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VwGH 07.11.1963, 1988/62

VwGH 07.11.1963, 1988/62

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
WRG 1959 §60 Abs1 litc idF 1969/207;
WRG 1959 §63 idF 1969/207;
RS 1
Die bloße Weigerung eines Grundeigentümers, einer Anlagenführung zuzustimmen, vermag nur auf die Tatsache hinzuweisen, daß eine gütliche Einigung über die geplanten Eingriffe in Grund und Boden nicht möglich ist und es daher eines Zwangsrechtes bedarf, um die derart verweigerte Zustimmung zu ersetzen.
Normen
WRG 1959 §60 Abs1 litc idF 1969/207;
WRG 1959 §63 idF 1969/207;
RS 2
Selbst eine uneingeschränkte Zustimmung des von einem Projekt in seinem Grundeigentum Betroffenen zu diesem Projekt vermag die Aufgabe oder Einschränkung des Eigentumsrechtes nicht in sich zu schließen, sodaß mit einer dennoch erteilten wasserrechtlichen Bewilligung noch nicht die Ermächtigung des Projektswerbers verbunden sein kann, dieses fremde Eigentum für seine Zwecke in Anspruch zu nehmen.
Normen
WRG 1959 §107 Abs2;
WRG 1959 §12 Abs1;
WRG 1959 §12 Abs2;
RS 3
Die Einwendung, einer projektsmäßigen Beanspruchung von Grund und Boden nicht zuzustimmen, hat zur Folge, daß die beantragte wasserrechtliche Bewilligung nur erteilt werden kann, wenn sich der Grundeigentümer mit dem Bewilligungswerber über den beabsichtigten Eingriff und die dafür zu leistende Entschädigung geeinigt haben oder wenn ein entsprechendes Zwangsrecht begründet wird, ausgenommen die Fälle nach § 111 Abs 4 WRG 1959.

Entscheidungstext

Beachte

Fortgesetztes Verfahren:

0364/64 E ;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsidenten Dr. Guggenbichler, sowie die Hofräte Dr. Vejborny, Dr. Krzizek, Penzinger und Dr. Knoll als Richter, im Beisein des Schriftführers, prov. Landesregierungskommissärs Dr. Roth, über die Beschwerde des Dr. E Z in L gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom , Zl. 92.646-I/1/1962, betreffend-wasserrechtliche Bewilligung eines Kanalisationsprojektes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Bewilligung zur Führung der Kanalisationsanlage "L" über das Grundeigentum des Beschwerdeführers erteilt worden ist, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die im gegenwärtigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligte Ortsgemeinde L stellte am beim Amte des Steiermärkischen Landesregierung den Antrag auf wasserrechtliche Bewilligung des Kanalisationsprojektes "L". Nach dem beigegebenen Grundstücksverzeichnis sollten durch das Projekt auch die Grundstücke EZ. 1 und 1168 der Katastralgemeinde L erfaßt werden, als deren Eigentümer F K in L ausgewiesen wurde. Hierüber wurde am die mündliche Verhandlung für den angeordnet und dabei auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG 1950 hingewiesen. Die Gemeinde L wurde beauftragt, die Kundmachung an der Amtstafel anzuschlagen, ihren Inhalt außerdem ortsüblich zu verlautbaren und u.a. auch F K persönlich zu verständigen. Die Kundmachung war in der Gemeinde laut Anschlag, und Abnahmevermerk vom 23. Juli bis. angeschlagen. Die für F K bestimmte Ausfertigung wurde durch die Gemeinde nach dem in den Akten erliegenden Postaufgabeschein am an die Grazer Anschrift des Beschwerdeführers zur Post gegeben, dies offenbar deshalb, weil der Beschwerdeführer in der Gemeinde als Besitznachfolger nach dem damals bereits verstorbenen F K bekannt war.

Der Beschwerdeführer war bei der Verhandlung nicht vertreten. Er richtete am an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung eine dort am eingelangte Eingabe, in der er bekannt gab, daß ihn die Verhandlungsverständigung in Graz nicht rechtzeitig habe erreichen können, da er sich damals im Ausland befunden habe. Die Nachsendung nach Graz hätte nicht stattfinden dürfen, weil er dem Postamte L mit Schreiben vom  mitgeteilt habe, daß er sich bis im Ausland aufhalten werde. Als Eigentümer der Liegenschaft EZ. 1168 der Katastralgemeinde L mache er seine Parteieigenschaft in dieser Wasserrechtsangelegenheit geltend, lehne vorsorglich die Erklärung einer Zustimmung zum Projekt ab und gestatte die Beanspruchung seines Grund und Bodens vorläufig nicht. Er ersuche um Zufertigung des Protokolles, um nach Kenntnisnahme des Vorhabens und seiner Details eine abschließende Stellungnahme abgeben zu können.

Inzwischen war der Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom erflossen, mit dem die beantragte wasserrechtliche Bewilligung gemäß den §§ 32 Abs. 2 lit. a, 99 Abs. 1 lit. c, 107, 111 und 112 des Wasserrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 215/1959 (WRG 1959), unter Vorschreibung von Auflagen erteilt worden war. Eine Ausfertigung dieses Bescheides wurde dem Beschwerdeführer am im Wege postamtlicher Hinterlegung zugestellt.

Am überreichte der Beschwerdeführer beim Amte der Steuermärkischen Landesregierung eine gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung, in der er vorbrachte, daß die Kanalstränge (Hauptsammler und Nebensammler) der bewilligten Anlage in einer Länge von mehr als 1 km auf den Grundstücken EZ. 1 und 1168, Katastralgemeinde L, verliefen, die im Erbwege nach F K in das Eigentums des Beschwerdeführers übergegangen seien. Er solle mithin zur Duldung der Anlage in diesem Bereich verhalten werden. Er sei zu der überaus kurzfristig angeordneten mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß geladen worden und hätte außerdem wegen seines bis dauernden Auslandsaufenthaltes an der Verhandlung jedenfalls nicht teilnehmen können. Er habe keine Gelegenheit gehabt, zu dem Projekt Stellung zu nehmen, zumal sein Antrag auf Protokollzufertigung unerledigt geblieben sei. Die Verhandlung sei daher zu wiederholen. Vorsorglich erkläre er, dem Projekt nicht zuzustimmen, soweit es sein Eigentum in Anspruch nehme. Am legte der Beschwerdeführer außerdem eine beglaubigte Abschrift der Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom vor, wonach der Nachlaß des am verstorbenen F K dem Beschwerdeführer zur Gänze eingeantwortet worden war.

Einem Berichte der Gemeinde L vom ist zu entnehmen, daß die Kundmachung zur mündlichen Verhandlung an die Grazer Anschrift des Beschwerdeführers weitergeleitet worden war, weil das Postamt mitgeteilt hatte, daß der Beschwerdeführer im Ort nicht anwesend sei. Laut dem durch das Amt der Steiermärkischen Landesregierung eingeholten Grundbuchsauszug vom war in diesem Zeitpunkte noch F K als Eigentümer der in Betracht kommenden Grundstücke eingetragen.

Mit dem Bescheide vom gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers nicht Folge. In der Begründung wurde ausgeführt, daß die Wasserrechtsbehörde alle von der Konsenswerberin bekanntgegebenen Parteien über die hiezu beauftragte Gemeinde ordnungsgemäß verständigt habe. Zu diesen Parteien habe der Beschwerdeführer nicht gezählt, sodaß der Versuch seiner Verständigung durch die Gemeinde ohne Auftrag vorgenommen worden sei. Für die Nichtanführung seiner Person in den Projektsunterlagen sei dem Beschwerdeführer gemäß § 26 Abs. 2 WRG 1959 der Wasserberechtigte haftbar. Außerdem habe der bis nun im Grundbuch nicht aufscheinende Beschwerdeführer seine Parteistellung nicht nachgewiesen und auch keine begründeten Einwände erhoben, aus denen sein Standpunkt zu erkennen wäre.

Diesem Berufungsbescheide wird mit der vorliegenden Beschwerde Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw. nach ihren Ausführungen auch Rechtswidrigkeit des Inhaltes zur Last gelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer bekämpft die angefochtene Entscheidung aus dem Gesichtspunkte der Nichtgewährung des Parteiengehörs infolge des Unterbleibens seiner Beiziehung zur mündlichen Verhandlung über das Kanalisationsprojekt und wegen der Nichtberücksichtigung seiner Parteistellung und seiner Einwendungen in diesem Verfahren.

Die Wasserrechtsbehörde erster Instanz war gemäß § 107 Abs. 1 WRG 1959 gehalten, über das ihr vorgelegte Projekt eine mündliche Verhandlung im Sinne der Vorschriften der §§ 40 bis 44 AVG 1950 anzuberaumen. Sie hatte hiezu laut § 41 Abs. 1 AVG 1950 die ihr 'bekannten Beteiligten", d. h. also nach den gegebenen Umständen, die ihr von der mitbeteiligten Partei gemäß § 103 Abs. 2 lit. e WRG 1959 als vom Unternehmen in ihren Rechten berührt bezeichneten Personen, persönlich zu verständigen. Der Beschwerdeführer zählte nicht zu diesen Personen, da er im Projekt nicht genannt worden war und die Behörde offenbar nicht von sich aus wissen konnte, daß er inzwischen die Rechtsnachfolge nach F K angetreten hatte. Daß dies der Fall war, hätte die belangte Behörde allerdings dem Inhalte der ihr vorgelegenen Einantwortungsurkunde entnehmen müssen. Denn nach der herrschenden Lehre wird der Eigentumserwerb an Liegenschaften durch Erbgang nicht erst durch die Einverleibung im Grundbuch, sondern bereits durch die Einantwortung bewirkt (vgl. hiezu die Ausführungen zu § 435 ABGB im Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch von Dr. Heinrich Klang, 2. Aufl., II. Band). War demnach der Beschwerdeführer bereits im Zeitpunkte der mündlichen Verhandlung als Eigentümer der Frage kommenden Liegenschaften anzusehen, so ergab sich seine Parteistellung im Verfahren aus § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959. Die Annahme der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer, der im Grundbuch bisher nicht aufscheine, seine Parteistellung nicht nachgewiesen habe, ist somit rechtsirrig.

Zu prüfen war daher, ob die belangte Behörde verpflichtet war, die nachträglichen Einwendungen des Beschwerdeführers als rechtserheblich zu beurteilen und für ihre Entscheidung zu beachten. Nach § 107 Abs. 2 WRG 1959 kann eine Partei, die eine mündliche Verhandlung versäumt hat, weil sie nicht persönlich verständig worden war, selbst dann, wenn die Anberaumung der mündlichen Verhandlung öffentlich bekanntgemacht worden ist (§ 41 Abs. 2 AVG 1950), ihre Einwendungen auch nach Abschluß der mündlichen Verhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen. Solche Einwendungen sind binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt, in dem die Partei nachweislich davon Kenntnis erhalten hat, daß ihre Rechte durch das Bauvorhaben berührt werden, bei der Behörde einzubringen, die die mündliche Verhandlung anberaumt hat, und von dieser oder von der Berufungsbehörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden. Die belangte Behörde hat nach der Begründung ihres Bescheides aus der Eingabe des Beschwerdeführers vom entnommen, daß dieser bis verreist gewesen sei. Wenn der Beschwerdeführer also in dieser Eingabe seine Parteieigenschaft als Grundeigentümer geltend gemacht und die Beanspruchung seines Grund und Bodens abgelehnt hat, so mußte die belangte Behörde daraus folgerichtig ableiten, daß der Beschwerdeführer frühestens am von dem Projekt Kenntnis erlangt und damit auch die zweiwöchige Frist des § 107 Abs. 2 WRG 1959 zur Erhebung einer Einwendung gewahrt habe. Da diese Einwendung wegen des gleichzeitig erflossenen erstinstanzlichen Bescheides im Verfahren der zuerst eingeschrittenen Behörde nicht mehr beachtet werden konnte, mußte über sie im Berufungsverfahren abgesprochen werden. Es ist der belangten Behörde nun allerdings beizupflichten, wenn sie angenommen hat, daß der Beschwerdeführer gegen das Projekt "keine begründeten Einwände" erhoben habe. Denn die Erklärung allein, dem Projekt und der Inanspruchnahme des Grundeigentumes nicht zuzustimmen, sagt nicht aus, aus welchen Gründen sich der Beschwerdeführer gegen das Projekt stellt und was er daher dagegen "einzuwenden" hat. Eine taugliche Einwendung hätte doch wohl etwa zum Ausdruck bringen müssen, daß die Anlage nicht oder nicht in solcher Art über das Grundeigentum des Beschwerdeführers geführt werden müsse und in anderer Weise ebenso zweckmäßig ausgeführt werden könne. Die bloße Weigerung aber, der Anlagenführung in der geplanten Art zuzustimmen, konnte nur auf die Tatsache hinweisen, daß eine gütliche Einigung über die geplanten Eingriffe in Grund und Boden zwischen der mitbeteiligten Partei und dem Beschwerdeführer nicht möglich sei und daß es daher - sollte die beantragte Bewilligung in dieser Richtung nicht versagt werden müssen - eines Zwangsrechtes bedürfe, um die derart verweigerte Zustimmung zu ersetzen. (Daß der Beschwerdeführer übrigens mangels der begehrten Zufertigung einer Abschrift des Verhandlungsprotokolles nicht in der Lage gewesen sei, einen Einblick in die Projektsabsichten zu erhalten, ist nicht stichhältig, weil der erstinstanzliche Bescheid eine ausreichende Beschreibung des Projektes enthalten hatte.) Was die belangte Behörde aber nach dem Vorgesagten nicht beachtet hat, sind die zwingenden Vorschriften des § 12 Abs. 1 und 2 WRG 1959. Sie durfte nämlich die Bewilligung, das Projekt unter Inanspruchnahme der Grundstücke des Beschwerdeführers auszuführen, nach diesen Bestimmungen nur dann erteilen, wenn damit keine ungerechtfertigte Verletzung dieses Grundeigentumes verbunden war, d. h., wenn der Beschwerdeführer sich mit der mitbeteiligten Partei über den Eingriff und die dafür zu leistende Entschädigung geeinigt hatte oder wenn ein entsprechendes Zwangsrecht begründet wurde (§ 60 Abs. 1 und 2 WRG 1959). Konnte ein Zwangsrecht nicht sofort bescheidmäßig festgelegt werden, dann durfte seine Begründung gemäß § 111 Abs. 1 WRG 1959 ausnahmsweise einem gesonderten Bescheid vorbehalten werden, was hier aber nicht geschehen ist. (Ein Fall nach § 111 Abs. 4 WRG 1959 lag hier offensichtlich nicht vor.) Die belangte Behörde hat also augenscheinlich übersehen, daß selbst eine uneingeschränkte Zustimmung des Beschwerdeführers zum Projekt noch nicht die Aufgabe oder Einschränkung des Eigentumsrechtes des Beschwerdeführers in sich hätte schließen können und daher mit der wasserrechtlichen Bewilligung allein noch nicht die Ermächtigung der mitbeteiligten Partei verbunden sein konnte, dieses fremde Eigentum für ihre Zwecke in Anspruch zu nehmen.

Der angefochtene Bescheid mußte deshalb gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1962 insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden, als mit ihm die Bewilligung zur Führung der Kanalisationsanlage über das Grundeigentum des Beschwerdeführers erteilt worden ist.

Wien, am

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Normen
WRG 1959 §107 Abs2;
WRG 1959 §12 Abs1;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §60 Abs1 litc idF 1969/207;
WRG 1959 §63 idF 1969/207;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1963:1962001988.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
AAAAF-56638