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VwGH 25.10.2006, 2001/03/0190

VwGH 25.10.2006, 2001/03/0190

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 lita;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8 idF 1998/I/017;
RS 1
Gemäß Art 1 Abs 1 lit a der Verordnung (EG) Nr 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr 1524/96 muss die Entrichtung der Ökopunkte für die betreffende Fahrt bereits bei Eintritt in das Hoheitsgebiet Österreichs erfolgt sein (dies ergibt sich insbesondere aus der Anführung der Unterlage: "eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt").
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 99/03/0176 E RS 1
Normen
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 litb;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8 idF 1998/I/017;
RS 2
Aus Art. 1 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission idF der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission ergibt sich, dass der Fahrer eines Lastkraftwagens der darin statuierten Verpflichtung nur dann entspricht, wenn das mitgeführte Gerät "eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht". Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung geht eindeutig hervor, dass die Entwertung der Ökopunkte schon bei Grenzeintritt -

was bei Vorliegen einer Sperre nicht der Fall ist - und nicht erst nach Ausgleich eines "Minussaldos" auf dem Ökopunktekonto möglich sein muss.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer sowie die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des JA in E, Deutschland, vertreten durch Dr. Walter Lenfeld und Dr. Wilfried Leys, Rechtsanwälte in Landeck, Malserstraße 49a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom , Zl. 1-0018/01/K1, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die diesbezüglichen Kosten des Berufungsverfahrens, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe sich am um 12.10 Uhr als Lenker eines Sattelzugfahrzeuges und Sattelanhängers mit näher bezeichneten deutschen Kennzeichen beim Zollamt Höchst nach Durchführung einer Transitfahrt durch Österreich zur Ausreise in die Schweiz gestellt (die Einreise von Deutschland nach Österreich sei am um 11.00 Uhr über das ehemalige Autobahnzollamt Hörbranz erfolgt) ohne die nachstehend angeführten Unterlagen mitgeführt und diese auf Verlangen der Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorgelegt zu haben:

"a) entweder ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine Ökokarte für die betreffende Fahrt,

b) oder einen Umweltdatenträger (Ecotag), der eine automatische Entwertung der Ökopunkte für die betreffende Fahrt ermöglichte,

c) oder geeignete Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine ökopunktebefreite Fahrt handelte,

d) oder geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelte und dass im Fall einer Ausstattung des Fahrzeuges mit einem Umweltdatenträger dieser für diesen Zweck eingestellt war."

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung des § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetzes (GütbefG) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission begangen; über ihn wurde eine Geldstrafe von S 20.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden verhängt.

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer am um 12.10 Uhr als Lenker des genannten Fahrzeuges nach Durchführung einer Transitfahrt durch Österreich (die Einreise von Deutschland nach Österreich sei um 11.00 Uhr am Tattag über das ehemalige Autobahnzollamt Hörbranz erfolgt) beim Zollamt Höchst zur Ausreise in die Schweiz angestellt habe. Dabei sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer keine der in der Tatumschreibung des angefochtenen Straferkenntnisses angeführten Unterlagen bei der gegenständlichen Fahrt mitgeführt habe. Mit dem im LKW befindlichen Ecotag-Gerät seien für die gegenständliche Fahrt keine Ökopunkte abgebucht worden, da anlässlich der Kontrolle festgestellt worden sei, dass der "Frächter gesperrt" sei.

Der Beschwerdeführer habe in der mündlichen Berufungsverhandlung angegeben, dass er bei seinem Arbeitgeber vor Antritt der gegenständlichen Fahrt nicht eigens nachgefragt habe, ob die Firma noch genügend Ökopunkte habe. Er sei davon ausgegangen, dass dies der Fall sei, weil er bisher hinsichtlich der Ökopunkte noch nie Probleme gehabt habe. Am Tattag sei er nur einmal mit dem hier in Rede stehenden Sattelkraftfahrzeug von Deutschland in die Schweiz gefahren.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei nicht geeignet, mangelndes Verschulden darzutun. Der Beschwerdeführer hätte sich vor Antritt der gegenständlichen Fahrt durch eine Rückfrage bei seinem Arbeitgeber über den aktuellen Stand der zur Verfügung stehenden Ökopunkte zu erkundigen gehabt. Da er dies nach seinen Angaben unterlassen habe, falle ihm eine als fahrlässig zu qualifizierende Sorgfaltsverletzung zur Last. Hätte er sich nämlich vor Fahrtantritt über den seinerzeitigen Ökopunktestand erkundigt, so hätte er festgestellt, dass der Frächter "gesperrt" gewesen sei. Der Beschwerdeführer hätte somit von der Durchführung dieser Fahrt solange Abstand nehmen müssen, bis die erforderliche Anzahl von Ökopunkten entrichtet worden wäre. Der Umstand, dass er hinsichtlich der Ökopunkte noch nie Probleme gehabt habe und die erforderlichen Ökopunkte nachträglich im Zuge der Amtshandlung abgebucht worden seien, ändere nichts an der Beurteilung der Strafbarkeit seines Verhaltens.

Auch die Angaben des Arbeitgebers des Beschwerdeführers könnten zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhaltes führen. Dieser habe als Zeuge - unter Hinweis auf den Auszug des Bundesamtes für Güterverkehr, München vom betreffend den aktuellen elektronischen Ökopunkteverbrauch - ausgesagt, dass seine Firma am über Ökopunkte verfügt habe; es sei allerdings möglich, dass es sich bei jenen Ökopunkten, die am abgebucht worden seien, noch um "alte" Ökopunkte aus dem Jahr 1999 gehandelt habe. Ihm sei nicht bekannt, wann seitens seiner Firma die Ökopunkte für das Jahr 2000 beantragt worden seien. Nach seiner telefonischen Intervention am seien gegen 14.00 Uhr Ökopunkte gutgeschrieben worden.

Ergänzende Erhebungen der belangten Behörde beim Bundesamt für Güterverkehr hätten ergeben, dass die "F. GmbH & Co KG" am deshalb als "gesperrt" ausgewiesen worden sei, weil an diesem Tag auf dem Frächterkonto tatsächlich keine ausreichenden Ökopunke vorhanden gewesen seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und der Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995 (in der Fassung BGBl. Nr. 17/1998) begeht eine Verwaltungsübertretung, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist.

Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission hat der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs "die nachstehend angeführten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen, entweder:

a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt; ein Muster dieser als "Ökokarte" bezeichneten Bestätigung ist in Anhang A enthalten; oder

b) ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht und als "Umweltdatenträger" ("Ecotag") bezeichnet wird; oder

c) die in Artikel 13 aufgeführten geeigneten Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden; oder

d) geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelt und, und wenn das Fahrzeug mit einem Umweltdatenträger ausgestattet ist, dass dieser für diesen Zweck eingestellt ist. ...".

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er eine ökopunktepflichtige Transitfahrt durchgeführt habe, verweist jedoch darauf, dass das Ökopunkteguthaben im Ausmaß des nach § 5 Abs. 2 bzw. § 9 Abs. 1 KVV zu ermittelnden Anspruches bestehe und mit Vergabe der Kontingenterlaubnisse gemäß § 10 Abs. 1 KVV für den Unternehmer verfügbar vorhanden sei. Die zuletzt genannte Bestimmung, in der Ausgabe und Aufbuchung von Teilkontingenten eines bereits bestehenden Ökopunkteguthabens geregelt seien, sei lediglich eine Ordnungsvorschrift für die Behörde. Es könne auch ein Minussaldo auf dem Verrechnungskonto gebildet werden, der mit der nächsten ausgegebenen Teilportion ausgeglichen werde. Aufgrund des Ausgleiches des durch die Vornahme der Transitfahrt gebildeten Minussaldos mit dem unmittelbar danach zugeteilten Ökopunkteguthaben werde auch das öffentliche Interesse an der Beschränkung der Transitfahrt nicht beeinträchtigt, sodass die Voraussetzungen des § 21 VStG vorlägen.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die Entrichtung der Ökopunkte für die betreffende Fahrt bereits bei Eintritt in das Hoheitsgebiet Österreichs erfolgt sein muss (vgl. zu Art. 1 Abs. 1 lit. a der zit. Verordnung das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/03/0176).

Auch aus Art. 1 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission idF der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission ergibt sich, dass der Fahrer eines Lastkraftwagens der darin statuierten Verpflichtung nur dann entspricht, wenn das mitgeführte Gerät "eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht". Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung geht eindeutig hervor, dass die Entwertung der Ökopunkte schon bei Grenzeintritt - was entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers bei Vorliegen einer Sperre nicht der Fall ist - und nicht erst nach Ausgleich eines "Minussaldos" auf dem Ökopunktekonto möglich sein muss.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkennt, hat sich der Lenker eines Kraftfahrzeuges bei einer Transitfahrt bereits vor der Einreise in das Hoheitsgebiet Österreichs im Falle der Benutzung eines Umweltdatenträgers auf geeignete Weise davon zu überzeugen, dass mit diesem eine automatische Abbuchung von Ökopunkten auch möglich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/03/0262). Daraus folgt u.a. die Verpflichtung des Lenkers bei beabsichtigter Transitfahrt durch das Gebiet Österreichs, sich bereits vor der Einreise umfassend auch darüber zu informieren, ob nicht etwa mangels gedecktem Ökopunktekonto bzw. Sperre des Frächters eine Abbuchung von Ökopunkten unmöglich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/03/0423).

Dass der Beschwerdeführer dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, ergibt sich schon daraus, dass er nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides nicht eigens nachgefragt hat, ob sein Arbeitgeber noch über genügend Ökopunkte verfügte, weil er bisher hinsichtlich der Ökopunkte noch nie Probleme hatte. Bei dieser Sachlage erübrigt es sich, auf die weitwendigen Ausführungen einzugehen, ob und zu welchem Zeitpunkt der Arbeitgeber des Beschwerdeführers von der Frächtersperre Kenntnis erlangte bzw. erlangen konnte.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann der belangten Behörde auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie im Beschwerdefall nicht nach § 21 VStG von der Strafe abgesehen hat. Gemäß § 21 Abs. 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten. Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist das Verschulden geringfügig, wenn - unabhängig von der Schuldform (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) - das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- oder Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Angesichts der gegebenen Sachlage ist diese Voraussetzung im Beschwerdefall jedoch nicht gegeben.

Dennoch liegt eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor.

In seinem Erkenntnis vom , G 181/01, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Wortfolge "und Z 8 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 593, in der Fassung BGBl. Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Im genannten Erkenntnis, kundgemacht im Bundesgesetzblatt am unter BGBl. I Nr. 37, hat der Verfassungsgerichtshof ferner - gestützt auf Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG - Folgendes ausgesprochen:

"(2) Die verfassungswidrige Bestimmung ist insofern nicht mehr anzuwenden, als sie sich auf die Z 8 bezieht."

Da der zuletzt genannte Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes die Anwendung der als verfassungswidrig festgestellten gesetzlichen Bestimmung auch im vorliegenden Beschwerdefall ausschließt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 9994/A), erweist sich der Ausspruch über die im Beschwerdefall gemäß § 23 Abs. 2 zweiter Satz des Güterbeförderungsgesetzes 1995 verhängte Mindeststrafe von S 20.000,-- als inhaltlich rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid war daher in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am

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Normen
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 lita;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 litb;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8 idF 1998/I/017;
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2006:2001030190.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
EAAAF-56894