VwGH 24.06.1964, 2017/63
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | StbG 1949 §8 Abs1 Satz2 StbG 1949 §9 Abs1 Z1 |
RS 1 | Gibt eine Österreicherin eine Erklärung nach Art II des Dritten Gesetzes zur Regelung der Fragen der (deutsche) Staatsangehörigkeit vom , Deutsches BGBl I Seite 1251 ab, so tritt der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft gem § 9 Abs 1 Z 1 StbG unbeschadet des Umstandes ein, dass ihr gem § 8 Abs 1 2. Satz dieses Gesetzes die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall der Erwerbung der deutschen Staatsbürgerschaft durch Verehelichung mit einem deutschen Staatsangehörigen bewilligt worden war. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Porias, und die Hofräte Dr. Härtel, Dr. Dolp, Dr. Skorjanec und Dr. Brunner als Richter, im Beisein der Schriftführer, Ministerialoberkommissärs Dr. Svoboda und prov. Finanzkommissärs Dr. Blaschek, über die Beschwerde der HR in D/Oberbayern, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ia 435/5-1963, betreffend Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Richard Staudinger, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen:
Begründung
Die Beschwerdeführerin, geboren am und durch Abstammung österreichische Staatsbürgerin, gab mit der an das Amt der Tiroler Landesregierung gerichteten Eingabe vom bekannt, daß sie beabsichtige, den deutschen Staatsbürger RR zu ehelichen. Da sie durch diese Verehelichung ihre österreichische Staatsbürgerschaft verliere, ersuche sie um Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Mit dem Bescheid der Tiroler Landesregierung vom wurde der Beschwerdeführerin unter Berufung auf § 8 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1949 die Bewilligung zur Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall der Erwerbung der deutschen Staatsbürgerschaft durch Verehelichung mit dem deutschen Staatsangehörigen RR erteilt.
Am ersuchte das österreichische Generalkonsulat in München das Amt der Tiroler Landesregierung um bescheidmäßige Feststellung, ob die Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft besitze. Zur Begründung wurde angeführt, daß die Beschwerdeführerin zwar den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom vorgelegt habe, daß jedoch zum Zeitpunkt der Eheschließung () ein automatischer Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Verehelichung nicht mehr möglich gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe vielmehr im Jahre 1958 durch Abgabe einer Erklärung die deutsche Staatsbürgerschaft rückwirkend zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung erworben. In einer Stellungnahme der Beschwerdeführerin zu diesem Antrag des österreichischen Generalkonsulates in München verwies sie auf eine Eintragung des Landratsamtes in Dachau vom in ihrem österreichischen Reisepaß, die folgenden Wortlaut hat:
„Paßinhaberin hat durch die Eheschließung mit dem deutschen Staatsangehörigen RR auch die deutsche Staatsangehörigkeit erworben und ist nicht aufenthaltserlaubnispflichtig.“
Auf Grund einer Anfrage des Amtes der Tiroler Landesregierung teilte das österreichische Generalkonsulat in München in der Folge mit, daß die Beschwerdeführerin die deutsche Staatsangehörigkeit nicht automatisch durch die Eheschließung, sondern erst im Jahre 1958 durch eine beim Landratsamt in Dachau abgegebene Erklärung gemäß Art. II Abs. 2 des Dritten Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom , DBGBl. I S. 1251, mit Rückwirkung zum Zeitpunkt der Eheschließung am erworben habe. Auf Grund dieser Stellungnahme stellte die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid unter Berufung auf § 13 StbG 1949 fest, daß die Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 StbG 1949 verloren habe. In der Begründung wurde ausgeführt, daß der Beschwerdeführerin zwar mit Bescheid der belangten Behörde vom die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall der Erwerbung der deutschen Staatsangehörigkeit durch Verehelichung mit dem deutschen Staatsangehörigen RR bewilligt worden sei; zu diesem Zeitpunkt sei jedoch bereits § 6 des (deutschen) Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes 1913, kraft dessen eine Ausländerin durch Verehelichung mit einem deutschen Staatsbürger ex lege die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe, mit Wirksamkeit vom durch Art. 117 des Bonner Grundgesetzes als verfassungswidrig außer Kraft gesetzt worden. Die Beschwerdeführerin habe sohin erst im Jahre 1958 durch eine vor dem Landratsamt in Dachau abgegebene Erklärung die deutsche Staatsangehörigkeit rückwirkend zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung erworben und dadurch die österreichische Staatsbürgerschaft durch Ausbürgerung verloren.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949, BGBl. Nr. 276/1949, verliert die österreichische Staatsbürgerschaft durch Ausbürgerung, wer eine fremde Staatsbürgerschaft erwirbt. Da der Beschwerdeführerin die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft nur für den Fall der Erwerbung der deutschen Staatsbürgerschaft durch Verehelichung mit dem deutschen Staatsangehörigen RR gemäß § 8 Abs. 1 StbG 1949 bewilligt wurde, ist im vorliegenden Fall die Beantwortung der Frage streitentscheidend, ob die Beschwerdeführerin die deutsche Staatsangehörigkeit durch Verehelichung mit RL erworben hat oder nicht.
Nun bestimmt wohl § 6 des (deutschen) Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom in seiner ursprünglichen Fassung, daß durch die Eheschließung mit einem Deutschen die Frau die Staatsangehörigkeit des Mannes erwirbt. Fraglich war aber, ob diese Bestimmung nicht durch Art. 3 Abs. 2 („Männer und Frauen sind gleichberechtigt“) bzw. Art. 117 Abs. 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom mit Ablauf des außer Kraftgesetzt wurde, weil es in der zuletzt genannten Gesetzesstelle heißt, daß das dem Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes entgegenstehende Recht bis zu seiner Anpassung an diese Bestimmung des Grundgesetzes, jedoch nicht länger als bis zum in Kraft bleibt. Die Frage wurde vom Gesetzgeber durch Art. I des Dritten Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom (Deutsches BGBl. I S. 1251) authentisch gelöst, in dem es heißt, daß „an die Stelle der mit Ablauf des außer Kraft getretenen § 3 Nr. 3 und § 6 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom , (RGBl. S. 583)“ eine Neufassung des § 6 des vorgenannten Gesetzes tritt, die im vorliegenden Fall im einzelnen nicht wiedergegeben werden braucht, nach der aber die Frau durch die Eheschließung mit einem Deutschen die Staatsbürgerschaft nicht mehr erwirbt. In Art. II des Dritten Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit wurde bestimmt, daß Frauen, die, wie die Beschwerdeführerin, in der Zeit vom bis zum Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit als Ausländerinnen mit deutschen Staatsangehörigen die Ehe geschlossen haben, einen Anspruch auf Einbürgerung durch Erklärung besitzen; sie können innerhalb einer Ausschlußfrist von einem Jahr erklären, daß sie die deutsche Staatsangehörigkeit mit Rückwirkung vom Zeitpunkt der Eheschließung erwerben wollen. Von dieser Möglichkeit hat im vorliegenden Fall die Beschwerdeführerin im Jahre 1958 auch Gebrauch gemacht.
Aus den vorigen Ausführungen ergibt sich daher, daß die Beschwerdeführerin durch ihre am erfolgte Eheschließung die deutsche Staatsangehörigkeit nicht erworben hat, weil in diesem Zeitpunkt § 6 des (deutschen) Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes in seiner ursprünglichen Fassung nicht mehr in Kraft war. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß das Landratsamt Dachau vor der Erlassung des Dritten Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom , und zwar am , einen inhaltlich unrichtigen Vermerk in den österreichischen Reisepaß der Beschwerdeführerin eingetragen hat, sie habe durch die Eheschließung mit dem deutschen Staatsangehörigen RR die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Denn durch diesen formlosen Vermerk in einem österreichischen Paß durch einen Beamten des Landratsamtes Dachau wurde der Beschwerdeführerin keinesfalls die deutsche Staatsangehörigkeit verliehen oder über das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit in einer förmlichen und der Rechtskraft fähigen Weise abgesprochen. Schließlich geht auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N. F. Nr. 4484/A, fehl. In diesem Erkenntnis wurde ausgesprochen, daß bei einem „Erwerb“ einer fremden Staatsbürgerschaft im Sinne des § 9 Abs. 1 Z. 1 StbG 1949 grundsätzlich auch der Wille vorhanden sein muß, etwas zu erlangen; ein Erwerb einer fremden Staatsbürgerschaft im Sinne des § 9 Abs. 1 Z. 1 StbG 1949 mit der Rechtsfolge der Ausbürgerung wäre nach den weiteren Ausführungen in dem vorgenannten Erkenntnis dann nicht gegeben, wenn ein fremder Staat durch einseitigen Gesetzgebungsakt österreichische Staatsbürger wider ihren Willen zu fremden Staatsbürgern macht. Ein solcher Fall liegt aber nicht vor. Denn die Beschwerdeführerin hatte den Willen bzw. nahm in Kauf, die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben. Sie war aber nach ihrem Vorbringen der Meinung, die deutsche Staatsangehörigkeit bereits durch ihre Eheschließung und nicht erst durch ihre Erklärung im Jahre 1958 erworben zu haben. Bei dieser Sachlage kann nicht davon gesprochen werden, daß die Beschwerdeführerin gegen oder ohne ihren Willen durch einseitigen Akt eines fremden Staates die fremde Staatsbürgerschaft erworben habe. Daß aber die Beschwerdeführerin bei der zuständigen deutschen Behörde mit Erfolg geltend gemacht hätte, sie habe die Erklärung zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit irrtümlich abgegeben, sodaß sie die deutsche Staatsangehörigkeit dadurch nicht erworben habe, hat sie nicht behauptet.
Ist aber davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Eheschließung, sondern durch ihre Erklärung im Jahre 1958 erworben hat, dann hat sie gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 StbG 1949 die österreichische Staatsbürgerschaft verloren, weil ihr von der Tiroler Landesregierung nur die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall der Erwerbung der deutschen Staatsbürgerschaft durch Verehelichung mit dem deutschen Staatsangehörigen RR nach § 8 Abs. 1 StbG 1949 (und nicht nach § 9 Abs. 1 StbG 1949) bewilligt wurde.
Die Beschwerde war daher als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 abzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | StbG 1949 §8 Abs1 Satz2 StbG 1949 §9 Abs1 Z1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1964:1963002017.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAF-57832