Geschäftsführerhaftung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Haftungsbescheid für Geschäftsführerhaftung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Beschwerdeführers und von Mag. Sebastian Rivo-Wastl, BA für das Finanzamt sowie der Schriftführerin Mag. Jacqueline Pfeiffer zur Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Der Beschwerdeführer wird zur Haftung für Umsatzsteuer 2022 in Höhe von € 8.392,17 herangezogen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Haftungsvorhalt
Mit Schreiben vom teilte das Finanzamt Österreich (belangte Behörde) dem Beschwerdeführer mit, dass am Abgabenkonto der ***AB*** (Primärschuldnerin) ein Abgabenrückstand in Höhe von € 14.786,32 aushaftet. Weiters führte das Finanzamt aus, dass der Rückstand "u.a. infolge Nichtentrichtung der seit fällig gewordenen Abgaben" bestehe und der Beschwerdeführer "im Zeitraum von bis zum Geschäftsführer" der Primärschuldnerin bestellt war. Sofern die Primärschuldnerin "zum Zeitpunkt der Fälligkeit der einzelnen Abgaben" über keine ausreichenden liquiden Mittel verfügte, wurde der Beschwerdeführer ersucht, einen Gleichbehandlungsnachweis vorzulegen.
Mit Schreiben vom beantwortete der Beschwerdeführer den Vorhalt vom dahingehend, dass er einen Haftungstatbestand bestreitet und der Steuerrückstand unrichtig sei. Zum Gleichbehandlungsnachweis führte der Beschwerdeführer aus, dass das Gleichbehandlungsprinzip nicht verletzt worden wäre, weil der Gesetzgeber im Zusammenhang mit COVID-19 den Unternehmen Stundungen eingeräumt habe und festgelegt habe, dass Unternehmen vorrangig andere Verbindlichkeiten tilgen könnten. Der Gesetzgeber habe das Gleichbehandlungsgebot mit den COVID-Bestimmungen ausgesetzt.
Haftungsbescheid (angefochtener Bescheid)
Mit Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer zur Haftung für aushaftende Umsatzsteuern der Primärschuldnerin im Ausmaß von € 13.408,32 herangezogen. Als Zeitraum ist "2022" angeführt; als Fälligkeitstag der "". Beigelegt war dem Haftungsbescheid ein Umsatzsteuerbescheid 2022 vom . In der Bescheidbegründung ist unter anderem angeführt, dass der Beschwerdeführer vom bis TT.1.2023 Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen ist und verpflichtet war, die Abgaben aus deren Mittel zu bezahlen.
Beschwerde
Mit Schreiben vom hat der Beschwerdeführer gegen den Haftungsbescheid vom eine Beschwerde erhoben. In der Beschwerdebegründung wird zunächst das Vorbringen vom zur COVID-Gesetzgebung wiederholt. Der restliche Teil der Beschwerdebegründung wendet sich gegen den Umsatzsteuerbescheid 2022.
Beschwerdevorentscheidung
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid als unbegründet abgewiesen. In der Begründung hielt die belangte Behörde fest, dass der Masseverwalter eine - damals - aushaftende Umsatzsteuerforderung in Höhe von € 14.786,32 anerkannt hatte und der Beschwerdeführer von bis Geschäftsführer der Primärschuldnerin war und dass die Veranlagung der Umsatzsteuer 2022 auf Grund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Außenprüfung erfolgte.
Vorlageantrag
Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und beantragte eine mündliche Beschwerdeverhandlung.
Vorlagebericht
Im Vorlagebericht vom führt die belangte Behörde aus, dass die geltend gemachte Insolvenzforderung für die noch aushaftende Umsatzsteuer 2022 in Höhe von € 14.786,32 vom Masseverwalter zur Gänze anerkannt wurde und dass eine Haftung auch für Abgabenforderungen bestehen kann, die nach Beendigung der Vertretertätigkeit zu entrichten sind; bei ordnungsgemäßer Buchhaltung wäre die Fälligkeit schon zu einem früheren Zeitpunkt gegeben und in die Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers gefallen.
Beschlüsse an die belangte Behörde
Mit Beschluss vom wandte sich das Bundesfinanzgericht an die belangte Behörde und forderte sie auf, bekannt zu geben, zu welchem/welchen Fälligkeitstag(en) haftungsgegenständliche Abgaben zu entrichten gewesen wären.
Als Beantwortung hat die belangte Behörde folgende Tabelle übermittelt:
Mit weiterem Beschluss vom wurde der belangten Behörde gem § 269 BAO aufgetragen, eine Aufstellung vorzulegen, aus der die einzelnen Fälligkeitstermine sowie die Höhe der einzelnen Abgaben ersichtlich ist. Darüber hinaus wurde der belangten Behörde aufgetragen, bekannt zu geben, wie sich der haftungsgegenständliche Betrag zusammensetzt.
Dazu hat die belangte Behörde mitgeteilt, dass die offene Haftungsschuld derzeit noch 8.392,17 € betrage, die sich aus einer Restforderung der UVA 10/2022 in Höhe von 6.472,06 € und der UVA 11/2022 in Höhe von 1.920,11 € zusammensetze.
Mündliche Verhandlung
Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung am angegeben, dass er die Angelegenheit bereinigen möchte und den verbliebenen Betrag in Höhe von 8.392,17 € (ratenweise) bezahlen möchte.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer vertrat von TT.8.2020 bis TT.1.2023 die Primärschuldnerin als alleiniger Geschäftsführer. Am TT.6.2023 wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet. Es bestand Masseunzulänglichkeit. Am TT.3.2024 wurde das Konkursverfahren nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben. Am TT.6.2024 wurde die Primärschuldnerin aus dem Firmenbuch wegen Vermögenslosigkeit gelöscht.
Im Jahr 2023 wurde festgestellt, dass es sich bei der Primärschuldnerin um ein Scheinunternehmen handelt.
Mit Umsatzsteuerbescheid 2022 vom wurde eine Nachforderung in Höhe von € 30.704,15 festgesetzt. Mit Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer zur Haftung in Höhe von € 13.408,32 für ausstehende Umsatzsteuer 2022 herangezogen. Die Abgabenschuld reduzierte sich in der Zwischenzeit auf 8.392,17 €. Dieser Betrag ist bei der Primärschuldnerin uneinbringlich.
Beweiswürdigung
Die Feststellungen zur Geschäftsführungstätigkeit des Beschwerdeführers und zum Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin gründen sich auf die Angaben im Firmenbuch sowie in der Insolvenzdatei (Handelsgericht Wien, ***GZ***). Der Beschwerdeführer hat auch nicht bestritten, Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen zu sein. Aus der Urkundensammlung des Firmenbuchs ist ersichtlich, dass mit Umlaufbeschluss vom TT.1.2023 der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Primärschuldnerin abberufen wurde.
Die Feststellung, dass es sich bei der Primärschuldnerin um ein Scheinunternehmen handelt, gründet sich einerseits auf die Eintragungen im Firmenbuch: im August 2023 wurde im Firmenbuch vermerkt, dass mit Bescheid vom TT.4.2023 festgestellt wurde, dass es sich bei der Primärschuldnerin um ein Scheinunternehmen handelt. Dies geht auch aus der Liste der Scheinunternehmen, die im Internet auf der Seite des Bundesministeriums für Finanzen abrufbar ist, hervor.
Die Feststellung zum Umsatzsteuerbescheid 2022 gründet sich auf eine Einsichtnahme in diese Erledigung, die als Folge des Konkursverfahrens an den Masseverwalter adressiert wurde und dem Beschwerdeführer im Zuge der Zustellung des angefochtenen Haftungsbescheides zur Kenntnis gebracht wurde. Dem Schlussbericht des Masseverwalters vom TT.12.2023 ist zu entnehmen, dass die Nachforderung aus nicht anerkannten Vorsteuern resultiert, wobei auf Grund der Scheinunternehmertätigkeit weder Umsätze noch Vorsteuern bescheidmäßig festgesetzt wurden.
Die Feststellung, dass Abgabenforderungen uneinbringlich sind, ergibt sich bereits aus der Durchführung des Konkursverfahrens, in dem der Masseverwalter die Masseunzulänglichkeit bekannt gegeben hatte.
Die Feststellung, dass die haftungsgegenständlichen Abgaben nur noch mit einem Betrag in Höhe von € 8.392,17, der sich aus UVA 10/2022 in Höhe von 6.472,06 € und der UVA 11/2022 in Höhe von 1.920,11 € zusammensetzt, offen sind, ergibt sich aus den Angaben und dem Vorbringen der belangten Behörde.
Rechtslage
§ 9 BAO lautet:
§ 9. (1) Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
(2) Notare, Rechtsanwälte und Wirtschaftstreuhänder haften wegen Handlungen, die sie in Ausübung ihres Berufes bei der Beratung in Abgabensachen vorgenommen haben, gemäß Abs. 1 nur dann, wenn diese Handlungen eine Verletzung ihrer Berufspflichten enthalten. Ob eine solche Verletzung der Berufspflichten vorliegt, ist auf Anzeige der Abgabenbehörde im Disziplinarverfahren zu entscheiden.
§ 80 BAO lautet:
2. Vertreter.
§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.
(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder Flexiblen Kapitalgesellschaft nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.
§ 224 BAO lautet:
2. Geltendmachung von Haftungen.
§ 224. (1) Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
(2) Die Bestimmungen des Einkommensteuerrechtes über die Geltendmachung der Haftung für Steuerabzugsbeträge bleiben unberührt.
(3) Die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anläßlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß Abs. 1 ist nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Tatbestand
Voraussetzung für die Inanspruchnahme als Haftender nach den §§ 9 und 80 BAO ist eine Abgabenforderung, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt, gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, ein Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit (). Die Haftung nach § 9 BAO ist einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch nachgebildet ().
Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (). Aus der Konkurseröffnung allein ergibt sich noch nicht zwingend die Uneinbringlichkeit. Diese ist erst dann anzunehmen, wenn im Lauf des Insolvenzverfahrens feststeht, dass die Abgabenforderung im Konkurs mangels ausreichenden Vermögens nicht befriedigt werden kann, was gegenständlich der Fall ist. Die Zahlungsunfähigkeit wurde bereits durch das Handelsgericht Wien als Insolvenzgericht festgestellt. Somit ist auch die Vermögenslosigkeit evident.
Pflichtverletzung:
Gemäß § 18 GmbHG wird die GmbH durch die Geschäftsführer vertreten. Ein bestellter Geschäftsführer hat die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederzulegen. Hat er dies nicht getan, dann muss er die haftungsrechtlichen Konsequenzen tragen (vgl. zB , und vom ; zur Haftung eines "willfährigen" Geschäftsführers vgl. weiters das Erkenntnis vom mwN).
Zu den Pflichten des Geschäftsführers gehört,
- für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen (Abgabenzahlungspflicht);
- die Erfüllung der den Vertretenen treffenden gesetzlichen Buchführungs- und Aufzeichnungs-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten;
- andere Personen (Angestellte), die er mit den steuerlichen Agenden betraut, zu kontrollieren (Auswahl- und Kontrollpflichten);
- sich bei Geschäftsübernahme zu informieren;
- Zurücklegung der Geschäftsführungsfunktion bei Behinderung/Beschränkung der Befugnisse.
Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es auch, dafür zu sorgen, dass die gesetzlich vorgesehenen Abgabenerklärungen rechtzeitig und richtig eingereicht werden ( mVa [richtig: VwGH 89/14/0043]). Richtiges Einreichen bedeutet inhaltliche Korrektheit (vgl ). Es ist bei der Primärschuldnerin nach Durchführung einer abgabenbehördlichen Überprüfung zu erheblichen steuerlichen Nachforderungen für den Zeitraum der Geschäftsführerschaft des Bf. gekommen, weshalb davon auszugehen ist, dass die Primärschuldnerin, deren Vertreter der Bf. war, die Abgabenerklärungen inhaltlich nicht korrekt eingebracht hat.
Verschulden:
Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an den Abgabenbescheid zu halten. Die nach § 9 BAO erforderliche Verschuldensprüfung hat von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (; ).
Die Inanspruchnahme der gemäß § 9 BAO bestehenden Haftung setzt voraus, dass die schuldhafte Pflichtverletzung kausal für die Uneinbringlichkeit ist. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde mangels dagegen sprechender Umstände davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (zB ; ; ; ). Eine bestimmte Schuldform ist hiefür nicht erforderlich (zB ). Daher reicht leichte Fahrlässigkeit aus (zB ; ). Der Vertreter hat darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung iSd § 9 Abs 1 BAO angenommen werden darf (zB ). Eine Haftung kommt auch für aufgrund einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen entstandene Abgabenschulden in Betracht (vgl. ).
Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter die Pflicht zur Abgabenentrichtung getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre.
Bei Selbstbemessungsabgaben wie der Umsatzsteuer ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (); maßgebend ist daher ausschließlich der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit (). Gemäß der im gegenständlichen Fall zur Anwendung kommenden Bestimmung des § 21 Abs. 5 UStG 1994 wird durch eine Nachforderung auf Grund der Veranlagung keine von Abs. 1 und 3 abweichende Fälligkeit begründet. Das bedeutet, dass nicht der Zeitpunkt der bescheidmäßigen Festsetzung der Umsatzsteuernachzahlung für die Fälligkeit relevant ist, sondern die entsprechende gesetzliche Bestimmung, die besagt, dass sich im Fall rückständiger Vorauszahlungen der 15. des auf den betreffenden Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonates als Fälligkeitstag ergibt (). Somit wird durch eine Nachforderung auf Grund der Veranlagung zur Umsatzsteuer (Jahresumsatzsteuerbescheid) keine von § 21 Abs. 1 und 3 UStG 1994 abweichende Fälligkeit begründet.
Ausmaß der Haftung:
Die Haftung ist subsidiär und akzessorisch. Eine Person darf demnach nur dann als Haftende in Anspruch genommen werden, wenn der Hauptschuldner seiner Verbindlichkeit nicht nachkommt und diese Verbindlichkeit beim Hauptschuldner uneinbringlich ist (Subsidiarität). Die Haftungsschuld ist weiters ihrem bloß sichernden Charakter zufolge in ihrem Bestand von der Existenz der Hauptschuld abhängig. Ist die Hauptschuld nicht (gültig) entstanden oder ist sie erloschen oder hat nur mehr den Charakter einer Naturalobligation (), ist auch eine Haftung für diese nicht denkbar (). Das Erlöschen der Abgabenschuld wird unter anderem durch die Entrichtung der Abgaben - etwa durch einen Gesamtschuldner - bewirkt (), durch Nachsicht oder Löschung (vgl Ritz, BAO6, § 4 Tz 9).
Dem Haftungspflichtigen muss von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis in einer Weise verschafft werden, dass die Prüfung der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung möglich ist und die Positionen der Rechtsverteidigung des herangezogenen Haftenden gegen den Anspruch nicht schwächer sind als diejenigen, die der Abgabepflichtige gegen den Abgabenbescheid einzunehmen in der Lage ist ().
Vor allem im Hinblick auf die unterschiedlichen Fälligkeitszeitpunkte nach Abgabenarten und Zeiträumen sind die Abgabenansprüche aufgeschlüsselt auszuweisen. Erst auf der Basis einer entsprechenden Aufgliederung werden sie dem Haftungspflichtigen auf geeignete Weise zur Kenntnis gebracht (vgl. oder RV/0437-G/05; ). In der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom wurden dem Beschwerdeführer die maßgeblichen Daten und Beträge bekannt gegeben. Kommt der Geschäftsführer der Aufforderung zu einer Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens nicht nach und erbringt er nicht den ihm obliegenden Nachweis, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, haftet er dann für die in Rede stehenden Abgabenschulden zur Gänze (vgl. ; ).
Hinsichtlich der Höhe der noch aushaftenden Abgabenbeträge hat die belangte Behörde mitgeteilt, dass sich der ursprüngliche Abgabenbetrag von € 13.408,32 auf nunmehr € 8.392,17 reduziert hat. Damit kommt auch eine Haftung höchstens in diesem Ausmaß in Betracht.
Ermessen:
Die Inanspruchnahme zur Haftung liegt im Ermessen (§ 20 BAO). Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin steht als Folge des Insolvenzverfahrens fest. Bei der Ermessensübung ist zudem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden Bedacht zu nehmen. Der Beschwerdeführer war alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin und war für die Entrichtung der Abgaben verantwortlich.
Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Haftenden wie etwa dessen Vermögenslosigkeit und/oder Arbeitsunfähigkeit stehen nach der Rechtsprechung in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung und können somit die Ermessensübung nicht beeinflussen (). Eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit der geltend gemachten Verbindlichkeiten beim Haftungspflichtigen schließt nämlich nicht aus, dass künftig neu hervor gekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen könnten (; ; ). Die Inanspruchnahme der Haftung in Ausübung des Ermessens ist mit dem derzeitigen, im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides vorhandenen Vermögen nicht begrenzt (). Selbst der Umstand, dass eine Haftungsschuld letztlich nur zum Teil eingebracht werden kann, steht deren (ungekürzten) Geltendmachung nicht entgegen ().
Der Beschwerde war teilweise Folge zu geben.
Revisionszulassung
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, es liegt daher kein Grund für eine Revisionszulassung vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 21 Abs. 5 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7104247.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
UAAAF-57223