VwGH 11.09.1975, 2005/73
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Dem Dienstgeber bleibt es unbenommen, wenn Versicherungsträger - gestützt auf die Bestimmung des § 410 Abs 1 Z 7 ASVG einen Feststellungsbescheid über den Umfang seiner sich aus § 42 Abs 1 ASVG ergebenden Rechte und Pflichten zu verlangen. Dieses Recht des Dienstgebers wird auch dadurch nicht beeinträchtigt, daß es dem Versicherungsträger freisteht, erforderlichenfalls von den Bestimmungen des § 42 Abs 2 und 3 ASVG Gebrauch zu machen. |
Norm | |
RS 2 | Die Verpflichtung, Einsicht in die Geschäftsbücher, Belege und Aufzeichnungen zu gewähren, die nach handels- und steuerrechtlichen Bestimmungen aufzubewahren sind, widerspricht nicht dem § 42 Abs 1 ASVG. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Dolp und die Hofräte Dr. Raschauer, Mag. DDr. Heller, Dr. Iro und Öhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Korsche, über die Beschwerde des AM in I, vertreten durch Dr. Hansjörg Schiestl, Rechtsanwalt in Innsbruck, Fallmerayerstraße 12, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom , Zl. Vd-289/1-1973, betreffend Feststellung der Auskunftspflicht nach § 42 Abs. 1 ASVG (mitbeteiligte Partei: Tiroler Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte in Innsbruck, Museumstraße 33), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 720,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Tiroler Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte (in der Folge mit GebKK abgekürzt) kündigte mit Schreiben vom dem Beschwerdeführer an, daß in dessen Betrieb gemäß § 42 ASVG eine Kontrolle über die Beitragsverrechnung vorgenommen werde. Der Beschwerdeführer stellte sodann den Antrag auf Ausfertigung eines Bescheides, in dem die Rechtmäßigkeit des Begehrens der GebKK nachgewiesen und ein Rechtsmittel eingeräumt werde.
Mit Bescheid vom , sprach die GebKK aus, daß der Beschwerdeführer als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG gemäß § 42 Abs. 1 ASVG verpflichtet sei, den gehörig ausgewiesenen Bediensteten der GebKK Einsicht in alle Geschäftsbücher und Belege sowie sonstigen Aufzeichnungen zu gewähren, die für das Versicherungsverhältnis von Bedeutung seien. Diese Verpflichtung erstrecke sich nicht nur auf den Zeitraum, innerhalb dessen gemäß § 68 Abs. 1 ASVG die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen verjähre, sondern auf die Gesamtdauer der nach handels- und gewerberechtlichen Vorschriften obliegenden Aufbewahrungsfrist von Geschäftsbüchern. Diesem Bescheid war neben einer Begründung die Rechtsmittelbelehrung beigegeben, daß er binnen einem Monat nach der Zustellung durch Einspruch an den Landeshauptmann angefochten werden könne. Der Einspruch habe den Bescheid zu bezeichnen, gegen den er sich richte, habe einen begründeten Entscheidungsantrag zu enthalten und müsse bei der GebKK in zweifacher Ausfertigung eingebracht werden. Der Einspruch habe keine aufschiebende Wirkung.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Einspruch, in dem er - in kurzen Zügen wiedergegeben - den Standpunkt vertrat, daß er bei Beitragsprüfungen grundsätzlich nur verpflichtet sei, die entsprechenden Unterlagen für einen zwei Jahre zurückliegenden Zeitraum bereitzustellen; nur dann, wenn sich in einem konkreten Fall der Verdacht unrichtiger Angaben ergebe, habe er auch die Unterlagen für die Überprüfung eines fünfjährigen Zeitraumes bereitzuhalten.
Mit Bescheid vom , Zl. Vd-289/1-1973, wies die belangte Behörde den Einspruch des Beschwerdeführers gegen den bereits genannten Bescheid der GebKK vom gemäß §§ 413, 412 ASVG als unbegründet ab und sprach aus, daß gegen diesen Bescheid gemäß § 415 ASVG ein ordentliches Rechtsmittel nicht mehr zulässig sei. Zur Begründung dieses Bescheides wurde u. a. ausgeführt, daß gemäß § 42 ASVG die in dieser Gesetzesstelle genannten Personen den gehörig ausgewiesenen Bediensteten der Versicherungsträger während der Betriebszeit Einsicht in alle Betriebsbücher und Belege sowie sonstigen Aufzeichnungen zu gewähren hätten, die für das Versicherungsverhältnis von Bedeutung seien. Eine nähere Umschreibung des Umfanges dieses Einsichtsrechtes hinsichtlich der Art der Aufzeichnungen sei weder in dieser noch in einer anderen Stelle des ASVG enthalten. Die umfassende Formulierung "und alle sonstigen Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis von Bedeutung seien", weise aber eindeutig darauf hin, daß die einzige Beschränkung des Einsichtsrechtes in der Bindung an die Bedeutung für das Versicherungsverhältnis gelegen sein könne. Ein Hinweis darauf, daß der Gesetzgeber mit der Wahl der Einzahl bei der Formulierung "für das Versicherungsverhältnis" das Einsichtsrecht auf ein oder allenfalls mehrere bestimmte Versicherungsverhältnisse habe beschränken wollen, sei aus dem Gesetz nicht zu entnehmen. Es sei im Gegenteil aus dem Fehlen jeden Hinweises, für welche Art Versicherungsverhältnis die Aufzeichnungen maßgebend sein müßten, zweifelsfrei zu entnehmen, daß damit jedes Versicherungsverhältnis gemeint sei. Die analoge Anwendung ähnlicher Bestimmungen in anderen Gesetzen sei mangels einer ausdrücklichen Verweisung nicht gestattet, sodaß auf die Auslegung solcher Vorschriften an dieser Stelle verzichtet werden könne. Der Hinweis auf die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung gehe jedenfalls ins Leere, weil lediglich einzelne Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 kraft ausdrücklicher Verweisung bzw. subsidiär zur Anwendung gelangen würden, was jedenfalls die Heranziehung der Bundesabgabenordnung, die ja ihrerseits ein Sondergesetz für das Abgabenwesen darstelle, ausschließe. Dies betreffe sowohl den Hinweis des Einspruchswerbers auf die dort vorgesehenen Prüfungszeiträume als auch auf die Prüfungsintervalle. Mangels einer zeitlichen Beschränkung im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und in den dazu subsidiär geltenden Gesetzen seien also die allgemeinen Bestimmungen für den den Einspruchswerber umfassenden Personenkreis heranzuziehen. Auch der Hinweis auf die Gefahr der Verletzung von Geschäfts-, Betriebs- und Steuergeheimnissen sei verfehlt, da durch die strengen Strafbestimmungen des § 115 ASVG für einen ausreichenden Schutz dieser Rechtsgüter gesorgt sei. Ein weitergehender Schutz durch Vorschriften des Finanzstrafgesetzes sei daher nicht nötig und könne mangels einer Verweisung auf dieses Gesetz auch nicht analog in Anspruch genommen werden.
§ 68 ASVG trage die Überschrift "Verjährung der Beiträge" und regle die Verjährung des Rechtes auf Feststellung der Beitragszahlungspflicht als auch des Rechtes auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden. Ein Hinweis darauf, daß die dort genannten Fristen auch das Recht auf Einsichtnahme beschränken sollten, sei nicht gegeben. Zutreffend weise die GebKK in ihrem Bescheid darauf hin, daß ihre Kontrollorgane nicht nur die Aufgabe hätten, eben diese Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen festzustellen, sondern auch andere sozialversicherungsrechtliche Umstände (z. B. Feststellung der Versicherungspflicht des Dienstnehmers für Zwecke der Pensionsberechnung) nachzuprüfen und ihre diesbezüglichen Feststellungen zu treffen. Sicher sei dem Einspruchswerber darin beizupflichten, wenn er auf die großen Belastungen hinweise, die ihm aus den laufenden Kontrollen durch verschiedene Behörden und Anstalten erwachsen würden. Sicher werde auch die räumliche Trennung der Hauptbuchhaltung, Buchhaltung und Personalunterlagen sowie Bilanzen, Bank- und Zahlungsbelege für ihn mancherlei Erschwernisse mit sich bringen; sie sei aber nicht von den Prüfern zu verantworten, und es werde sich möglicherweise durch eine vorherige Aussprache mit den Prüfungsorganen auch der Umfang der notwendigen Unterlagen einschränken lassen. Alleinige Beschränkung jedoch, die das Gesetz im gegenständlichen Fall vorsehe, sei materiell die Bindung an die Bedeutung für das Versicherungsverhältnis in § 42 Abs. 1 ASVG, zeitlich die allgemeinen Aufbewahrungsfristen für den den Einspruchswerber umfassenden Personenkreis, weshalb der Bescheid der GebKK vollinhaltlich zu bestätigen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in der als Beschwerdegründe Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht werden. Die Ausführungen dieser Beschwerde lassen erkennen, daß die Dauer des Einsichtsrechtes des Versicherungsträgers nach Ansicht des Beschwerdeführers unrichtig bemessen wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zuge der Beratung über diese Beschwerde beschlossen, gemäß § 41 VwGG 1965 die Parteien dieses Verfahrens aufzufordern, zur Frage Stellung zu nehmen, in welchem Verhältnis die Bestimmungen des § 42 Abs. 1 und 2 ASVG zu § 410 Abs. 7 ASVG stehen, d.h. ob im konkreten Beschwerdefall die GebKK oder etwa die Bezirksverwaltungsbehörde zuständig war, über den Antrag des Beschwerdeführers vom eine Entscheidung zu fällen.
Auf Grund dieser Aufforderung teilte der Beschwerdeführer mit, daß es gemäß § 42 Abs. 2 ASVG Sache der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde gewesen wäre, auf Antrag der GebKK den Beschwerdeführer zur Erfüllung der Auskunftspflicht zu verhalten. Gemäß § 410 habe die GebKK zwar grundsätzlich die Verwaltungssachen, zu deren Behandlung sie nach § 409 ASVG berufen sei, einen Bescheid zu erlassen. Im gegenständlichen Fall sei jedoch das Bescheidrecht des Versicherungsträgers eben durch die Bestimmung des § 42 Abs. 2 ASVG ausgeschlossen gewesen.
Die belangte Behörde vertrat die Meinung, daß auf den ersten Anblick § 42 Abs. 1 und 2 ASVG eine Art lex specialis zu § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG darstelle, jedoch vertrete die belangte Behörde die Rechtsmeinung, daß die Frage, wer im gegenständlichen Fall zur Entscheidung in erster Instanz berufen gewesen sei, danach zu beurteilen wäre, welche Partei den Antrag auf Entscheidung stelle und ob über eine strittige Pflicht des Dienstgebers entschieden werde oder ob der Dienstgeber zu einer an und für sich unbestrittenen Pflicht verhalten werden solle. Im Beschwerdefall habe der Dienstgeber bei der GebKK den Antrag auf Bescheiderlassung gestellt und einen der Rechtskraft fähigen Abspruch darüber verlangt, welche Unterlagen er zur Einsicht verfügbar zu halten habe. Es sei somit die GebKK zur erstinstanzlichen Entscheidung berufen gewesen. § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG verpflichte den Sozialversicherungsträger, über Bestand und Umfang einer vom Dienstgeber bestrittenen Verpflichtung nach dem ASVG abzusprechen. Irgendwelche Pflichten des Dienstgebers seien von dieser Entscheidungsbefugnis nicht ausgenommen. § 42 Abs. 1 und 2 ASVG betreffe hingegen unbestrittene Pflichten des Dienstgebers, denen dieser entweder gar nicht oder nur unvollkommen nachkomme. Diese Gesetzesstelle räume somit dem Sozialversicherungsträger die Hilfe der Verwaltungsbehörde bei der Vollstreckung bestimmter Ansprüche (auf Erstattung der entsprechenden Meldungen) ein. Dies habe zur Folge, daß die Bezirksverwaltungsbehörde den über Antrag des Sozialversicherungsträgers gemäß § 42 ASVG erlassenen Bescheid gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 VVG 1950 als Vollstreckungsbehörde durchzusetzen habe und der Sozialversicherungsträger nicht etwa die Hilfe der Gerichte in Anspruch zu nehmen habe. Da im Beschwerdefall vorerst über die strittige Verpflichtung des Dienstgebers über dessen Antrag zu entscheiden gewesen wäre, sei die GebKK in erster Instanz zur Entscheidung zuständig gewesen.
Die GebKK gab ihre Stellungnahme dahin gehend ab, daß § 42 Abs. 1 ASVG die Auskunftspflicht regle, die den meldepflichtigen Personen dem Sozialversicherungsträger gegenüber bezüglich der für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Umstände obliege; in dieser Gesetzesstelle sei auch normiert, daß den gehörig ausgewiesenen Bediensteten während der Betriebszeit Einsicht in alle Aufzeichnungen zu gewähren sei, die für das Versicherungsverhältnis von Bedeutung seien. Wenn sich der Meldepflichtige seiner Auskunftspflicht entziehe, könne gemäß § 42 Abs. 2 ASVG die Bezirksverwaltungsbehörde einschreiten. Der Beschwerdeführer habe sich dieser ihm auferlegten Auskunftspflicht nicht entziehen wollen. Er sei lediglich anderer Ansicht über den Umfang dieser Verpflichtung gewesen und habe deshalb - offensichtlich gestützt auf § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG - einen Feststellungsbescheid verlangt. Die Kasse habe sich hiefür als nicht unzuständig erklärt und habe den angeforderten Bescheid erstellt. Nach Meinung der GebKK ergebe sich eben aus den Worten "... der sich für ihn aus diesem Gesetz ergebenden Rechte und Pflichten ..." die Berechtigung auf Stellung eines Antrages an die Kasse auf Bescheiderlassung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 42 ASVG, der mit "Auskunftspflicht der meldepflichtigen Personen" überschrieben ist, regelt in seinem Abs. 1, daß die Dienstgeber, die sonstigen meldepflichtigen Personen und Stellen (§ 36), im Fall einer Bevollmächtigung nach § 35 Abs. 3 oder § 36 Abs. 2 die Bevollmächtigten, den Versicherungsträgern über alle für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Umstände auf Anfrage längstens binnen 14 Tagen wahrheitsgemäß Auskunft zu erteilen und den gehörig ausgewiesenen Bediensteten dieser Stellen während der Betriebszeit Einsicht in alle Geschäftsbücher und Belege sowie sonstigen Aufzeichnungen zu gewähren haben, die für das Versicherungsverhältnis von Bedeutung sind.
Abs. 2 dieser Gesetzesstelle bestimmt, daß die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Versicherungsträgers die nach Abs. 1 auskunftspflichtigen Personen (Stellen) zur Erfüllung der dort angeführten Pflichten verhalten kann. Entstehen durch diese Maßnahmen der Bezirksverwaltungsbehörde dem Versicherungsträger besondere Auslagen (Kosten von Sachverständigen, Buchprüfern, Reiseauslagen u.dgl.), so kann die Bezirksverwaltungsbehörde diese Auslagen auf Antrag des Versicherungsträgers der auskunftspflichtigen Person (Stelle) auferlegen, wenn sie durch Vernachlässigung der ihr auferlegten Pflichten entstanden sind. Diese Auslagen sind wie Beiträge einzutreiben.
Abs. 3 dieser Gesetzesstelle legt fest, daß der Versicherungsträger bei Fehlen der Unterlagen, bei Unvollständigkeit oder bei Verweigerung der Vorlage berechtigt ist, die für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Umstände auf Grund anderer Ermittlungen oder unter Heranziehung der Daten gleichgelagerter oder ähnlicher Betriebe (Versicherungsverhältnisse) festzustellen.
§ 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG bestimmt, daß der Versicherungsträger einen Bescheid zu erlassen hat, wenn der Versicherte oder der Dienstgeber die Erlassung eines Bescheides zur Feststellung der sich für ihn aus dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz ergebenden Rechte und Pflichten verlangt.
Was zunächst die Frage betrifft, die Gegenstand einer an die Parteien gerichteten Anfrage gemäß § 41 VwGG 1965 gewesen ist, in welchem Verhältnis die Bestimmung des § 42 ASVG zur Bestimmung des § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG steht, so ist der Gerichtshof der Ansicht, daß diese beiden Bestimmungen einander nicht ausschließen. Dem Dienstgeber bleibt es unbenommen, vom Versicherungsträger - gestützt auf die Bestimmung des § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG - einen Feststellungsbescheid über den Umfang seiner sich aus § 42 Abs. 1 ASVG ergebenden Rechte und Pflichten zu verlangen. Dieses Recht des Dienstgebers wird auch dadurch nicht beeinträchtigt, daß der Versicherungsträger erforderlichenfalls von den Bestimmungen des § 42 Abs. 2 und 3 ASVG Gebrauch machen kann. Hätte der Gesetzgeber gewollt, daß der Dienstgeber nicht die Berechtigung besitzen sollte, eine Entscheidung über den Umfang seiner sich aus § 42 Abs. 1 ASVG ergebenden Rechte und Pflichten zu verlangen, dann hätte er dies durch einen Ausschluß der Bescheidzuständigkeit des Versicherungsträgers getan, zumal die Vorschrift des § 410 Abs. 1 ASVG einen ausdrücklichen Hinweis darauf enthält, daß dem Versicherungsträger in den in dieser Gesetzesstelle genannten Angelegenheiten ein Bescheidrecht eingeräumt ist, sofern dieses nicht durch eine Bestimmung dieses Gesetzes ausgeschlossen ist.
Es ist sodann die weitere Frage zu klären, welchen zeitlichen Umfang der Einsichtsbefugnis des Versicherungsträgers in die Geschäftsunterlagen des Dienstgebers zukommt, soweit diese Unterlagen für das Versicherungsverhältnis von Bedeutung sind. Die Bestimmung des § 42 Abs. 1 ASVG enthält über diese Frage keine Aussage.
Der Beschwerdeführer vertritt dazu die Auffassung, daß das im § 42 Abs. 1 ASVG festgelegte Einsichtrecht durch die Verjährungsbestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes eine zeitliche Begrenzung erfahre, während die belangte Behörde und die GebKK der Ansicht sind, daß die Pflicht, Einsicht in die Geschäftsunterlagen zu gewähren bzw. das dieser Pflicht gegenüberstehende Recht auf Einsichtnahme sich auf jenen Zeitraum erstrecke, in dem nach handels- und gewerberechtlichen Vorschriften ein Dienstgeber seine Unterlagen aufzubewahren habe.
Der Bestimmung des § 42 Abs. 1 ASVG ist, wie bereits dargelegt, eine zeitliche Beschränkung des hierin enthaltenen Rechtes auf Einsichtnahme des Versicherungsträgers in die Geschäftsunterlagen des Dienstgebers nicht zu entnehmen.
Der Verwaltungsgerichtshof ist der Ansicht, daß es nicht unrichtig sein kann, wenn die GebKK und mit dieser die belangte Behörde zur Auslegung des § 42 Abs. 1 ASVG auf eine Bestimmung zurückgegriffen haben, die eine Aufbewahrungsfrist für Geschäftsunterlagen vorsieht. Die in diesem Zusammenhang herangezogene Bestimmung des § 44 HGB in der Fassung des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 196, besagt, daß die Kaufleute (welche Eigenschaft dem Beschwerdeführer offensichtlich zukommt) verpflichtet sind, ihre Handelsbücher bis zum Ablauf von sieben Jahren, von dem Tag der darin vorgenommenen letzten Eintragung an gerechnet, aufzubewahren; dasselbe gilt auch in Ansehung der empfangenen Handelsbriefe und der Abschriften der abgesandten Handelsbriefe sowie in Ansehung der Inventare und Bilanzen. Eine analoge Regelung enthält auch die Bestimmung des § 132 Abs. 1 BAO, in der festgehalten ist, daß die Bücher und Aufzeichnungen sowie die zu den Büchern und Aufzeichnungen gehörigen Belege und, soweit sie für die Abgabenerhebung von Bedeutung sind, auch die Geschäftspapiere und die sonstigen Unterlagen durch sieben Jahre, Aufzeichnungen über die Einbehaltung und Abfuhr von Abgaben durch fünf Jahre aufbewahrt werden sollen. Die Frist läuft hier vom Schluß des Kalenderjahres, für das die letzte Eintragung in den Büchern (Aufzeichnungen) vorgenommen worden ist.
Die Verpflichtung, den gehörig ausgewiesenen Bediensteten der Versicherungsträger in die Geschäftsbücher, Belege und in die Aufzeichnungen Einsicht zu gewähren, die nach handels- und steuerrechtlichen Bestimmungen aufzubewahren sind, widerspricht nicht dem § 42 Abs. 1 ASVG. An diesem Ergebnis ändert auch die Tatsache nichts, daß sich die GebKK und mit ihr die belangte Behörde auch noch auf - nicht bestehende - Vorschriften des Gewerberechtes bezogen haben.
Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers ist auch aus den Bestimmungen über die Verjährung der Sozialversicherungsbeträge eine zeitliche Begrenzung des Einsichtsrechtes nicht ableitbar, da die Vorschrift des § 42 Abs. 1 ASVG nicht nur die Frage der Beitragsentrichtung betrifft und sie überdies - anders als § 68 ASVG - keine zeitliche Befristung enthält. Jene Organe des Versicherungsträgers, die Einsicht in die Geschäftsbücher und Belege des Dienstgebers nehmen, haben bei ihrer Tätigkeit nicht nur das Augenmerk auf die Bestimmung des § 68 ASVG zulegen, sondern alle sozialversicherungsrechtlichen Belange zu überprüfen, allenfalls auch solche des Leistungsrechtes, die für einen Dienstnehmer von Bedeutung sein können, auch wenn diese Umstände in einen Zeitraum fallen, der außerhalb der Verjährungsfrist der Beiträge liegt. Ebenso läßt sich aus der vom Beschwerdeführer herangezogenen Bestimmung des § 62 Abs. 2 ASVG, welche die Möglichkeit einer Vereinbarung über die Form der Beitragsabrechnung zum Inhalt hat, eine zeitliche Einschränkung des Einsichtsrechtes im Sinne des § 42 Abs. 1 ASVG nicht ableiten.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die vom Beschwerdeführer gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens einzugehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 und 48 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I und IV der Verordnung BGBl. Nr. 4/1975.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 8878 A/1975 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1975:1973002005.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAF-57673