedachtnahme auf den von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gesetzten Maßstab sei dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall, in dem er spätestens durch Erhalt des Bauauftrages vom am vom Vorliegen der gegenständlichen Baugebrechen Kenntnis erlangt, trotzdem aber einen Antrag nach § 7 des Mietengesetzes erst am bei der Schlichtungsstelle eingebracht habe, der Entlastungsbeweis nicht gelungen; damit sei auch durch den Verweis des Beschwerdeführers auf die lange Dauer des behördlichen Verfahrens für seinen Standpunkt nichts gewonnen. Die Berufungsbehörde vermöge somit hinsichtlich des Schuldspruches zu keiner anderen Entscheidung als die erste Instanz zu gelangen. Ein Eingehen auf die Beweisanträge des Beschwerdeführers (Aktenbeischaffung) erübrige sich, da die diesbezüglichen Berufungsausführungen (Bestehen einer Erfüllungsfrist bis , Einbringen des Antrages nach § 7 des Mietengesetzes am und nachfolgende lange Dauer des Schlichtungsverfahrens) von der Berufungsbehörde ohnedies nicht in Zweifel gezogen würden.
Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer, wie dem Inhalt der Beschwerde zu entnehmen ist, in seinem Recht nicht bestraft zu werden, verletzt erachtet.
Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer behauptet, die belangte Behörde habe ihm irrigerweise ein Verschulden zur Last gelegt, weil sie davon ausgegangen sei, er habe nicht alles in seinen Kräften Stehende unternommen, um die Baugebrechen innerhalb kürzester Frist zu beseitigen. Die im Zuge des Berufungsverfahrens angebotenen Beweise - Beischaffung des Aktes der Schlichtungsstelle - seien von der Behörde nicht durchgeführt worden; die belangte Behörde habe sich ohne Aufnahme der beantragten Beweise auf den Standpunkt gestellt, dem Beschwerdeführer sei der erforderliche Entlastungsbeweis nicht gelungen. Aus dem Akt der Schlichtungsstelle wären aber erst die Komplexität des Verfahrens nach § 7 des Mietengesetzes sowie die in ihrer Aufwendigkeit geradezu einmalig dastehenden Vorarbeiten für dieses Verfahren ersichtlich gewesen. Auch hätte sich aus dem beizuschaffenden Akt der Schlichtungsstelle die tatsächliche Dauer dieses Verfahrens ergeben, sodaß erwiesen sei, daß der Beschwerdeführer - der im übrigen, soweit es ihm möglich gewesen sei, seiner Instandhaltungspflicht prompt nachgekommen sei - außerstande gewesen sei, die Finanzierung des baubehördlichen Auftrages zeitgerecht zu bewerkstelligen. Dazu komme, daß die Bestimmung des § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien nicht "formalistisch" interpretiert werden dürfe.
Zunächst ist diesem Vorbringen - wie auch die belangte Behörde zutreffend in ihrer Gegenschrift bemerkt hat - entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer nicht wegen der Nichterfüllung eines Bauauftrages, sondern wegen der Verletzung seiner unmittelbar im § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien verankerten Instandhaltungspflicht bestraft worden ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Verwaltungsübertretung nach dieser Gesetzesstelle um ein Ungehorsamsdelikt. Es zieht daher zufolge § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG 1950 schon das bloße Nichterfüllen der Instandhaltungsverpflichtung die Strafe nach sich, wenn der Eigentümer nicht beweist, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen ist. Dieser Entlastungsbeweis kann nur dann als erbracht angesehen werden, wenn der Beschwerdeführer alles in seinen Kräften Stehende unternommen hat, um das Baugebrechen in kürzester Frist zu beseitigen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 433/80, und die dort zitierte Vorjudikatur). Hiebei ist davon auszugehen, daß diese Frist ab zumutbarer Kenntnis des Baugebrechens zu messen ist.
Wie schon in der vorstehenden Sachverhaltsdarstellung ausgeführt worden ist, hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer für schuldig erkannt, in der Zeit vom bis die Behebung der in Rede stehenden Baugebrechen unterlassen zu haben, sodaß auf dem Boden der oben wiedergegebenen Rechtslage zu prüfen ist, ob die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen durfte, der Beschwerdeführer habe während des Tatzeitraumes nicht alles in seinen Kräften Stehende unternommen, um diese Baugebrechen zu beseitigen. Entsprechend dem von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegten - vom Beschwerdeführer auch nicht bestrittenen - Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wurden die im Straferkenntnis vom erwähnten Baugebrechen während des Tatzeitraumes nicht behoben. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Einleitung des Verfahrens nach § 7 des Mietengesetzes wurde - wie der Beschwerdeführer selbst angegeben hat - erst am , also nach dem im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Tatzeitraum, eingebracht. Der Beschwerdeführer hatte spätestens ab Zustellung des Bescheides vom am - welcher Feststellung der belangten Behörde der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht entgegengetreten ist - Kenntnis von den in Rede stehenden Baugebrechen.
Für die Beurteilung der Verschuldensfrage entscheidend ist daher, ob der Beschwerdeführer mit der Einbringung des Antrages auf Einleitung des Verfahrens nach § 7 des Mietengesetzes bei der Schlichtungsstelle rund eineinhalb Jahre, nachdem er vom Baugebrechen Kenntnis erlangt hatte, alles in seinen Kräften Stehende getan hat, um die Baugebrechen zu beseitigen. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist die belangte Behörde im Recht, wenn sie aus der Einbringung des Antrages nach § 7 des Mietengesetzes erst nach diesem langen Zeitraum die schuldhafte Säumnis des Beschwerdeführers gefolgert hat. Ein derart langer Zeitraum kann durch die Schwierigkeiten bei der Erstellung der Mietzinsabrechnung und der sonstigen Vorarbeiten nicht erklärt werden.
Die behauptete Komplexität und Länge des vom Beschwerdeführer erst nach dem ihm zur Last gelegten Tatzeitraum eingeleiteten Verfahrens nach § 7 des Mietengesetzes ist - wie auch die belangte Behörde zutreffend bemerkt hat - für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Einleitung des Verfahrens nach § 7 des Mietengesetzes belanglos und auch nicht beweisbedürftig. Die belangte Behörde war daher auch nicht verpflichtet, den vom Beschwerdeführer angezogenen Akt der Schlichtungsstelle des Magistrates der Stadt Wien beizuschaffen. Der Verwaltungsgerichthof vermag auch nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde, hätte sie diesen Akt beigeschafft, zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Maßgeblich ist auch nicht - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers -, ob der Beschwerdeführer tatsächlich in der Lage war, die Finazierung der Arbeiten zur Behebung der Baugebrechen innerhalb des Tatzeitraumes zu bewerkstelligen, sondern ob er innerhalb dieses Tatzeitraumes alles in seinen Kräften Stehende unternommen hat, um eine solche Finanzierung sicherzustellen. Im übrigen handelt es sich bei der Vorschrift des § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien um eine Regelung, mit der die Instandhaltungsverpflichtung der Hauseigentümer allgemein festgelegt ist, weshalb die Ausführungen über die Unzulässigkeit einer "formalistischen" Interpretation dieser Bestimmung verfehlt erscheinen.
Die belangte Behörde hat daher nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie den Entlastungsbeweis nicht als erbracht angesehen hat.
Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff leg. cit. in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | StVO 1960 §20 Abs2; |
Schlagworte | Feststellen der Geschwindigkeit |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1979:1979002019.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAF-57859