Doppelte Haushaltsführung: Zumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes einer Alleinstehenden
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom
gegen den Bescheid des Finanzamtes Oststeiermark (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Am reichte die Beschwerdeführerin (Bf) ihre Arbeitnehmerveranlagung 2018 ein. Neben dem Pendlerpauschale iHv 1.356,00 Euro und dem Pendlereuro iHv 120 Euro machte sie auch Kosten wegen doppelter Haushaltsführung iHv 2.280 Euro geltend.
Das am vom Finanzamt verfasste Ergänzungsersuchen zur Prüfung der beantragten Kosten für die doppelte Haushaltsführung blieb unbeantwortet.
Gegen den daraufhin vom Finanzamt am erlassenen Einkommensteuerbescheid 2018, in welchem die erklärten Kosten für die doppelte Haushaltsführung aufgrund von fehlenden Nachweisen nicht anerkannt wurden, brachte die Beschwerdeführerin fristgerecht eine Bescheidbeschwerde ein. Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass sie seit Juni 2003 in einer Einrichtung in ***1***, beschäftigt sei und dort Tag- und Nachtdienste leiste. Da ihr an Sonntagen keine Busverbindung zu den verschiedenen Arbeitszeiten zur Verfügung stehe, habe sie die Berücksichtigung der Kosten für die doppelte Haushaltsführung begehrt.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen. Begründend führte das Finanzamt aus: Die Beschwerdeführerin sei allein stehend und bereits seit in einer Einrichtung in ***1*** beschäftigt. Die Entfernung zu ihrem Hauptwohnsitz in ***2*** betrage It. Routenplaner Google Maps 55 Kilometer und die Fahrtzeit liege unter einer Stunde. Seit sei sie in der ***3***, mit Zweitwohnsitz gemeldet. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Kosten der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten seien nicht erfüllt, denn der Beschwerdeführerin seien sowohl die tägliche Rückkehr zum Hauptwohnsitz als auch die Verlegung des Familienwohnsitzes zumutbar.
Am beantragte die Beschwerdeführerin die neuerliche Überprüfung. Ergänzend zu ihrer Beschwerde führte sie im Vorlageantrag aus, dass beim Spätdienst nicht immer gewährleistet sei, dass sie den Bus erreiche. In diesem Fall müsse sie zur Endstation fahren und 3 km in der Nacht nach Hause gehen.
Im Vorlagebericht brachte die Behörde ergänzend vor, dass es sich beim Hauptwohnsitz um das elterliche Wohnhaus handle. Dieses im Eigentum des Bruders stehende Haus werde gemeinsam von ihr, ihren Eltern und ihrem Bruder bewohnt. Da der Antragstellerin aufgrund eines Wohnrechtes lediglich zwei Zimmer zur Verfügung stünden und daneben keine Nachweise über eine überwiegende Kostentragung erbracht worden seien, werde kein eigener Hausstand und somit kein Familienwohnsitz begründet.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin arbeitet als Pflegeassistenz und bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie erklärte in der Arbeitnehmerveranlagung 2018 das Pendlerpauschale in Höhe von 1.356 Euro, den Pendlereuro iHv 120 Euro und Kosten für die doppelte Haushaltsführung iHv 2.280 Euro als Werbungskosten.
Die Beschwerdeführerin ist seit 2003 in einer Einrichtung in ***1*** beschäftigt, muss dort physisch anwesend sein und wird für Tag- und Nachtdienste eingeteilt. Nach Spätdiensten und an Sonntagen ist die Rückfahrt zum Hauptwohnsitz mit den öffentlichen Verkehrsmitteln mit Schwierigkeiten verbunden.
Die Hauptwohnsitzadresse der Beschwerdeführerin ist seit dem ***Bf1-Adr***, wo ihr aufgrund eines Übergabsvertrags und partiellen Erbverzichtsvertrags im Jahr 2015 die lebenslängliche unentgeltliche Benützung von zwei Zimmern und die Mitbenützung von Küche, Bad und WC im Obergeschoß, sowie Wohnzimmer im Erdgeschoss als auch die Mitbenützung des Gartens in der Mansarde des Hauses ***Bf1-Adr*** eingeräumt wurde. Im zu beurteilenden Zeitraum bewohnte die Beschwerdeführerin zwei Zimmer alleine und Bad, WC und Wohnzimmer gemeinsam mit ihrem Bruder und ihren Eltern. Die Beteiligung an den laufenden Betriebskosten erfolgt anteilsmäßig nach Quadratmetern, wobei die Beschwerdeführerin nicht verpflichtet ist, sich an den Instandhaltungskosten zu beteiligen.
Seit ca 2005 ist die Beschwerdeführerin mit Nebenwohnsitz in der ***3***, gemeldet.
Der Arbeitsweg mit dem Auto vom Hauptwohnsitz zur Arbeitsstätte beträgt 55,3 km und ca 58 Minuten Fahrzeit.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem Auszug aus dem zentralen Melderegister (OZ 8), der durchgeführten Routenplanung (OZ 7), dem übermittelten Übergabsvertrag (OZ 5) und aus den unstrittigen Sachverhaltsdarstellungen der Beschwerdeführerin und der Behörde (OZ 1-4, 5).
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Strittig sind die von der Steuerpflichtigen in der Arbeitnehmerveranlagung beantragten Kosten der doppelten Haushaltsführung.
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 besteht ein Abzugsverbot für die Kosten des Haushalts. Ebenso nicht abgezogen werden dürfen gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Haushaltsaufwendungen oder Aufwendungen für die Lebensführung sind demnach grundsätzlich nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar ().
Nach der Rechtsprechung werden jedoch die Kosten der doppelten Haushaltsführung im Einzelfall anerkannt, wenn sie, unter Beachtung der von der Judikatur entwickelten Bedingungen, beruflich veranlasst sind.
Aus verfahrensrechtlicher Sicht ist anzumerken, dass es nicht in die Zuständigkeit der Abgabenbehörde fällt, nach Gründen für die doppelte Haushaltsführung zu suchen, vielmehr obliegt es dem Steuerpflichtigen Gründe zu nennen ().
Materiell-rechtlich ist unter anderem Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige einen Familienwohnsitz und einen Wohnsitz am Beschäftigungsort (Berufswohnsitz) begründet. Unter dem Begriff Familienwohnsitz wird gemäß § 4 Abs. 1 Pendlerverordnung, BGBl II 2013/276, einerseits ein gemeinsamer Hausstand von Ehegatten bzw Lebensgefährten in eheähnlicher Gemeinschaft, andererseits auch der Wohnsitz an dem ein allein stehender Steuerpflichtiger seine engsten persönlichen Beziehungen hat, verstanden. Nach § 4 Abs. 2 Pendlerverordnung, BGBl II 2013/276, hat der Steuerpflichtige einen eigenen Hausstand, wenn er eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht. Ein eigener Hausstand liegt jedenfalls nicht vor, wenn der Steuerpflichtige Räumlichkeiten innerhalb eines Wohnverbandes einer oder mehrerer Person(en), die nicht (Ehe)Partner sind oder mit denen eine Lebensgemeinschaft besteht, mitbewohnt.
Ein Zimmer bei den Eltern ist vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht als eigener Haushalt anzusehen (vgl ; ).
Da die Beschwerdeführerin die Räumlichkeiten des elterlichen Wohnhauses - nämlich Bad, WC und Wohnzimmer - gemeinsam mit ihrem Bruder bzw mit ihren Eltern benützt und daneben lediglich zwei Zimmer alleine bewohnt, liegt am gemeldeten Hauptwohnsitz kein eigener Hausstand im Sinne der Pendlerverordnung, BGBl II 2013/276, vor. Schon aus diesem Grund können die beantragten Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung nicht berücksichtigt werden.
Ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass die Kosten der doppelten Haushaltsführung selbst bei Annahme eines Familienwohnsitzes am gemeldeten Hauptwohnsitz nur dann unvermeidbare Mehraufwendungen und damit beruflich veranlasst sind, wenn die Verlegung des Familienwohnsitzes unzumutbar ist. Nach der Rechtsprechung des VwGH kann die Zumutbarkeit nicht schematisch vom Ablauf eines bestimmten Zeitraumes abhängig gemacht werden; vielmehr sind die Verhältnisse im Einzelfall zu berücksichtigen (vgl ). Anerkannt werden Gründe von erheblichem objektiven Gewicht. Momente bloß persönlicher Vorliebe reichen nicht aus (). Nach der Verwaltungspraxis sind für verheiratete, in eheähnlicher Gemeinschaft oder in Gemeinschaft mit einem minderjährigen Kind lebende Arbeitnehmer ein Zeitraum von zwei Jahren, für allein stehende Arbeitnehmer ein Zeitraum von sechs Monaten in der Regel ausreichend (LStR 345).
Im konkreten Fall ist die Beschwerdeführerin allein stehend und bereits seit 2003 in ***1*** tätig. Besondere, die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes rechtfertigende Umstände, lagen nicht vor und wurden auch nicht behauptet. Die Kosten der doppelten Haushaltsführung wären somit selbst bei Vorliegen eines Familienwohnsitzes am gemeldeten Hauptwohnsitz nicht beruflich veranlasst und keine Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 EStG 1988 gewesen.
Da die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Kosten der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten schon aus diesen Gründen nicht gegeben waren, war auf die Frage der Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr zum gemeldeten Hauptwohnsitz nicht näher einzugehen.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war somit abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht ist von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen, sondern hat sich auf diese sowie auf den klaren und eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen gestützt.
Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist eine Revision nicht zulässig.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 4 Abs. 1 Pendlerverordnung, BGBl. II Nr. 276/2013 § 4 Abs. 2 Pendlerverordnung, BGBl. II Nr. 276/2013 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.2100888.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
NAAAF-57192