VwGH 04.11.1966, 1990/65
Entscheidungsart: ErkenntnisVS
Rechtssätze
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RS 1 | Das Gesetz stellt im § 3 Abs 1 FrPolG und § 3 Abs 2 FrPolG die Voraussetzungen auf, bei deren Vorliegen die Behörde in die Lage versetzt wird, eine Ermessensentscheidung über die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu treffen. Als Voraussetzung genügt ua auch eine einzige Übertretung der im § 3 Abs 2 lit a FrPolG genannten Vorschriften. Die Behörde ist jedoch verpflichtet, im Rahmen ihrer Ermessensübung auf den Sinn des Gesetzes Bedacht zu nehmen. Erst im Rahmen dieser Ermessensübung kommt im Zusammenhang mit der Erforschung des Sinnes des Gesetzes auch die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachte Absicht des Gesetzgebers zum Tragen. |
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RS 2 | Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 3 Abs 2 FrPolG darf sich die Begründung nicht auf den Hinweis beschränken, daß einer der in dieser Gesetzesstelle angeführten Tatbestände vorliegt, es sei denn der Fall ist beschaffen, daß die für die Handhabung des von der Behörde zum Nachteil des Betroffenen geübten Ermessens maßgeblichen Gründe auch ohne ausdrückliche Erwähnung klar auf der Hand liegen. Letzteres trifft jedenfalls nicht zu, wenn die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes lediglich aus einer einmaligen, ihrer Natur nach unbedeutenden Übertretung einer Ordnungsvorschrift abgeleitet wird. |
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RS 3 | Aus der Formulierung und der Entstehungsgeschichte des FrPolG läßt sich der für die Ermessensübung richtungsweisende Sinn des § 3 FrPolG in der Richtung entnehmen, daß Angelegenheiten von minderer Bedeutung wie etwa eine einmalige geringfügige Übertretung einer der im § 3 Abs 2 lit a FrPolG angeführten Ordnungsvorschriften nicht ohne weiteres zum Anlaß eines Aufenthaltsverbotes genommen werden dürfen. |
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RS 4 | Der Hinweis auf das der Behörde eingeräumte freie Ermessen reicht zur Begründung ihrer Entscheidung jedenfalls in den Fällen nicht aus, in denen eine Überprüfung der getroffenen Maßnahme dahingehend, ob sie mit dem Sinne des Gesetzes in Einklang zu bringen ist, ohne eine die Erwägung der Behörde darlegende Begründung nicht möglich ist (Hinweis E , 509/75, und E , 2391/59 und 2392/59, VwSlg 5817 A/1962). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Borotha und die Hofräte Dr. Hrdlitzka, Penzinger, Dr. Striebl, Dr. Härtel, Dr. Kadecka, Dr. Skorjanec, Dr. Knoll und Dr. Brunner als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialoberkommissärs Dohnal, über die Beschwerde des SN in L, vertreten durch Dr. Heinz Gerö, Rechtsanwalt in Wien I, Walfischgasse 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. Sid. 300/4/65, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Der Beschwerdeführer, welcher bulgarischer Staatsangehöriger ist, war mit einem Paß, der in Sofia zum Zweck eines Verwandtenbesuches in Jugoslawien mit der Gültigkeitsdauer bis ausgestellt worden war, und einem bei der österreichischen Vertretungsbehörde in Belgrad beschafften Durchreisesichtvermerk (für eine Weiterreise nach der Tschechoslowakei) am über Spielfeld-Straß nach Österreich eingereist. Er hatte am bei der Bundespolizeidirektion Wien um politisches Asyl angesucht, war jedoch nicht als Flüchtling im Sinne der Flüchtlingskonvention (RGBl. Nr. 55/1955) anerkannt worden. Im Hinblick auf den Ablauf der Gültigkeitsdauer des Passes war er mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom wegen Übertretung des § 24 des Paßgesetzes bestraft worden. Dies hatte ein am gleichen Tag von der Sicherheitsdirektion Wien erlassenes, jedoch wegen eines wesentlichen, bei der Verkündung des Straferkenntnisses unterlaufenen Verfahrensmangels später wieder aufgehobenen Aufenthaltsverbot zur Folge gehabt.
Der Beschwerdeführer übersiedelte anfangs November 1964 nach Linz, wo er als technischer Angestellter (Metallurge) bei der A-AG. eine vom Arbeitsamt Linz zunächst bis zum genehmigte Beschäftigung fand. Der Beschwerdeführer erwirkte auch (nach einem Bericht der Bundespolizeidirektion Linz vom ) auf Grund seines Ansuchens vom von der Bulgarischen Gesandtschaft in Wien eine (am bewilligte) Verlängerung der Gültigkeitsdauer seines Reisepasses bis zum bei gleichzeitiger Erweiterung des Geltungsbereiches auf alle Staaten Europas. Gleichwohl wurde über ihn mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Linz vom wegen Übertretung des § 10 des Paßgesetzes gemäß § 24 Abs. 2 leg. cit. eine Geldstrafe von S 200,--, im Nichteinbringungsfall eine Arreststraße in der Dauer von 48 Stunden verhängt, weil er sich seit dem in Österreich aufgehalten habe, ohne sich durch einen gültigen Reisepaß ausweisen zu können. (In einem Aktenvermerk derselben Behörde vom ist hiezu festgehalten, daß diese "Strafe rechtskräftig geworden und am vollzogen wurde".) Dem Beschwerdeführer wurde sodann eröffnet, daß in Aussicht genommen sei, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wozu er sich nach mehreren Fristverlängerungen für eine durch seinen Rechtsvertreter zu erstattenden Stellungnahme in einer am bei der Bundespolizeidirektion Linz eingelangten Eingabe in der Weise äußerte, daß er mit Rücksicht auf sein Arbeitsverhältnis, dessen Verlängerung auf jeweils ein Jahr ihm zugesichert worden sei, den Antrag stellte, nach Einholung einer Weisung des Bundesministeriums für Inneres von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen und ihm vielmehr für die Dauer der Gültigkeit seines Reisepasses eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Dieser Antrag blieb unberücksichtigt. Mit Bescheid vom erließ die Bundespolizeidirektion Linz, gestützt auf die Bestimmung des § 3 Abs. 1 und 2 lit. a in Verbindung mit § 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 (im folgenden als FPG bezeichnet), das angekündigte Aufenthaltsverbot. Eine dagegen ergriffene Berufung hatte keinen Erfolg. Die Sicherheitsdirektion für das Land Oberösterreich bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Ergänzung, daß das (mittels eines hinsichtlich der Zeitbestimmung unausgefüllten Formulares erlassene) Aufenthaltsverbot als "unbefristet festgelegt" werde. Beide Instanzen begründeten die getroffene Verfügung lediglich mit dem Hinweis auf die oben erwähnte Bestrafung des Beschwerdeführers, die die Erlassung des Aufenthaltsverbotes rechtfertige, die Sicherheitsdirektion darüber hinaus den Ausspruch über die Abstandnahme von einer zeitlichen Begrenzung damit, daß die Verhängung eines befristeten Verbotes nur in Ausnahmefällen in Frage komme, dies im gegenständlichen Fall jedoch nicht zutreffe.
Gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion vom richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Darin wird vorgebracht, die belangte Behörde habe wesentliche Umstände nicht geprüft, wodurch der Beschwerdeführer in seinem Recht auf ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens verletzt worden sei. So sei es unrichtig, daß der Reisepaß des Beschwerdeführers schon am abgelaufen sei, tatsächlich gelte er bis Februar 1966. Überdies sei schon in der Berufung bemängelt worden, daß die Strafverfügung vom ohne Intervention eines Dolmetschers ergangen sei, und darüber hinaus ausgeführt worden, daß der Beschwerdeführer ihren Inhalt nicht verstehen habe können, zumal ihm vorher vom Arbeitsamt Linz eine Arbeitserlaubnis ausgestellt worden sei.
Über die Beschwerde hat ein gemäß § 13 Z. 1 VwGG 1965 verstärkter Senat erwogen:
Die für die Beurteilung des gegenständlichen Falles maßgebliche Gesetzesstelle ist § 3 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a des Fremdenpolizeigesetzes.
Diese Vorschrift lautet:
"§ 3 (1) Gegen Fremde, deren Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen öffentlichen Interessen zuwiderläuft, kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden.
(2) Insbesondere kann ein Aufenthaltsverbot gegen Fremde erlassen werden.
a) die wegen Übertretung einer auf dem Gebiete der Fremdenpolizei, des Paß-, Ausweis-, Wanderungs- oder Meldewesens oder des Arbeits- oder Gewerberechtes erlassenen Vorschrift bestraft worden sind."
Wie die Beschwerdeausführungen erkennen lassen, erachtet sich der Beschwerdeführer durch das über ihn verhängte Aufenthaltsverbot deshalb in seinen Rechten verletzt, weil diese auf § 3 Abs. 2 lit. a FPG gestützte Maßnahme infolge der Mangelhaftigkeit des durchgeführten Verfahrens ohne zureichenden Grund getroffen worden sei. Der Beschwerdeführer irrt allerdings, wenn er meint, im Verfahren betreffend die Erlassung des Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme mit dem Hinweis bekämpfen zu können, daß die zum Anlaß derselben genommene Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Übertretung des Paßgesetzes zu Unrecht erfolgt sei. Einer Aufrollung dieses Fragenkomplexes steht die Rechtskraft der Strafverfügung vom entgegen. Die belangte Behörde durfte und mußte bei ihrer Entscheidung davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer wegen Übertretung einer auf dem Gebiete des Paßwesens erlassenen Vorschrift bestraft worden ist. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat dieses Sachverhaltselement seiner rechtlichen Beurteilung des Falles zugrunde zu legen, ohne daß es ihm gestattet wäre, auf die Frage einzugehen, ob die Berufung zu Recht erfolgt ist oder nicht.
Wohl aber kommt der Verfahrensrüge in anderer Hinsicht Berechtigung zu. Die Begründung des angefochtenen Bescheides beschränkt sich - was die Erlassung des Aufenthaltsverbotes an sich anlangt - darauf, daß diese Maßnahme im Hinblick auf die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Übertretung des Paßgesetzes gerechtfertigt sei. Diese Vorgangsweise entspricht der durch die bisherige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gestützten Behördenpraxis. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich wiederholt die Ansicht zum Ausdruck gebracht, daß einer Behörde, die bei Vorliegen einer der im § 3 Abs. 2 FPG genannten Voraussetzungen ein Aufenthaltsverbot erläßt, eine Rechtswidrigkeit auch im Bereich der Ermessensübung schon deshalb nicht zur Last fallen könne, weil bei Zutreffen eines im § 3 Abs. 2 FPG angeführten Tatbestandes ohne weitere Voraussetzungen die Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bzw. ein Verstoß gegen öffentliche Interessen im Sinne des § 3 Abs. 1 FPG anzunehmen sei und das Gesetz überdies keine Unterscheidung zwischen leichten oder schweren Übertretungen mache. In Verfolg dieser Rechtsauffassung wurde es grundsätzlich als nicht erforderlich angesehen, für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eine Begründung zu geben, die über die förmliche Feststellung, daß einer der im § 3 Abs. 2 FPG angeführten Tatbestände verwirklicht worden sei, hinausgeht. Es sei hier beispielsweise auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1752/57 und Zl. 212/57, vom , Zl. 829/59, vom , Zl. 1319/61, vom , Slg. N.F. Nr. 5579/A, vom , Zl. 995/64, und vom , Zl. 80/64, verwiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag diese Rechtsansicht aus folgenden Gründen nicht mehr aufrechtzuerhalten: Sie nimmt zunächst auf den Umstand nicht gebührend Bedacht, daß weder der Absatz 1 noch der Absatz 2 des § 3 FPG einen zwingenden Gesetzesbefehlt enthält, sondern die Behörde bloß ermächtigt, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Die Behörde muß also keineswegs immer eine solche Maßnahme ergreifen; sie ist jedoch gehalten, nach pflichtgemäßem, im Sinne des Gesetzes geübten Ermessen zu entscheiden, ob bei Vorliegen der für die Ermessensentscheidung normierten Voraussetzungen im Einzelfall mit einem Aufenthaltsverbot vorzugehen ist oder nicht. Beruft sich die Behörde bei der Anordnung eines solchen Verbotes lediglich auf § 3 FPG in Verbindung mit dem Hinweis auf eine rechtskräftige Bestrafung wegen Übertretung einer im § 3 Abs. 2 FPG genannten Vorschrift, so ist damit lediglich dargetan, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ermessensentscheidung vorliegen, aber noch nichts darüber ausgesagt, aus welchem Grund das Ermessen in einer bestimmten Richtung, nämlich zum Nachteil des Betroffenen ausgeübt wurde.
Wenn auch Ermessensentscheidungen dadurch charakterisiert sind, daß ihr Inhalt nicht vorausbestimmt ist, so darf doch nicht außer acht gelassen werden, daß es sich bei einer Ermessensentscheidung ebenso wie bei einer gebundenen Entscheidung um einen Verwaltungsakt in Vollziehung eines Gesetzes handelt, für den das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit in gleicher Weise zu gelten hat. Dazu gehört aber, daß auch bei Ermessensentscheidungen die Schlußfassung ebenso auf sorgfältig angestellten Überlegungen beruht, wie in den Fällen, in denen das Gesetz im einzelnen vorschreibt, worauf die Behörde Bedacht zu nehmen hat. Mit anderen Worten: Es soll zwar in den Fällen, in denen die Gesetzgebung von einer bindenden Regelung des Verhaltens der Verwaltungsbehörde absieht und die Bestimmung dieses Verhalten der Behörde selbst überläßt, dem freien Ermessen anheimgestellt bleiben, welche Entscheidung die Behörde im einzelnen Fall als die dem Sinne des Gesetzes entsprechendste ansieht; eine solche Entscheidung soll aber erst dann getroffen werden dürfen, wenn eine die besonderen Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalles voll berücksichtigende Interessenabwägung vorangegangen ist. Nur danach läßt sich verläßlich beurteilen, ob die Behörde vom freien Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, d. h. die getroffene Verfügung noch als im Sinne des Gesetzes gelegen bezeichnet werden kann. Gerade der Umstand, daß gemäß Artikel 130 Abs. 2 B-VG Ermessensentscheidungen nicht schlechthin von der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof ausgenommen, sondern in der Richtung auf ihre Verträglichkeit mit dem Sinne des Gesetzes seiner Überprüfung zugänglich sind, zeigt, daß der normativ auf höchster Stufe stehende Verfassungsgesetzgeber hinsichtlich der Anforderungen, die vom Standpunkt des Rechtsstaates an jede verwaltungsbehördliche Entscheidung zu stellen sind, Ermessensentscheidungen keineswegs grundsätzlich anders gewertet wissen will als gebundene Entscheidungen. In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinen Erkenntnissen vom , Zl. 509/57, und vom , Slg. N.F. Nr. 5817/A, den Grundsatz ausgesprochen, daß der Hinweis auf das der Behörde eingeräumte freie Ermessen zur Begründung ihrer Entscheidung jedenfalls in den Fällen nicht ausreicht, in denen eine Überprüfung der getroffenen Maßnahme dahin, ob sie mit dem Sinne des Gesetzes in Einklang zu bringen ist, ohne eine die Erwägungen der Behörde darlegende Begründung nicht möglich ist.
Zweifellos gibt es nun auch im Anwendungsbereich des § 3 FPG Fälle, die so beschaffen sind, daß für die Handhabung des von der Behörde zum Nachteil des Betroffenen geübten Ermessens maßgebliche Gründe auch ohne ausdrückliche Erwähnung klar auf der Hand liegen. Von einem solchen Fall kann aber jedenfalls nicht die Rede sein, wenn - wie in der vorliegenden Beschwerdesache - die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes lediglich aus einer einmaligen, ihrer Natur nach unbedeutenden Übertretung einer Ordnungsvorschrift abgeleitet wird, deretwegen eine geringfügige Geldstrafe verhängt wurde. Bei einer solchen Sachlage muß zur Ermöglichung der Rechtskontrolle gefordert werden, daß die für die Ermessensentscheidung bestimmenden Erwägungen in der Bescheidbegründung Ausdruck finden.
Da dies im angefochtenen Bescheid nicht geschehen ist, leidet dieser an einem wesentlichen Begründungsmangel, der gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 zu seiner Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führen mußte. Bei dieser Sachlage konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. c VwGG 1965 von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.
Bei der Erlassung des neuen Berufungsbescheides wird es Aufgabe der belangten Behörde sein, zu prüfen, ob die Verhängung des Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer unter Bedachtnahme auf die Umstände des konkreten Falles - in der Berufung wurde vom Beschwerdeführer ins besondere vorgebracht, daß die einmalige Bestrafung wegen Übertretung des Paßgesetzes zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht genüge und daß die Beschäftigung des Beschwerdeführers bei der A-AG. in Anbetracht seiner speziellen Fachkenntnisse und des Mangels anderer geeigneter Arbeitskräfte im Interesse der staatlichen Wirtschaft und damit im öffentlichen Interesse liege - mit dem Sinne der gesetzlichen Vorschrift in Einklang zu bringen ist. Der Verwaltungsgerichtshof erachtet es für zweckmäßig, in diesem Zusammenhang auf den Sin der hier in Frage kommenden Gesetzesbestimmung näher einzugehen.
Das Fremdenpolizeigesetz ist an die Stelle der während der deutschen Besetzung Österreichs eingeführten Ausländerpolizeiverordnung getreten. Letztere hatte bestimmt, daß jeder Ausländer für den Aufenthalt im Inland grundsätzlich einer besonderen Aufenthaltserlaubnis bedurfte. Solch eine rigorose Einschränkung der Freizügigkeit von Ausländern war aber, wie aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des nachmaligen Fremdenpolizeigesetzes (186 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates VII, GP.) hervorgeht, acht Jahre nach Kriegsende nicht mehr erforderlich; außerdem wäre sie - wie gleichfalls die Erläuternden Bemerkungen betonen - mit dem von Österreich wiederholt bekundeten Grundsatz der Liberalisierung des zwischenstaatlichen Verkehrs in Widerspruch gestanden. Aus diesen Gründen gab man im Fremdenpolizeigesetz den Ausländern den zeitlich unbefristeten Aufenthalt im Bundesgebiet - im Rahmen der paßrechtlichen Vorschriften - frei (§ 2 Abs. 1 FPG) und begnügte sich mit der Möglichkeit ihrer Überwachung auf Grund der Meldevorschriften und der im § 2 Abs. 2 FPG normierten Auskunftspflicht sowie mit der im § 3 FPG vorgesehenen Möglichkeit, gegen Fremde im Einzelfall unter gewissen Voraussetzungen ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Eine solche einschneidende Maßnahme soll aber - der grundsätzlichen Abkehr von der ausgesprochen fremdenfeindlichen Tendenz der Ausländerpolizeiverordnung entsprechend - nach dem im § 3 Abs. 1 FPG verankerten Prinzip nur angeordnet werden, wenn der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Nicht mit Unrecht spricht der Bericht des Ausschusses für Verfassung und für Verwaltungsreform (238 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates VII. GP.) von einer durch das Fremdenpolizeigesetz hervorgerufenen "tiefgreifenden Änderung der Rechtslage".
Bemerkenswert und für die Auslegung des Gesetzes von Bedeutung ist der Umstand, daß der § 3 FPG in der Regierungsvorlage anders, und zwar weitergehende formuliert war, indem nämlich ein Aufenthaltsverbot zulässig erklärt wurde, "gegen Fremde, deren Aufenthalt aus Gründen der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit unerwünscht ist oder anderen öffentlichen Interessen zuwiderläuft", daß aber im Zuge der Ausschußberatungen eine Änderung vorgenommen wurde, die bewußt und gewollt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht unwesentlich einschränkte. In diesem Zusammenhang heißt es im bereits erwähnten Ausschußbericht wie folgt:
"Durch die Formulierung dieser Gesetzesstelle wird zum Ausdruck gebracht, daß ein Aufenthaltsverbot nur dann erlassen werden kann, wenn eine tatsächliche Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit vorliegt oder andere öffentliche Interessen verletzt werden. Die bloße Tatsache, daß der Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet unerwünscht ist, rechtfertigt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht."
In der mit diesen Erwägungen begründeten Textänderung zeigt sich die Absicht des Gesetzgebers, daß von der Möglichkeit eines Aufenthaltsverbotes nicht leichtfertig oder aus mehr oder weniger unkontrollierbaren Erwägungen, sondern nur bei Vorliegen klar erweisbarer Gründe Gebrauch gemacht werden soll. Wenn das Gesetz als Gründe, die ein Aufenthaltsverbot rechtfertigen, anführt, daß der Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen öffentlichen Interessen zuwiderläuft, so muß schon aus der Nebeneinanderstellung der beiden Tatbestände abgeleitet werden, daß - was auch die hiermit vorgenommene Umschreibung des Sinnes des Gesetzes anlangt - ebenso im zweiten Fall nicht an Angelegenheiten von minderer Bedeutung gedacht sein kann, weil sonst dieser Fall nicht dem das öffentliche Wohl im besonderen Maß berührenden Tatbestand der Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gleichgestellt worden wäre.
Dieser aus der Formulierung und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes selbst gewonnene Grundsatz für die Auslegung der Grundnorm des § 3 Abs. 1 FPG muß auch bei Anwendung des lediglich als Ausführungsbestimmung des Grundsatzes (demonstrative Aufzählung) zu wertenden § 3 Abs. 2 FPG volle Geltung beanspruchen, soll nicht ein logischer Widerspruch entstehen. Es ist daher durchaus folgerichtig und dem Sinn des Gesetzes entsprechend, wenn der als Erkenntnisquelle für den Willen des Gesetzgebers jedenfalls nicht unbeachtliche Ausschußbericht zu § 3 Abs. 2 folgendes ausführt:
"Die Anführung der besonderen Gründe für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im 2. Absatz ist lediglich demonstrativ und enthält die in der Praxis wichtigsten Tatbestände, die für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in Betracht kommen. Hiebei soll keineswegs jede geringfügige Übertretung einer der im Abs. 2 angeführten Vorschriften zum Anlaß eines Aufenthaltsverbotes genommen werden. Diese Maßnahme soll vielmehr nur im Falle von erheblichen oder wiederholten Verletzungen dieser Vorschriften Platz greifen."
Nur eine Ermessensübung, die erkennbar den vorstehend geschilderten, aus dem Text und der Entstehungsgeschichte des Fremdenpolizeigesetzes abgeleiteten Gedankengängen Rechnung trägt, kann somit dem Sinne des Gesetzes gerecht werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 7022 A/1966 |
Schlagworte | Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Ermessensentscheidungen Ermessen VwRallg8 Begründung von Ermessensentscheidungen |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1966:1965001990.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-56654