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VwGH 05.04.2004, 2004/10/0020

VwGH 05.04.2004, 2004/10/0020

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
AVG §62 Abs4;
RehabilitationsG Tir 1983 §20 Abs1;
RehabilitationsG Tir 1983 §7 Abs1;
RehabilitationsG Tir 1983 §7;
RS 1
Mangels einer gesetzlichen Begriffsbestimmung (hier: im Tir RehabilitationsG 1983) und einer Begründung im "berichtigten" wie auch im "berichtigenden" Bescheid entzieht sich einer Beurteilung anhand des Gesetzes und des Inhaltes der betreffenden Bescheide, was unter den angeführten Begriffen im Einzelnen zu verstehen ist. Es ist aber nicht auszuschließen, dass die im "berichtigenden" (angefochtenen) Bescheid ausgesprochene Übernahme der Kosten für "vollzeitbetreute Unterbringung" anstelle der Übernahme der Kosten für "ganztägig betreutes Wohnen" geeignet ist, den Beschwerdeführer in Rechten zu verletzen, zumal auch die belangte Behörde in der Gegenschrift davon ausgeht, dass es sich dabei um zwei verschiedene Kategorien (offenbar im Sinne des Leistungskataloges der betreffenden Einrichtung zur Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen) handle. Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde davon geleitet war, mit dem in Rede stehenden Spruchpunkt I des berichtigenden Bescheides (Übernahme der Kosten für "vollzeitbetreute Unterbringung") eine wesentliche, also die Rechtsstellung des Beschwerdeführers - in Anbetracht des Umfanges der ihm zugesprochenen Rehabilitationsleistungen oder seiner Beitragspflicht - betreffende Änderung des Bescheidinhaltes herbeizuführen. Eine solche Änderung des Spruchinhaltes ist aber aus dem hier allein in Anspruch genommenen Titel der Berichtigung gemäß § 62 Abs 4 AVG nicht zulässig. Nichts anderes gilt für Spruchpunkt II des Bescheides, mit dem dem Beschwerdeführer die Leistung eines Beitrages von EUR 475,-- monatlich anstelle des ursprünglich vorgeschriebenen Beitrages von EUR 21,85 monatlich auferlegt wurde. Die belangte Behörde hatte im ursprünglichen Bescheid weder die Grundlagen ihrer Berechnung noch die angewendete Methode dargelegt. Ebenso wenig kann dem angefochtenen (berichtigenden) Bescheid entnommen werden, welcher Rechenfehler oder welche sonstige (offenkundige) Unrichtigkeit der Behörde bei der Erlassung des ursprünglichen Bescheides unterlaufen wäre und auf welche Weise der "berichtigte" Betrag nunmehr ermittelt wurde.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des Christian M in Innsbruck, vertreten durch die Sachwalterin Mag. Christine T, diese vertreten durch Dr. Gerhard Ebner und Dr. Joachim Tschütscher, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Anichstraße 24, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Va-459-11303/1/63, betreffend Berichtigung in einer Angelegenheit des Tiroler Rehabilitationsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Spruchpunkt I ihres Bescheides vom sprach die belangte Behörde aus, es würden gemäß § 7 Tiroler Rehabilitationsgesetz, LGBl. Nr. 58/1983, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl. Nr. 16/2001 (TRG) für den Zeitraum vom bis die Kosten für ganztägig betreutes Wohnen (des Beschwerdeführers) im Wohnheim der Lebenshilfe Tirol, B-straße 5 in Sch, übernommen. Die Kosten würden mit der Lebenshilfe Tirol abgerechnet. Mit Spruchpunkt II dieses Bescheides wurde ausgesprochen, der Beschwerdeführer habe gemäß § 20 Abs. 1 TRG als Kostenbeitrag EUR 21,85 pro Monat im Zeitraum bis zu leisten.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde unter Berufung auf § 62 Abs. 4 AVG der oben erwähnte Bescheid vom - dem Wortlaut des Spruches zufolge -

"insofern berichtigt, als es im Spruch dieses Bescheides richtig zu lauten hat:

I. Leistungszuerkennung

Gemäß § 7 TRG werden für den Zeitraum vom bis die Kosten für die vollzeitbetreute Unterbringung im Wohnheim der Lebenshilfe Tirol, B-straße 5 in Sch, übernommen. Die Kosten werden mit der Lebenshilfe Tirol abgerechnet.

II. Kostenbeitrag

Gemäß § 20 Abs. 1 hat (Beschwerdeführer) als Kostenbeitrag EUR 475,-- pro Monat im Zeitraum vom bis zu leisten."

Begründend wurde nach Hinweis auf § 62 Abs. 4 AVG dargelegt, es sei bei der Erlassung des Bescheides vom "insofern ein offenbar auf einem Versehen beruhender Schreibfehler unterlaufen, als im Spruch dieses Bescheides an Stelle von der vollzeitbetreuten Unterbringung das ganztägig betreute Wohnen im Wohnheim der Lebenshilfe Tirol, B-straße 5 in Sch, geschrieben wurde". Weiters sei insofern ein offenbar auf einem Versehen beruhender Rechenfehler unterlaufen, als an Stelle von EUR 475,-- Kostenbeitrag pro Monat ein Kostenbeitrag von EUR 21,85 vorgeschrieben worden sein. Es handle sich "hierbei" um eine vollzeitbetreute Unterbringung in einem Wohnheim. Es sei "daher" als Kostenbeitrag 70% der Pension und der Familienbeihilfe und 80% des Pflegegeldes vorzuschreiben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerde macht geltend, es liege weder ein Fall eines Schreib- oder Rechenfehlers noch der Fall einer offenbaren Unrichtigkeit des Bescheides vom im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG vor. Vielmehr hätten die Sachwalterin des Beschwerdeführers und der Sachbearbeiter der belangten Behörde "bewusst die Kategorie der Kostenübernahme für ganztägig betreutes Wohnen im Wohnheim der Lebenshilfe Tirol gewählt". Es sei "vorliegendenfalls" auch "keine vollzeitbetreute Unterbringung des Beschwerdeführers gegeben". Es sei nicht ersichtlich, wie der Kostenbeitrag von EUR 475,-- errechnet worden sei. Überdies werde in die Berechnung offenbar die erhöhte Familienbeihilfe einbezogen, obwohl der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers ohne die Maßnahme der Sozialhilfe nicht im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2003/10/0090, vollends gesichert sei.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie der Beschwerde entgegenhielt, dass im Antrag des Beschwerdeführers als beantragte Rehabilitationsmaßnahme gemäß § 7 TRG die Rubrik "Wohnhaus Trainingswohngruppe Sch ab " angekreuzt worden sei. Trainingswohnen stelle jedoch eindeutig eine Kategorie von vollzeitbetreutem Wohnen dar. Auch aus der Aufnahmeanzeige der Lebenshilfe Tirol vom gehe hervor, dass der Beschwerdeführer ab in die Trainingswohngruppe Sch "unter der Kategorie Wohnen Vollzeit" eingetreten sei. Es werde hiezu erläutert, dass zwar ganztägig betreutes Wohnen und vollzeitbetreutes Wohnen zwei verschiedene Kategorien darstellten (der Satz der Lebenshilfe Tirol für ganztägig betreutes Wohnen sei ein höherer als für vollzeitbetreutes Wohnen); die Berechnung des Kostenbeitrages sei jedoch für beide Kategorien ident. Ganztägig betreutes Wohnen werde von der Lebenshilfe Tirol ausschließlich für Schüler und Pensionisten angeboten, vollzeitbetreutes Wohnen (hingegen) für behinderte Menschen, die, wie auch der Beschwerdeführer, untertags in einer Werkstätte beschäftigt seien. Die berichtigte Entscheidung habe dem Willen der Behörde nicht entsprochen. Dies gehe schon aus dem Umstand hervor, dass der Beschwerdeführer weder Schüler noch Pensionist sei und für ihn daher ganztägig betreutes Wohnen nicht in Betracht käme. Zudem halte er sich tagsüber in einer Werkstätte auf. Auch aus diesem Grund sei ganztägig betreutes Wohnen ausgeschlossen. Diese Unrichtigkeit hätte der belangten Behörde bei entsprechender Aufmerksamkeit schon bei der Bescheiderlassung auffallen können. Die offenbare Unrichtigkeit sei auch für den Beschwerdeführer erkennbar gewesen, weil er vollzeitbetreutes Wohnen beantragt habe und auch vollzeitbetreut wohne. Bei der Kostenberechnung sei der Behörde insofern ein Fehler unterlaufen, als sie irrtümlicherweise für die Kostenberechnung den Modus für Wohngemeinschaften anstelle des Modus für vollzeitbetreutes/ganztägig betreutes Wohnen herangezogen habe. Dabei handle es sich um eine offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit. Für den Beschwerdeführer sei diese offenbare Unrichtigkeit schon deshalb erkennbar gewesen, da ihm "bereits mit Bescheid vom für den Zeitraum bis ganztägig betreutes Wohnen in einem Wohnheim zugesprochen und hiefür ein Kostenbeitrag von EUR 475 pro Monat auferlegt" worden sei. Aus der Niederschrift vom gehe hervor, dass "der Kostenbeitrag von EUR 21,85 für die Unterbringung in teilzeitbetreuten Wohngemeinschaften heranzuziehen sei und für die Unterbringung in einem Wohnheim EUR 475 berechnet werden, wenngleich in dieser Niederschrift fälschlicherweise von der Aufnahme in eine teilzeitbetreute Wohngemeinschaft ab ausgegangen wurde". Der Beschwerdebehauptung, dass die Berechnung des Kostenbeitrages im Berichtigungsbescheid nicht nachvollziehbar sei, werde entgegengehalten, dass die Begründung, wonach als Kostenbeitrag 70 % der Pension und der Familienbeihilfe und 80 % des Pflegegeldes vorzuschreiben seien, keine Zweifel offen ließe, zumal der Beschwerdeführer selbst die Unterlagen zur Berechnung (Kontoauszug vom ) beigebracht habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 62 Abs. 4 AVG kann die Behörde Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden jederzeit von Amts wegen berichtigen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, § 62 AVG, E 157 bis 160 referierte hg. Rechtsprechung) eröffnet die Berichtigungsbefugnis nach der zitierten Vorschrift nicht die Möglichkeit einer nachträglichen Änderung im Inhalt eines Bescheides.

Im vorliegenden Fall sprach die Behörde mit dem (in der Folge berichtigten) Bescheid vom , Spruchpunkt I, aus, sie übernehme "gemäß § 7 TRG für den Zeitraum vom bis die Kosten für ganztägig betreutes Wohnen im Wohnheim der Lebenshilfe Tirol, B-straße 5 in Sch"; mit dem als Berichtigungsbescheid gemäß § 62 Abs. 4 AVG titulierten Bescheid vom , Spruchpunkt I, wurden (hingegen) "gemäß § 7 TRG die Kosten für die vollzeitbetreute Unterbringung im Wohnheim der Lebenshilfe Tirol, B-Straße 5 in Sch" übernommen.

Weder der Begriff "ganztägig betreutes Wohnen" noch der Begriff "vollzeitbetreute Unterbringung" ist dem Tiroler Rehabilitationsgesetz entnommen. Die bezogene Gesetzesstelle (§ 7) ist mit "Beschäftigungs- und Arbeitstherapie (Ergotherapie)" überschrieben. Nach Abs. 1 leg. cit. hat die Beschäftigungs- und Arbeitstherapie (Ergotherapie) die Aufgabe, für jene Behinderten, deren physischer oder psychischer Zustand einer beruflichen Eingliederung entgegensteht, Einrichtungen und Mittel zur Erhaltung und Weiterentwicklung der vorhandenen Fähigkeiten sowie Einrichtungen und Mittel zur Eingliederung in die Gesellschaft bereitzustellen. Die erwähnten Begriffe sind auch nicht von anderer Stelle des TRG entnommen.

Mangels einer gesetzlichen Begriffsbestimmung und einer Begründung im "berichtigten" wie auch im "berichtigenden" Bescheid entzieht sich einer Beurteilung anhand des Gesetzes und des Inhaltes der in Rede stehenden Bescheide, was unter den angeführten Begriffen im Einzelnen zu verstehen ist. Es ist aber nicht auszuschließen, dass die im "berichtigenden" (angefochtenen) Bescheid ausgesprochene Übernahme der Kosten für "vollzeitbetreute Unterbringung" anstelle der Übernahme der Kosten für "ganztägig betreutes Wohnen" geeignet ist, den Beschwerdeführer in Rechten zu verletzen, zumal auch die belangte Behörde in der Gegenschrift davon ausgeht, dass es sich dabei um zwei verschiedene Kategorien (offenbar im Sinne des Leistungskataloges der betreffenden Einrichtung zur Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen) handle.

Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde davon geleitet war, mit dem in Rede stehenden Spruchpunkt I des berichtigenden Bescheides eine wesentliche, also die Rechtsstellung des Beschwerdeführers - in Anbetracht des Umfanges der ihm zugesprochenen Rehabilitationsleistungen oder seiner Beitragspflicht - betreffende Änderung des Bescheidinhaltes herbeizuführen. Eine solche Änderung des Spruchinhaltes ist aber aus dem hier allein in Anspruch genommenen Titel der Berichtigung gemäß § 62 Abs. 4 AVG nicht zulässig.

Nichts anderes gilt für Spruchpunkt II des Bescheides, mit dem dem Beschwerdeführer die Leistung eines Beitrages von EUR 475,-

- monatlich anstelle des ursprünglich vorgeschriebenen Beitrages von EUR 21,85 monatlich auferlegt wurde. Die belangte Behörde hatte im ursprünglichen Bescheid weder die Grundlagen ihrer Berechnung noch die angewendete Methode dargelegt. Ebenso wenig kann dem angefochtenen (berichtigenden) Bescheid entnommen werden, welcher Rechenfehler oder welche sonstige (offenkundige) Unrichtigkeit der Behörde bei der Erlassung des ursprünglichen Bescheides unterlaufen wäre und auf welche Weise der "berichtigte" Betrag nunmehr ermittelt wurde.

Schon aus diesem Grund kann der angefochtene Bescheid auch in seinem Spruchpunkt II nicht rechtmäßig auf § 62 Abs. 4 AVG gestützt werden.

Der angefochtene Bescheid war daher zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine gesonderte Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am

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AVG §62 Abs4;
RehabilitationsG Tir 1983 §20 Abs1;
RehabilitationsG Tir 1983 §7 Abs1;
RehabilitationsG Tir 1983 §7;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2004:2004100020.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
RAAAF-57490

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