VwGH 15.12.1977, 2004/77
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Der Grundsatz von Treu und Glauben gilt insoweit auch im öffentlichen Recht, als dann, wenn die Studienbeihilfenbehörde in einem Aushang einen unrichtigen Endzeitpunkt der Frist zur Einbringung von Anträgen auf Begabtenstipendien (§ 25Abs 2 StudFG) angibt und Studierende im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Information die Anträge zwar verspätet, aber vor dem im Aushang genannten unrichtigen Endzeitpunkt der Frist einbringen, solche Ansuchen nicht als verspätet ab- oder zurückgewiesen werden dürfen. |
Norm | VwRallg |
RS 2 | Auch im verwaltungsrechtlichen Verfahren muß der Grundsatz von Treu und Glauben gelten. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0789/51 E VwSlg 2406 A/1952 RS 4 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knoll und die Hofräte Dr. Zach, Dr. Karlik, Dr. Seiler und Dr. Ladislav als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hailzl, über die Beschwerde des GD in W, vertreten durch Dr. Herwig-Rainer Hanslik, Rechtsanwalt in Wien I, Wildpretmarkt 1/21, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom , Zl. 56.033/4-17/77, betreffend Begabtenstipendium gemäß §§ 22 ff Studienförderungsgeset z, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Herwig-Rainer Hanslik , sowie des Vertreters der belangten Behörde, Ministerialrat Dr. RM, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 6.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer hatte an der technischen Universität Wien laut seines Antrages vom Wintersemester 1962/1963 bis zum Wintersemester 1973/1974 Elektrotechnik und vom Sommersemester 1974 bis zum Wintersemester 1976/1977 Maschinenbau inskribiert. Er brachte am bei der Technischen Universität Wien einen Antrag auf Gewährung eines Begabtenstipendiums ein. Mit dem Bescheid der Kommission für Begabtenförderung an der Technischen Universität Wien, Fakultät für Maschinenwesen, vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 25 Abs. 2 StudFG abgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 25 Abs. 2 StudFG sei die Bewilligung eines Begabtenstipendiums über die gesetzlich vorgesehene Studienzeit hinaus nicht zulässig. Der Beschwerdeführer habe sich zum Zeitpunkt der Einreichung nach einem Studienwechsel, der außerdem nach dem vierten Semester erfolgt sei, in seinem 29. inskribierten Semester befunden. In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer an, er habe keinen Studienwechsel vorgenommen, es handle sich um ein Doppelstudium der Studienrichtungen Elektrotechnik und Maschinenbau. Im Zeitpunkt der Einreichung des Antrages habe er sich bei der Studienrichtung Elektrotechnik in seinem inskribierten 26. Semester und in der Studienrichtung Maschinenbau in seinem inskribierten 6. Semester befunden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß dieser zu lauten habe:
"Ihr Antrag vom auf Zuerkennung eines Begabtenstipendiums wird gemäß § 25 Abs. 3 StudFG abgewiesen." In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, gemäß § 25 Abs. 3 StudFG sei um die Bewilligung eines Begabtenstipendiums spätestens bis Ablauf jedes Wintersemesters bei der zuständigen Kommission für Begabtenförderung anzusuchen. Gemäß § 19 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes beginne das Wintersemester am 1. Oktober. Die Semesterferien seien von der obersten akademischen Behörde jeder Universität nach den örtlichen Verhältnissen so anzusetzen, daß auf beide Semester zusammen 30 Unterrichtswochen und auf jedes Semester wenigstens 14 Unterrichtswochen entfallen. Das Wintersemester an der Technischen Universität habe am geendet. Der Beschwerdeführer habe seinen Antrag daher nicht im Wintersemester, sondern erst in den Semesterferien eingebracht, dieser sei daher als verspätet abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Gewährung eines Begabtenstipendiums durch unrichtige Anwendung des Studienförderungsgesetzes und der Bestimmungen über das Parteiengehör verletzt. Die belangte Behörde beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer läßt es unbestritten, daß das Wintersemester an der Technischen Universität Wien am geendet hat. Er macht jedoch geltend, durch die Unterlassung der Gewährung des Parteiengehörs sei es ihm nicht möglich gewesen, auf den Umstand hinzuweisen, daß die Studienbeihilfenbehörde erster Instanz, Kommission für Begabtenförderung, an der Technischen Universität Wien den Studierenden der Universität mittels Aushanges mitgeteilt hätte, daß die Ansuchen um Gewährung eines Begabtenstipendiums bis zum bei der Behörde erster Instanz einzubringen seien. In analoger Anwendung des § 61 Abs. 3 AVG 1950 wäre im Hinblick auf diese unrichtige Belehrung der Antrag des Beschwerdeführers als rechtzeitig zu behandeln gewesen.
Die belangte Behörde räumt in ihrer Gegenschrift ein, daß durch einen Irrtum eines Bediensteten der Kommission für Begabtenförderung an der Technischen Universität Wien als Ende der Einreichfrist für Begabtenstipendien in dem Aushang an der Technischen Universität Wien der 15. Februar angeführt gewesen sei, weil das Wintersemester in den früheren Jahren erst mit diesem Tag geendet habe. § 61 Abs. 3 AVG 1950 könne jedoch schon deshalb nicht analog angewendet werden, weil es sich bei der Frist des § 25 Abs. 3 StudFG um eine materiell-rechtliche Frist handle.
Nach § 25 Abs. 3 StudFG ist um die Bewilligung eines Begabtenstipendiums spätestens mit Ablauf jeden Wintersemesters bei der zuständigen Kommission für Begabtenförderung anzusuchen. Gemäß § 26 StudFG sind auf den III. Abschnitt des Studienförderungsgesetzes (betreffend Begabtenstipendien) - soweit dieser keine besonderen Bestimmungen enthält - die Bestimmungen des II. Abschnittes (betreffend die Studienbeihilfen) anzuwenden. Dies trifft auch auf den letzten Satz des § 13 Abs. 1 StudFG zu, wonach verspätet eingebrachte Ansuchen um Studienbeihilfen zurückzuweisen sind. Nach § 19 Abs. 1 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes beginnt das Studienjahr am 1. Oktober und endet am 30. September. Es besteht aus dem Wintersemester, dem Sommersemester und den Ferien. Das Wintersemester beginnt am 1. Oktober. Die Weihnachtsferien beginnen am 19. Dezember und enden am 7. Jänner. Die Semesterferien und die Osterferien sind von der obersten akademischen Behörde jeder Hochschule nach den örtlichen Verhältnissen so anzusetzen, daß auf beide Semester zusammen 30 Unterrichtswochen und auf jedes Semester wenigstens 14 Unterrichtswochen entfallen. Semester- und Osterferien zusammen dürfen 6 Wochen nicht übersteigen.
Sowohl der Beschwerdeführer wie auch die belangte Behörde gehen übereinstimmend davon aus, daß das Wintersemester am geendet hatte, jedoch die Studienbeihilfenbehörde durch das Versehen eines Bediensteten in einem Anschlag die Studierenden dahin belehrt hatte, daß Ansuchen um Begabtenstipendien bis zum einzubringen seien. Von diesen übereinstimmend vorgebrachten Sachverhalt konnte daher ausgegangen werden.
Der genannte Aushang stellt keine Verordnung dar, er ist vielmehr lediglich als eine Information der Studierenden anzusehen. Für die Einleitung eines Verordnungsprüfungsverfahrens besteht daher keine Veranlassung.
Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß der Grundsatz von Treu und Glauben die gesamte Rechtsordnung beherrscht und nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wie auch des Verfassungsgerichtshofes auch im öffentlichen Recht zu beachten ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 328, 329/74, Slg. N.F. Nr. 4749/F, und die dort zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes; vgl. ferner das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 224/76, wonach auch im verwaltungsrechtlichen Verfahren der Grundsatz von Treu und Glauben gelten muß). Im gegebenen Falle mußte die im Anschlag enthaltene Information der Studierenden deren Vertrauen darauf erwecken, daß Anträge auf Begabtenstipendien noch rechtzeitig bis eingebracht werden könnten, zumal in den vergangenen Jahren die Wintersemester an der Technischen Universität Wien stets erst am 15. Februar endeten. Der Grundsatz von Treu und Glauben erfordert es, die Studierenden in diesem Vertrauen zu schützen. Es erübrigt sich daher, auf die Frage der rechtlichen Qualifikation der Frist gemäß § 25 Abs. 3 StudFG als materiell-rechtliche oder verfahrensrechtliche Frist einzugehen, wobei allerdings darauf verwiesen werden kann, daß gemäß § 26 StudFG in Verbindung mit § 13 Abs. 1 letzter Satz StudFG bei Fristversäumnis nicht ab- sondern zurückzuweisen ist. Zu bemerken wäre ferner, daß der Grundsatz von Treu und Glauben auch in der in der Beschwerde zitierten Bestimmung des § 61 Abs. 3 AVG 1950 zum Ausdruck kommt, wonach sich im Falle einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung die Berufungsfrist nach dem AVG 1950 verlängert, welche ausschließlich Berufungen nach dem AVG 1950 betreffende Bestimmung allerdings im gegebenen Falle zweifellos nicht zur Anwendung gelangen kann.
Wenn auch der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht hat, geht sein Vorbringen in der Beschwerde doch in Richtung inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Diese inhaltliche Rechtswidrigkeit war, wie dargelegt, gegeben, weil die belangte Behörde wegen des den Studierenden zuzubilligenden Vertrauens auf die Richtigkeit der ihnen in dem erwähnten Anschlag erteilten Information der Studienbeihilfenbehörde das Ansuchen des Beschwerdeführers nicht wegen Fristversäumnis ab-, aber auch nicht gemäß § 26 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 letzter Satz StudFG zurückweisen hätte dürfen.
Es war daher der Beschwerde Folge zu geben und der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 1 und 2 lit. a, 48 Abs. 1 lit. b und d VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 1 und 2 sowie Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
Schlagworte | Rechtsgrundsätze Treu und Glauben erworbene Rechte VwRallg6/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1977:1977002004.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAF-57553