Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 27.02.2025, RV/7200035/2019

Einstellung nach Tod des Beschwerdeführers (Überlassung von Nachlassvermögen an Zahlungs statt)

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, verstorben am ***TM2024***, zuletzt wohnhaft in ***Bf-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Wien (nun Zollamt Österreich) vom , Zahl: ***100000/00000/742/2007***, betreffend Eingangsabgaben (Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) beschlossen:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Beschwerdeverfahren eingestellt.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Mit Schreiben vom hat der ***Verein*** als Erwachsenenvertreter des ***Bf*** (nachstehend mit "Bf" bezeichnet) beim Zollamt Wien die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, weil die do Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl ***100000/00000/645/2007***, der mit der Führung der Erwachsenenschutzsache betrauten Person nicht zugekommen sei und deshalb ein fristgerechter Vorlageantrag unterblieben war.

Dieser Antrag ist vom Zollamt mit Bescheid vom , Zahl: ***100000/00000/742/2007***, als unbegründet abgewiesen worden.

Die gegen diesen Bescheid durch den damaligen Vertreter eingebrachte Beschwerde vom hat das Zollamt mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl: ***100000/00000/744/2007***, abgewiesen.

Mit Schreiben vom hat der Bf beantragt, seine Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Am ***TM2024*** ist der Bf verstorben. Mit der Abwicklung des Verlassenschaftsverfahrens wurde der öffentliche Notar LL beauftragt.

Mit Beschluss des ***BG*** vom , GZ, wurden antragsgemäß die Aktiva der überschuldeten Verlassenschaft, bestehend aus einem Guthaben auf einem näher genannten Konto in Höhe von EUR 4.597,85, ***PB*** auf teilweisen Abschlag seiner Forderungen an bezahlten Begräbniskosten gemäß § 154 f. Außerstreitgesetz (AußStrG) an Zahlungs statt überlassen. Laut Begründung seien sämtliche von den §§ 154 und 155 AußStrG für eine Überlassung an Zahlungs statt geforderten Voraussetzungen gegeben.

Am Todestag des Bf haftete auf dem Abgabenkonto des Bf ein vollstreckbarer Abgabenrückstand von EUR 1.419.586,12 aus.
Auf Basis der festgestellten Datenlage geht das BFG davon aus, dass seit Ergehen des oa Gerichtsbeschlusses nach §§ 154ff AußStrG betreffend Überlassung an Zahlungs statt kein Vermögen hervorgekommen ist, welches an der vom Verlassenschaftsgericht festgestellten Überschuldung der Verlassenschaft etwas ändert.
Auch die Verbindlichkeiten des Bf auf seinem Abgabenkonto haften unverändert aus.

Vor diesem Hintergrund besteht keine Veranlassung, von einer Einantwortung nach Ergehen des Beschlusses vom , GZ, in den Nachlass des Bf auszugehen.

Da sich in den vorliegenden abgabenbehördlichen Unterlagen bzw den eingesehenen Datenbanken keine Hinweise auf eine für die Verlassenschaft des Bf vertretungsbefugte Person finden, insbesondere auch nicht auf eine(n) gerichtlich bestellte(n) VerlassenschaftskuratorIn, hält es das BFG für erwiesen, dass der ruhende Nachlass des verstorbenen Bf aktuell über keine(n) gerichtlich bestellte(n) VerlassenschaftskuratorIn verfügt.

Schriftliche Bescheide im Abgabenverfahren werden dadurch wirksam, dass sie den im Spruch genannten Rechtsträgern, an die sie ihrem Inhalt nach ergehen sollen (Verfahrensparteien) durch Zustellung bekanntgegeben werden (§ 78 Abs 1, § 93 Abs 2, § 97 Abs 1 BAO). Laut § 2a BAO gilt dies sinngemäß auch für Erledigungen (Erkenntnisse/Beschlüsse) im finanzgerichtlichen Rechtsmittelverfahren.

§ 79 BAO bestimmt:

"Für die Rechts- und Handlungsfähigkeit gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. § 2 Zivilprozeßordnung ist sinngemäß anzuwenden."

Nach § 80 Abs 1 BAO haben "die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen (…) alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. (…)"

§ 82 Abs 1 BAO normiert, soweit verfahrensrelevant:

"Soll gegen eine nicht voll handlungsfähige Person, die eines gesetzlichen Vertreters entbehrt (…) eine Amtshandlung vorgenommen werden, so kann die Abgabenbehörde, wenn die Wichtigkeit der Sache es erfordert, auf Kosten des zu Vertretenden die Betrauung eines gesetzlichen Vertreters (§ 1034 ABGB) beim zuständigen Gericht (§ 109 Jurisdiktionsnorm) beantragen."

Dies gilt nach § 82 Abs 2 BAO sinngemäß, wenn zweifelhaft ist, wer zur Vertretung einer Verlassenschaft befugt ist.

Zu den Verfahrensbestimmungen für das gerichtliche Verlassenschaftsverfahren gehört ua § 154 AußStrG, der die "Überlassung an Zahlungs statt" regelt:

"(1) Ist auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen österreichisches Recht anzuwenden, so hat das Gericht die Aktiven einer überschuldeten Verlassenschaft auf Antrag den Gläubigern zu überlassen, wenn nicht schon eine unbedingte Erbantrittserklärung oder ein Antrag auf Überlassung als erblos vorliegt und kein Verlassenschaftsinsolvenzverfahren eröffnet wurde.

(2) Das Vermögen ist zu verteilen:

1. zunächst in sinngemäßer Anwendung der §§ 46 und 47 IO;

2. sodann an den gesetzlichen Vertreter des Verstorbenen, soweit ihm beschlussmäßig Beträge zuerkannt wurden;

3. schließlich an alle übrigen Gläubiger, jeweils im Verhältnis der Höhe ihrer unbestrittenen oder durch unbedenkliche Urkunden bescheinigten Forderungen."

Die Rechtsfähigkeit von natürlichen Personen endet mit dem Tod ().
Für den Zeitraum zwischen dem Tod und der Einantwortung kennt das bürgerliche Recht die Rechtsfigur des ruhenden Nachlasses (§ 531 ABGB). Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung handelt es sich dabei um eine juristische Person, der zufolge § 79 BAO als Trägerin von Rechten und Pflichten Parteifähigkeit im Abgabenverfahren zukommt (; ; , jeweils mwN).

Der ruhende Nachlass (nachfolgend auch Verlassenschaft) verliert seine Rechtspersönlichkeit erst mit der Einantwortung. Wenn/solange eine Einantwortung nicht stattfindet, besteht die Rechtspersönlichkeit des ruhenden Nachlasses fort (Obermaier, Zum Unterbleiben der Verlassenschaftsabhandlung, ÖJZ 2008/15).

Bei der Überlassung von Nachlassvermögen an Zahlungs statt nach § 154 AußStrG unterbleibt eine Einantwortung und es kommt zu keiner Gesamtrechtsnachfolge.

Der Beschluss über die Überlassung an Zahlungs statt stellt keinen Erwerbstitel für die Erbschaft dar, sondern führt lediglich zur Einzelrechtsnachfolge für die im Beschluss konkret bezeichneten Vermögenswerte (Aktiva). Der ruhende Nachlass bleibt daneben als juristische Person aufrecht (vgl. Ritz/Koran BAO7, § 19 Rz 13 mit JudVerw.).
Zugleich wirkt eine Überlassung an Zahlungs statt verfahrensbeendend (Obermaier,aaO).

Ein durch Beschluss nach § 154 AußStrG beendetes Verlassenschaftsverfahren hinterlässt die juristische Person ruhender Nachlass ohne organschaftliche Vertretung.
Da juristische Personen durch ihre Organe handeln, erfordert die Prozessfähigkeit des Verlassenschaft einen Vertreter, der für sie handelt.
Ein Einzelrechtsnachfolger nach § 154 AußStrG ist kein Organ des ruhenden Nachlasses und damit als solcher nicht zu dessen Vertretung in einem Abgabenverfahren befugt.
Die Wirksamkeit von nach einem Beschluss des Verlassenschaftsgerichtes nach § 154 AußStrG ergangenen abgabenbehördlichen Bescheiden bzw verwaltungsgerichtlichen Erledigungen für den ruhenden Nachlass setzt daher die Existenz eines gerichtlich bestellten Verlassenschaftskurators voraus (§ 1034 ABGB).

Auf Basis der festgestellten Sach- und der dargestellten Rechtslage war das verfahrensgegenständliche Beschwerdeverfahren ohne materielle Entscheidung zu beenden.

Mangels Einantwortung in den Nachlass blieb der verstorbene Bf ohne GesamtrechtsnachfolgerIn. Dadurch gingen keine verfahrensrelevanten Rechte oder Pflichten und insbesondere keine verfahrensrechtlichen Rechtspositionen auf Rechtsnachfolger über.
Auch Hinweise auf das Vorliegen einer über den Tod hinauswirkenden gewillkürten Vertretungsbefugnis für den Bf im gegenständlichen Rechtsmittelverfahren kamen nicht hervor.
Ebenso wenig wurde die Bestellung eines Verlassenschaftskurators festgestellt.

Da die rechtswirksame Empfangnahme einer Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes durch die Verlassenschaft ohne einen gerichtlich bestellten Kurator nicht möglich ist (§ 1034 Abs 2 ABGB), kann derzeit keine finanzgerichtliche Erledigung mit Wirksamkeit für die beschwerdeführende Partei ergehen. Die ho Erledigung kann nur an die Abgabenbehörde zugestellt werden.

Nach der Judikatur des VwGH ist ein anhängiges verwaltungsgerichtliches Verfahren mit Beschluss gemäß § 278 Abs 1 lit b BAO in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs 1 VwGG wegen Gegenstandslosigkeit der Beschwerde einzustellen, wenn der Bf nach Einleitung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens stirbt und es mangels Eintritts von eingeantworteten Erben oder eines Nachlasskurators zur Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens an der Partei fehlt, sofern es sich nicht um vermögensrechtliche Ansprüche handelt, die in den Nachlass fallen (vgl ; mit Verweis auf , 2009/15/0131).

Laut Aktenlage sind keinerlei Zahlungen vom Bf oder einem Gesamtschuldner geleistet worden. Selbst bei stattgebender Entscheidung des BFG würde sich für den ruhenden Nachlass kein Aktivvermögen in Form eines abgabenrechtlichen Rückzahlungsanspruchs ergeben.
Die im Beschluss des ***BG*** gemäß § 154 AußStrG vom festgestellte Überschuldung des Nachlasses bliebe somit bestehen, selbst wenn der Beschwerde vollinhaltlich zu entsprechen wäre.

§ 82 Abs 1 BAO sieht eine Antragstellung auf Kosten des zu Vertretenden vor.
Die für das anhängige Verfahren festgestellten Verhältnisse schließen eine Kostentragung durch den ruhenden Nachlass aus. Die gerichtliche Bestellung eines Verlassenschaftskurators würde nur zusätzliche Kosten und Verwaltungsaufwand für den Abgabengläubiger verursachen.
Vor diesem Hintergrund nimmt das Bundesfinanzgericht von einem Antrag auf Bestellung eines Verlassenschaftskurators zum Zwecke der Fortführung/Beendigung des anhängigen Rechtsmittelverfahrens Abstand.
Entsprechend der oa VwGH-Judikatur war die verfahrensgegenständliche Beschwerde daher als gegenstandslos zu erklären und das anhängige Rechtsmittelverfahren einzustellen.

Gemäß den vorangegangenen Ausführungen erfolgt die Zustellung dieses Beschlusses nur an die Abgabenbehörde (Amtspartei).

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vorliegt, war die Revision nicht zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 154 AußStrG, Außerstreitgesetz, BGBl. I Nr. 111/2003
§ 82 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7200035.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
SAAAF-57202