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VwGH 11.06.1965, 2011/64

VwGH 11.06.1965, 2011/64

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Arbeiten, die normalerweise zum Erhaltungsaufwand zählen, gehören zum Herstellungsaufwand, wenn sie iZm umfangreichen Herstellungsarbeiten getätigt werden.

*

E , 2204/61 #2;
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2204/61 E RS 2 (Anmerkung: Diese Annahme wird auch durch ein Gutachten, demzufolge von dem gesamten Bauaufwand nur 1/4 auf haltbare und konstruktiv einwandfreie Bauteile, 3/4 hingegen auf solche mit einer geringeren als einer 75-jährigen Lebensdauer entfielen, nicht widerlegt.
Normen
RS 2
Aus der kürzeren Lebensdauer einzelner Bauteile eines Hauses kann nicht für das Haus als Ganzes eine Nutzungsdauer abgeleitet werden, die kürzer ist als die sich aus den konstruktiven (gemeint sicherlich: "konstruktiv einwandfreien") und haltbaren Bauteilen ergebende technische Gesamtnutzungsdauer.
Normen
RS 3
Daß einzelne Bauteile eines Hauses für sich betrachtet vielfach eine Lebensdauer haben, die kürzer ist als die technische Lebensdauer des Objektes, dessen Errichtung oder Einrichtung sie dienen, rechtfertigt nicht, diese Teile gesondert zu bewerten und nach ihrer kürzeren Lebensdauer abzuschreiben (Hinweis: Als Bauteile mit einer kürzeren Lebensdauer sind im Erkenntnis die Installationen, der Verputz, Türen und Fenster, die Fußböden, der Anstrich, die Malerei und die sanitären Einrichtungen angeführt).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Wasniczek, und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Schriftführers, Finanzoberkommissärs Dr. Jungwirth, über die Beschwerde des Dozenten Dr. JB in W, vertreten durch Dr. Hans Proksch, Rechtsanwalt in Wien III, Untere Viaduktgasse 55/11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat, vom , Zl. VI-2311/8/64, betreffend Einkommensteuer 1962, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Miteigentümer eines Mietwohnhauses in W. Das Haus wurde nach durch Kriegseinwirkung erfolgter Zerstörung in den Jahren 1959 und 1960 unter Zuhilfenahme von Mitteln des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds wiedererrichtet. In der für das Jahr 1962 eingebrachten Steuererklärung wurde die Absetzung für Abnutzung für das Objekt unter Zugrundelegung einer Restnutzungsdauer von 50 Jahren berechnet. Die sich daraus ergebenden Beträge wurden als Werbungskosten geltend gemacht. Das Finanzamt berechnete bei der Veranlagung für das genannte Jahr die AfA unter der Annahme einer Nutzungsdauer von 75 Jahren. In der dagegen erhobenen Berufung wurde, soweit es für die vorliegende Beschwerde von Interesse ist, auf die Berechnung der AfA in den Bilanzen der Vollkaufleute hingewiesen und ausgeführt, daß die Laufzeit des in Anspruch genommenen Darlehens von 75 Jahren mit der Abnutzungszeit nichts zu tun habe. Des weiteren wurde geltend gemacht, daß eine Restnutzungsdauer von 50 Jahren im gegenständlichen Fall deshalb berechtigt sei, weil der Neubau auf den alten Kellerräumen errichtet wurde und somit keineswegs eine längere Nutzungsdauer ohne erhebliche Instandsetzungsarbeiten zugrunde gelegt werden könne. Über Aufforderung der Behörde wurde weiters ein Gutachten, betreffend die Nutzungsdauer des Gebäudes, vorgelegt. In diesem Gutachten wird eine Baubeschreibung gegeben und ausgeführt, daß, um die Abnutzungsdauer zu beurteilen, das Bauwerk nach zwei Gesichtspunkten zu betrachten sei. Es enthalte einerseits haltbare und konstruktiv einwandfreie Bauteile, die nach menschlichem Ermessen zeitlang (75 Jahre) keiner Reparatur bedürfen, andererseits enthalte es Bauteile, die nach den Erkenntnissen neuzeitlicher Bauforschung in bezug auf Haltbarkeit und Anfälligkeit schon in kürzerer Zeit einer Auswechslung bzw. Generalreparatur bedürfen, entsprechend jener heutigen Entwicklungstendenz, welche auf Verschleiß und damit kurze Lebensdauer der Baustoffe hinziele (20 bis maximal 50 Jahre). Mit Rücksicht darauf seien die Baukosten im Hinblick auf die Nutzungsdauer in solche längerer Haltbarkeit und in solche der schnellen Abnutzung zu teilen. Folgende Erfahrungswerte seien der Schätzung zugrunde gelegt worden: Der Wert der Bauarbeiten im Verhältnis zu den Gesamtherstellungskosten betrage 52 % der Gesamtkosten und von diesen weiteren 46 % für die konstruktiven und haltbaren Bauteile (sämtliche konstruktive Mauern und Decken sowie Kanalisierung und Dachkonstruktion). 52 % der Herstellungskosten von S 1,250.000,-- ergebe einen Betrag von S 650.000,-- und davon 46 % für haltbare Bauteile mit 75jähriger Nutzungsdauer einen Betrag von S 300.000,--. Der Rest für anfällige Bauelemente wie Installationen, Verputz, Türen und Fenster samt Beschlag, Fußböden, Anstrich, Malerei, sanitäre Einrichtungsgegenstände für maximal 50 Jahre Nutzungsdauer ergebe einen Betrag von 950.000,--. Dazu wurde ergänzend zur Berufung ausgeführt, daß demnach 3/4 der Bauelemente in spätestens 50 Jahren abgenutzt und unbrauchbar seien und daher für das gesamte Gebäude eine Abnutzungsdauer von 50 Jahren dem Steuerverfahren zugrunde gelegt werden müsse. Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Im Hinblick auf die für die konstruktiven Teile des Hauses anzunehmende Nutzungsdauer stehe außer Zweifel, daß die Möglichkeit gegeben sei, die übrigen Teile des Hauses so instandzuhalten, daß eine Nutzung des Gebäudes für 75 Jahre technisch möglich sei. Aus dem Umstand allein, daß gewisse Teile des Hauses einer Instandhaltung bedürfen, zum Teil auch zur Gänze durch Teilelemente ersetzt werden müssen, könne nicht geschlossen werden, daß die Nutzungsdauer des Hauses verkürzt werde. Es sei allerdings zu prüfen, ob aus wirtschaftlichen Gründen derartige Instandsetzungsarbeiten in Zukunft unterbleiben werden, wodurch die Nutzungsdauer des Gebäudes verkürzt würde. Im Hinblick auf die Konditionen, unter denen das Darlehen des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds gewährt wurde, seien die im gegenständlichen Haus für die Laufzeit des Fondsdarlehens zu zahlenden Mieten wesentlich geringer als die Mieten, die für gleichwertige Neubauwohnungen in Wien zu leisten sind, und sei aus diesem Grunde nicht anzunehmen, daß eine Instandhaltung des Gebäudes während der Laufzeit des Darlehens aus Rentabilitätsgründen unterbleiben werde. Ebenso könne im Hinblick auf das Ausmaß und die Ausstattung der Wohnungen nicht mit einer geringeren als 50jährigen Nutzungsdauer gerechnet werden.

In der gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wird der Standpunkt der belangten Behörde als rechtswidrig bekämpft. Der Gerichtshof hat darüber erwogen:

Zu den Werbungskosten gehört unter anderem gemäß § 9 Abs. 1 Z. 6 des Einkommensteuergesetzes 1953 (EStG) auch die Absetzung für Abnutzung im Sinne des § 7 dieses Gesetzes. Nach dessen Bestimmungen kann bei Gebäuden und sonstigen Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- und Herstellungskosten abgesetzt werden, der bei Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt (Absetzung für Abnutzung). Die Absetzung bemißt sich hiebei nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes. Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung sind zulässig.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im sinne seiner ständigen Rechtsprechung bereits zur Feststellung der Einkünfte aus dem gegenständlichen Mietobjekt für 1961 in seinem Erkenntnis vom , Zl. 1480/64, ausgesprochen hat, war es nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde bei dem aus Mitteln des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds wiedererrichteten Mietwohnhaus eine 75jährige Nutzungsdauer angenommen hat.

Der Beschwerdeführer hat den zu dem bezogenen Bschwerdefall bereits verfochtenen Standpunkt einer bloß 50jährigen Nutzungsdauer diesmal mit einem Gutachten zu stützen versucht, in dem ausgeführt ist, daß von dem Bauaufwand für die Wiedererrichtung des Gebäudes 1/4 auf Bauteile mit einer Lebensdauer von 75 Jahren und 3/4 auf Bauteile mit einer Lebensdauer von maximal 50 Jahren entfällt. Er vermeint, dies berechtige zur Schlußfolgerung, daß für das ganze Objekt eine bloß 50jährige Nutzungsdauer anzunehmen sei. Mit Recht hält die belangte Behörde dem Beschwerdeführer entgegen, daß sich aus dem Gutachten keineswegs ergibt, daß das Haus aus den angegebenen Gründen nach 50 Jahren abbruchreif sei, sondern nur, daß es in kürzeren Zeitabständen einer Generalreparatur bedürfe. Dies spricht aber keineswegs gegen die Annahme einer längeren Nutzungsdauer, da im allgemeinen bei alten Gebäuden in ähnlichen Zeitabständen Großreparaturen durchgeführt werden müssen. Daß die im Gutachten genannten Teile, die Installationen, der Verputz, Türen und Fenster, die Fußböden, der Anstrich, die Malerei und die sanitären Einrichtungen für sich betrachtet vielfach eine Lebensdauer haben, die kürzer ist als die technische Lebensdauer des Objektes, dessen Errichtung oder Einrichtung sie dienen, rechtfertigt nicht, diese Teile gesondert zu bewerten und nach ihrer kürzeren Nutzungsdauer abzuschreiben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1226/63). Ebensowenig kann daraus für das Haus eine geringere als die sich aus den konstruktiven und haltbaren Bauteilen ergebende technische Gesamtnutzungsdauer abgeleitet werden. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die Behörde, wenn sie sich für ihren Standpunkt auf "Rentabilitätsgründe" beruft, verkennt, daß eine solche Argumentation beim zwangsbewirtschafteten Hausbesitz unter den derzeitigen Gegebenheiten verfehlt ist.

Der Verwaltungsgerichtshof konnte somit nicht finden, daß durch die Annahme einer 75jährigen Nutzungsdauer bei der Berechnung der AfA für das gegenständliche Objekt Rechte des Beschwerdeführers verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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Fundstelle(n):
VAAAF-57775