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VwGH 12.11.2002, 2002/05/0754

VwGH 12.11.2002, 2002/05/0754

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde der Maria Pasler in Jois, vertreten durch Dr. Josef Lagler, Rechtsanwalt in Frauenkirchen, Franziskanerstraße 62, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom , Zl. 02/04-288-2002, betreffend Grundabtretung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Jois, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 2117, EZ 171, KG Jois, das im Bauland liegt.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde die Beschwerdeführerin als Eigentümerin des genannten Grundstückes verpflichtet, die zur Verbreiterung der bestehenden öffentlichen Verkehrsfläche am Kirchberg I, Grundstück Nr. 2077/2, EZ 1, KG Jois, benötigte Fläche im Ausmaß von 310 m2 in das öffentliche Gut der Gemeinde Jois abzutreten, wobei die Abtretung von 146,22 m2 unentgeltlich zu erfolgen habe und für 163,78 m2 von der mitbeteiligten Gemeinde eine Entschädigung geleistet würde. Begründend wurde ausgeführt, der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde habe in seiner Sitzung vom den Beschluss über die Verbreiterung der öffentlichen Verkehrsfläche Grundstück Nr. 2077/2, EZ 1, KG Jois, gefasst. Die Abtretungsverpflichtung entstehe mit der Beschlussfassung des Gemeinderates über die Errichtung oder Verbreiterung der öffentlichen Verkehrsfläche und sei mit der Baubewilligung oder mit gesondertem Bescheid auszusprechen. Die Festsetzung des Entschädigungsbetrages sei auf Grund des Gutachtens des D.I.K.T., die Ermittlung des Ausmaßes der Abtretung auf Grund des Gutachtens des Teilungsplanes des D.I.J.H. erfolgt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, bei der Bestimmung des § 8 des Burgenländischen Baugesetzes handle es sich um eine Enteignungsbestimmung; diese Bestimmung sei daher restriktiv auszulegen. Eine Abtretung sei nur dann zulässig, wenn es das allgemeine Beste erfordere. Dem Bescheid könne nicht entnommen werden, ob ein konkreter öffentlicher Bedarf bestehe. Es werde aber bestritten, dass tatsächlich ein solcher Bedarf bestehe, zumal es in der gegenständlichen aufzuschließenden Straße nur sehr wenige Anrainer gebe; der Ausbau der Straße über das Grundstück der Beschwerdeführerin, das nicht bebaut werden solle, sei nicht notwendig und liege auch nicht im Interesse der Öffentlichkeit. Selbst wenn man der Meinung sein sollte, dass die Verbreiterung der öffentlichen Verkehrsfläche gerade auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin im allgemeinen Interesse notwendig sei, sei dem Bescheid nicht zu entnehmen, ob die geplante Verbreiterung in einem solchen Ausmaß notwendig sei, dass 310 m2 des Grundes der Beschwerdeführerin enteignet werden müssten. Ein Gutachten, mit dem der Entschädigungsbetrag festgesetzt wurde, sei der Beschwerdeführerin ebenso wenig zugegangen wie ein Beschluss des Gemeinderates über die Verbreiterung der Verkehrsfläche oder ein Teilungsplan des D.I.J.H., auf den sich die Behörde erster Instanz bei der Ermittlung der Abtretungsfläche gestützt habe.

In der Folge wurden der Beschwerdeführerin ein Gutachten des D.I.K.T. betreffend die Bewertung der Grundstückesbreite für den entgeltlich abzutretenden Grundstücksteil, sowie ein Teilungsplan des D.I.J.H. vom übermittelt. Letzterem ist zu entnehmen, dass der Weg 2077/2 an der Ostgrenze des Grundstückes der Beschwerdeführerin eine Breite von ca. 16 m aufweist und sich sodann im Bereich des Grundstückes der Beschwerdeführerin und des anschließenden Grundstückes Nr. 2122/1 auf ca. 1,20 m bis ca. 2 m verengt. Dieser Weg mündet dann westseitig in ein ebenfalls ca. 3 m breites Grundstück (Weg) Nr. 2118 ein. Überdies wurde der Beschwerdeführerin ein Protokoll über die Beschlussfassung des Gemeinderates vom , mit dem die Verbreiterung der öffentlichen Verkehrsfläche am Kirchberg I im gegenständlichen Bereich auf 9 m beschlossen wurde.

In der zu den übermittelten Unterlagen ergangenen Stellungnahme führte die Beschwerdeführerin zusammengefasst aus, eine Verlängerung des bestehenden Weges zum Weg Grundstück Nr. 2118 sei zur Aufschließung nicht notwendig. Zum einen deswegen nicht, weil das Grundstück der Beschwerdeführerin das letzte im Siedlungsgebiet I sei und ohnedies schon an diesen Weg Nr. 2077/2 unmittelbar angebunden sei. Eine Weiterführung dieses Weges über das Grundstück der Beschwerdeführerin hinweg nach Westen zum Grundstück Nr. 2122/1 sei sinnlos und faktisch gar nicht möglich, weil sich auf dem Grundstück Nr. 2122/1 das Kriegerdenkmal befinde und dieses nicht einfach "überfahren" werden könne. Eine Verlängerung der Wegparzelle 2077/2 wäre nur dann sinnvoll, wenn dieses Kriegerdenkmal weggeräumt werden würde, was aber nicht ernstlich von der Gemeinde geplant sein könne. Eine Verbreiterung des Gehweges käme lediglich für die Aufschließung der Grundstücke Nr. 247, 248 und 249, die südlich des Gehweges 2077/2 liegen, allgemein in Frage, konkret aber auch nicht, zumal diese drei Grundstücke sowie die Parzelle mit dem Kriegerdenkmal ebenfalls über die Wegparzelle Nr. 246 erreichbar seien. Schließlich sei noch von Bedeutung, dass die oben genannten Grundstücke 247 bis 250 auch vom Süden her aufgeschlossen seien, nämlich durch den Hintausweg der Unteren Hauptstraße. Dieser Hintausweg habe jedenfalls eine Breite die als Gehweg mehr als ausreiche.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters als unbegründet abgewiesen. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens wurde ausgeführt, das Vorbringen der Beschwerdeführerin sei unsubstanziiert, sie sei den Gutachten des D.I.K.T. sowie dem Teilungsplan des D.I.J.H. nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 8 Abs. 1 des Burgenländischen Baugesetzes (BauG) haben die Eigentümer von Grundstücken im Bauland Grundflächen, die für die Aufschließung von Baugrundstücken oder zur Verbreiterung bestehender öffentlicher Verkehrsflächen benötigt werden, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen in das öffentliche Gut der Gemeinde abzutreten. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung hat die Grundabtretung bis zur Mitte der Verkehrsfläche, höchstens jedoch bis zu einer Breite von 6 m unentgeltlich zu erfolgen; für darüber hinausgehende Abtretungen ist von der Gemeinde eine Entschädigung zu leisten.

Die Vorgängerbestimmung des § 8 des Burgenländischen Baugesetzes war § 17 der Burgenländischen Bauordnung, der allerdings die Grundabtretung im Falle einer Bauplatzerklärung regelte. Auch die Bestimmung des § 17 Abs. 1 der Burgenländischen Bauordnung sah vor, dass nur Grundflächen, die zum Zwecke der Aufschließung von Bauplätzen für die Anlage oder zur Verbreiterung bestehender öffentlicher Verkehrsflächen benötigt würden, abzutreten seien. In seinem Erkenntnis vom , Zl. 96/05/0222, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Frage, inwieweit zur Abtretung vorgeschriebene Grundflächen für die öffentliche Verkehrsfläche "benötigt" werden, darauf hingewiesen, dass begründete Feststellungen vorliegen müssen, die eine abschließende Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 17 zulassen.

Auch die nunmehrige Rechtslage des § 8 Abs. 1 BauG sieht vor, dass die Grundabtretung nur dann zulässig ist, wenn die Grundflächen für die Aufschließung von Baugrundstücken oder zur Verbreiterung bestehender öffentlicher Verkehrsflächen benötigt werden.

Nun kann weder dem Gemeinderatsbeschluss vom , noch dem Schätzungsgutachten des D.I.K.T. oder dem Teilungsplan des D.I.J.H. entnommen werden, weshalb in diesem Bereich eine Verbreiterung des Verkehrsweges auf 9 m notwendig ist. Feststellungen über jene Grundstücke, die nur über den Weg Nr. 2077/2 aufgeschlossen werden könnten sowie über den zu erwartenden Fahrzeug- und Fußgängerverkehr finden sich ebenso wenig im vorgelegten Akt wie sachverständige Ausführungen über den Bedarf an Grundflächen auf Grund verkehrstechnischer Gegebenheiten.

Schon dadurch, dass die belangte Behörde nicht erkannte, dass dem Gemeinderatsbeschluss jegliche nachvollziehbare Feststellungen über die konkrete Benötigung der abzutretenden Grundflächen fehlen, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Dazu kommt, dass der Teilungsplan des D.I.J.H. offensichtlich nicht dem Gemeinderatsbeschluss vom entspricht:

während der Beschluss des Gemeinderates eine Verbreiterung des Weges im gegenständlichen Bereich auf 9 m vorsieht, weist der vorgelegte Teilungsplan des D.I.J.H. auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin westseitig eine Breite des Weges von 16 m und ostseitig eine Breite von ca. 13,5 m auf, was jeweils wesentlich mehr als die beschlossenen 9 m ist. Da die belangte Behörde den Widerspruch des Teilungsplanes, der dem Bescheid des Bürgermeisters bzw. des Gemeinderates zu Grunde lag, zum Gemeinderatsbeschluss vom nicht erkannte, belastete sie auch aus diesem Grund ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
BauG Bgld 1997 §8 Abs1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2002:2002050754.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
FAAAF-57079