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VwGH 15.06.2005, 2005/13/0043

VwGH 15.06.2005, 2005/13/0043

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Norm
VwGG §46 Abs1;
RS 1
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis B , 2001/15/0106), stellt ein einem Vertreter widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für den Antragsteller nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Vertreters, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis im Sinne der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (Hinweis E , 99/17/0395). [Hier: Die Vornahme von Kontrollen, ob zur Postaufgabe vorgesehene Sendungen tatsächlich zur Post gegeben und versendet werden, in der Rechtsanwaltskanzlei (etwa an Hand der Postaufgabescheine rekommandierter Sendungen) wird in keiner Weise dargelegt. Gerade in Fällen besonderer Dringlichkeit ist das Fehlen eines diesbezüglichen Kontrollsystems nicht mehr als minderer Grad des Versehens zu werten.]
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2003/15/0145 B RS 1 (hier nur erster Satz)
Norm
VwGG §46 Abs1;
RS 2
Ausgehend von dem Umstand, dass es sich bei dem einseitigen Schriftsatz vom nach dessen ausdrücklichem Wortlaut "Ich erhebe Beschwerde gegen die Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenat vom ...." um eine Beschwerde handelte und dass die siebenseitige, vom Beschwerdeführer selbst verfasste, als "Beschwerde" angesprochene Schrift dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgelegt und daher dem Beschwerdeführer zu Handen seines Verfahrenshelfers nicht zurückgestellt worden war, musste es klar sein, dass der Verwaltungsgerichtshof mit der ursprünglich eingebrachten Beschwerde nur jenen einseitigen Schriftsatz vom 5. August meinen konnte, nicht jedoch eine siebenseitige Schrift, die beim Verwaltungsgerichtshof gar nicht eingebracht und damit vom Verwaltungsgerichtshof auch nicht zurückgestellt worden war. Dazu kommt noch, dass allenfalls dennoch bestehende Zweifel durch die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom eindeutig ausgeräumt wurden. In der Verfügung wird der zurückgestellte ursprüngliche Schriftsatz des Antragstellers ausdrücklich als der "beiliegende Beschwerdeschriftsatz" bezeichnet. Weiters werden die Mängel dieser Beschwerde detailliert aufgezählt und deren Behebung angeordnet. Schließlich wird aufgetragen, "die zurückgestellte Beschwerde" wieder vorzulegen. Bei dieser Sachlage konnte kein entschuldbarer Irrtum darüber bestehen, dass der ursprüngliche einseitige Schriftsatz seinem klaren Wortlaut entsprechend vom Verwaltungsgerichtshof als Beschwerde angesehen wurde, deren Zurückstellung auch für den Fall angeordnet wurde, dass "zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht wird" (Hinweis B , 94/13/0205).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Keidel LL.M., über die Anträge des RK in S, U, vertreten durch Dr. Marco Iglitsch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ballgasse 6,

1. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur (vollständigen) Mängelbehebung in dem durch Beschluss vom , Zl. 2004/13/0113-14, betreffend Umsatzsteuer 1992, 1994 und 1995, Einkommensteuer 1992 bis 1996 und Gewerbesteuer 1992 und 1993, abgeschlossenen Verfahren, 2. in eventu das genannte Verfahren wieder aufzunehmen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Mit (einseitigem) Schriftsatz vom erhob der Antragsteller Beschwerde gegen eine näher bezeichnete Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom , verwies nach Ausführungen zum angefochtenen Bescheid darauf, dass er eine achtseitige Beschwerdeschrift bereits geschrieben habe, und beantragte Bewilligung der Verfahrenshilfe.

Nach Bewilligung der Verfahrenshilfe forderte der Verwaltungsgerichtshof den Beschwerdeführer mit Verfügung vom auf, binnen einer gleichzeitig gesetzten Frist von sechs Wochen näher bezeichnete Mängel der Beschwerde zu beheben und zwei weitere Ausfertigungen der Beschwerde (für die belangte Behörde und für den Bundesminister für Finanzen) beizubringen. Ausdrücklich wurde der Beschwerdeführer auf die Erforderlichkeit hingewiesen, die zurückgestellte Beschwerde auch dann wieder vorzulegen, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingereicht werde.

Mit Beschluss vom stellte der Verwaltungsgerichtshof das Beschwerdeverfahren ein. Innerhalb der gesetzten Frist habe der Beschwerdeführer einen Schriftsatz vom in dreifacher Ausfertigung eingebracht, welchem mit "Beschwerde gegen die Be3rufungsentscheidung GZ. RV/1288- W(02)" überschriebene und vom Beschwerdeführer gefertigte siebenseitige Ausführungen dreifach angeschlossen waren. Der ursprüngliche (einseitige), den Eingangsstempel des Verwaltungsgerichtshofes aufweisende Beschwerdeschriftsatz vom sei dem Mängelbehebungsschriftsatz nicht wieder angeschlossen worden; zwei weitere Ausfertigungen jenes Beschwerdeschriftsatzes vom seien nicht vorgelegt worden.

Mit dem vorliegenden Antrag begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass für ihn und für seinen Verfahrenshelfer von Anfang an völlig klar gewesen sei, dass mit der zur Verbesserung zurückgestellten Beschwerde nur der undatierte siebenseitige Schriftsatz habe gemeint sein können, welchen der Beschwerdeführer selbst ohne anwaltliche Hilfe verfasst habe. Weder der Beschwerdeführer selbst noch dessen Verfahrenshelfer hätten in dem einseitigen Schreiben des Beschwerdeführers vom eine Beschwerde erkennen können, zumal in diesem Schreiben lediglich darauf hingewiesen werde, dass eine achtseitige Beschwerde bereits geschrieben worden sei. Der Verfahrenshelfer habe den Inhalt dieses Schreibens nur so verstehen können, dass gleichzeitig mit dem einseitigen Brief auch die selbst verfasste siebenseitige eigentliche Beschwerde dem Gerichtshof vorgelegt worden sei. Daher sei es dem Verfahrenshelfer klar gewesen, dass dieses Schreiben keineswegs die verbesserungswürdige Beschwerde selbst dargestellt habe, sondern lediglich eine schlichte Mitteilung an den Gerichtshof gewesen sei, dass eine achtseitige Beschwerde selbst verfasst worden sei. Damit sei der Beschwerdeführer durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, nämlich die fehlende Erkenntnis, dass es sich bei dem einseitigen Brief vom (gemeint wohl: vom ) um eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde handeln könnte, daran gehindert gewesen, rechtzeitig und vollständig dem Verbesserungsauftrag des Gerichtshofes nachzukommen.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nicht nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl. beispielsweise die hg. Beschlüsse vom , 2003/13/0054, mwN, und vom , 2003/15/0145 und 0146) stellt ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Ausgehend von dem Umstand, dass es sich bei dem einseitigen Schriftsatz vom nach dessen ausdrücklichem Wortlaut "Ich erhebe Beschwerde gegen die Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenat vom ...." um eine Beschwerde handelte und dass die siebenseitige, vom Beschwerdeführer selbst verfasste, als "Beschwerde" angesprochene Schrift dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgelegt und daher dem Beschwerdeführer zu Handen seines Verfahrenshelfers nicht zurückgestellt worden war, musste es klar sein, dass der Verwaltungsgerichtshof mit der ursprünglich eingebrachten Beschwerde nur jenen einseitigen Schriftsatz vom 5. August meinen konnte, nicht jedoch eine siebenseitige Schrift, die beim Verwaltungsgerichtshof gar nicht eingebracht und damit vom Verwaltungsgerichtshof auch nicht zurückgestellt worden war. Dazu kommt noch, dass allenfalls dennoch bestehende Zweifel durch die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom eindeutig ausgeräumt wurden. In der Verfügung wird der zurückgestellte ursprüngliche Schriftsatz des Antragstellers ausdrücklich als der "beiliegende Beschwerdeschriftsatz" bezeichnet. Weiters werden die Mängel dieser Beschwerde detailliert aufgezählt und deren Behebung angeordnet. Schließlich wird aufgetragen, "die zurückgestellte Beschwerde" wieder vorzulegen. Bei dieser Sachlage konnte kein entschuldbarer Irrtum darüber bestehen, dass der ursprüngliche einseitige Schriftsatz seinem klaren Wortlaut entsprechend vom Verwaltungsgerichtshof als Beschwerde angesehen wurde, deren Zurückstellung auch für den Fall angeordnet wurde, dass "zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht wird" (vgl. auch den hg. Beschluss vom , 94/13/0205).

Im Übrigen verweist der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom auf eine achtseitige Beschwerdeschrift, während der von ihm nunmehr als ursprüngliche Beschwerde gewertete Schriftsatz lediglich sieben Seiten aufweist. Dies legt nahe, dass der Antragsteller ursprünglich den einseitigen Schriftsatz zusammen mit der siebenseitigen Schrift als achtseitige Beschwerde betrachtet hat, weshalb selbst dann, wenn die siebenseitige Schrift dem einseitigen Beschwerdeschriftsatz ursprünglich angeschlossen gewesen und vom Verwaltungsgerichtshof gemeinsam zurückgestellt worden wäre, die Nichtvorlage des einseitigen Schriftsatzes vom jedenfalls eine teilweise Nichterfüllung des Mängelbehebungsauftrages bedeutet hätte.

Angesichts des klaren Wortlautes der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes kann im behaupteten Irrtum über den Inhalt des Mängelbehebungsauftrages kein entschuldbarer Irrtum und kein minderer Grad des Versehens gesehen werden.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher abzuweisen.

Eventualiter beantragt der Antragsteller die Wiederaufnahme des Verfahrens. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom sei erlassen worden, ohne dass dem Antragsteller vorher Parteiengehör gewährt worden sei. Wäre dies erfolgt, hätte der Antragsteller oder dessen Verfahrenshelfer davon Kenntnis erlangt, dass das einseitige Schreiben des Antragstellers vom vom Gerichtshof als Beschwerde betrachtet werde, und wäre es ohne Weiteres möglich gewesen, dieses Schreiben in dreifacher Ausfertigung umgehend dem Verwaltungsgerichtshof zur Verfügung zu stellen.

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VwGG ist die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluss abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn im Verfahren vor dem Gerichtshof den Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen wurde und anzunehmen ist, dass sonst das Erkenntnis oder der Beschluss anders gelautet hätte.

Soweit der Antragsteller vorträgt, ihm sei nicht Parteiengehör gewährt worden, kann es dahingestellt bleiben, ob bei Nichtbefolgen eines Mängelbehebungsauftrages vor der Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens Parteiengehör zu gewähren ist. Denn im Falle des Antragstellers ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass der Verwaltungsgerichtshof zu einem anders lautenden Beschluss hätte gelangen können. Auch die Wahrung des Parteiengehörs hätte nichts daran geändert, dass die Frist zur Mängelbehebung fruchtlos abgelaufen war. Das vom Antragsteller ins Treffen geführte Nachreichen des vom Verwaltungsgerichtshof vermissten Schriftsatzes und die Vorlage zweier Ablichtungen davon, hätten an der bereits eingetretenen Verspätung nichts mehr geändert. Lediglich die Frist für einen allenfalls offen stehenden Wiedereinsetzungsantrag hätte nicht erst mit der Zustellung des Einstellungsbeschlusses, sondern mit dem Zeitpunkt der Gewährung von Parteiengehör zu laufen begonnen. An der Einstellung des Verfahrens hätte dies im Zusammenhang mit dem abgewiesenen Wiedereinsetzungsantrag nichts geändert.

Daher war auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens abzuweisen.

Wien, am

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Norm
VwGG §46 Abs1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2005:2005130043.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
PAAAF-57631

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