VwGH 26.04.2001, 2001/16/0221
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Sinn des § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGG ist es, in einer jeden Zweifel ausschließenden Art und Weise den VwGH erkennen zu lassen, welcher Behörde Säumnis vorgeworfen wird. Welche Behörde belangte Behörde des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist, kann allerdings nicht nur aus der zutreffenden Bezeichnung der Behörde durch den Bf ersehen werden, sondern ist auch aus dem Inhalt der Beschwerde insgesamt und den der Beschwerde angeschlossenen Beilagen sowie aus der dem VwGH bekannten Rechtslage betreffend den Vollzugsbereich und die Behördenorganisation erschließbar. Jene Behörde ist Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, welche bei verständiger Wertung des gesamten Beschwerdevorbringens einschließlich der der Beschwerde angeschlossenen Beilagen als belangte Behörde zu erkennen ist. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 99/16/0079 B RS 1 |
Normen | |
RS 2 | Es ist unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei der von ihr vorgenommenen Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes und der belangten Behörde ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dessen Wortlaut nicht unmittelbar erschlossen werden kann. Diese Beurteilung gilt angesichts desselben dahinter stehenden Regelungszweckes sowohl für die Bezeichnung der belangten Behörde in Bescheidbeschwerden gemäß § 28 Abs 1 Z 2 VwGG als auch für die Bezeichnung der belangten Behörde in Säumnisbeschwerden gem § 28 Abs 3 zweiter Satz legcit (Hinweis B , 92/17/0223; B , 90/17/0181). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 96/17/0076 B RS 2 |
Normen | B-VG Art132; VwGG §27; |
RS 3 | Es ist unabdingbare Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde, dass jene Behörde, der Säumnis zur Last gelegt wird, verpflichtet war, über den betreffenden Antrag (das Parteienbegehren) zu entscheiden. Die Pflicht zur Entscheidung kann nur eine Behörde treffen, die zum Abspruch über das Parteienbegehren sachlich und örtlich zuständig ist (Hinweis auf B , 82/11/0250). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 88/17/0123 E RS 1 |
Normen | VwGG §27 Abs1; VwGG §28 Abs3; VwGG §34 Abs1; VwGG §34 Abs2; |
RS 4 | Eine falsche Bezeichnung der belangten Behörde bei Erhebung einer Säumnisbeschwerde ist nicht verbesserungsfähig, weshalb die Beschwerde ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 91/05/0131 B RS 1 |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2001/16/0246
2001/16/0248
2001/16/0247
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der I AG in W, vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Tuchlauben 13, gegen den Stadtsenat der Stadt Salzburg wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend vier Berufungen (vom , , und ) in Angelegenheiten der Getränkesteuer den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Die vorliegende Säumnisbeschwerde behauptet die Verletzung der Entscheidungspflicht in vier Fällen, wobei als belangte Behörde ausdrücklich der Stadtsenat der Stadt Salzburg in Anspruch genommen wird. Darüber hinaus ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin eine andere Behörde als belangt ansehen könnte, zumal auch Beilagen der Beschwerde nicht angeschlossen sind.
Nach ständiger hg. Judikatur ist Sinn der Bestimmung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGG (wonach als belangte Behörde die oberste Behörde zu bezeichnen ist, deren Entscheidung in der Rechtssache verlangt wurde), in einer jeden Zweifel ausschließenden Art und Weise den Verwaltungsgerichtshof erkennen zu lassen, welcher Behörde Säumnis vorgeworfen wird. Welche Behörde belangte Behörde des Säumnisbeschwerdeverfahrens ist, kann allerdings nicht nur aus der zutreffenden Bezeichnung der Behörde durch den Beschwerdeführer ersehen werden, sondern ist auch aus dem Inhalt der Beschwerde insgesamt und den der Beschwerde angeschlossenen Beilagen sowie aus der dem Verwaltungsgerichtshof bekannten Rechtslage betreffend den Vollzugsbereich und die Behördenorganisation erschließbar. Jene Behörde ist Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, die bei verständiger Wertung des gesamten Beschwerdevorbringens einschließlich der der Beschwerde angeschlossenen Beilagen als belangte Behörde zu erkennen ist (vgl. die hg. Beschlüsse vom , Zl. 99/16/0079 und vom , Zl. 96/17/0076). Das gilt auch in Säumnisbeschwerdefällen (hg. Beschluss vom , Zl. 96/17/0076).
Allerdings ist es unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei der von ihr vorgenommenen Bezeichnung der belangten Behörde eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut nicht unmittelbar erschlossen werden kann. Die Beurteilung gilt angesichts des dahinterstehenden Regelungszweckes sowohl für die Bezeichnung der belangten Behörde in Bescheidbeschwerden als auch in Säumnisbeschwerden (hg. Beschluss vom , Zl. 99/16/0079, und vom , Zl. 96/17/0076 je mit Hinweisen auf hg. Vorjudikatur).
Gemäß § 10 des Salzburger Getränkesteuergesetzes 1992, LGBl. Nr. 44 (in der gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes vom , LGBl. Nr. 110/2000 auf vor dem verwirklichte Abgabentatbestände weiterhin anzuwenden Fassung) haben die Gemeinden die ihnen nach diesem Gesetz zukommenden Aufgaben im eigenen Wirkungskreis zu besorgen.
Das Salzburger Stadtrecht (LGBl. Nr. 47/1966 in der geltenden Fassung) bestimmt auszugsweise folgendes:
"...
§ 4 (1) Die Organe der Stadt sind:
der Gemeinderat,
der Bürgermeister,
der Stadtsenat,
die Ausschüsse des Gemeinderates,
die Bauberufungskommission (LGBl. Nr. 32/1966),
die Allgemeine Berufungskommisstion.
...
§ 38 (1) Der eigene Wirkungsbereich umfasst neben den im § 1 Abs. 3 angeführten Angelegenheiten alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Stadt verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Als Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches gelten jedenfalls jene, die in den Gesetzen ausdrücklich als solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde (der Stadt) bezeichnet sind. ...
...
§ 50a. Der Allgemeinen Berufungskommission (§ 31a) obliegt die Entscheidung über Berufungen gegen erstinstanzliche Bescheide des Bürgermeisters in allen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches, die nicht in die Zuständigkeit der Bauberufungskommission fallen. Sie ist in diesen Zuständigkeitsrahmen auch sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne der verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften.
..."
Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass nicht der Stadtsenat, sondern die Allgemeine Berufungskommission zur Entscheidung über die vier erhobenen Berufungen zuständig ist.
Es ist unabdingbare Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG, dass jene Behörde, der Säumnis zur Last gelegt wird, verpflichtet war, über den betreffenden Antrag (Parteibegehren) zu entscheiden. Mit anderen Worten: Die Pflicht zur Entscheidung kann nur eine Behörde treffen, die zum Abspruch über das Parteibegehren sachlich und örtlich zuständig war (vgl. den schon zitierten hg. Beschluss vom , Zl. 96/17/0076).
Da nach der ständigen hg. Judikatur eine falsche Bezeichnung der belangten Behörde bei Erhebung einer Säumnisbeschwerde auch nicht verbesserungsfähig ist, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen (vgl. dazu z.B. die hg. Beschlüsse vom , Zl. 96/08/0059, , Zl. 95/06/0266- 0268, , Zl. 92/12/0057 und , Zl. 91/05/0131).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | B-VG Art132; VwGG §27 Abs1; VwGG §27; VwGG §28 Abs1 Z1; VwGG §28 Abs1 Z2; VwGG §28 Abs3; VwGG §34 Abs1; VwGG §34 Abs2; VwRallg; |
Schlagworte | Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Diverses Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Mängelbehebung |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2001:2001160221.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
LAAAF-57012