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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.02.2025, RV/2100493/2024

Beurteilung der Zwangsläufigkeit einer durch Wahlarzt durchgeführten OP (außergewöhnliche Belastungen)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Richter1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022 (Steuernummer ***BF1StNr1*** ) zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am brachte die Beschwerdeführerin ***Bf1*** (BF) eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2022 ein, in der sie Krankheitskosten iHv 10.018,56 Euro als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt geltend machte.

Mit Vorhalt vom forderte das Finanzamt Österreich (belangte Behörde) eine genaue Kostenaufstellung, sowie Belege, zu den beantragten außergewöhnlichen Belastungen an.

Am langten entsprechende Nachweise bei der belangten Behörde ein.

Am erließ die belangte Behörde den Einkommensteuerbescheid für 2022, in dem lediglich ein Betrag von 2.364,28 an Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung anerkannt wurde.

Gegen diesen Bescheid brachte die BF am fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein.

Am übermittelte die BF ergänzend eine ärztliche Bestätigung.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab.

Am brachte die BF fristgerecht einen Vorlageantrag ein.

Am wurde der Akt dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Die Beschwerdeführerin beantragt die Zuerkennung der Differenz an Krankheitskosten von 7.654,28 Euro als außergewöhnliche Belastungen. Diese Kosten setzten sich aus OP-Kosten iHv 7.193,96 Euro und aus Fahrtkosten zur Voruntersuchung und zum OP-Termin iHv 1.209,60 Euro zusammen. Diese seien in Zusammenhang mit einer dringend erforderlichen Knie-OP (Totalendoprothese aufgrund ausgeprägter Arthrose) am ***OP-Datum1*** entstanden, die privat durchgeführt worden sei. Ein freier OP-Termin über die ÖGK sei erst im August 2022 verfügbar gewesen.

Die belangte Behörde argumentiert die Nichtanerkennung der strittigen Kosten damit, dass zwar ein nachvollziehbarer Grund für die Durchführung der Operation durch einen Wahlarzt angeführt, jedoch keine medizinische Notwendigkeit iSd Rspr des VwGH nachgewiesen worden sei. Die BF habe zudem auch nicht nachgewiesen, dass eine umgehende OP notwendig gewesen wäre und in einem anderen öffentlichen Krankenhaus kein zeitnaher Termin zur Verfügung gestanden wäre. Die Durchführung der Operation in dieser Form beruhe sohin auf einer freiwilligen Entscheidung, weshalb keine Zwangsläufigkeit vorgelegen sei und die angefallenen Kosten sohin nicht als außergewöhnliche Belastungen anzusehen seien.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die BF bezog im Jahr 2022 lediglich Pensionseinkünfte (übermittelte Lohnzettel, unstrittig).

Aufgrund einer ausgeprägten Arthrose musste sich die BF einer Knie-OP unterziehen, die im Jänner 2022 im ***Privatkrankenhaus1***, einer Privatklinik, von ***Arzt***, einem auf Knie- und Hüftprobleme spezialisierten Wahlarzt, durchgeführt wurde. Für die OP selbst sind ihr Kosten iHv 7.193,96 Euro angefallen. Die Kosten setzen sich folgendermaßen zusammen (Beträge in Euro):


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Sonderklassegebühr ***OP-Datum1*** - ***Enddatum1***
824,40
Operationen ***Arzt***
4.287,10
Anästhesie
1.243,26
Konsilien
110,90
Labor
201,10
Röntgen
527,20

Daneben hatte die BF für die Voruntersuchung am ***Untersuchungsdatum1*** und die OP am ***OP-Datum1*** insgesamt 1.096 km zurückzulegen (Durch die BF vorgelegte Belege und Berechnungen OZ 7 - unstrittig).

Die Durchführung der gegenständlichen Operation war nicht nur in der gegenständlichen Klinik durch den behandelnden Arzt möglich, sondern wäre auch in öffentlichen Krankenhäusern angeboten geworden. Die BF hätte bei einer Durchführung in einem öffentlichen Krankenhaus erst im August 2022 einen Termin bekommen, wobei durch das Zuwarten auf einen Termin in einem öffentlichen Krankenhaus keine erheblichen gesundheitlichen Nachteile eingetreten wären.

Neben den obgenannten Kosten sind der BF im Jahr 2022 weitere Krankheitskosten im Ausmaß von 2.364,28 Euro angefallen (Durch die BF vorgelegte Belege und Berechnungen OZ 7 - unstrittig).

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere den in Klammer angeführten Beweismitteln, und ist grundsätzlich unstrittig.

Ein Nachweis, dass die Durchführung der gegenständlichen Operation ausschließlich in der gegenständlichen Privatklinik durch den behandelnden Arzt möglich war und dass bei Zuwarten auf einen Termin in einem öffentlichen Krankenhaus erhebliche gesundheitliche Nachteile eingetreten wären, wurde - trotz Anführung einschlägiger Judikatur in der Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde - nicht erbracht. Die Beweislast für diese Umstände trägt die BF (vgl. ), weshalb davon auszugehen war, dass die Behandlung in einem öffentlichen Krankenhaus möglich war und das Zuwarten auf einen entsprechenden Termin keine erheblichen gesundheitlichen Nachteile zur Folge gehabt hätte.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Streitpunkte

Strittig war im gegenständlichen Fall, ob der BF der beantragte Restbetrag von 7.654,28 als außergewöhnliche Belastungen zustehen.

3.2. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Nach § 34 Abs 1 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988) sind bei der Ermittlung des Einkommens nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Eine solche Belastung muss folgende Voraussetzungen (kumulativ) erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs 2).

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs 3).

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs 4).

Nach § 34 Abs 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme führt zu einer außergewöhnlichen Belastung. Die Aufwendungen müssen vielmehr zwangsläufig erwachsen, wobei es erforderlich ist, dass die Maßnahme zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig ist (, ua.).

Das Merkmal der Zwangsläufigkeit muss auch der Höhe nach gegeben sein ().

Im Rahmen der Krankenbehandlung ist das Recht auf freie Arztwahl grundsätzlich anzuerkennen. Liegen triftige medizinische Gründe vor, sind auch höhere Aufwendungen als die von der Sozialversicherung finanzierten, als zwangsläufig zu beurteilen (, ua.). Dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die triftigen medizinischen Gründe in feststehenden oder sich konkret abzeichnenden ernsthaften gesundheitlichen Nachteilen bestehen müssen, die ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden (; ), zum Beispiel bei erwarteten Komplikationen () oder bei einer im Einzelfall gebotenen Behandlung in einem besonders spezialisierten Krankenhaus ().

Bloße Wünsche und Vorstellungen, sowie Befürchtungen oder Standesrücksichten der Betroffenen reichen nicht, um die Zwangsläufigkeit zu rechtfertigen (zB ; s. auch die in Jakom/Peyerl EStG, 2021, § 34 Rz 90 zitierte Judikatur).

Bei der Angemessenheitsprüfung ist nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Abgabepflichtigen, sondern allein nach objektiven Umständen zu beurteilen, inwieweit eine Aufwendung notwendig und angemessen ist (, ua.). Freiwillig getätigte Aufwendungen können nach § 34 EStG keine Berücksichtigung finden ().

Die Beweislast für die Zwangsläufigkeit (dem Grunde und der Höhe nach) trägt der Steuerpflichtige, der selbst alle Umstände darzulegen hat, auf welche die Berücksichtigung bestimmter Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung gestützt werden kann (, ua.).

Die medizinische Notwendigkeit der durchgeführten OP ist grundsätzlich unstrittig. Allerdings hat die BF keine Nachweise vorgelegt, aus denen abzuleiten wäre, dass die konkret angefallenen Kosten unvermeidbar gewesen sind. Das dazu am übermittelte "Attest" ist lediglich eine zeitliche Bestätigung, aus der sich ergibt, dass die OP aufgrund des hohen Leidensdrucks als "medizinisch dringlich" kategorisiert wurde. Es ist nachvollziehbar, dass eine Person auf eine möglichst schnelle Operation drängt, insbesondere, wenn sie Schmerzen hat. Für die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung ist jedoch notwendig, dass durch das Zuwarten gesundheitliche Nachteile eingetreten wären, was sich aus den vorgelegten Unterlagen - wie schon ausgeführt - nicht ergibt. Zudem ergibt sich aus dieser Bestätigung auch nicht die Notwendigkeit der Unterbringung in der Sonderklasse.

Die Entscheidung, sich der notwendigen Operation auf privatem Wege zu unterziehen, wurde somit von der BF freiwillig getroffen, weshalb die damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen nach § 34 EStG 1988 keine Berücksichtigung finden können (vgl. ).

Da die Zwangsläufigkeit der Operation im ***Privatkrankenhaus1*** nicht vorliegt, gilt das Gleiche für die in diesem Zusammenhang angefallenen Fahrtkosten.

Da die belangte Behörde sohin die Rechtslage richtig beurteilt hat, war spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision war als unzulässig zu beurteilen, da die gegenständliche Rechtsfrage problemlos anhand den vorhandenen Rechtsnormen, sowie der zitierten Rechtsprechung, zu lösen war.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.2100493.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
RAAAF-57195

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