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VwGH 11.03.1975, 1990/73

VwGH 11.03.1975, 1990/73

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
LStVwG Stmk 1964 §2;
LStVwG Stmk 1964 §45;
LStVwG Stmk 1964 §7 Abs1 Z5;
LStVwG Stmk 1964 §8 Abs3;
RS 1
§ 5 Stmk LStVG bildet keine Rechtsgrundlage für einen straßenbehördlichen Abtragungsauftrag.
Normen
LStVwG Stmk 1964 §2;
LStVwG Stmk 1964 §45;
LStVwG Stmk 1964 §7 Abs1 Z5;
LStVwG Stmk 1964 §8 Abs3;
RS 2
Für eine Widmung als öffentlicher Interessentenweg (§ 7 Abs 1 Z 5 LStVG) genügt eine Verordnung der Gemeinde, die bloß die Einreihung gem. § 8 Abs 3 LStVG ausspricht, noch nicht (Hinweis auf E vom , 1457/63, VwSlg 6200 A/1964). Erst dann, wenn auch die gem. § 45 Abs 1 und 2 LStVG bindend vorgeschriebenen Entscheidungen getroffen wurden, wobei sich nähere Einzelheiten, auch über die Art der Benützung eines öffentlichen Interessentenweges, aus den Satzungen einer bei Bedarf durch Verordnung der Gemeinde begründeten öffentlich-rechtlichen Wegegenossenschaft gem § 45 Abs 3 und 4 LStVG ergeben können, ist ein durch Widmung geschaffener öffentlicher Interessentenweg im vollen Sinn des LStVG als entstanden anzusehen und ergibt sich die Anwendbarkeit der für öffentliche Straßen im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes sonst geltenden Regelungen.
Normen
PauschV VwGH 1975;
VwGG §49 Abs1;
RS 3
Die Entscheidung der Kosten gründet sich, und zwar in Berücksichtigung der Tatsache, daß der (Kosten)antrag auf die bereits 1972 außer Kraft getretene VO BGBl Nr 4/1965 gestützt war, auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit den Bestimmungen der VO BGBl Nr 4/1975.

(hier beantragte Kosten vom :

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Striebl und die Hofräte Dr. Leibrecht, Dr. Straßmann, Dr. Liska und Dr. Salcher als Richter, im Beisein des Schriftführers prov. Landesregierungskommissär Dr. Funovits, über die Beschwerde der T in X, vertreten durch Dr. Max Keimel Rechtsanwalt in Fürstenfeld, Bismarckstraße 14a/I, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. A 17-K-4398/17-1973, betreffend einen straßenbehördlichen Auftrag zur Beseitigung eines Hindernisses, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 1.155,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Durch Verordnung des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz (§ 61 Abs. 2 des Statutes der Landeshauptstadt Graz 1967, LGBl. Nr. 130) vom wurde der Reintalweg in Graz, der auch das im Eigentum der Beschwerdeführerin stehende Grundstück Nr. n der EZ. nn Katastralgemeinde St. Peter, einschließt, gemäß § 8 Abs. 3 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964, LGBl. Nr. 154, in der Fassung der Landes-Straßenverwaltungsgesetznovelle 1969, LGBl. Nr. 195 (LStVG), als öffentlicher Interessentenweg (§ 7 Abs. 1 Z. 5 LStVG) eingereiht. Die Verordnung wurde im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz am veröffentlicht (§ 101 Abs. 1 des angeführten Statuts).

Am erteilte der Stadtsenat der Beschwerdeführerin, nachdem eine in Form einer Mitteilung an sie gerichtete Aufforderung erfolglos geblieben war, gemäß § 5 LStVG bescheidmäßig den Auftrag, das von ihr auf besagtem Grundstück quer über den Reintalweg errichtete Eisentor samt Nebenanlagen binnen zwei Wochen zu entfernen, damit die bestimmungsgemäße Benützung des Weges zum Verkehr gewährleistet werde. Gegen diesen Bescheid berief die Beschwerdeführerin und machte geltend, § 47 Abs. 1 LStVG enthalte eine verfassungsrechtlich bedenkliche Regelung, weil für öffentliche Interessentenwege das bei Maßnahmen in bezug auf alle anderen Straßengattungen vorgesehene Bewilligungsverfahren nicht durchgeführt werden müsse; es sei ihr auch mangels Enteignung die Möglichkeit genommen worden, gegen die Erklärung des Reintalweges zum öffentlichen Interessentenweg aufzutreten; das angebliche Hindernis habe ferner schon bestanden, bevor die erwähnte Verordnung erlassen worden sei; der Auftrag finde schließlich im Gesetz überhaupt keine Deckung und sei daher auch nicht vollstreckbar. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz wies das Rechtsmittel mit Bescheid vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab. Durch die Einreihung in die Gattung "öffentliche Interessentenwege" sei das vorher nur privatrechtlich belastete Eigentum an dieser Straße nun auch aus dem Titel des Gemeingebrauches beschränkt worden. Das zwar nicht versperrte, aber bei jeder Durchfahrt eigens zu öffnende Tor stelle, gleichgültig wann oder weshalb es errichtet worden sei, jedenfalls ein den Gemeingebrauch im Sinne des § 5 LStVG beeinträchtigendes und daher zu beseitigendes Verkehrshindernis dar. In dem durchgeführten Verfahren sei der Beschwerdeführerin der maßgebliche Sachverhalt mitgeteilt und Gelegenheit zur Stellungnahme geboten, somit das Parteiengehör gewahrt worden. Das Recht, Gesetze oder Verordnungen anzufechten, komme einer Gemeindebehörde nicht zu. Die Berufung sei daher unbegründet.

In der nun vorliegenden Beschwerde wird beantragt, diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben und § 47 Abs. 1, § 5 und § 8 LStVG auf seine Verfassungsmäßigkeit sowie die Verordnung vom auf ihre Gesetzmäßigkeit prüfen zu lassen. Die Beschwerdeführerin erachtet sich dabei, wie ihr Vorbringen erkennen läßt, in dem Recht verletzt, nicht durch einen straßenbehördlichen Auftrag zur Entfernung der Toranlage verpflichtet zu werden. Sie führt dazu näher aus:

1968 sei auf Antrag verschiedener Interessenten gemäß § 3 LStVG bescheidmäßig festgestellt worden, daß es sich beim Reintalweg nicht um eine öffentliche Straße handle. Hinsichtlich des Ausmaßes von Servitutsrechten habe die Beschwerdeführerin einen Prozeß geführt, der schließlich durch den Obersten Gerichtshof dahin entschieden worden sei, daß das Befahren ihres Grundstückes, eines Privatweges, mit nicht zum Transport landwirtschaftlicher Erzeugnisse und Güter verwendeten Fahrzeugen zu unterlassen sei. Zur Sicherung ihrer Rechte habe sie hierauf das nun beanstandete Eisentor errichten lassen. Von der bezeichneten Verordnung habe sie erst durch eine Mitteilung des Magistrates erfahren, die bereits jenen später in Bescheidform ergangenen Beseitigungsauftrag enthalten habe. Ein solcher entbehre jedoch jeder gesetzlichen Grundlage. § 5 LStVG enthalte bestenfalls einen Übertretungstatbestand, auf diese gesetzliche Bestimmung lasse sich aber keinesfalls eine vollstreckbare Vorschreibung gründen. Auch sei nicht nur durch den Beseitigungsauftrag selbst sondern bereits durch die ohne ihre Anhörung erfolgte Erklärung des Reintalweges zum öffentlichen Interessentenweg in ihre Rechte eingegriffen worden : wenn schon gemäß § 47 LStVG bei öffentlichen Interessentenweg kein besonderes Vorverfahren vorgeschrieben sei, hätte doch den Betroffenen und damit ebenso der Beschwerdeführerin die Möglichkeit geboten werden müssen, zum Projekt Stellung zu nehmen und sich zur Trassenführung sowie überhaupt zur Notwendigkeit des Vorhabens zu äußern; des weiteren wäre es wegen der mit der Öffentlicherklärung verbundenen einschneidenden Beschränkungen unter Bedachtnahme auf § 48 Abs. 3 LStVG, der auch für öffentliche Interessentenwege eine Enteignung ermögliche, notwendig gewesen, das dazu erforderliche Verfahren durchzuführen. Die ohne Vor- und Enteignungsverfahren erlassene Verordnung sei deswegen gesetzwidrig, das LStVG selbst aber, welches das für andere Straßengattungen vorgeschriebene besondere Bewilligungsverfahren für öffentliche Interessentenwege ungerechtfertigtermaßen nicht kenne, in seinen §§ 47 Abs. 1 sowie 5 und 8 verfassungswidrig.

Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift die Abweisung

der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

Der Verwaltungsgerichtshof kann zwar dem Beschwerdevorbringen insoweit nicht folgen, als damit eine Gesetzwidrigkeit der Verordnung des Grazer Stadtsenates vom und die Verfassungswidrigkeit der §§ 5, 8 und 47 Abs. 1 LStVG behauptet wird. Ersteres deshalb nicht, weil die Verordnung von dem nach dem Statut der Landeshauptstadt Graz 1967 zuständigen Organ erlassen und ordnungsgemäß kundgemacht wurde - was auch unbestritten geblieben ist - sowie inhaltlich in § 8 Abs. 3 LStVG ihre volle Deckung findet. Daß gemäß § 48 Abs. 3 (richtig: Abs. 2) LStVG im Beschwerdefall eine Enteignung hätte vorgenommen werden können, entspricht nicht dem Gesetz, worin eine solche Maßnahme wohl für die Neuanlage, die Verlegung, den Umbau und für Zwecke der Erhaltung öffentlicher Interessentenwege, nicht aber für deren Einreihung vorgesehen ist, die schon dem Begriff nach, und wie die Aufzählung in § 8 Abs. 3 LStVG zeigt, von den anderen Bestimmungen deutlich unterschieden ist. Dasselbe gilt für die Durchführung eines Verfahrens nach § 47 LStVG; ein solches ist bei bloßen Einreihungen für keine der in § 7 genannten Straßengattungen, keineswegs nur für öffentliche Interessentenwege nicht, vorgesehen. Darin liegt zugleich der Grund dafür, daß die von der Beschwerdeführerin geäußerten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 47 Abs. 1 LStVG ins Leere gehen, weil diese Gesetzesstelle von der hier allein in Rede stehenden Einreihung nicht handelt und im Beschwerdefall deswegen nicht anzuwenden war. Daß aber ein sachlich begründeter Unterschied zwischen der bloßen Einreihung einer Straße in eine bestimmte Gattung und der ihrem Begriff nach notwendig mit durch straßenbauliche Maßnahmen hervorgerufenen Änderungen in der Natur verbundenen Neuanlage, Verlegung, dem Umbau oder der Verbreiterung besteht, und daher auch verschiedene Verfahrensvorschriften zu rechtfertigen vermag, ist ohne weiteres einsichtig. Der Verwaltungsgerichtshof sah deswegen und auch aus sonstigen Gründen keinen Anlaß, an der Verfassungsmäßigkeit der im Beschwerdefall angewandten gesetzlichen Bestimmungen zu zweifeln.

Anders verhält es sich hingegen mit dem auf § 5 LStVG gestützten straßenbehördlichen Abtragungsauftrag selbst. Dieser findet nämlich, worauf die Beschwerdeführerin zu Recht hingewiesen hat, weder in der angeführten Gesetzesstelle noch anderswo im LStVG eine hinreichende Deckung. Wenn im § 5 erklärt ist, die bestimmungsgemäße Benützung einer öffentlichen Straße zum Verkehr sei jedermann gestattet und dürfe von niemandem eigenmächtig behindert werden, jedoch keine Maßnahme vorgesehen ist, durch die diesem Gesetzesbefehl anders Achtung verschafft werden kann als durch die Ahndung einer Übertretung von seiten der Bezirksverwaltungsbehörde nach § 56 LStVG, dann fehlt es zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes im Vollziehungsbereich dieses Gesetzes an der infolge der Notwendigkeit inhaltlicher Bestimmtheit des behördlichen Verwaltungshandelns zureichenden Rechtsgrundlage für die Anwendung von Zwang im Weg eines individuellen Behördenaktes. Dazu kommt, daß § 5 LStVG im gegebenen Fall überhaupt (noch) nicht anwendbar ist, weil eine "öffentliche Straße" immer erst dann besteht, wenn alle im LStVG geforderten Merkmale für diesen Begriff zutreffen. Gemäß § 2 LStVG sind öffentliche Straßen im Sinne dieses Gesetzes alle Straßen, die entweder von den zuständigen Stellen bestimmungsgemäß dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden sind oder die in langjähriger Übung allgemein, ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen für ein dringendes Verkehrsbedürfnis benützt werden. Daß die letzteren Voraussetzungen nicht vorliegen, ergibt sich aus dem unverändert aufrechten rechtskräftigen Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz. vom . Der bezeichnete Weg konnte bei dieser Rechtslage - was außer Streit steht - nur durch eine Widmung zu einer öffentlichen Straße werden. Nun genügt für eine Widmung als öffentlicher Interessentenweg (§ 7 Abs. 1 Z. 5 LStVG) eine Verordnung der Gemeinde, in der bloß die Einreihung gemäß § 8 Abs. 3 LStVG ausgesprochen ist, noch nicht. Schon in seinem Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 6200/A, hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, daß durch eine derartige Verordnung - die als solche unbedenklich ist - vorläufig weder Rechte noch Pflichten, und das heißt nicht nur für die Interessenten sondern auch für die Allgemeinheit, begründet werden. Dazu ist vielmehr noch die Erfüllung jener Voraussetzungen nötig, die im § 45 LStVG für öffentliche Interessentenwege ausdrücklich vorgeschrieben sind. Daß in diesen Vorschriften für öffentliche Interessentenwege konstitutive Elemente enthalten sind, ergibt sich daraus, daß die Herstellung und Erhaltung - wenn ein Weg bereits besteht, allein die letztere - gemäß § 45 Abs. 1 und 2 LStVG in jedem Fall von vornherein sichergestellt sein muß, weil öffentliche Interessentenwege nicht ausschließlich sondern überwiegend für die Besitzer oder Bewohner einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dienen (§ 7 Abs. 1 Z. 5 LStVG), also neben dem Interesse dieser Personen stets in einem gewissen Maß auch ein Interesse der Gemeinde selbst an dem Bestand einer solchen Straße vorliegt, das gemäß § 45 Abs. 1 LStVG bei der Bestimmung der Beitragsleistungen verpflichtend mitzuberücksichtigen ist. Erst dann somit, wenn auch die gemäß § 45 Abs. 1 und 2 LStVG bindend vorgeschriebenen Entscheidungen von seiten der Gemeinde getroffen wurden, wobei sich nähere Einzelheiten, auch über die Art der Benützung eines öffentlichen Interessentenweges, aus den Satzungen einer bei Bedarf durch Verordnung der Gemeinde begründeten öffentlich-rechtlichen Wegegenossenschaft gemäß § 45 Abs. 3 und 4 LStVG ergeben können, ist ein durch Widmung geschaffener öffentlicher Interessentenweg im vollen Sinne des LStVG als entstanden anzusehen und erst dann ergibt sich die Anwendbarkeit der für öffentliche Straßen im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes sonst geltenden Regelungen.

Dadurch, daß die belangte Behörde den vorstehenden Ausführungen entgegen in Verkennung der Rechtslage die vor ihr angefochtene, insoweit rechtswidrige Entscheidung aufrecht erhielt, verletzte sie die Beschwerdeführerin im Beschwerdepunkt in ihren Rechten. Der in Beschwerde gezogene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. aufzuheben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich, und zwar in Berücksichtigung der Tatsache, daß der Antrag der Beschwerdeführerin auf die bereits 1972 außer Kraft getretene Verordnung BGBl. Nr. 4/1965 gestützt war, auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung BGBl. Nr. 4/1975.

Wien, am

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Normen
LStVwG Stmk 1964 §2;
LStVwG Stmk 1964 §45;
LStVwG Stmk 1964 §7 Abs1 Z5;
LStVwG Stmk 1964 §8 Abs3;
PauschV VwGH 1975;
VwGG §49 Abs1;
Schlagworte
Schriftsatzaufwand Verhandlungsaufwand des Beschwerdeführers und
der mitbeteiligten Partei Aufgliederung des Pauschbetrages in
mehrere Teilbeträge Nichtausschöpfung des Pauschbetrages
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1975:1973001990.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAF-56656