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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.01.2025, RV/2100237/2023

Verspätete Einreichung eines Vorsteuererstattungsantrages

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Deutschland, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Vorsteuererstattung für den Zeitraum 1-12/2021, Steuernummer ***BF1StNr1***,zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Erstattungsantrag vom hat die Beschwerdeführerin (Bf.) die Erstattung von Vorsteuern für den Erwerb eines Messerschleifgerätes von einer inländischen Unternehmerin begehrt. Im angefochtenen Bescheid wurde der Erstattungsantrag als verspätet eingebracht zurückgewiesen.

In der dagegen eingebrachten Beschwerde führte sie aus, bereits am habe sie das Finanzamt in Österreich (s. beigef. Unterlagen) in dieser Sache kontaktiert. Sie hätte darauf keinerlei Rückantwort erhalten - trotz diverser Erinnerungen.
Nach Recherche im Internet habe sie sich den Account bei BOP anlegen lassen, was aufgrund des langwierigen Zertifizierungsverfahrens eine gewisse Zeitspanne in Anspruch nehme. Sie sei Landwirtin und verfüge als 1-Mann/Frau-Unternehmen nicht über eine personell entsprechend ausgestattete Buchhaltung.
Hätte ihr das Finanzamt Österreich wenigstens zeitnah im August geantwortet, wäre es zu keiner fristbedingten Verzögerung gekommen.

Weiters waren zwei Ausdrucke von Ausgangs-E-Mails vom und (Urgenz) und eine Abschrift der Eingangsrechnung der österreichischen Firma (mit Umsatzsteuerausweis) beigeschlossen.

Mit Beschwerdevorentscheidung wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und auf die am endende Fallfrist verwiesen. Da der Antrag erst am im Ansässigkeitsstaat (Deutschland) eingebracht wurde, sei er als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Mit Schreiben vom legte die Bf. ein weiteres Rechtsmittel (Vorlageantrag) ein und verwies darauf, sie hätte mit E-Mail vom - als innerhalb der Frist gelegen - die Erstattung bereits beantragt und daher wäre ihres Erachtens keine Fristüberschreitung eingetreten.

In ihrem Vorlagebericht vom wies die belangte Behörde u.a. darauf hin, die in den vorgelegten Mails aufscheinende Mail-Adresse "post.068.fastmk@bmf.gv.at" gebe es nicht. Bei einem von der Finanzverwaltung mit dieser Teiladresse durchgeführten Testmail sei sofort die Rückantwort gekommen, dass die Mail-Adresse nicht gefunden werden konnte. Der Beschwerdeführerin musste daher sofort klar sein, dass es sich dabei um keine gültige Mail-Adresse handeln könne.

Selbst wenn der Antrag nicht verspätet eingebracht worden wäre, würde keine Vorsteuererstattung zustehen, da die Umsatzsteuer zu Unrecht in Rechnung gestellt wurde, weil wie der Rechnung zu entnehmen ist, die Ware von Österreich nach Deutschland geliefert wurde. Für die Warenbeförderung wäre der Verkäufer verantwortlich (siehe Verrechnung der Frachtkosten). Es liege daher entweder eine echt steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung oder eine (innergemeinschaftliche) Versandhandelslieferung vor, die am Ende der Warenbewegung (Deutschland) steuerbar sei. Es bestehe jedoch die Möglichkeit einer Rechnungskorrektur durch den Rechnungsaussteller.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sachverhalt kann entsprechend dem oa. Verfahrensgang in tatsächlicher Hinsicht im Wesentlichen als unstrittig angenommen werden.

Die übersendeten Anfragen an eine ungültige E-Mail-Adresse des Finanzamtes Österreich hat dieses nicht erreicht und konnte daher auch nicht beantwortet werden. Eine nochmalig durchgeführte hg. Testmail an die von der Bf. verwendeten E-Mail-Adresse ergab eine sofortige Nachricht über deren Unzustellbarkeit. Somit musste der Bf. klar sein, dass keine erfolgreiche Zustellung ihres Abgangsmails an das Finanzamt möglich war.

2. Beweiswürdigung

Die Beweiswürdigung ergibt sich aus der vorliegenden Aktenlage. Die Tatsache, dass die Verwendung einer unrichtigen E-Mailadresse der Bf. verborgen blieb, ist nicht ausreichend erwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

3.1.1. Rechtsquellen

Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 389/2010

§ 3 Abs. 1:

Der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat den Erstattungsantrag auf elektronischem Weg über das in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal zu übermitteln. Der Antrag ist vorbehaltlich des § 28 Abs. 53 Z 1 und 2 UStG 1994 binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen.
Der Erstattungsantrag gilt nur dann als vorgelegt, wenn er alle in den
Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (ABl. Nr. L 44 S. 23) festgelegten Angaben enthält.
Die Abgabenbehörde kann zusätzliche Informationen anfordern, welche auch die Einreichung des Originals oder einer Durchschrift der Rechnung oder des Einfuhrdokumentes umfassen können. Diese Anforderung kann auch mit E-Mail erfolgen.
Die Zustellung des E-Mails gilt mit dessen Absendung als bewirkt, ausgenommen der Antragsteller weist nach, dass ihm das E-Mail nicht zugestellt worden ist.

3.1.2. Rechtliche Würdigung

Gemäß § 3 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. 279/1995 idF BGBl. II 222/2009 ab , hat der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer den Erstattungsantrag auf elektronischem Weg über das in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal zu übermitteln.

Der Antrag ist binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen. Der Erstattungsantrag gilt nur dann als vorgelegt, wenn er alle in den Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (ABl. Nr. L 44, S. 23) festgelegten Angaben enthält.

Im beschwerdegegenständlichen Fall endete die Frist zur elektronischen Einbringung der Vorsteuererstattungsanträge für den Erstattungszeitraum 2021 gemäß § 3 Abs. 1 der Verordnung am .

Nach der Aktenlage und unbestritten ist der elektronische Antrag auf Vorsteuererstattung verspätet, nämlich mit , gestellt worden.
Die objektive Tatsache der verspäteten elektronischen Antragstellung steht im vorliegenden Fall außer Streit und bedingt eine Zurückweisung. Nach dem Verordnungstext wird keinerlei Fristüberschreitung toleriert und enthält die Verordnung hinsichtlich dieser Frist keinen Ermessensspielraum. Es liegt hier eine gesetzlich normierte Fallfrist vor.

Gemäß § 110 Abs. 1 BAO können gesetzlich festgelegte Fristen - wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist - nicht geändert werden. Gesetzlich festgelegte Fristen sind solche, deren Dauer in Gesetzen oder in Verordnungen festgelegt ist. Die Verordnung BGBl. Nr. 279/1995 (auch idF BGBl. II 222/2009) sieht keine Möglichkeit zur Verlängerung der in ihrem § 3 Abs. 1 genannten Frist vor (vgl. dazu ).

Der von der Bf. angesprochene Umstand, sie habe bereits auf Grund zweier E-Mails das Finanzamt um Auskunft über eine Vorsteuerrückerstattung ersucht, kann im Vorsteuererstattungsverfahren nicht als ausreichender Antrag gedeutet werden, da einerseits § 3 der Verordnung ausschließlich auf die objektive Tatsache der Fristversäumnis abstellt und andererseits hatten die bf. E-Mails das Finanzamt nie erreicht. Weiters ist eine Antragstellung per E-Mail nicht ausreichend, da E-Mails keine verbindlichen Eingaben sind.

Die Versäumnis allein bedingt den Verlust des Anspruches auf Erstattung der Vorsteuern (vgl. schon Haunold/Widhalm, Vorsteuererstattungsverfahren für ausländische Unternehmer, ÖStZ 1995, 235, noch zur alten Rechtslage, welche sich aber hinsichtlich der Fallfrist im Zusammenhang mit der elektronischen Antragseinbringung nicht geändert hat).

Auch die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen rechtfertigen keine andere Betrachtungsweise. Der österreichische Verordnungsgeber hat durch die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend die Änderung der Verordnung, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. II 222/2009, ausgegeben am , die Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom , ABl. L 44/23, zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige, umgesetzt.

Artikel 7 der Richtlinie 2008/9/EG lautet: "Um eine Erstattung von Mehrwertsteuer im Mitgliedstaat der Erstattung zu erhalten, muss der nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässige Steuerpflichtige einen elektronischen Erstattungsantrag an diesen Mitgliedstaat richten und diesen in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, über das von letzterem Mitgliedstaat eingerichtete elektronische Portal einreichen. Nach Artikel 15 der Richtlinie 2008/9/EG muss der Erstattungsantrag dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, spätestens am 30. September des auf den Erstattungszeitraum folgenden Kalenderjahres vorliegen."

Diese Bestimmungen sind für die Mitgliedstaaten verbindlich. Mit ihnen wäre es nicht vereinbar, wenn die Frist des § 3 Abs. 1 der Verordnung individuell verlängert werden könnte (vgl. zur insoweit vergleichbaren alten Rechtslage) bzw. ein verspätet eingereichter Antrag als rechtzeitig gewertet werden würde (in diesem Sinne auch die Judikatur des BFH vom , V R 76/98 noch zur alten, hinsichtlich des Vorliegens von Fallfristen, vergleichbaren Rechtslage).

Wie schon angesprochen, lässt die diesbezügliche, richtlinienkonform umgesetzte innerstaatliche Verordnungsbestimmung den Finanzbehörden für die Ausübung von Ermessen keinerlei Spielraum und enthält die Verordnung selbst für die Berücksichtigung von (fehlenden) Verschuldensmomenten keine geeignete Grundlage.

Gemäß Art. 4 der RL 2008/9/EG findet das Erstattungsverfahren keine Anwendung auf nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates der Erstattung fälschlich in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge und in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge für Lieferungen von Gegenständen, die gemäß Art. 138 (innergemeinschaftliche Lieferung) oder Art. 146 Abs. 1 lit b der Richtlinie 2006/112/EG von der Steuer befreit sind oder befreit werden können ().

Da der Warenbezug in Form eines Distanzgeschäftes (Versendungslieferung) erfolgte, wäre die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen - unter Verwendung einer gültigen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer - ohne weiteres möglich gewesen und daher wäre selbst im Falle eines rechtzeitig gestellten Erstattungsantrages die Vorsteuererstattung abzulehnen gewesen. Daher ist die Bf. an die Rechnungsausstellerin zur Rechnungsberichtigung unter Bekanntgabe ihrer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zur nachträglichen Inanspruchnahme der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen und Erstattung des Vorsteuerbetrages durch den liefernden Unternehmer zu verweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 3 Abs. 1 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995
Art. 11 RL 2008/9/EG, ABl. Nr. L 44 vom S. 23
§ 110 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 4 RL 2008/9/EG, ABl. Nr. L 44 vom S. 23
Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.2100237.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
FAAAF-57199