Zuzugsbegünstigung; Zuzugszeitpunkt; Mittelpunkt der Lebensinteressen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Judith Daniela Herdin-Winter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Antrag auf Zuerkennung des Zuzugsfreibetrags gem. § 103 Abs. 1a EStG vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Schriftführers SF, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer unter Beifügung zahlreicher Nachweise die Zuerkennung einer Zuzugsbegünstigung gem. § 103 Abs. 1a EStG. Er gab an, dass er seit an der Universität *** als Universitätsprofessor für *** tätig sei. Er sei mit nach *** gezogen, die Anmeldung erfolgte aufgrund der Corona Einschränkungen mit .
Mit Bescheid vom wurde der Antrag von der belangten Behörde als verspätet zurückgewiesen. Zur Begründung führte diese aus, dass sich im Zuge der Sachverhaltsermittlungen herausgestellt habe, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers bereits im Jahr 2018 nach Österreich zugezogen sei. Ihren Angaben zufolge habe sie ihr Ehemann regelmäßig in *** besucht und sie habe ihren Lebensmittelpunkt im Jahr 2018 nach *** verlegt. Ihre im November 2018 bezogene Wohnung werde lt. ZMR nun auch vom Beschwerdeführer bewohnt, sei also zur Nutzung als Familienwohnsitz geeignet. Daher liege ab dem Zuzug der Ehefrau nach Österreich zumindest ein abgeleiteter Wohnsitz in Österreich vor.
Es sei daher zu prüfen gewesen, wann tatsächlich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers von *** nach Österreich verlegt worden sei.
Ab dem Zeitpunkt des Wegzugs der Ehefrau im Jahr 2018 habe kein gemeinsamer Wohnsitz der Ehegatten in *** mehr bestanden. Die Wohnung sei vom Beschwerdeführer allein noch bis September 2020 bewohnt worden. Lt. der Aussage der Ehefrau sei die gemeinsame Freizeit ab dem Jahr 2018 nahezu ausschließlich in Österreich verbracht worden. Im September 2020 habe der Beschwerdeführer den Wohnsitz, an dem bis zum Wegzug der Ehefrau ein gemeinsamer Haushalt geführt worden sei, aufgegeben und sei innerhalb von *** umgezogen. Zu diesem Zeitpunkt sei das Beschäftigungsverhältnis der Ehefrau in *** nicht mehr aufrecht gewesen und der Vertrag des Beschwerdeführers mit der Universität *** bereits unterschrieben gewesen. Die Verlagerung des Mittelpunkts der Lebensinteressen habe daher spätestens mit stattgefunden und damit mehr als 6 Monate vor Antragstellung, weshalb der Antrag gem. § 1 Abs. 2 ZBV 2016 als verspätet zurückzuweisen gewesen sei.
Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer dagegen Beschwerde und führte aus, dass die Verlagerung seines Mittelpunkts der Lebensinteressen falsch festgesetzt worden sei. Er sei bis zum am *** in *** beschäftigt gewesen. Ab habe er dort noch im Umfang von 8h/Woche Abschlussarbeiten von Studierenden als Nebentätigkeit zu seiner Beschäftigung an der Universität *** betreut.
Die vormals gemeinsame Ehewohnung in *** sei mit mit der Übergabe an die Nachmieterin aufgelöst worden. Danach habe er mit seiner Ehefrau ein Apartment im Gästehaus *** bezogen. Mit habe er außerdem einen Hauptwohnsitz in *** angemeldet, wo ihm, im Wohnhaus seiner Eltern sein ehemaliges Kinderzimmer zur Verfügung gestanden sei. Die Wohnung in *** eigne sich aufgrund ihrer Größe (60m2) nicht als Familienwohnsitz. Der Beschwerdeführer sei erst für die Weihnachtsfeiertage per PKW mit den wichtigsten persönlichen Gegenständen nach *** gereist. Daher sei der Mittelpunkt der Lebensinteressen erst mit nach Österreich verlagert worden.
Mit BVE vom wurde die Beschwerde von der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung führte diese aus, dass diese weiterhin der Ansicht sei, dass der Zuzug spätestens zum erfolgt sei und damit die Frist gem. § 1 Abs. 2 ZBV 2016 zum Antragszeitpunkt () bereits verstrichen ist.
Unstrittig sei, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers bereits seit 2018 ihren Wohnsitz und auch ihren Lebensmittelpunkt in Österreich habe. Die Wohnung, in die diese in 2018 gezogen sei, werde nun vom Ehepaar bewohnt, müsse also als Familienwohnsitz geeignet sein, weil sie auch faktisch als solcher genutzt werde. Bereits ab Zuzug liege daher ein abgeleiteter Wohnsitz des Beschwerdeführers in Österreich vor.
Trotz Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu Kirchengemeinschaften, Sportvereinen oder einem bestimmten Sozialversicherungssystem habe die Verlagerung des Mittelpunkts der Lebensinteressen spätestens mit Aufgabe der vormaligen Familienwohnung und damit stattgefunden. Es habe nach diesem Datum kein gemeinsamer *** Wohnsitz mit der Gattin mehr bestanden, der geeignet gewesen wäre, das dem Lebensmittelpunkt innewohnende Element der Dauerhaftigkeit zu vermitteln. Vielmehr sei gerade durch die Einlagerung der Möbel und die Verwendung eines Apartments im Gästehaus des *** bzw. von Räumlichkeiten im Elternhaus des Beschwerdeführers auch nach außen offensichtlich, dass ein weiterer dauerhafter Aufenthalt im Sinne eines Mittelpunkts der Lebensinteressen nicht vorliege. Die Wohnmöglichkeit im Gästehaus sowie im Elternhaus des Beschwerdeführers seien vergleichbar mit einem beruflich genutzten Zweitwohnsitz, der in der Regel nicht die Qualität eines Familienwohnsitzes erreiche. Auch das Argument, dass die derzeit gemeinsam benutzte Wohnung nicht den Ansprüchen des Ehepaares gerecht werde, ändere daran nichts, da diese derzeit faktisch als Familienwohnsitz genützt werde.
Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage der Beschwerde an das BFG sowie eine mündliche Verhandlung. Ergänzend führte dieser aus, dass die Verlagerung des Mittelpunkts der Lebensinteressen zum Jahreswechsel in der Beschwerde hinreichend dokumentiert sei und keinesfalls vor Beginn der Weihnachtsfeiertage () stattgefunden habe.
In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer zunächst an, dass er bis Oktober 2018 gemeinsam mit seiner Ehefrau in *** an der Adresse *** gewohnt habe. Gelegentlich habe er mit seiner Frau bei seinen Eltern in *** genächtigt. Im Oktober 2018 sei seine Ehefrau nach *** übersiedelt. Er selbst sei bis Ende 2020 in *** vollbeschäftigt tätig gewesen.
Ab dem Wegzug seiner Ehefrau habe er diese tageweise in der Wohnung in der *** (gem. seinen Aufzeichnungen 16 Besuche im Zeitraum Okt 2018 bis Weihnachten 2020) und diese ihn in wesentlich größerem Umfang in *** besucht. Bei der Wohnung in der *** habe es sich um eine möblierte Einzimmerwohnung gehandelt. Die Urlaube habe das Ehepaar in diesem Zeitraum vorwiegend in Österreich verbracht. Bis Ende 2020 sei er in *** in Sportverein und Kirche engagiert gewesen.
Am habe er den Vertrag für eine vollbeschäftigte Stelle als Universitätsprofessor mit der Universität *** unterzeichnet. Als Dienstantritt sei der festgehalten worden. In weiterer Folge habe er das Dienstverhältnis mit dem *** in *** beendet, bzw. sei richtigerweise eine Änderung in der Form erfolgt, dass das Beschäftigungsausmaß von Vollbeschäftigung auf 8 Wochenstunden mit abgeändert worden sei. In weiterer Folge habe sich das Arbeitsausmaß ab 2022 weiter reduziert.
Ab Beginn der Corona-Maßnahmen habe er sich bis auf zwei Besuche (Urlaub und Krankenbetreuung in Österreich) ausschließlich in *** aufgehalten.
Mit habe er seinen Wohnsitz von *** nach *** verlegt und eine entsprechende Meldung vorgenommen. Der Wohnsitz in *** habe sich an der Adresse seiner Eltern befunden, wo ihm sein vormaliges Kinderzimmer und ein Arbeitszimmer zur Verfügung gestanden seien. Es habe sich als vorteilhaft erwiesen die letzte Meldung in *** in *** zu haben (Ausstellung Personalausweis, Post etc.). An dieser Adresse sei er bis gemeldet gewesen und habe diese als Wohnmöglichkeit genutzt.
Die vormals gemeinsame Wohnung in *** sei mit gekündigt und übergeben worden. Die Einlagerung der Möbel sei Mitte November erfolgt.
Von bis habe er ein Apartment im Gästehaus des *** angemietet. Von 15. bis habe er sich in *** aufgehalten, ab dann in Österreich in der Wohnung in der ***. Diese Wohnung habe er gemeinsam mit seiner Ehefrau bis *** bewohnt, bis eine geeignete, den Ansprüchen des Ehepaares genügende Wohnung, gefunden werden konnte.
Am habe er den Antrag auf Erteilung einer Zuzugsbegünstigung gem. § 103 Abs 1a EStG gestellt und an diesem Datum auch adressiert an das BMF persönlich abgegeben. Er sei davon ausgegangen, dass sein Zuzug jedenfalls erst am erfolgt sei, da er sich auch erst ab diesem Zeitpunkt dauerhaft, dh über einen längeren Zeitraum, in Österreich aufgehalten habe. Das Schreiben langte am bei der belangten Behörde ein, die für die Erteilung von Zuzugsbegünstigungen zu diesem Zeitpunkt zuständig war.
Der Vertreter der belangten Behörde führte in der mündlichen Verhandlung aus, dass in Hinblick auf das für 15 Nächte angemietete Gästehaus anzuzweifeln sei, ob dieses überhaupt einen Wohnsitz im abgabenrechtlichen Sinn begründen könne. Es sei nicht anzuzweifeln, dass dieses zur Bewohnung geeignet gewesen sei, es habe aber eine Absicht zur Beibehaltung gefehlt. Auch gehe die belangte Behörde davon aus, dass die Räumlichkeiten in *** nicht die Kriterien für einen abgabenrechtlichen Wohnsitz erfüllt haben. Der Beschwerdeführer habe 3 Gründe angegeben warum er eine Meldung in *** vorgenommen und sich dort aufgehalten habe. Es seien jedoch keine Umstände erkennbar, dass dieser die Räumlichkeiten in *** für eine längere Dauer beibehalten und benutzen haben wollen. Insgesamt sei er auch nur für einen Zeitraum von dreieinhalb Monaten dort gemeldet gewesen. Es sei hingegen auch vor dem Hintergrund der VwGH Judikatur klar, dass der Beschwerdeführer ab der Übersiedlung seiner Ehefrau im Oktober 2018 einen abgeleiteten Wohnsitz in *** gehabt habe.
Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Beschwerdeführer bis zum Jahresende 2020 einen abgabenrechtlichen Wohnsitz in *** gehabt habe, sei zu prüfen, wo der Mittelpunkt der Lebensinteressen gelegen sei. Mit der Räumung der gemeinsamen Familienwohnung sei ein wesentlicher Anknüpfungspunkt in *** weggefallen, insbesondere hätten ab diesem Zeitpunkt keine gemeinsamen Anknüpfungspunkte der beiden Eheleute in *** vorgelegen. Es werde grundsätzlich davon ausgegangen, dass verheiratete Personen in aufrechter Ehe ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen am selben Ort haben. So sei auch der Familiennachzug in der Rechtsprechung des BFG für die Entscheidung, wann eine Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen erfolgt sei, als wesentliches Kriterium herangezogen worden. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass als denkbar spätester Zeitpunkt des Zuzugs die Auflösung und Übergabe der Familienwohnung mit anzusehen sei. Davon unabhängig sei es nicht ungewöhnlich Anknüpfungspunkte in mehreren Staaten zu haben (Familie, Freunde), entscheidend seien jedoch die engsten Beziehungen wie Partnerschaft bzw. Ehe.
Der Beschwerdeführer entgegnete, dass das Gästehaus und die Wohnräume in *** bei seinen Eltern tatsächlich als Wohnsitz genutzt worden seien und auch abgabenrechtlich in *** anerkannt wurden. So habe er für seine Beschäftigung am *** bis Jahresende Steuern entrichtet.
Auf die Frage der Versteuerung seiner Einkünfte gab der Beschwerdeführer an, dass er neben seinem Erwerbseinkommen auch Kapitaleinkünfte in *** bis Jahresende 2020 versteuert habe. Außerdem habe er im Jahr 2020 bereits im Sommer- und Wintersemester eine Lehrverpflichtung an der Universität *** gehabt, die er aufgrund der Corona-Einschränkungen "online" erfüllt habe. Das entsprechende Entgelt sei in *** zur Progression herangezogen worden.
Ergänzend führte der Beschwerdeführer aus, dass der Wohnsitz in *** eine Dauerhaftigkeit aufweise. So würden beispielsweise Rentenversicherungsbescheide weiterhin für ihn und seine Ehefrau an diese Adresse gesendet werden. Er habe überdies noch weiterhin einen Schlüssel dafür. Auf Nachfragen der Richterin gab der Beschwerdeführer an, dass seine Ehefrau nie in *** gemeldet gewesen sei.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau wohnten bis Oktober 2018 in einer gemeinsamen Wohnung in *** an der Adresse *** in ***. Im November 2018 nahm die Ehefrau des Beschwerdeführers ein neues Beschäftigungsverhältnis in Österreich auf und begründete hierzu einen Wohnsitz in Österreich an der Adresse *** in ***. Der Beschwerdeführer blieb in *** wohnhaft und berufstätig, besuchte seine Ehefrau jedoch regelmäßig an deren Wohnsitz in Österreich. Seine sonstige Freizeitgestaltung (Sportverein, Kirche) übte er weiterhin in *** aus.
Am meldete er seinen Hauptwohnsitz in seinem Elternhaus in *** an, wo ihm sein ehemaliges Kinderzimmer und ein Arbeitszimmer zur Verfügung stand. Per erfolgte die Übergabe der vormaligen Familienwohnung in *** an die Nachmieterin. Von bis nutzte er ein Apartment im Gästehaus des ***; danach bis zur Übersiedlung nach *** das ehemalige Kinderzimmer im Wohnhaus seiner Eltern.
Der Beschwerdeführer änderte sein *** Dienstverhältnis per in der Weise ab, dass er sein vollbeschäftigtes Dienstverhältnis in ein Dienstverhältnis im Ausmaß von 8 Wochenstunden abänderte. Zu den Weihnachtsfeiertagen 2020 übersiedelte er in die Wohnung seiner Ehefrau und begann mit eine neue vollbeschäftigte Tätigkeit als Universitätsprofessor für *** an der Universität ***.
Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Zuerkennung einer Zuzugsbegünstigung gem. § 103 Abs. 1a EStG.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und sind insoweit unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
§ 103 Absatz 1a EStG 1988 lautet:
"Bei Personen, deren Zuzug aus dem Ausland der Förderung von Wissenschaft oder Forschung dient und aus diesem Grunde im öffentlichen Interesse gelegen ist, kann der Bundesminister für Finanzen, unabhängig von der Gewährung einer Begünstigung gemäß Abs. 1 aufgrund des Zuzugs für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt des Zuzugs einen Freibetrag in Höhe von 30% der zum Tarif besteuerten Einkünfte aus wissenschaftlicher Tätigkeit festsetzen. Wird der Freibetrag gewährt, können daneben keine weiteren Betriebsausgaben, Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastungen, die im Zusammenhang mit dem Zuzug stehen, geltend gemacht werden."
§ 1 Absatz 1 und 2 der Zuzugsbegüngstigungsverordnung 2016 (BGBl. II 261/2016) lautet:
"(1) Der Bundesminister für Finanzen kann auf Antrag der zuziehenden Person die Beseitigung der steuerlichen Mehrbelastungen (§ 103 Abs. 1 EStG 1988) und einen Zuzugsfreibetrag (§ 103 Abs. 1a EStG 1988) zuerkennen. Dem Antrag ist ein Verzeichnis im Sinne des § 7 Abs. 1 samt den dazugehörigen Nachweisen beizulegen.
(2) Der Antrag ist spätestens sechs Monate nach dem Zuzug einzubringen."
Ein Zuzug aus dem Ausland nach § 103 Abs. 1 und Abs. 1a EStG 1988 liegt nur bei einer Verlegung des Mittelpunkts der Lebensinteressen in das Inland vor. Besteht nach der Begründung des inländischen Wohnsitzes weiterhin ein ausländischer Wohnsitz, so erfolgt der Zuzug erst in jenem Moment, in dem sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen auf den inländischen Wohnsitz verlagert (vgl. ).
Als Mittelpunkt der Lebensinteressen ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jener Ort zu verstehen, zu dem die engsten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen. Dabei ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Den wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren versteht man all jene, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz innehat. Von Bedeutung sind dabei etwa familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen, aber auch Verbindungen zu Sachgesamtheiten, wie Privatsammlungen, und die Mitgliedschaft in Vereinen und andere soziale Engagements (vgl. mwN).
Wenn eine Person, die in einem Staat über eine Wohnstätte verfügt, ohne diese aufzugeben, im anderen Staat eine zweite Wohnstätte begründet, kann die Tatsache, dass sie die erste Wohnstätte dort beibehält, wo sie bisher stets gelebt und gearbeitet hat und wo sie ihre Familie und ihren Besitz hat, zusammen mit anderen Gesichtspunkten als Zeichen dafür sprechen, dass diese Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im ersten Staat beibehalten hat (vgl. ).
Die stärkste persönliche Beziehung besteht im Regelfall zu jenem Ort, an dem jemand regelmäßig mit seiner Familie lebt. Diese Annahme setzt das Führen eines gemeinsamen Haushaltes sowie das Fehlen ausschlaggebender und stärkerer Bindungen zu einem anderen Ort voraus (vgl. ).
Der Antrag auf die Steuerbegünstigung nach § 103 Abs. 1a EStG 1988 iVm § 1 Abs. 2 ZBV 2016 ist spätestens sechs Monate nach dem Zuzug - also der Verlegung des Lebensmittelpunktes vom Ausland in das Inland - bei der zuständigen Abgabenbehörde einzubringen. Zur Beurteilung der Frage, ob der Antrag des Beschwerdeführers daher rechtzeitig innerhalb der 6-Monatsfrist eingebracht wurde, ist daher entscheidungswesentlich, wann die Verlagerung des Mittelpunkts der Lebensinteressen nach Österreich und damit dessen Zuzug tatsächlich stattgefunden hat.
Gemäß den Feststellungen hatte der Beschwerdeführer bis zum Wegzug seiner Ehefrau mit Oktober 2018 seinen einzigen Wohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen gemeinsam mit seiner Ehefrau an der *** Adresse *** in ***. Mit der Begründung eines österreichischen Wohnsitzes durch seine Ehefrau hatte der Beschwerdeführer ab diesem Zeitpunkt einen weiteren (abgeleiteten) Wohnsitz in Österreich.
Es ist daher zunächst zu beurteilen, ob sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers bereits ab diesem Zeitpunkt nach Österreich verlagerte. Für eine Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen nach Österreich bereits mit dem Umzug seiner Ehefrau spricht, dass der Beschwerdeführer seine Ehefrau mehrfach in *** besuchte und auch seine Urlaube in Österreich verbrachte. Dagegen spricht jedoch, dass der Beschwerdeführer weiterhin in *** vollbeschäftigt blieb, seine Ehefrau diesen auch in *** besuchte und dieser auch seine Freizeitgestaltung (Sportverein, Kirche) weiterhin in *** ausübte. Das BFG geht daher davon aus, dass aufgrund der ausgeprägten wirtschaftlichen Beziehungen des Beschwerdeführers in ***, und der Tatsache, dass er auch weiterhin einen großen Teil seiner persönlichen Beziehungen in *** ausübte, in einer Gesamtbetrachtung der besonderen Umstände dieses Falles der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen zunächst in *** verblieb.
Eine entscheidende Änderung der Umstände trat jedoch mit der Aufgabe der vormals als Familienwohnsitz genutzten Wohnung in *** per ein, die im Rahmen der Beendigung seiner beruflichen Tätigkeit in *** zu Jahresende 2020 erfolgte. Ab diesem Zeitpunkt hatte der Beschwerdeführer nur noch einen gemeinsamen Wohnsitz mit seiner Ehefrau, nämlich die Wohnung in *** und beabsichtigte unzweifelhaft seinen Aufenthalts- und Tätigkeitsort dauerhaft nach Österreich zu verlegen. Die nach diesem Zeitpunkt in *** genutzten Wohnmöglichkeiten, nämlich im Kinderzimmer seiner Eltern, sowie die tageweise Nutzung eines Apartments auf dem Gelände seines Dienstgebers, können dem Beschwerdeführer daher vor dem Hintergrund der Bedeutung der persönlichen Beziehungen ab diesem Zeitpunkt jedenfalls keinen Mittelpunkt der Lebensinteressen mehr in *** vermitteln. Diese wurden rein beruflich genutzt und nicht in einer Absicht an diesen dauerhaft wohnhaft zu werden oder zu bleiben.
Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer seine restlichen Dienstpflichten noch im Dezember 2020 in *** erfüllte und die melderechtlichen Veranlassungen im Zuge dessen erst im Jänner 2021 vornahm, sind in diesem Zusammenhang nicht von entscheidender Bedeutung. Die Verlagerung des Mittelpunkts der Lebensinteressen des Beschwerdeführers und dessen Zuzug nach Österreich erfolgten daher mit .
Der Antrag auf Gewährung einer Zuzugsbegünstigung gem. § 103 Abs. 1 EStG vom wurde daher von der belangten Behörde zu Recht als verspätet zurückgewiesen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des VwGH, dass zur Ermittlung des Mittelpunkts der Lebensinteressen auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen ist (vgl. mwN). Darüber hinaus lag keine Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung vor.
Wien, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 103 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7102056.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
SAAAF-57186