VwGH 28.06.2005, 2005/11/0055
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | B-VG Art140 Abs1; B-VG Art140 Abs7; B-VG Art7 Abs1; MMHmG 2002 §84 Abs1; MMHmG 2002 §84 Abs2; MMHmG 2002 §84 Abs7 idF 2003/I/066; MMHmG 2002 §84 Abs7 idF 2004/I/141; StGG Art6 Abs1; VwRallg; |
RS 1 | Mit Erkenntnis vom , G 21/04 ua, hob der VfGH in § 84 Abs. 7 MMHmG 2002 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 66/2003 die Wortfolge "durch direkte Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenversicherungsträgern" als verfassungswidrig auf. Weiters sprach der VfGH aus, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten und die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden ist. In der Sache vertrat der VfGH die Auffassung, er hege an sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Regelung, durch die im Zusammenhang mit neuen gesetzlichen Anforderungen, die an eine Berechtigung zur Ausübung eines bestimmten Berufes gestellt werden, im Übergangsrecht Sonderregelungen für Personen geschaffen werden, von denen der Gesetzgeber mit Grund annehmen kann, dass sie schon bisher über hinreichende, den neuen gesetzlichen Anforderungen im Wesentlichen entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen. Dieser Personenkreis müsse jedoch von jenen Personen, die den strengen Bestimmungen unterliegen, nach sachlichen Kriterien abgegrenzt sein. Das alleinige Anknüpfen an das Bestehen eines Kassenvertages bzw. an das Bestehen eines - direkten oder indirekten - Abrechnungsverhältnisses mit einem Sozialversicherungsträger sei dafür kein geeignetes Differenzierungskriterium. Es werde daher im Ergebnis nur eine Gruppe aus dem in Betracht kommenden Personenkreis gleicher fachlicher Qualifikation begünstigt, der durch das strittige Differenzierungsmerkmal nicht annähernd vollständig erfasst werde. Die in Prüfung stehende Bestimmung des § 84 Abs. 7 MMHmG 2002 widerspricht daher insoweit sowohl dem (auch die Gesetzgebung bindenden) Gleichheitsgebot als auch dem Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung. Durch die Aufhebung dieser Wortfolge wurde die Möglichkeit einer Berufsausübung ohne Aufschulung von gewerblichen Masseuren als Heilmasseur aufrecht erhalten. In der durch die Aufhebung der genannten Wortgruppe hergestellten bereinigten Fassung besteht zwar weiterhin eine Ausnahme von der Verpflichtung zur "Aufschulung", diese Ausnahme ist jedoch - "weiterhin" - an das Vorliegen der in § 84 Abs. 1 und Abs. 2 MMHmG 2002 genannten allgemeinen Voraussetzungen geknüpft. Nach Auffassung des VfGH ist eine ausreichende Qualitätssicherung auch ohne Aufschulung gewährleistet, weil - abgesehen vom erforderlichen Nachweis einer qualifiziert Leistungserbringung - auch das Erfordernis besteht, die Kriterien des § 84 Abs. 1 bzw. Abs. 2 MMHmG 2002 zu erfüllen. Für die Prüfung des angefochtenen Bescheides ist aufgrund des Ausspruchs des VfGH nach Art. 140 Abs. 7 B-VG das MMHmG 2002 in der durch das Erkenntnis des VfGH bereinigten Fassung, somit unter Entfall der Wortfolge "durch direkte Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenversicherungsträgern" in § 84 Abs. 7 legcit, maßgeblich. § 84 Abs. 7 MMHmG 2002 in der bereinigten Fassung (vgl Kundmachung des Bundeskanzlers BGBl I Nr 141/2004) ist im Lichte der unzweifelhaften Absicht des VfGH so auszulegen, dass eine Berufsausübung als Heilmasseur durch gewerbliche Masseure ohne Aufschulung nur dann in Frage kommt, wenn diese (neben dem Nachweis einer qualifizierten Leistungserbringung) die Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 bzw. Abs. 2 MMHmG 2002 erfüllen (Hinweis VfGH E , B 1390/03 ua.). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2005/11/0002 E RS 1 |
Normen | MMHmG 2002 §36; MMHmG 2002 §46 Abs2; MMHmG 2002 §84; |
RS 2 | Das MMHmG 2002 regelt vor allem in den §§ 36 und 84 detailliert die Voraussetzungen für die Berufsausübung als Heilmasseur, bei deren Fehlen diese Tätigkeit von der Behörde zu untersagen ist. Dass diese Voraussetzungen durch das bloße Verstreichen der in § 46 Abs. 2 MMHmG 2002 für die behördliche Untersagung vorgesehenen Frist von drei Monaten substituiert wären, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. |
Entscheidungstext
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2005/11/0056 E
2005/11/0065 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der R in H, vertreten durch Dr. Helmuth Hackl, Mag. Michaela Fattinger und Mag. Christian Premm, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Hauptplatz 23/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-580059/11/Gf/Eg/Gam, betreffend Untersagung der freiberuflichen Ausübung der Tätigkeit einer Heilmasseurin, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem am beim Magistrat der Stadt Steyr eingelangten Schreiben meldete die Beschwerdeführerin die freiberufliche Ausübung der Tätigkeit einer Heilmasseurin. Dem Schreiben beigelegt war u.a. der Gewerbeschein der Beschwerdeführerin betreffend das von ihr am angemeldete Gewerbe "Masseur".
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom (zugestellt am ) wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 46 iVm § 84 Abs. 7 Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz (MMHmG) untersagt, die freiberufliche Berufsausübung als Heilmasseurin aufzunehmen. Nach der Begründung dieses Bescheides habe die Beschwerdeführerin den in § 46 Abs. 1 MMHmG geforderten Qualifikationsnachweis nicht erbracht, weil sie gemäß § 84 Abs. 7 leg. cit. eine Tätigkeit als Heilmasseur ohne Aufschulung nur ausüben dürfe, wenn im Zeitpunkt des Inkrafttretens des MMHmG () die qualifizierte Leistungserbringung durch Abrechnung mit gesetzlichen Krankenversicherungsträgern nachgewiesen sei. Die letztgenannte Voraussetzung habe die Beschwerdeführerin nicht erbracht.
Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom ab und ergänzte unter Bezugnahme auf die durch die Novelle BGBl. I Nr. 66/2003 geänderte Fassung des § 84 Abs. 7 MMHmG die Begründung dahingehend, dass bei der Beschwerdeführerin kein Nachweis der qualifizierten Leistungserbringung durch "direkte" Abrechnung mit einem Krankenversicherungsträger nachgewiesen sei.
Mit Erkenntnis vom , B 1390/03 u.a., behob der Verfassungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom . Der Verfassungsgerichtshof begründete diese Entscheidung damit, dass er mit Erkenntnis vom , G 21/04 u.a., die Wortfolge "durch direkte Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenversicherungsträgern" in § 84 Abs. 7 MMHmG als verfassungswidrig aufgehoben habe. Dies sei im vorliegenden Beschwerdefall, der als Anlassfall anzusehen sei, zu beachten. Nach der bereinigten Rechtslage, so der Verfassungsgerichtshof weiter, sei der vorgeschriebene Qualifikationsnachweis für den Heilmasseur auch erbracht, wenn die Anforderungen des § 84 Abs. 1 oder Abs. 2 MMHmG erfüllt sind und eine (die in § 84 Abs. 3 MMHmG vorgesehene "Aufschulung" entbehrlich machende) "qualifizierte Leistungserbringung" (§ 84 Abs. 7 MMHmG) zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes nachgewiesen sei. Da sich ohne Gewährung des Parteiengehörs zur bereinigten Rechtslage nicht abschließend beurteilen lasse, ob die Beschwerdeführerin diese Voraussetzungen erfülle, sei der Bescheid vom durch den Verfassungsgerichtshof aufzuheben gewesen.
Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen (Ersatz-)Bescheid der belangten Behörde vom wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den genannten Bescheid vom (neuerlich) als unbegründet abgewiesen. In der Begründung stellte die belangte Behörde auf Grund des vorgelegten Gewerbescheins der Beschwerdeführerin fest, dass diese ihr Gewerbe erst am angemeldet habe und dass sie daher zum maßgeblichen Zeitpunkt des Inkrafttretens des MMHmG am offenkundig die in § 84 Abs. 1 Z. 2 MMHmG geforderte sechsjährige Berufspraxis als gewerbliche Masseurin nicht erfüllt habe. Die Beschwerdeführerin habe daher nicht einmal Anspruch auf Absolvierung einer Aufschulung nach § 84 Abs. 3 MMHmG und somit erst Recht keine Befugnis zur Berufsausübung ohne Aufschulung im Sinn des § 84 Abs. 7 MMHmG.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Soweit die Beschwerdeführerin im Gegensatz zu den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in den beiden genannten Erkenntnissen bestreitet, dass § 84 Abs. 7 MMHmG auch die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 84 Abs. 1 oder Abs. 2 MMHmG erfordert, ist sie primär darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde gemäß § 87 Abs. 2 VfGG an die Ansicht des Verfassungsgerichtshofes im - die Beschwerdeführerin betreffenden -
Erkenntnis B 1390/03 gebunden war. Im Übrigen wird zu den Voraussetzungen des § 84 Abs. 7 MMHmG gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2005/11/0002, verwiesen. Diese Voraussetzungen hat die Beschwerdeführerin schon deshalb nicht erfüllt, weil sie zu dem in § 84 Abs. 7 MMHmG genannten Zeitpunkt das Gewerbe der Massage unstrittig noch nicht sechs Jahre rechtmäßig selbständig ausgeübt hat.
Mit ihrem weiteren Beschwerdevorbringen versucht die Beschwerdeführerin eine Berechtigung zur freiberuflichen Berufsausübung als Heilmasseur aus § 46 Abs. 2 MMHmG abzuleiten. Sie bringt vor, der Untersagungsbescheid der Erstbehörde sei nicht innerhalb der Dreimonatsfrist des § 46 Abs. 2 MMHmG erlassen worden, sodass ihrer Ansicht nach "die Bewilligung rechtskräftig geworden ist". Da die Untersagung der Aufnahme der Berufsausübung der Beschwerdeführerin daher rechtswidrig sei, hätte die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin stattgeben müssen. Diesem Beschwerdevorbringen ist entgegenzuhalten, dass das MMHmG vor allem in den §§ 36 und 84 detailliert die Voraussetzungen für die Berufsausübung als Heilmasseur regelt, bei deren Fehlen diese Tätigkeit von der Behörde zu untersagen ist. Dass diese Voraussetzungen durch das bloße Verstreichen der in § 46 Abs. 2 MMHmG für die behördliche Untersagung vorgesehenen Frist von drei Monaten substituiert wären, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.
Unzutreffend sind schließlich auch die Beschwerdeausführungen, die belangte Behörde habe der Beschwerdeführerin die Berechtigung zur Berufsausübung als Heilmasseur "entzogen" und dabei außer Acht gelassen, dass gegenständlich die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 MMHmG für die Entziehung der Berufsberechtigung nicht erfüllt gewesen seien. Weder dem angefochtenen noch dem erstinstanzlichen Bescheid lässt sich nämlich entnehmen, dass Gegenstand des hier zu beurteilenden Verwaltungsverfahrens die Entziehung der Berufsberechtigung der Beschwerdeführerin gewesen wäre. Vielmehr gingen die Behörden beider Instanzen davon aus, dass der Beschwerdeführerin die Berufsberechtigung als Heilmasseur noch gar nicht zukam.
Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | B-VG Art140 Abs1; B-VG Art140 Abs7; B-VG Art7 Abs1; MMHmG 2002 §36; MMHmG 2002 §46 Abs2; MMHmG 2002 §84 Abs1; MMHmG 2002 §84 Abs2; MMHmG 2002 §84 Abs7 idF 2003/I/066; MMHmG 2002 §84 Abs7 idF 2004/I/141; MMHmG 2002 §84; StGG Art6 Abs1; VwRallg; |
Sammlungsnummer | VwSlg 16660 A/2005 |
Schlagworte | Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2005:2005110055.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
LAAAF-57615