VwGH 20.06.2002, 2002/20/0230
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | AVG §71 Abs1 Z1; VwGG §46 Abs1; |
RS 1 | Im vorliegenden Fall lag ein die Fristeinhaltung hinderndes Ereignis dadurch vor, dass der Vertreter des Antragstellers wegen eines Irrtums über den Fristbeginn bzw. das Fristende die VwGH-Beschwerde erst nach objektivem Ablauf, wenngleich innerhalb der von ihm angenommenen Frist, eingebracht hat (Hinweis E vom , Zl. 83/11/0143). |
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RS 2 | Ein minderer Grad des Versehens liegt vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht (Hinweis B vom , Zl. 94/16/0066). Hier: Vor Eintragung der Beschwerdefrist in seinen Terminkalender hat der Vertreter des Antragstellers einen Telefonanruf seiner Ehegattin erhalten, die zu diesem Zeitpunkt mit dem sechsten Kind schwanger gewesen ist, wobei bereits ca. drei Wochen vor diesem Tag wegen Verdachts auf Blasensprung und Gefahr einer Frühgeburt stationär eine Behandlung im Krankenhaus stattgefunden hat. Die Ehegattin teilte dem Vertreter mit, dass bei ihr neuerlich Wehentätigkeit eingesetzt habe und er raschest möglich nach Hause kommen solle. Bereits das vierte und fünfte Kind der Frau des Vertreters sind um mehrere Wochen vor dem vorgesehenen Geburtstermin zur Welt gekommen. Angesichts der psychischen Ausnahmesituation auf Grund des Anrufes der Ehegattin und der dadurch hervorgerufenen Sorge um diese und das erwartete Kind ist zuzubilligen, dass auch einem sonst sorgfältigen Menschen bei einer Termineintragung ein Fehler unterlaufen kann, welcher angesichts der dargestellten Situation den minderen Grad des Versehens nicht übersteigt. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über den Antrag des A R in Salzburg, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 220.872/0- IV/11/01, betreffend § 7 und § 8 Asylgesetz, den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz abgewiesen, und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan wurde gemäß § 8 Asylgesetz für zulässig erklärt. Die Zustellung dieses Bescheides erfolgte den Angaben des Antragstellers zufolge am .
Mit dem vorliegenden, am zur Post gegebenen und mit einer Bescheidbeschwerde verbundenen Antrag begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, weil er durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Beschwerdeerhebung gehindert worden sei.
Der Antragsteller habe am Herrn Rechtsanwalt Dr. B. in dessen Kanzlei aufgesucht und ihn mit der Einbringung der Beschwerde beauftragt. Vor Eintragung der Beschwerdefrist in seinen Terminkalender habe Herr Dr. B. einen Telefonanruf seiner Ehegattin erhalten, die zu diesem Zeitpunkt mit dem sechsten Kind schwanger gewesen sei wobei bereits ca. drei Wochen vor diesem Tag wegen Verdachts auf Blasensprung und Gefahr einer Frühgeburt stationär eine Behandlung im Krankenhaus L. stattgefunden habe. Frau B. teilte Herrn Dr. B. mit, dass bei ihr neuerlich Wehentätigkeit eingesetzt habe und er raschest möglich nach Hause kommen solle. Herr Dr. B., irritiert durch diesen Telefonanruf, habe daraufhin die Fristberechnung irrtümlicherweise mit einem Beginn des Fristenlaufes am anstelle des vorgenommen. Als Datum für den Fristablauf habe Herr Dr. B. den im Terminkalender vorgemerkt. Der Fehler sei auch deshalb nicht aufgefallen, da der auf den gleichen Wochentag wie der gefallen sei. Herr Dr. B. sei seit September 1981 als selbstständiger Rechtsanwalt tätig, und es sei ihm niemals ein derartiger oder vergleichbarer Fehler unterlaufen. Der Fehler stelle daher eine entschuldbare Fehlleistung dar und sei durch die Ausnahmesituation im Zusammenhang mit den Schwangerschaftsproblemen der Ehegattin des Herrn Dr. B. begründet. Anzuführen sei auch noch, dass bereits das vierte und fünfte Kind der Frau B. um mehrere Wochen vor dem vorgesehenen Geburtstermin zur Welt gekommen seien und daher die Sorge von Herrn Dr. B. um das Wohlbefinden seiner Ehegattin und des zu erwartenden Kindes verständlich und nachvollziehbar sei. Auf den Umstand der Fristversäumnis sei Herr Dr. B. erst am aufmerksam geworden, als er die Beschwerde habe diktieren wollen.
Dem Antrag angeschlossen sind eine eidesstattliche Erklärung von Herrn Dr. B. betreffend die Richtigkeit des Vorbringens zum Wiedereinsetzungsantrag und Kopien des Terminkalenders der Kanzlei Dr. B.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorgesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. § 46 Abs. 3 VwGG sieht vor, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen ist, wobei die versäumte Handlung gleichzeitig nachzuholen ist.
Nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag wurde der Vertreter des Antragstellers am auf die Versäumung der Frist aufmerksam, weshalb der am zur Post gegebene Antrag rechtzeitig ist.
Im vorliegenden Fall lag ein die Fristeinhaltung hinderndes Ereignis dadurch vor, dass der Vertreter des Antragstellers wegen eines Irrtums über den Fristbeginn bzw. das Fristende die Beschwerde erst nach objektivem Ablauf, wenngleich innerhalb der von ihm angenommenen Frist, eingebracht hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 83/11/0143).
Auf Grund des Vorbringens im Wiedereinsetzungsantrag kann nicht davon ausgegangen werden, dass Herr Dr. B., dessen Verhalten als sein Vertreter dem Beschwerdeführer zuzurechnen ist, auffallend sorglos gehandelt hat. Ein minderer Grad des Versehens liegt vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom , Zl. 94/16/0066). Dies ist im vorliegenden Fall gegeben. Angesichts der psychischen Ausnahmesituation auf Grund des Anrufes der Ehegattin und der dadurch hervorgerufenen Sorge um diese und das erwartete Kind ist zuzubilligen, dass auch einem sonst sorgfältigen Menschen bei einer Termineintragung ein Fehler unterlaufen kann, welcher angesichts der dargestellten Situation den minderen Grad des Versehens nicht übersteigt.
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher Folge zu geben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2002:2002200230.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
BAAAF-57251