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VwGH 30.10.1973, 2017/72

VwGH 30.10.1973, 2017/72

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
BauO Wr §9 Abs1;
RS 1
Ausführungen zum Begriff "Frontrecht" im Sinne des § 9 Abs 1 BO für Wien.
Norm
GaragenG Wr 1957 §5;
RS 2
Welche Auswirkungen ein Garagenbau auf dem öffentlichen Verkehr, insbesondere auf öffentliche Verkehrsflächen haben werde, ist eine Frage, die die Baubehörde von Amtswegen zu prüfen hat, und zwar im Hinblick auf die allgemeine Sicherheit, die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs. Ein subjektives öffentliches Recht des Nachbarn etwa in der Richtung, daß vor der Ausfahrt seiner Liegenschaft der Verkehr auf der öffentlichen Verkehrsfläche keine Steigerung erfahren dürfe, enthält § 5 Wr. Garagengesetz nicht, noch läßt sich ein solcher Anspruch aus irgendeiner anderen für Wien geltenden Rechtsvorschrift ableiten. (Hinweis auf E vom , Zl. 0111/67 und vom , Zl. 0730/72)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Striebl und die Hofräte Dr. Rath, Dr. Leibrecht, Dr. Hrdlicka und Dr. Straßmann als Richter, im Beisein des Schriftführers Ministerialoberkommissär Dr.Gancz, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. JH in W, vertreten durch Dr. Franz Wilfing, Rechtsanwalt in Wien VI, Gumpendorferstraße 15, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MDR-B IV-10/72, betreffend Abweisung von Anrainereinwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: HG, JL und ML, alle in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

HG, JL und ML, die Mitbeteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, hatten durch ihren Bevollmächtigten, Dr. Ferdinand Parschik, beim Magistrat der Stadt Wien die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung nach § 70 der Bauordnung für Wien in Verbindung mit dem Wiener Garagengesetz für die Errichtung eines Bürogebäudes mit sechs Hauptgeschossen, einem zum Teil ausgebauten Dachgeschoß sowie einer Großgarage auf der ihnen gehörenden Liegenschaft EZ. n1 des Grundbuches der Katastralgemeinde Wieden beantragt. Der Beschwerdeführer als Eigentümer der benachbarten Liegenschaft EZ. n2 des Grundbuches der Katastralgemeinde Wieden wandte bei den hierüber durchgeführten mündlichen Verhandlungen ein, daß die geplante Garage ein großer Verkehrserreger sein würde, Stauungen an der Einmündung zur Wiedner Hauptstraße zu erwarten seien und dadurch eine Behinderung seines eigenen Garagenbetriebes möglich wäre.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien - MA 36 vom wurde den Mitbeteiligten gemäß § 70 und gemäß der Erleichterung nach § 8 Abs. 2 der Bauordnung für Wien sowie in Anwendung des Wiener Garagengesetzes, LGBl. für Wien Nr. 22/1957, auf Grund der Zustimmung des Gemeinderatsausschusses IX vom , Zl. GRA IX Z 63, nach den mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Plänen die Bewilligung erteilt, auf der Liegenschaft EZ. n1 des Grundbuches der Katastralgemeinde Wieden, ein Bürogebäude mit sechs Hauptgeschossen und einem zum Teil ausgebauten Dachgeschoß sowie einer Großgarage errichten zu lassen. Unter einem wurde die Bauführung in öffentlich-rechtlicher Beziehung für zulässig erklärt. Die Einwendung des Beschwerdeführers wurde als im Gesetz nicht begründet abgewiesen. Begründet wurde diese Abweisung damit, daß das gegenständliche Projekt in verkehrstechnischer Hinsicht überprüft und nach den derzeit geltenden Erfahrungen der technischen Wissenschaften entsprechend beurteilt worden sei.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung führte der Beschwerdeführer aus, die Frequenz einer zweiten Garage neben der bereits bestehenden (des Beschwerdeführers), würde in einem so kurzen und einspurigen Straßenstück infolge Einmündung in eine Hauptverkehrsader zu enorm behindernden Verkehrsstauungen führen, sodaß eine Garagenzu- bzw. -abfahrt nahezu unmöglich wäre. Es würden hiemit Fakten geschaffen, die im eklatanten Gegensatz stünden zu den von der Geschäftsgruppe VI des Magistrates der Stadt Wien geforderten Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrsflüssigkeit und der damit verbundenen Eindämmung der Abgas- und Lärmentwicklung. Da in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides den Einsprüchen des Berufungswerbers keinerlei entkräftigende Argumente entgegengesetzt, sondern nur unbewiesene Behauptungen hinsichtlich einer verkehrstechnischen Überprüfung nach den derzeit geltenden Erfahrungen der technischen Wissenschaften aufgestellt worden seien, werde der Antrag, den Bescheid im Hinblick auf die Errichtung einer Garage aufzuheben, vollinhaltlich aufrechterhalten.

Mit dem nun beim Verwaltungsgerichtshof mit Beschwerde angefochtenen Bescheid vom gab die Bauoberbehörde für Wien der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Zur Begründung des Bescheides wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der Nachbar in einem Baubewilligungsverfahren nur die Verletzung jener Bestimmungen der Bauordnung mit Erfolg geltend machen könne, die auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen würden. Es sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall die Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten nicht geltend gemacht habe. Die Auswirkung eines Garagenneubaues auf den öffentlichen Verkehr habe nämlich die Baubehörde in einem Baubewilligungsverfahren zwar von Amts wegen zu prüfen, jedoch könne nicht davon ausgegangen werden, daß Anrainer oder Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht darauf hätten, daß die Erteilung einer Baubewilligung wegen allfälliger ungünstiger Auswirkungen eines Bauvorhabens auf die Verkehrsverhältnisse im Bereiche öffentlicher Verkehrsflächen unterbleiben würde. Das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch in der Berufung sei nicht auf eine unmittelbare Belästigung durch die geplante Anlage, sondern vielmehr auf eine verstärkte Belästigung durch den infolge der Errichtung der Anlage zunehmenden Straßenverkehr bezogen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Beschwerdepunkt ist ausschließlich die Behauptung, daß der Beschwerdeführer durch die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung an die Mitbeteiligten bzw. Abweisung seiner Anrainereinwendungen in dem "Frontrecht" seiner eigenen Liegenschaft verletzt werde.

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Unter dem "Frontrecht" versteht die Bauordnung für Wien im § 9 Abs. 1 - wie der Beschwerdeführer richtig vorbringt -, daß die Baulinie das Recht gebe, den anliegenden Baugrund nach Maßgabe der Bestimmungen dieser Bauordnung zu bebauen, an ihr Ausfahrten, Ausgänge, Fenster und vor ihr Anschlüsse an die in den Verkehrsflächen liegenden Leitungen sowie die nach § 86 Abs. 1 zulässigen Vorbauten herzustellen. Dieses Recht ist an sich, wie vom Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Entscheidungen bestätigt worden ist, ein subjektives öffentliches Recht, das auch der Nachbar geltend machen kann. Inhalt dieses Frontrechtes ist aber lediglich, daß vor der eigenen Liegenschaft Ausgänge und Ausfahrten gegen die öffentliche Verkehrsfläche, sofern sie bereits erwirkt worden sind, erhalten bleiben, ferner die Anordnung von Fenstern gegen die öffentliche Verkehrsfläche und der Bezug von Licht und Luft. Weder aus den Verwaltungsakten noch aus der Beschwerde ist zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer durch das Bauvorhaben der Mitbeteiligten in diesem Recht in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden würde. Er brachte in dieser Hinsicht auch im Baubewilligungsverfahren keinerlei Einwendungen vor. Geltend machte er einzig und allein, daß mit der Errichtung einer weiteren Großgarage - neben seiner eigenen schon bestehenden - in der X-gasse eine größere Verkehrsbelastung entstehen werde und dadurch eine Behinderung des Betriebes der eigenen Garage - offenbar bei der Zu- und Ausfahrt - entstehen werde. Welche Auswirkungen aber ein Garagenneubau auf den öffentlichen Verkehr, insbesondere auf öffentliche Verkehrsflächen haben werde, ist eine Frage, die die Baubehörde nach § 5 des Wiener Garagengesetzes von Amts wegen zu prüfen hat, und zwar im Hinblick auf die allgemeine Sicherheit, die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs. Ein subjektives öffentliches Recht des Nachbarn etwa in der Richtung, daß vor der Ausfahrt seiner Liegenschaft der Verkehr auf der öffentlichen Verkehrsfläche keine Steigerung erfahren dürfe, enthält diese Gesetzesbestimmung nicht, noch läßt sich ein solcher Anspruch aus irgendeiner anderen für Wien geltenden Rechtsvorschrift ableiten. (Vgl. hiezu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 111/67, und vom , Zl. 730/72, auf die unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965 verwiesen wird.)

Die Baubehörde erster Instanz und die belangte Behörde hätten daher richtigerweise die vom Beschwerdeführer bei der Bauverhandlung erhobene Einwendung als unzulässig zurückweisen müssen. Dadurch, daß die Einwendung stattdessen abgewiesen wurde, ist der Beschwerdeführer jedoch in einem Rechte nicht verletzt worden.

Da sich die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 sowie auf Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 427/1972.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BauO Wr §9 Abs1;
GaragenG Wr 1957 §5;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1973:1972002017.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
JAAAF-57834