VwGH 28.01.2003, 2002/18/0291
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Mangelnde deutsche Sprachkenntnisse stellen keinen Wiedereinsetzungsgrund dar. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 1603/71 E RS 1 |
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RS 2 | Nach dem FrG 1993 besteht - ebenso wie nach dem FrG 1997 - kein Anspruch eines Fremden auf Erlassung eines Bescheides in einer ihm verständlichen Sprache. Weiters stellt die Verhängung der Schubhaft über einen Fremden keine taugliche Begründung für einen Wiedereinsetzungsantrag dar. Nach der Rechtsprechung des VwGH fehlt nämlich einem in Schubhaft befindlichen Fremden die Dispositionsfähigkeit nicht soweit, dass er allein deswegen zur Wahrung der Rechtsmittelfrist außerstande wäre (Hinweis E , 97/21/0770). Versuche, mit geeigneten Personen (Dolmetscher und/oder Rechtsbeistand) Kontakt aufzunehmen, sind grundsätzlich auch während der Schubhaft zu unternehmen. Bleiben derartige Versuche jedoch ergebnislos, so kann dies einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darstellen. Es muss sichergestellt sein, dass ein Fremder - auch oder gerade wegen der Einengung seiner Freiheit während der Schubhaft - den von ihm gewünschten Rechts- oder sonstigen Beistand rechtzeitig erhält, ohne ihm ständige Urgenzen zuzumuten (Hinweis E , 93/01/1117). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 98/21/0421 E RS 1
(hier nur dritter Satz) |
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RS 3 | Die verhängte Schubhaft ist - ebenso wie mangelnde Rechtskenntnis oder Rechtsirrtum (Hinweis B , 2508, 2600, 2819/80, VwSlg 10309 A/1980) - für sich allein kein Grund, der es zuließe, die Unterlassung einer rechtzeitigen Berufungseinbringung (hier gegen eine Ausweisung) als unverschuldet oder als ein über den minderen Grad des Versehens nicht hinausgehendes Verschulden zu werten. Auch das Zusammentreffen der vom Fremden aufgezeigten Umstände (er bringt vor, er habe mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache, habe die einschlägigen Rechtsvorschriften nicht gekannt und habe sich während der Rechtsmittelfrist in Schubhaft befunden) vermag ohne das Hinzutreten eines ihn konkret treffenden Hinderungsgrundes, der über die allgemeine Situation eines in Schubhaft befindlichen, der deutschen Sprache nicht mächtigen Fremden hinausgeht, die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu rechtfertigen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 97/21/0770 E RS 4
(hier nur letzer Satz, wobei eine Unkenntnis der einschlägigen
Rechtsvorschriften nicht geltend gemacht wurde) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über den Antrag des J, geboren 1970, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 398/02, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.
Begründung
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Die Zustellung dieses Bescheides erfolgte am .
2. Mit der an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien gerichteten Eingabe vom , weitergeleitet an den Verwaltungsgerichtshof am , begehrte der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den oben erstgenannten Bescheid. Er sei der deutschen Sprache nicht mächtig und der österreichischen Judikatur nicht kundig. Ihn treffe keine Schuld daran, dass ihm der besagte Bescheid vom nicht ins Englische übersetzt worden sei. Die Einhaltung der (Beschwerde)Frist sei ihm durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne sein Verschulden unmöglich gewesen. Zusätzlich sei die Einhaltung einer vierzehntägigen Frist für die Antragstellung nach dem Aufhören des Hindernisses und
"die gleichzeitige Nachholung der versäumten Verfahrenshandlung notwendig, uzw. in koncreto wie eingangs beantragt 'Dolmetscher(in) iVm. Verfahrenshilfe, Kostenersatzantrag'; siehe hiezu u.a. auch: Verfahrensrechtliche Schutzvorschriften in Bezug auf die Ausweisung von Ausländern gem. Art. 1, Abs. 1 lit. a.) b.) und c.) 7. ZPMRK."
3.1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
3.2. Der Antragsteller macht als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis geltend, dass ihm der anzufechtende Bescheid nicht ins Englische übersetzt worden sei. Das Hindernis zur Erhebung der Beschwerde könne erst durch Beigebung eines Dolmetschers wegfallen. Die vierzehntägige Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 46 Abs. 3 VwGG) habe in Ermangelung der Beigabe eines Dolmetschers noch nicht einmal zu laufen begonnen.
Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass der Fremde keinen Anspruch auf Erlassung eines Bescheides nach dem Fremdengesetz in einer ihm verständlichen Sprache hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/21/0770). Mangelnde Sprachkenntnisse als solche stellen ohne Hinzutritt besonderer, hier nicht behaupteter Umstände keinen Wiedereinsetzungsgrund dar (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 651, zitierte Rspr., sowie den hg. Beschluss vom , Zlen. 2001/01/0026, 0083). Einem in Haft befindlichen Fremden fehlt die Dispositionsfähigkeit nicht soweit, dass er allein deswegen zur Wahrung der Rechtsmittelfrist außer Stande wäre (vgl. das einen in Schubhaft befindlichen Fremden betreffende hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 99/18/0320). Auch das Zusammentreffen der aufgezeigten Umstände vermag die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu rechtfertigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/21/0301).
Der Beschwerdeführer hätte die behauptete Ungewissheit über den Inhalt und die Bedeutung des Bescheides somit nicht einfach auf sich beruhen lassen dürfen. Er hat nicht vorgebracht, Schritte unternommen zu haben, seine Rechte zu wahren, geschweige denn, dass sich ihm dabei unvorhergesehene oder unabwendbare Hindernisse entgegen gestellt hätten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/21/0110). Seiner Auffassung, vor der Beigebung eines Dolmetschers würde nicht einmal die in § 46 Abs. 3 VwGG genannte Frist für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrages zu laufen beginnen, kann aus den genannten Gründen ebenfalls nicht beigepflichtet werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2003:2002180291.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAF-57250