VwGH 30.05.1972, 1992/71
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | |
RS 1 | Daß Rentenzahlungen in Erfüllung des dem überlebenden Ehegatten gemäß § 796 ABGB zustehenden Unterhaltsanspruches geleistet werden, ist nur dann anzunehmen, wenn sonst der anständige Unterhalt des Rentenempfängers nicht gedeckt wäre. Anmerkung: Im Beschwerdefall ging es um die steuerliche Beurteilung eines Rentenlegats, das der Erblasser seiner (von ihm nicht geschiedenen) Ehefrau ausgesetzt und dessen Erfüllung er letztwillig seinem Sohne und Universalerben aufgetragen hatte. Der Universalerbe beantragte die Anerkennung der von ihm erbrachten Rentenzahlungen als Sonderausgaben, wurde aber mit diesem Begehren unter Hinweis auf § 796 ABGB abgewiesen. § 796 ABGB gibt dem überlebenden Ehegatten einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch, soweit der anständige Unterhalt nicht (ua) durch "eine letztwillig zugewendete Versorgung gedeckt ist". Ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch liegt daher nur insoweit vor, als eine letztwillig zugewendete Versorgung den anständigen Unterhalt nicht deckt. Nach Ansicht des Sachbearbeiters der Evidenzstelle konnte sohin im Beschwerdefall die letztwillig zugewendete Leibrente nicht als "in Erfüllung des gesetzlichen Unterhaltsanspruches nach § 796 ABGB geleistet" angesehen werden. Eine Rücksprache mit dem Berichter ergab, dass dieser jede vom Erben zur Deckung des anständigen Unterhalts des überlebenden Ehegatten erbrachte Geldleistung wirtschaftlich als in Erfüllung des gesetzlichen Unterhaltsanspruches erbracht ansieht, was steuerlich zur Folge hat, dass eine Anerkennung als Sonderausgabe nicht in Betracht kommt. * E , 63/68 #1 VwSlg 3749 F/1968 |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0063/68 E VwSlg 3749 F/1968; RS 1 |
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RS 2 | Beim Erwerb eines Betriebes gegen Gewährung einer Rente an den bisherigen Inhaber ist in der Regel ein Kauf anzunehmen. Nur dort ist das Vorliegen eines Kaufvertrages zu verneinen, wo bei der gesamten Transaktion der Versorgungsgedanke im Vordergrund steht, was im allgemeinen nur bei Geschäften zwischen nahen Verwandten anzunehmen sein wird. Renten sind steuerlich schon dann als Veräußerungsrenten zu behandeln, wenn im Gesamtbild die Merkmale einer entgeltlichen Veräußerung überwiegen. (E , 0874/55, VwSlg 1445 F/1956; E , 2464/56; E , 0247/57, VwSlg 2318 F/1957; E , 0644/61; E , 1070/63 und E , 0177, 0178/64). Anmerkung: Das Erkenntnis enthält darüber hinaus eingehende Ausführungen zur Abgrenzung der sog Veräußerungsrente von der sogenannten Versorgungsrente. * E , 1847/67 #1 VwSlg 3734 F/1968; |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 1847/67 E VwSlg 3734 F/1968 RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Hofstätter, Dr. Reichel, DDr. Heller und Dr. Simon als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Dr. Leitner über die Beschwerde der AS in W, vertreten durch Dr. Herbert Nusko, Rechtsanwalt in Wien I, Walfischgasse 14, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VII, vom , Zl. VI-2267/1970, betreffend Einkommensteuer 1968, nach durchgeführte Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Herbert Nusko und des Vertreters der belangten Behörde, Finanzkommissär Dr. EL, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 790,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom teilte der Vertreter der Beschwerdeführerin dem Finanzamt mit, daß deren Gatte am verstorben sei. Laut Gesellschaftsvertrag stehe die Leitung der beiden offenen Handelsgesellschaften, an denen ihr Gatte beteiligt gewesen sei, nur männlichen Nachkommen zu. Die Witwe sei keinesfalls berechtigt, in irgendeiner Form als offener oder stiller Gesellschafter in die Firma einzutreten. Dafür erhalte sie ein wertgesichertes Witwengehalt von S 760.000,-- jährlich. Die Rente sei daher als Gegenwert für die Hingabe eines Wirtschaftsgutes anzusehen, das die Beschwerdeführerin dem Rentenzahler übergeben habe. In der Einkommensteuererklärung für 1968 wurde der Antrag gestellt, "den § 22 Z. 1 Abs. 2 EStG auf die Witwenpension von S 601.663,-- anzuwenden".
Das Finanzamt vertrat im Einkommensteuerbescheid die Auffassung, daß die erhaltene Witwenpension eine Versorgungsrente darstelle, für die die einschränkenden Ergänzungssätze der Bestimmung des § 22 Z. 1 EStG hinsichtlich der Renten, die als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern geleistet werden, nicht anzuwenden seien. In der dagegen erhobenen Berufung wurde die Auffassung vertreten, daß die Witwenrente auf einer gesetzlichen Unterhaltspflicht beruhe, da diese gemäß § 78 Ehegesetz auch auf die Erben übergehe. Die Witwenrente sei daher nicht steuerpflichtig. Im Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde vorgebracht, daß, wenn das Finanzamt annehme, es handle sich um eine Überlassung eines Mitunternehmeranteiles in Form einer Rente, dann seien eben diese Rentenbeträge, solange sie den Buchwert des Anteiles nicht überschreiten, nicht zu versteuern. Die bisher ausbezahlten Renten bewegten sich weit unter der Größe des Kapitalkontos. Wenn man die Frage jedoch von der wirtschaftlichen Beziehung des geerbten und weitergegebenen Kapitals zum Wert der Jahresrente betrachte, so falle auf, daß bei Passivierung der jährlichen Rente eine Rentenverbindlichkeit von nur S 10,974.000,-- einem geerbten Kapital von S 22,788.532,-- gegenüberstehe, was ein krasses Mißverhältnis darstelle. Der Verwaltungsgerichtshof spreche doch in ständiger Rechtsprechung aus, daß in solchen Fällen der Versorgungsgedanke im Vordergrund stehe und daher eine Versorgungsrente anzunehmen sei, die jedoch wieder nach dem Erkenntnis vom , Zl. 131/67, Slg. Nr. 3626/F, steuerfrei sei.
Die belangte Behörde nahm in Photokopien des Gesellschaftsvertrages sowie des Testamentes und in den Verlassenschaftsakt Einsicht. Aus dem letzteren ging hervor, daß das vom verstorbenen Ehegatten der Beschwerdeführerin errichtete Testament keine Erbseinsetzungen enthielt, sondern rechtlich lediglich ein Kodizill darstellte, und daher hinsichtlich der Verlassenschaft die gesetzliche Erbfolge eingetreten ist. Die Beschwerdeführerin gab eine unbedingte Erbserklärung zu 2/8 des Nachlasses ab. Mit Einantwortungsurkunde vom wurden ihr auch 2/8 des Nachlasses auf Grund ihrer abgegebenen unbedingten Erbserklärung eingeantwortet. Laut Schreiben vom haben die drei gesetzlichen Erben beschlossen, genau nach dem Buchstaben des als Testament bezeichneten Kodizills vorzugehen und ein Erbübereinkommen in dem Sinn abgeschlossen, nach dem die beiden anderen Erben die Firmenanteile je zur Hälfte erhielten, während das restliche Vermögen die Beschwerdeführerin erhielt.
Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab. Der gesetzliche Erbteil der Beschwerdeführerin habe S 6,018.279,-- (2/8 von S 24,073.117,--) betragen. Die Beschwerdeführerin habe jedoch mit den beiden anderen Erben ein Übereinkommen im Sinne des letzten Willens ihres verstorbenen Ehegatten sowie des Gesellschaftsvertrages abgeschlossen. Demzufolge verzichtete sie auf die ererbten Firmenanteile gegen Überlassung des im Nachlaß enthaltenen übrigen Vermögens (lt. Erbschaftssteuererklärung S 2,304.451,--) und Gewährung einer wertgesicherten Witwenpension von S 760.000,-- jährlich. Auf Grund dieser Sachlage ergebe sich, daß die Begründung der Berufung, die Witwenrente werde auf Grund des Testamentes des verstorbenen Gatten zur Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflicht gezahlt, die gemäß § 78 Ehegesetz auf die Erben übergegangen sei, nicht zutreffe. Richtig sei vielmehr, daß die Witwenrente auf Grund des zwischen den Adoptivsöhnen und der Beschwerdeführerin abgeschlossenen Erbübereinkommens für die Überlassung der geerbten Firmenanteile gezahlt werde. Es sei auch keine gesetzliche Unterhaltspflicht des verstorbenen Ehegatten auf die Adoptivsöhne übergegangen, weil der Unterhalt der Beschwerdeführerin durch das ererbte Vermögen mehr als gedeckt erscheine. Somit sei die in der Berufung beantragte Steuerfreiheit aus dem Titel einer gesetzlichen Unterhaltsrente ausgeschlossen. Es sei daher nur mehr die Frage zu prüfen, ob eine Veräußerungsrente oder eine Versorgungsrente vorliege. Erstere sei dann gegeben, wenn Leistungen und Gegenleistungen nach kaufmännischen Grundsätzen wie unter Fremden gegeneinander abgewogen worden seien. Finde jedoch ein solches Abwägen nicht statt und würden insbesondere bei nahen Verwandten derartige Überlegungen bei den Übergabsverhandlungen in die Diskussion nicht einbezogen, sondern erfolge die Vereinbarung ohne die Werte für Leistung und Gegenleistung zu ermitteln, so liege nach geltender Rechtsauffassung kein Kauf bzw. Vorkauf und daher keine Veräußerungsrente vor.
In einem solchen Fall stehe vielmehr der Gedanke der Versorgung des Übergebers im Vordergrund, die Rente stelle also eine Versorgungsrente dar. Sie sei, ohne daß der Wert des übergebenen Betriebes abgezogen werden könnte, ab dem Beginn des Zufließens voll steuerpflichtig. Gerade diese Merkmale träfen bei der Beschwerdeführerin zu, denn schon aus dem Testament und dem Gesellschaftsvertrag sei der Versorgungsgedanke klar ersichtlich. Ebenso lasse auch das auf diesen beiden beruhende Erbübereinkommen mit den Adoptivsöhnen klar erkennen, daß die Versorgung nach dem Willen beider Vertragspartner im Vordergrund stehe. Die Beschwerdeführerin habe im Vorlageantrag an die zweite Instanz selbst zugegeben, daß zwischen dem Wert der Rentenverpflichtung und dem hingegebenen Vermögen ein krasses Mißverhältnis bestehe und deshalb eine Versorgungsrente anzunehmen sei. Da die Rente für die Hingabe der nach dem verstorbenen Ehegatten geerbten Firmenanteile gezahlt werde, läge eine betriebliche Versorgungsrente vor, die bei der Empfängerin der Einkommensbesteuerung unterliege. Dies decke sich auch mit der Behandlung bei den Rentengebern, bei denen die Rentenzahlungen als Betriebsausgaben abgesetzt würden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin vertritt unter Hinweis auf das als Kodizill gewertete Testament des verstorbenen Ehegatten und das diesem entsprechende Erbenübereinkommen die Auffassung, daß die an sie geleistete Rente (Witwenpension) als Unterhaltsrente gemäß § 22 Z. 1 lit. c zweiter Satz EStG bei ihr als Empfängerin nicht der Einkommensteuer unterliege, da der Geber der Rente unbeschränkt steuerpflichtig sei. Die belangte Behörde ist der Ansicht, daß die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei und die Rente als Versorgungsrente im Zusammenhang mit der Übertragung der Gesellschaftsanteile an die Miterben der Beschwerdeführerin anzusehen sei.
Die Unterhaltsverpflichtung der Adoptivsöhne des verstorbenen Ehegatten der Beschwerdeführerin könnte, entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin, die diese Verpflichtung zu Unrecht auf die nur für die Fälle einer Ehescheidung maßgebende Bestimmung des § 78 Ehegesetz zu stützen versucht, im vorliegenden Fall nur auf § 796 ABGB beruhen. Nach dieser Bestimmung hat der Ehegatte des Verstorbenen zwar kein Recht auf einen Pflichtteil, es gebührt ihm aber, so lange er nicht zur zweiten Ehe schreitet, der mangelnde anständige Unterhalt, soweit dieser nicht durch seinen gesetzlichen Erbteil oder eine für den Fall des Überlebens bedungene oder letztwillig zugewendete Versorgung gedeckt ist. Nach der Aktenlage sind jedoch diese Voraussetzungen schon im Hinblick auf die letztwilligen Anordnungen des Ehegatten der Beschwerdeführerin nicht gegeben, so daß von einer Rentenleistung auf Grund einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung nicht gesprochen werden kann. Die belangte Behörde hat daher das Vorliegen einer Unterhaltsrente zu Recht verneint.
Es ist daher noch zu untersuchen, ob es sich im vorliegenden Fall um eine im Zusammenhang mit der Übertragung von Wirtschaftsgütern gezahlte Rente handelt. Bei Renten dieser Art unterscheidet man zwischen Veräußerungsrenten und Versorgungsrenten. Eine Veräußerungsrente oder Kaufpreisrente liegt vor, wenn Leistung und Gegenleistung nach kaufmännischen Grundsätzen gegeneinander abgewogen worden sind. Daß dies im vorliegenden Fall nicht zutrifft, geht schon aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren über das bestehende Mißverhältnis zwischen dem Wert der übertragenen Wirtschaftsgüter und dem kapitalisierten Wert der Rentenleistungen hervor. Auch in der Beschwerde wird hervorgehoben, daß die "Witwenrente" keine Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern darstelle, sondern festgesetzt worden sei, um den Lebensunterhalt der Witwe zu sichern. In der Beschwerde wird sogar ausdrücklich die Auffassung vertreten, daß eine Versorgungsrente vorliege, die allerdings nach Auffassung der Beschwerde steuerfrei sei. Hier verwechselt die Beschwerde allerdings offensichtlich die Begriffe Versorgungsrente und Unterhaltsrente (Rente auf Grund gesetzlicher Unterhaltsverpflichtung). Die belangte Behörde hat daher nicht geirrt, wenn sie die Rente als Versorgungsrente angesehen und bei der Beschwerdeführerin der Einkommensbesteuerung unterworfen hat.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG 1965 und auf der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. Nr. 4.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 4392 F/1972 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1972:1971001992.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAF-56674