VwGH 15.11.2005, 2005/18/0593
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Nimmt die Behörde die Verhinderung des Bf am Erscheinen unwidersprochen zur Kenntnis, bringt sie insbesondere nicht zum Ausdruck (etwa durch ein Verlangen, den Verhinderungsgrund zu bescheinigen), dass sie die Entschuldigung des Bf nicht akzeptiere und dem Ladungsbescheid weiter Bedeutung zumesse, so stellt dieses Verhalten der Behörde de facto einen Verzicht auf die Ladung dar (Hinweis E , 89/17/0010). Der Ladungsbescheid ist damit gegenstandslos geworden. Aus ihm können keine Folgen - wie zB die zwangsweise Vorführung des Bf - mehr abgeleitet werden. |
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RS 2 | Wenn die Behörde es entgegen § 19 Abs 1 AVG und § 19 Abs 2 AVG unterläßt, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, im Hinblick auf die Klärung welcher nach offener Fragen das persönliche Erscheinen des Fremden erforderlich sei, und im Zusammenhang damit etwa auch nicht ausführt, welche Behelfe und Beweismittel von diesem mitzubringen seien, belastet sie ihren Bescheid betreffend Ladung des Fremden in einem Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn der Bescheid auf die Vorschrift des § 27 Abs 2 FrG 1993 gestützt worden wäre, weil diese Bestimmung die Behörde bei Erlassung eines Ladungsbescheides von den Erfordernissen des § 19 Abs 2 AVG nicht enbindet. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 95/21/1014 E RS 2
(hier der erste Satz) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, in der Beschwerdesache des B, geboren 1968, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1255/05, betreffend Ladung, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Der Beschwerdeführer ist seit Inhaber von Niederlassungsbewilligungen mit dem Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher". In seiner Berufung vom gegen die ihm zuletzt erteilte, auf zwei Jahre befristete Niederlassungsbewilligung beantragte er unter Hinweis auf seine Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger die Erteilung eines Niederlassungsnachweises, hilfsweise einer auf fünf Jahre befristeten Niederlassungsbewilligung. Mit einer "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" vom hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass seine Berufung verspätet sei. Nach Aktenlage sei ihm die bekämpfte Niederlassungsbewilligung bereits am ausgefolgt worden. Am hat der Beschwerdeführer dazu vorgebracht, dass er die bekämpfte Niederlassungsbewilligung erst am erhalten habe und seine Berufung somit rechtzeitig sei. In der Folge hat die belangte Behörde am den angefochtenen Ladungsbescheid mit folgendem Wortlaut erlassen:
"Ladungsbescheid
Wir haben folgende Angelegenheit, an der Sie beteiligt sind,
zu bearbeiten:
Niederlassungsbewilligung - Berufung
Wir ersuche Sie, persönlich zu uns zu kommen, um in dieser Angelegenheit als
Beteiligter/Partei
mitzuwirken.
Datum
Zeit 09 Uhr 30
Ort (...) 1010 Wien, Schottenring 7-9 (5. Stock, Zi. 455)
Bitte bringen Sie diesen Ladungsbescheid, einen amtlichen
Lichtbildausweis und folgende Unterlagen mit:
Reisepass
Es ist notwendig, dass Sie hiezu persönlich in unser Amt kommen.
Wenn Sie dieser Ladung ohne wichtigen Grund - zB. Krankheit, Gebrechlichkeit, zwingende berufliche Verhinderung, nicht verschiebbare Urlaubsreise - nicht Folge leisten, müssen Sie damit rechnen, dass
Ihre zwangsweise Vorführung veranlasst wird.
Teilen Sie uns daher in Ihrem eigenen Interesse sofort mit, wenn Sie zum angegebenen Termin nicht kommen können, damit er allenfalls verschoben werden kann.
Rechtsgrundlage: § 19 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes.
Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig."
2. Gegen diesen Ladungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie u.a. darauf hinweist, dass der Beschwerdeführer am , sohin vor dem gegenständlichen Ladungstermin, seine Verhinderung infolge Krankheit und daher sein Nichterscheinen zu diesem Termin bekannt gegeben habe. Der Ladungsbescheid entfalte keine Wirkungen mehr.
In der im Verwaltungsakt erliegenden "Verhinderungsanzeige" des Vertreters des Beschwerdeführers vom teilte dieser der belangten Behörde mit,
"dass der (Beschwerdeführer) laut telefonischer Mitteilung von soeben auf Grund seines akuten Diabetes-Leidens, welches ihm unter anderem die Fortbewegung zu Fuß verunmöglicht, abermals stationär im Elisabeth Spital in Wien 3. aufgenommen werden musste; die Dauer dieses Spitalsaufenthaltes ist derzeit noch nicht absehbar. Der (Beschwerdeführer) ist daher am für übermorgen, , 09.30 Uhr, abverlangten persönlichen Erscheinen verhindert."
4. Mit einer am zugestellten Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, zu der in der Gegenschrift aufgeworfenen Frage der Gegenstandslosigkeit des angefochtenen Ladungsbescheides binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen. In der Äußerung vom hat der Beschwerdeführer vorgebracht, dass eine "unwidersprochene zur Kenntnisnahme" seiner Verhinderungsanzeige bisher nicht vorliege, weil das Vorbringen in der Gegenschrift keinerlei "normativ-hoheitlichen Charakter" besitze. Die belangte Behörde hätte "in hoheitlicher Eigenschaft erkennen lassen" müssen, dass sie sich mit der Verhinderungsanzeige des Beschwerdeführers zufrieden gebe. Es liege daher (noch) keine Klaglosstellung vor. Sollte die Beschwerde dennoch gemäß § 33 Abs. 1 VwGG für gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt werden, so werde Kostenersatz begehrt.
5. Der Beschwerdeführer hat die (ihm im angefochtenen Bescheid eingeräumte) Möglichkeit ergriffen, der belangten Behörde seine Verhinderung mitzuteilen. Die belangte Behörde hat die Verhinderung des Beschwerdeführers am Erscheinen unwidersprochen zur Kenntnis genommen. Sie hat insbesondere nicht zum Ausdruck gebracht (etwa durch ein Verlangen, den Verhinderungsgrund zu bescheinigen), dass sie die Entschuldigung des Beschwerdeführers nicht akzeptiere und dem Ladungsbescheid weiter Bedeutung zumesse. Dieses Verhalten der belangten Behörde stellt de facto einen Verzicht auf die Ladung dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/17/0010, mwN, sowie die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 78 ff zu § 19 AVG zitierte hg. Rechtsprechung). Der Ladungsbescheid ist damit gegenstandslos geworden. Aus ihm können keine Folgen - wie zB die zwangsweise Vorführung des Beschwerdeführers - mehr abgeleitet werden (vgl. nochmals die in Walter/Thienel, a.a.O. zitierte hg. Rechtsprechung).
6. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es nicht dessen Aufgabe, in einer Beschwerdesache zu entscheiden, wenn der Entscheidung nach der Sachlage keine Bedeutung mehr zukommt. Wird eine Beschwerde gegenstandslos, ohne dass der angefochtene Bescheid durch einen formellen Akt beseitigt wurde, so führt dies zur Einstellung des Verfahrens. Gegenstandlosigkeit wird immer dann angenommen werden können, wenn der Beschwerdeführer durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht günstiger gestellt würde, als dies ohne meritorische Entscheidung über die Beschwerde infolge der nach ihrer Erhebung eingetretenen Umstände der Fall ist. Zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde kann somit auch dann eintreten, wenn durch eine Änderung maßgebender Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. 2002/18/0120). Dies ist hier in Anbetracht der Gegenstandslosigkeit des angefochtenen Ladungsbescheides der Fall.
Die Beschwerde war somit wegen nachträglichen Wegfalls des Rechtschutzbedürfnisses (materielle Klaglosstellung) in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
7. Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff und § 58 Abs. 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Es ergibt sich ohne unverhältnismäßigen Aufwand, dass der angefochtene Bescheid - wäre die Beschwerde nicht gegenstandlos geworden - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben gewesen wäre, weil er den Gegenstand der Amtshandlung (§ 19 Abs. 2 AVG) lediglich mit den Worten "Niederlassungsbewilligung - Berufung" umschrieben hat. Mit diesen ungenügenden Angaben hat es die belangte Behörde entgegen § 19 Abs. 1 und 2 AVG unterlassen, sich mit der Frage auseinander zu setzen, im Hinblick auf die Klärung welcher noch offener Fragen das persönliche Erscheinen des Beschwerdeführers erforderlich sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/21/1014). Ausführungen in der Gegenschrift können die erforderlichen Angaben im angefochtenen Bescheid nicht ersetzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/07/0013).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Schlagworte | Allgemein |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2005:2005180593.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAF-57658