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VwGH 27.09.1977, 1996/75

VwGH 27.09.1977, 1996/75

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
RS 1
Der Einwand, eine Umsatzzuschätzung sei unzulässig oder zumindestens überhöht gewesen, ist im Abgabenfestsetzungsverfahren geltend zu machen. Unterblieb dies, kann das Versäumnis im Abgabennachsichtsverfahren nicht nachgeholt werden und durch eine Nachsichtsmaßnahme aus der Welt geschafft werden (Literaturhinweis: Reeger-Stoll, Die BAO 05te Auflage S 375 ff).
Norm
RS 2
Daß Arbeitnehmer (hier die Kellner eines Barbetriebes) überhöhte Entgelte verrechnen und den Mehrbetrag für sich behalten, gehört im Gastgewerbe zu den Nachteilen, mit denen der Unternehmer im Rahmen des gewöhnlichen Unternehmerwagnisses rechnen muß. Es obliegt ihm, dies entweder durch entsprechende Überwachung des Personals zu verhindern oder die damit verbundenen Nachteile abgabenrechtlicher Art in Kauf zu nehmen.
Norm
RS 3
Im Rahmen des Unternehmerwagnisses eingetretene nachteilige

wirtschaftliche Folgen sind nicht geeignet, eine Unbilligkeit

iSd § 236 BAO zu begründen.

*

E , 1315/64 #3
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 1315/64 E RS 3
Norm
RS 4
Die Einhebung einer Abgabe kann ua dann als unbillig erscheinen, wenn zum Mangel ihrer unrichtigen Festsetzung noch weitere, besondere Umstände kommen, etwa dergestalt, daß eine gehörige Rechtsverfolgung im Festsetzungsverfahren unverschuldet nicht möglich oder als aussichtslos nicht zumutbar war (vgl Reeger-Stoll).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kadecka und die Hofräte Dr. Schima, Dr. Reichel, Dr. Seiler und Dr. Schubert als Richter, im Beisein des Schriftführers Landesgerichtsrat Dr. Gerhard, über die Beschwerde der M Gesellschaft m.b.H. und Co. Kommanditgesellschaft in W, vertreten durch Dr. Gottfried Peloschek und Dr. Wolf-Dieter Arnold, Rechtsanwälte in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. Ga 7-698/2/75, betreffend Nachsicht von Umsatzsteuer, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerdeführerin, Rechtsanwalt Dr. Wolf-Dieter Arnold, sowie des Vertreters der belangten Behörde, Wirkl. Hofrat Dr. AE, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 1.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Unternehmen der beschwerdeführenden Partei - einer Kommanditgesellschaft -, das ein Cafe, Restaurant und Dancing umfaßt, fand Anfang 1974 eine abgabenbenbehördliche Prüfung statt, die u. a, auch die Umsatzsteuer der Jahre 1971 bis 1973 zum Gegenstand hatte. Hierüber ist unter Textzahl 15 des über das Ergebnis der Prüfung verfaßten Berichtes vom folgendes ausgeführt:

„Umsatzzuschätzung für die Jahre 1971 - 1973:

a) Im Zuge der Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß verschiedene Kellner den Gästen beim Inkasso der Konsumation zu den Inklusivpreisen lt. Speise- und Getränkekarten einen weiteren Zuschlag in Höhe von ca. 10 % des Konsumationspreises in Rechnung stellen. Ob die Inhaber des geprüften Unternehmens davon Kenntnis hatten, oder ob sie diese Vorgangsweise stillschweigend duldeten, konnte von der Betriebsprüfung nicht geklärt werden.

b) Weiters wurde festgestellt, daß die Garderobeerlöse steuerlich nicht zur Gänze erfaßt worden sind.

Es wurden daher die erklärten Umsätze der Jahre 1971 und 1972 sowie des Jahres 1973 durch eine 10 %ige Umsatzzuschätzung berichtigt. Diese Mehrerlöse waren den erklärten Umsätzen zuzurechnen; da als Entgelt alles anzusehen ist, was die Gäste für ihre Konsumation bezahlen müssen (§ 5 Abs. 1 UStG 1959).“

Was das Jahr 1973 anlangt, ist in dem Bericht noch ausgeführt, daß bei der Zuschätzung der Wert der Personalverpflegung - im Gegensatz zu den Vorjahren - zu berücksichtigen gewesen sei.

Diese Prüfungsfeststellungen nahm sodann der mit Vollmacht vom ausgewiesene steuerliche Vertreter der beschwerdeführenden Partei zur Kenntnis und verzichtete aus Anlaß der Schlußbesprechung am auf Rechtsmittel gegen die auf Grund des Prüfungsergebnisses zu erteilenden Abgabenbescheide, die in der Folge offenbar auch erlassen worden sind.

Am langte bei der Abgabenbehörde zweiter Instanz ein namens der beschwerdeführenden Partei von den nunmehrigen Beschwerdevertretern gestelltes Nachsichtsansuchen ein, in dem die beschwerdeführende Partei verlangte, von der aus den Umsatzzuschätzungen resultierenden Umsatzsteuer von S 37.386,29 (für die Jahre 1971 und 1972) und S 61.009,05 (für das Jahr 1973) einen Teilbetrag von S 75.000,-- aus Billigkeitsgründen nachzusehen. In der Begründung dieses Ansuchens machte die beschwerdeführende Partei unter Hinweis auf den Prüfungsbericht vom geltend, die Prüfungsfeststellungen seien im Frühjahr 1974 getroffen worden, was keineswegs zwingend darauf schließen lasse, daß von allen Kellnern in den Jahren 1971 bis 1973 jeweils 10 % zu den Inklusivpreisen dazugeschlagen worden seien. Die beschwerdeführende Partei bringe dies nicht etwa vor, um unzulässigerweise die Rechtsfrage im Zusammenhang mit einem rechtskräftigen Bescheid aufzurollen, sondern um die Unbilligkeit des Einzelfalles darzustellen. Hätten doch ihre Gesellschafter von dieser Malversation keine Kenntnis gehabt. Dazu komme, daß allfällige Malversationen in derartiger Richtung, wenn überhaupt, so nur im verschwindend kleinem Ausmaß vorgenommen worden seien, denn es sei denkunmöglich, anzunehmen, daß durch drei Jahre hindurch jeder einzelne Gast 10 % zu den Inklusivpreisen laut Speisen- und Getränkekarte in Rechnung gestellt erhalten und bezahlt habe. Das Publikum bestehe zum überwiegenden Teil, ja fast ausschließlich aus Stammgästen, dem die Preise genau bekannt seien, weshalb anzunehmen sei, daß dann, wenn es zu Malversationen gekommen sei, diese „fremden Gästen“ gegenüber getätigt wurden. Weder in den genannten Jahren noch sonst sei aber diesbezüglich eine Beschwerde dem Oberkellner, den Gesellschaftern oder den Organen der Gesellschaft zugekommen. Darüber hinaus sei weder dem Unternehmen noch den genannten Personen, weder mittelbar noch unmittelbar, ein Zuschlag zum Inklusivpreis zugute gekommen. Wenn ein Kellner eine solche Malversation jemals getätigt haben sollte, habe er auch den Erlös für sich behalten. Damit berufe sich die beschwerdeführende Partei nicht nur auf die objektive Unrichtigkeit des Bescheides, mit welchem die Umsatzsteuer rechtskräftig festgesetzt worden sei, sondern mache besondere, den Einzelfall betreffende Umstände geltend:

a) Verschulden der Kellner: wie dargelegt, seien allfällige Malversationen ohne Wissen und ohne Billigung der beschwerdeführenden Partei geschehen. Beschwerden seien ihr nie zugekommen und auch routinemäßige Kontrollen der Kellner hätten keine Beanstandung ergeben.

b) Unüberschaubarkeit der Einzelfälle: es sei im nachhinein nicht mehr feststellbar, wie oft solche Malversationen vorgekommen seien.

c) Unmöglichkeit, den Schuldigen zu eruieren: der beschwerdeführenden Partei stehe eine Liste der in dem maßgeblichen Zeitraum beschäftigten Kellner zur Verfügung, die 56 Namen aufweise. Davon seien einige verstorben, ausgewandert oder unbekannten Aufenthalts. Ein Regreß bei den Genannten sei somit aussichtslos. Auch eine Solidarhaftung der Kellner bestehe nicht, alles müsse dem einzelnen Kellner nachgewiesen werden. Wegen des Beweisnotstandes sei es unzumutbar, einen Regreß bei den Kellnern auch nur zu versuchen, da das Prozeßkostenrisiko den zur Rede stehenden Betrag um ein Vielfaches übersteige. Somit treffe die beschwerdeführende Partei im Ergebnis eine Haftung ohne jedes Verschulden und im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalles ohne jedwede vernünftige Regreßmöglichkeit bei den Kellnern. Die Einbringung der vollen Umsatzsteuerschuld sei somit nach Lage des Falles nach dem Maßstab rechtlich denkender Menschen unbillig. Darüber hinaus sei die beschwerdeführende Partei nach nunmehr anwaltlicher Beratung der Ansicht, daß überhaupt kein Umsatz ihres Unternehmens vorliege. In diesem Teilbereich sei nämlich ein Kellner, sofern er selbst Malversationen getätigt habe, als selbständiger Unternehmer aufgetreten, weil er die Mehrbeträge weder im Auftrag, noch mit Wissen, noch zugunsten der beschwerdeführenden Partei eingehoben habe. Man denke etwa an den vergleichbaren Fall, daß der Inkassant eine Rechnung von S 3.000,-- auf S 8.000,-- verfälsche und den Mehrbetrag von S 5.000,-- für sich behalte. Wenn der Kunde dies nicht bemerke und für die Ware S 8.000,-- aufwende, würde auch niemand auf die Idee kommen, das Objekt der strafbaren Handlung in der Höhe von S 5.000,-- dem Umsatz des Unternehmers zuzurechnen. Es liege sohin eine objektiv überhöhte Abgabenvorschreibung vor, die auf das Mitverschulden von Organwaltern der Abgabenbehörde zurückzuführen sei, die in amtswegiger Wahrheitsforschung diesen Umstand hätten erkennen müssen; der Abgabengläubiger erhielte auf diese Weise ohne Nachsicht einen objektiv ihm nicht zustehenden Vermögensvorteil. Die Einziehung stehe somit in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu den Nachteilen, die die beschwerdeführende Partei erleide. Im übrigen sei die beschwerdeführende Partei gerne bereit, durch ihre gesellschaftlichen Organe oder Gesellschafter Zeugenaussagen abzugeben oder über Aufforderung die entsprechenden Erklärungen und Listen der Kellner beizubringen. Sie habe bisher auch ihren Zahlungswillen unter Beweis gestellt und ersuche deshalb um wohlwollende Erledigung ihres Begehrens.

Ungeachtet dessen wies die Abgabenbehörde erster Instanz das Nachsichtsbegehren mit Bescheid vom ab. In der dem Bescheid beigegebenen Begründung ist ausgeführt, es wäre Sache der beschwerdeführenden Partei gewesen, die behauptete Unrichtigkeit der Umsatzsteuerfestsetzung gegen die betreffende Abgabenbescheide geltend zu machen. Im Nachsichtsverfahren könnten Säumnisse dieser Art aber nicht mehr saniert werden, zumal dies auf eine unzulässige Durchbrechung der Rechtskraft (der Abgabenbescheide) hinauslaufen würde. Diese Begründung bezeichnete die beschwerdeführende Partei in ihrer Berufung gegen den eben erwähnten Bescheid indes als verfehlt. Sie habe eine Reihe von Umständen geltend gemacht, die zwar ein Nachsichtsgesuch, nicht aber eine Berufung (gegen die Abgabenbescheide) gerechtfertigt hätten, wie Verschulden der Kellner, Unüberschaubarkeit der Einzelfälle, Unmöglichkeit, den Schuldigen zu eruieren, Aussichtslosigkeit des Regreßes und das unüberschaubare Kostenrisiko in diesem Falle. Es gehe der beschwerdeführenden Partei auch nicht darum, die Rechtsfrage wieder aufzurollen, sondern um die Darstellung der Unbilligkeit in ihrem Falle, nämlich, daß nicht immer 10 % mehr als der jeweilige Inklusivpreis verrechnet worden seien, daß sie von den Malversationen keine Kenntnis gehabt habe, keine Beschwerde vorgetragen worden und ihr auch das Ergebnis allfälliger Malversationen nicht zugute gekommen sei. Mit all diesen Umständen setze sich der bekämpfte Bescheid aber gar nicht auseinander.

Mit Bescheid vom hat sodann die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland - eine abweisende Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde erster Instanz hatte die beschwerdeführende Partei durch einen Vorlageantrag gemäß § 276 Abs. 1 BAO außer Kraft gesetzt - die Berufung endgültig abgewiesen. In der Begründung der Rechtsmittelentscheidung hat die Finanzlandesdirektion den Berufungsausführungen im wesentlichen entgegengehalten, wenn auch die beschwerdeführende Partei betone, das (Umsatzsteuer)Veranlagungsverfahren nicht wieder aufrollen zu wollen, so ziele doch ihr Vorbringen - die Abgabennachforderung sei objektiv ungerechtfertigt und überhöht - in diese Richtung. Denn wenn dieses Vorbringen zutreffe und daher geeignet sei, zu einer niedrigeren Abgabenfestsetzung zu führen, würde seine Berücksichtigung im Nachsichtsverfahren eine unzulässige Durchbrechung der Rechtskraft der Abgabenbescheide bewirken. Wenn die beschwerdeführende Partei eine Unbilligkeit darüber hinaus darin erblicke, daß es ihr nicht mehr möglich sei, sich an den Kellnern schadlos zu halten, sei dem zu entgegnen, daß es ihre Sache gewesen wäre, durch geeignete Betriebsorganisation und Überwachung ihre Bediensteten an der Verrechnung überhöhter Entgelte zu hindern. Wenn die beschwerdeführende Partei dies unterlassen habe, so könne sie es nicht als unbillig bezeichnen, wenn sie nun die Umsatzsteuer für die überhöhten Entgelte tragen müsse. Da somit in der (vollen) Einhebung der Umsatzsteuerschuldigkeiten keine Unbilligkeit erblickt werden könne, habe der Berufung kein Erfolg beschieden sein können.

Gegen diesen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber nach Durchführung der von der beschwerdeführenden Partei verlangten Verhandlung erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabenpflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre.

Zwischen den Parteien des gegenständlichen Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof steht - im Einklang mit der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts - außer Streit, daß die Beurteilung der Frage, ob die Einbringung einer Abgabenschuld im Einzelfall eine Unbilligkeit bedeutet, nicht Gegenstand des freien Ermessens der Abgabenbehörden ist, vielmehr, daß diese Frage zunächst in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren geprüft und bejaht werden muß, um der Behörde den Weg zur Ermessensübung überhaupt erst zu eröffnen.

Die belangte Behörde hat nun im vorliegenden Fall eine Unbilligkeit und damit in weiterer Folge die Möglichkeit der Ermessensübung einmal deswegen in Abrede gestellt, weil es Aufgabe der beschwerdeführenden Partei gewesen wäre, im Abgabenfestsetzungs- und nicht erst im darauffolgenden Nachsichtsverfahren ihre Einwendungen gegen die eingangs erwähnten Umsatzzuschätzungen dem Grunde und der Höhe nach vorzutragen und unter Beweis zu stellen. Darin ist der belangten Behörde - auch die beschwerdeführende Partei räumt dies ein - beizupflichten: der Verwaltungsgerichtshof hat es in ständiger Rechtsprechung abgelehnt, daß Versäumnisse der eben erwähnten Art im Nachsichtsverfahren nachgeholt und schließlich durch eine Nachsichtsmaßnahme auch saniert werden (vgl. Reeger-Stoll, Die Bundesabgabenordnung5, 375, und die dort angeführte hg. Rechtsprechung). Die beschwerdeführende Partei vermeint jedoch, eine unbillige Härte dann bejahen zu können, wenn zum Verschulden des Nachsichtswerbers ein Verschulden staatlicher Organe, wie eine falsche Rechtsauskunft oder eine unrichtige Abgabenberechnung, hinzutrete. Nun ist es gewiß richtig, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes die Einhebung einer Abgabe u. a. dann als unbillig erscheinen kann, wenn zum Mangel ihrer unrichtigen Festsetzung noch weitere, besondere Umstände kommen, etwa dergestalt, daß eine gehörige Rechtsverfolgung im Festsetzungsverfahren unverschuldet nicht möglich oder als aussichtslos nicht zumutbar war (vgl. Reeger-Stoll a.a.O. 376). Auf einen solchen ihrer Meinung nach besonderen Umstand verweist auch die beschwerdeführende Partei und macht geltend, die Organwalter der Abgabenbehörden treffe ein erhebliches Mitverschulden am Zustandekommen der streitgegenständlichen Umsatzsteuernachforderung, weil sie in amtswegiger Wahrheitsforschung erkennen hätten müssen, daß die Kellner der beschwerdeführenden Partei „in ihrem Teilbereich Unternehmer sind“ und weil die einmalige Verrechnung eines überhöhten Betrages im Frühjahr 1974 nicht dazu berechtige, Schlüsse in der Richtung zu ziehen, daß dies durch die vorangegangenen drei Jahre gegenüber jedem Gast geschehen sei.

Selbst wenn man nun, was die Sachverhaltsannahme anlangt, der beschwerdeführenden Partei in diesem Punkte folgen wollte, so vermag der Gerichtshof nicht zu finden, daß darin schon ein besonderer, die Abgabennachsicht rechtfertigender Umstand gelegen wäre. Handelt es sich bei diesem Vorbringen doch um nichts anderes als um neuerliche Einwendungen gegen die Schätzungsberechtigung und die Höhe der vorgenommenen Schätzung, also um solche Einwendungen, die gerade deshalb, wenn beide Schritte der Abgabenbehörden so offensichtlich grundlos gewesen sein sollten, wie die (im Festsetzungsverfahren übrigens fachkundig vertretene) beschwerdeführende Partei vermeint, schon im Ermittlungs- oder Rechtsmittelverfahren zu erheben gewesen wären.

Als weitere, eine Nachsicht rechtfertigende Gründe, die sich nach Meinung der Beschwerde im Abgabenfestsetzungsverfahren allerdings als fehl am Platze erwiesen, macht die beschwerdeführende Partei Unkenntnis der angeblichen Malversationen durch ihre Arbeitnehmer und die Unmöglichkeit des Regresses an den Schuldigen geltend. Es sei unbillig, daß der Abgabepflichtige, der formell Schuldner sei und im Ergebnis keine Regreßmöglichkeit besitze, völlig unverschuldet mit der gesamten Abgabennachforderung belastet werde, zumal es die beschwerdeführende Partei ungeachtet des Umstandes, daß ihr keine Beschwerden zu Ohren gekommen seien, nicht an ausreichenden Kontrollen des Bedienungspersonals habe fehlen lassen. Indes ist auch, dieses Vorbringen, selbst wenn man der Sachverhaltsannahme der beschwerdeführenden Partei auch in diesem Punkte folgen wollte, nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen. Die Unmöglichkeit des Regresses hat die beschwerdeführende Partei im Verwaltungsverfahren damit gerechtfertigt, daß sie im maßgebenden Zeitraum 56 Kellner beschäftigt habe, von denen einige verstorben, ausgewandert oder unbekannten Aufenthaltes seien, während sie sich ansonsten in einem Beweisnotstand befinde, der eine Prozeßführung als zu risikoreich erscheinen lasse. Derartige Faktoren gehören aber gerade im Gastgewerbe zu den Nachteilen, mit denen der Unternehmer im Rahmen des gewöhnlichen Unternehmerwagnisses rechnen muß, und sind deshalb nicht geeignet, auch schon das Vorliegen einer unbilligen Härte zu erweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1315/64). Dabei kommt der Frage, ob die beschwerdeführende Partei die Geldgebarung des Bedienungspersonals ausreichend überwacht hat oder durch weitere Vorkehrungen Malversationen hätte verhindern können, wie die belangte Behörde vermeint, keine für den Streitfall entscheidende Bedeutung zu. Liegt es doch gleichfalls im Rahmen des gewöhnlichen Unternehmerwagnisses, die Entscheidung darüber zu treffen, trotz durchgeführter Kontrollen die Nachteile einer allfälligen Lückenhaftigkeit in Kauf zu nehmen oder aber das innerbetriebliche Kontrollsystem weiter auszubauen und die damit verbundenen Mehrkosten zu tragen.

Der angefochtene Bescheid läßt somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht erkennen, weshalb die dagegen erhobene Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 48 Abs. 2 lit. a, b und d VwGG 1965 sowie auf Art. I Z. 4 bis 6 der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 4/1975.

Wien, am

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ECLI
ECLI:AT:VWGH:1977:1975001996.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAF-56718