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VwGH 03.05.2005, 2003/18/0084

VwGH 03.05.2005, 2003/18/0084

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
StbG 1985 §5 Abs1;
RS 1
Gemäß § 5 Abs. 1 des StbG 1985 in seiner bis zum geltenden Stammfassung ist der ordentliche Wohnsitz einer Person an dem Ort begründet, an dem sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, ihn bis auf weiteres zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu wählen. Hiebei ist es unerheblich, ob die Absicht darauf gerichtet war, für immer an diesem Ort zu bleiben, und es ist auch nicht erforderlich, dass der Aufenthalt des Fremden rechtmäßig ist (Hinweis E , 98/01/0081).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2002/18/0292 E RS 3
Normen
B-VG Art6 Abs3;
HauptwohnsitzG 1994 Art7 Z3;
MeldeG 1991 §1 Abs7;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;
RS 2
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2002/01/0081 (mwN), darlegte, ist dem Begriff des "Hauptwohnsitzes" im Besonderen im Rahmen des Staatsbürgerschaftsrechtes das sich aus dem B-VG ergebende Verständnis zu Grunde zu legen - und nicht etwa der engere Hauptwohnsitzbegriff des MeldeG 1991. Dass der einmal an einem Ort begründete Hauptwohnsitz nicht durch jegliche Abwesenheit von diesem Ort wieder verloren geht, versteht sich von selbst. Ein bestehender Hauptwohnsitz verliert diese Qualifikation nicht bloß auf Grund einer vorübergehenden Tätigkeit des Betroffenen anderswo, etwa im Ausland, sofern der "Mittelpunktcharakter" des Hauptwohnsitzes erhalten bleibt. Aber auch eine Abmeldung bei der Meldebehörde führt - ungeachtet ihres Indizcharakters - nicht jedenfalls dazu, dass ein bestehender Hauptwohnsitz erlischt.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2001/01/0504 E RS 2 (hier der erste Satz)
Normen
FrG 1997 §38 Abs1 Z3;
MeldeG 1991 §1 Abs7 idF 1994/505;
MeldeG 1991 §22 Abs1 Z1;
MeldeG 1991 §3;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
RS 3
Nach dem Wortlaut des § 1 Abs 7 MeldeG 1991 idF 1994/505 ist für das Bestehen eines Hauptwohnsitzes an einer bestimmten Unterkunft der tatsächliche Aufenthalt und die Absicht, die Unterkunft zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu machen, erforderlich. Diese Voraussetzungen können aber auch bei Verletzung der Meldepflicht gem § 3 MeldeG 1991 - die gem § 22 Abs 1 Z 1 MeldeG 1991 zur Bestrafung führen kann und allenfalls sogar eine Gefährdung von öffentlichen Interessen im Sinn von § 10 Abs 1 Z 6 StbG 1985 darstellen könnte - gegeben sein. Die polizeiliche Meldung ist zwar ein wichtiges Indiz für das Bestehen eines inländischen Hauptwohnsitzes, nicht aber notwendige Voraussetzung. Die Ansicht, die Fremde erfülle schon mangels nachgewiesener durchgehender polizeilicher Meldung nicht die Voraussetzung des zehnjährigen ununterbrochenen Hauptwohnsitzes gem § 10 Abs 1 Z 1 StbG 1985, verkennt die Rechtslage.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 99/18/0249 E RS 2 (hier nur dritter Satz)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des A, geboren 1969, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Adalbert-Stifter-Straße 16, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. St 71/02, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer den Aufwand von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie den §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist. Sein am gestellter Asylantrag sei mit Bescheid der belangten Behörde vom (nach der am erfolgten Zurückziehung der dagegen erhobenen Berufung) rechtskräftig abgewiesen worden. Am habe er erstmals einen befristeten Sichtvermerk erhalten. Zuletzt sei ihm am eine unbefristete Niederlassungsbewilligung erteilt worden.

Am seien der Beschwerdeführer, sein mit einer Schusswaffe bewaffneter Neffe sowie ein weiterer Landsmann in Regau auf frischer Tat beim Verkauf von etwa 350 Gramm Kokain betreten und festgenommen worden. Der Beschwerdeführer sei mit Urteil (des Landesgerichtes Wels) vom wegen des Verbrechens nach § 15 Abs. 1 StGB, § 28 Abs. 2 vierter Fall und Abs. 3 (1. Fall) SMG rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 6 Monate unbedingt und 18 Monate bedingt, verurteilt worden. Es sei die Annahme gerechtfertigt, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle.

Der im Kosovo verheiratete Beschwerdeführer lebe in Österreich in Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsangehörigen. Ferner halte sich der (bereits erwähnte) Neffe des Beschwerdeführers in Österreich auf.

In Anbetracht der gerichtlichen Verurteilung sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt und die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Das Aufenthaltsverbot greife zwar in das Privatleben des Beschwerdeführers ein, es sei aber in Anbetracht der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität gemäß § 37 Abs. 1 FrG gerechtfertigt. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wögen wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation, weshalb das Aufenthaltsverbot auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei.

Der Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund des § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG komme dem Beschwerdeführer nicht zu Gute, weil der Beginn seiner Niederlassung erst mit Abschluss seines Asylverfahrens (der Zurückziehung der Berufung gegen den erstinstanzlichen negativen Asylbescheid am ) angesetzt werden könne. Der Aufenthalt während seines Asylverfahrens könne "wohl noch kaum vom Niederlassungswillen getragen gewesen sein, zumal mit der Zuerkennung einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz eine andere Intention verfolgt wird". In gleicher Weise könne erst nach Abschluss seines Asylverfahrens von einem ununterbrochenen Hauptwohnsitz im Sinn des § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes ausgegangen werden, weil davor nicht klar sei, ob der Beschwerdeführer Asyl erhalten werde und wie lange er im Bundesgebiet verbleiben dürfe. Da nicht vorhergesehen werden könne, wann die Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes weggefallen sein würden, habe das Aufenthaltsverbot nur auf unbefristete Dauer verhängt werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor; von der Erstattung einer Gegenschrift wurde abgesehen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, ihm hätte bereits Anfang November 2001 (sohin vor Verwirklichung des "maßgeblichen Sachverhaltes" im Sinn des § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG am ) die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden können, weil er sich zu diesem Zeitpunkt seit über zehn Jahren im Bundesgebiet befunden habe. Die belangte Behörde gehe zu Unrecht davon aus, dass der Wohnsitz bzw. Hauptwohnsitz erst am mit der Erteilung eines befristeten Sichtvermerkes begründet worden sei.

1.2. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.

Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 hätte verliehen werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Unter dem Zeitpunkt "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" ist der Zeitpunkt vor Eintritt des ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände zu verstehen. Im Fall eines auf strafbaren Handlungen gründenden Aufenthaltsverbotes handelt es sich beim "maßgeblichen Sachverhalt" nicht um die jeweilige Verurteilung bzw. Bestrafung, sondern um das einer Verurteilung bzw. Bestrafung zu Grunde liegende Fehlverhalten, weil nur dieses die im § 36 Abs. 1 Z. 1 bzw. § 36 Abs. 1 Z. 2 FrG umschriebene, für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes notwendige Annahme rechtfertigen kann. Im vorliegenden Fall ist der für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Umstand am mit dem Versuch des Beschwerdeführers eingetreten, Suchtmittel zu verkaufen. Ein Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund nach § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG ist dann gegeben, wenn dem Fremden zu dem vorhin genannten Zeitpunkt die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 hätte verliehen werden können. Dazu müsste der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet gehabt haben.

Nach Art. VII des Hauptwohnsitzgesetzes, BGBl. Nr. 505/1994, gilt in Bezug auf das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 für Zeiten vor Inkrafttreten des Hauptwohnsitzgesetzes (am ) als Hauptwohnsitz der ordentliche Wohnsitz. Gemäß § 5 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in seiner bis zum geltenden Stammfassung ist der ordentliche Wohnsitz einer Person an dem Ort begründet, an dem sie sich in der erweislichen oder - wie bei der Stellung eines Asylantrages - aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, ihn bis auf weiteres zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu wählen. Hiebei ist es unerheblich, ob die Absicht darauf gerichtet war, für immer an diesem Ort zu bleiben, und es ist auch nicht erforderlich, dass der Aufenthalt des Fremden rechtmäßig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/18/0292). Nach der Rechtslage ab dem ist der Hauptwohnsitz im Sinn des Art. 6 Abs. 3 B-VG dort begründet, wo sich die Person in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, hier den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu schaffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/01/0081, wonach dem Ausdruck "Hauptwohnsitz" im Rahmen des Staatsbürgerschaftsrechtes das sich aus dem B-VG ergebende Verständnis zu Grunde gelegt werden muss). Auch nach der seither geltenden Rechtslage kommt es nicht darauf an, ob der Aufenthalt im Bundesgebiet rechtmäßig ist oder ob die betreffende Person ihrer Meldepflicht gemäß § 3 Meldegesetz 1991 nachgekommen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/18/0249). In Anbetracht des Wunsches des Beschwerdeführers, in Österreich (als Flüchtling) zu bleiben, kann im vorliegenden Fall kein Zweifel daran bestehen, dass er seit seiner Einreise nach Österreich am seine ordentlichen Wohnsitz bzw. seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hatte. Unmittelbar vor der Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes am hätte ihm daher - vorbehaltlich der Erfüllung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen - die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden können. Damit könnte der Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund des § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG erfüllt sein, zumal der Beschwerdeführer unstreitig nicht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist.

2. Der angefochtene Bescheid war wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

3. Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am

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Normen
B-VG Art6 Abs3;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1 Z2;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §38 Abs1 Z3;
HauptwohnsitzG 1994 Art7 Z3;
HauptwohnsitzG 1994 Art7;
MeldeG 1991 §1 Abs7 idF 1994/505;
MeldeG 1991 §1 Abs7;
MeldeG 1991 §22 Abs1 Z1;
MeldeG 1991 §3;
SMG 1997 §28 Abs2 Fall4;
SMG 1997 §28 Abs3 Fall1;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §5 Abs1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2005:2003180084.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAF-57391