Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.02.2025, RV/7101001/2024

Stabilitätsabgabegesetz: Kein Abzug von Forderungen gegenüber dem Zentralinstitut aus der Erfüllung von Liquiditätserfordernissen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Ernst & Young Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Wagramer Straße 19, 1220 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes für Großbetriebe betreffend die Festsetzung der Stabilitätsabgabe für das Jahr 2013 vom , für die Jahre 2014 bis 2022 vom , sowie die Festsetzung der Sonderzahlung zur Stabilitätsabgabe gemäß § 201 BAO vom bzw. über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Großbetriebe betreffend die Festsetzung der Stabilitätsabgabe für das Jahr 2023 vom , jeweils zur Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Aufgrund der Feststellungen einer Außenprüfung wurden die Verfahren betreffend die Festsetzung der Stabilitätsabgabe für die Jahre 2013 bis 2021 gemäß § 303 Abs 1 BAO durch die belangte Behörde wiederaufgenommen und ergingen neue Festsetzungsbescheide bzw. wurden für die Jahre 2022 und 2023 erstmalig neue Festsetzungsbescheide zur Stabilitätsabgabe bzw. erging erstmalig ein Bescheid über die Festsetzung der Sonderzahlung zur Stabilitätsabgabe gemäß § 201 BAO.

Die Behörde begründete dies damit, dass bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Stabilitätsabgabe die in der Bilanz ausgewiesene Forderung an das Zentralinstitut, entstanden aus der Einhaltung von Liquiditätshaltungsbestimmungen, nicht als Verpflichtungen gegenüber Kreditinstituten, soweit diese aus der Erfüllung des Liquiditätserfordernisses gemäß § 25 BWG (bis 2014) bzw. Teil 6 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (ab 2015) entstanden sind, nicht von der durchschnittlich unkonsolidierten Bilanzsumme iSd § 2 Abs 2 StabAbgG abgezogen werden dürfe. Nach dem Wortlaut des § 2 Abs 2 Z 3 (bis 2014) bzw. 3a (ab 2015) StabAbgG und der Systematik der darin vorgesehenen Abzugsposten können lediglich Posten der Passivseite abgezogen werden. Die Liquiditätsreserven seien Posten der Aktivseite. Ein Abzug sei daher nicht zulässig.

Gegen diese Bescheide richteten sich die gegenständlichen Beschwerden. In grammatikalischer, systematischer und historischer Interpretation seien die in § 2 Abs 2 Z 3 bzw. 3a StabAbgG angeführten "Verpflichtungen gegenüber Kreditinstituten" als Verpflichtungen gegenüber dem Zentralinstitut, bei diesem eine Liquiditätsreserve in einem bestimmten Ausmaß zu halten, zu verstehen. Sollte die Nichtanwendung der Kürzungsbestimmung des § 2 Abs 2 Z 3 bzw. 3a StabAbgG auf die von ihr beim Zentralinstitut gehaltene Liquiditätsreserve dennoch rechtmäßig sein, so beruhen die Abgabenbescheide auf einem verfassungswidrigen Gesetz.

Auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung wurde gemäß § 262 Abs 2 lit a BAO verzichtet. Der zunächst gestellte Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde mit Anbringen vom aus verfahrensökonomischen Gründen zurückgezogen.

Die Beschwerden wurden am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht hat durch den zuständigen Einzelrichter erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist ein Kreditinstitut im Sinne des § 1 Bankwesengesetz (BWG) und gehört dem Liquiditätsverbund der Ü an. Der Ü-Sektor ist ein zweistufiger Sektor mit der Zentralbank als Zentralinstitut und den angeschlossenen Ü als Primärinstitute.

Die Beschwerdeführerin hat als Teil des Ü-Verbundes bei ihrem Zentralinstitut eine Liquiditätsreserve gemäß § 25 BWG (idF BGBl. I Nr. 77/2011 bzw. Nr. 184/2013) und § 27a BWG (idF BGBl. I Nr. 184/2013, Nr. 98/2014 bzw. Nr. 118/2016) gehalten.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung (Spruchpunkt I.)

Strittig ist die Abzugsfähigkeit der beim Zentralinstitut gehaltenen Liquiditätsreserve gemäß § 2 Abs 2 Z 3 (idF BGBl. I Nr. 111/2010 bzw. Nr. 184/2013) bzw. 3a (idF BGBl. I Nr. 184/2013) Stabilitätsabgabegesetz (StabAbgG).

Der Betrieb von Kreditinstituten unterliegt gemäß § 1 StabAbgG der Stabilitätsabgabe.

Gemäß § 2 Abs 1 StabAbgG ist die durchschnittliche unkonsolidierte Bilanzsumme (§ 2 Abs 2 StabAbgG) des Kreditinstitutes, vermindert um die in § 2 Abs 2 StabAbgG genannten Beträge, die Bemessungsgrundlage für die Stabilitätsabgabe.

Gemäß § 2 Abs 2 Z 3a StabAbgG ist die Bilanzsumme ab 2015 um Verpflichtungen gegenüber Kreditinstituten zu vermindern, soweit diese aus der Erfüllung des Liquiditätserfordernisses gemäß Teil 6 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 entstanden sind. Eine Verminderung ist nur in jenem Ausmaß zulässig, als Forderungen an das Zentralinstitut oder ein anderes Kreditinstitut gemäß § 27a BWG (idF BGBl. I Nr. 184/2013, Nr. 98/2014 bzw. Nr. 118/2016) bestehen, die der Erfüllung der eigenen Liquiditätshaltungspflicht gemäß Teil 6 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 dienen und das Zentralinstitut oder das andere Kreditinstitut gemäß § 27a BWG der Stabilitätsabgabe gemäß diesem Bundesgesetz oder einer vergleichbaren Abgabe in einem Mitgliedstaat (§ 2 Z 5 BWG) unterliegt.

Gemäß § 27a BWG haben Kreditinstitute, die einem Zentralinstitut angeschlossen sind, zur Sicherung der Finanzmarktstabilität an einem System des gemeinsamen Liquiditätsausgleichs teilzunehmen. Dazu haben sie bei ihrem Zentralinstitut oder bei einem anderen vertraglich oder statutarisch festgelegten Kreditinstitut mit Sitz in einem Mitgliedstaat eine Liquiditätsreserve im Ausmaß von 10 vH der Spareinlagen und 20 vH der sonstigen Euro-Einlagen, höchstens jedoch 14 vH der gesamten Euro-Einlagen zu halten.

Bis 2014 finden sich in § 25 BWG (idF BGBl. I Nr. 77/2011 bzw. Nr. 184/2013) die gültigen Bestimmungen hinsichtlich der Liquiditätserfordernisse für Liquiditätsverbünde. § 2 Abs 2 Z 3 StabAbgG (idF BGBl. I Nr. 111/2010 bzw. Nr. 184/2013) regelt daran anknüpfend die Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Stabilitätsabgabe.

Zur Anwendbarkeit des § 2 Abs 2 Z 3a StabAbgG auf die vorliegende Fallkonstellation hat der Verwaltungsgerichtshof zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt ausgesprochen ():

"29 Da eine Verminderung nur in jenem Ausmaß zulässig ist, als Forderungen an das Zentralinstitut (oder ein anderes Kreditinstitut) bestehen, kann die Verminderung der Bemessungsgrundlage nach dieser Ziffer nur im Fall eines mehrstufigen Bankenverbundes eintreten, weil nur in diesem Fall sowohl Verpflichtungen gegenüber einem Kreditinstitut (aus der Erfüllung eines Liquiditätserfordernisses), anderseits aber auch Forderungen an das Zentralinstitut bestehen können. Eine derartige Verminderung der Bemessungsgrundlage wird daher insbesondere bei einem dreistufigen Bankenverbund, und zwar auf Ebene der Landesbank eintreten können, bei welcher Verpflichtungen gegenüber dem Primärinstitut und Forderungen gegenüber dem Zentralinstitut bestehen.

30 … Es kann somit abgeleitet werden, dass in Satz 1 dieser Bestimmung gerade nicht die Liquiditätserfordernisse jenes Kreditinstituts gemeint sind, dessen Stabilitätsabgabe zu beurteilen ist, sondern die Liquiditätserfordernisse jenes Kreditinstituts, das die Einlagen bei dem Kreditinstitut, dessen Stabilitätsabgabe zu beurteilen ist, geleistet hat (und damit die Verpflichtung ausgelöst hat).

31 Bei einem (wie hier vorliegenden) zweistufigen Bankenverbund liegen hingegen nicht (beim selben Kreditinstitut) sowohl Verpflichtungen (aus der Erfüllung eines Liquiditätserfordernisses) als auch Forderungen gegenüber dem Zentralinstitut vor."

Die Beschwerdeführerin bilanziert als Primärinstitut keine Verbindlichkeiten, die aus Liquiditätserfordernissen eines anderen Kreditinstituts resultieren. Da folglich keine Verpflichtungen diesen gegenüber gemäß § 2 Abs 2 Z 3 (bis 2014) bzw. Z 3a (ab 2015) StabAbgG vorliegen können, kann auch die Bemessungsgrundlage der Stabilitätsabgabe derart nicht reduziert werden. Überhaupt sind diese Bestimmungen in einem zweistufigen Liquiditätsverbund nicht anwendbar.

Die Beschwerde war daher in Anbetracht der einfachgesetzlichen Bestimmungen als unbegründet abzuweisen.

Die Beschwerdeführerin bringt in verfassungsrechtlicher Hinsicht vor, es läge ein unsachlicher Systembruch hinsichtlich der doppelten Besteuerung von Einlagen, eine unsachliche Differenzierung zwischen Einlagensicherung und Liquiditätsverbund, eine sachwidrige Besteuerung gedeckter Einlagen, eine Benachteiligung gegenüber Kreditinstituten, die keinem Liquiditätsverbund angehören müssen sowie solchen, die einem dreistufigen Bankenverbund angehören, vor.

Nach Art 89 Abs 2 B-VG iVm Art 135 Abs 4 B-VG hat ein Verwaltungsgericht dann, wenn es gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hat, den Antrag auf Aufhebung dieser Rechtsvorschrift beim Verfassungsgerichtshof zu stellen.

Vorauszuschicken ist zunächst, dass es in der privatautonomen Entscheidung einer Bank liegt, ob sie sich einem Zentralinstitut anschließt oder nicht ( mit Verweis auf ; Völkl in Laurer/M. Schütz/Kammel/Ratka, BWG § 27a Rz 13 [Stand , rdb.at]), sodass die Angeschlossenheit - sowohl von Zentralinstitutsseite als auch von Seiten des angeschlossenen Instituts privatautonom in jede Richtung zu jedem Zeitpunkt - abhängig von den entsprechenden Kündigungsbestimmungen - verändert werden kann (Blume in Dellinger, BWG § 27a Rz 8, 10. Lfg November 2020).

Der Verfassungsgerichtshof hat in einer Entscheidung (‐8) zum StabAbgG idF BGBl. I 111/2010 erkannt, dass die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Festsetzungsbescheid hinsichtlich der Stabilitätsabgabe weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden ist. Hinsichtlich der vom Gesetzgeber gewählten Bemessungsgrundlage ist das Anknüpfen an die (modifizierte) Bilanzsumme nicht unsachlich und die vorgebrachten Bedenken gegen die Berechnung der Bemessungsgrundlage sind rechtspolitischer und nicht verfassungsrechtlicher Natur, wobei der Verfassungsgerichtshof festhält, dass ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gegeben ist (Rz 28ff).

Wie bereits in , zum Ausdruck kommt, können gemäß gleichgelagerter Folgebestimmung keine Verpflichtungen bei zweistufigen Liquiditätsverbünden abgezogen werden. Schließt man aus diesen Gründen eine Präjudizialität aus, so fehlt es an einer wesentlichen Voraussetzung zur Beantragung eines Normprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof.

Geht man jedoch davon aus, dass § 2 Abs 2 Z 3 bzw. 3a StabAbgG präjudiziell ist (vgl dazu Muzak, B-VG6 Art 89 Rz 5 d) mit zahlreichen Hinweisen wie zB , G44/97, mit welcher dieser in einer die Kommunalsteuer betreffenden Beschwerdesache, obwohl vom Beschwerdeführer lediglich die Verfassungswidrigkeit von § 1 Kommunalsteuergesetz vorgebracht worden war, von Amts wegen ein Prüfungsverfahren hinsichtlich der Ausnahmebestimmung § 8 Z 1 Kommunalsteuergesetz eingeleitet und diese somit als präjudiziell angesehen hatte), so ist die Tatsache, dass ein Normprüfungsverfahren weder beantragt noch amtswegig eingeleitet wurde, derart auszulegen, dass weder der Verwaltungsgerichtshof () noch der Verfassungsgerichtshof (, B 886/11‐8) Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit hatten.

Das Bundesfinanzgericht sieht sich daher nicht veranlasst, einen Gesetzesaufhebungsantrag beim Verfassungsgerichtshof zu stellen.

4. Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision (Spruchpunkt II.)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Rechtsfrage ist durch , gelöst und kommt dieser daher keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
ZAAAF-57230