VwGH 21.04.1980, 1979/78
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | VStG §1 Abs2; VStG §19; |
RS 1 | Der Verwaltungsstrafbehörde obliegt es auf der Grundlage des § 19 Abs 1 VStG idF der Novelle 1978, ihre Wertung der Tat innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens darzutun. Dazu gehört die Beantwortung der gem dem § 19 Abs 1 VStG rechtserheblichen Frage nach der Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, ob und inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Des Weiteren sind neben dem objektiven Kriterium des Unrechtsgehaltes der Tat auch die subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Tat (§ 19 Abs 2 VStG iVm § 32 StGB) zu erörtern. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH Erkenntnis VS 1980/03/25 3273/78 3 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Mag. Öhler, Mag. Onder, Dr. Hnatek und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Gaismayer, über die Beschwerde der BU in B, vertreten durch Dr. Theodor Peschaut, Rechtsanwalt in Feldkirch, Gilmstraße 5, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom , Zl. Ia-33/28-6, betreffend Bestrafung wegen verbotswidriger Ausübung der Prostitution, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird - soweit dieser über Strafart und Strafausmaß sowie die Kosten des Strafverfahrens abspricht - wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 3.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, dadurch die gewerbsmäßige Unzucht angebahnt zu haben, dass sie am um ca. 20.45 Uhr auf der Rheinstraße in Bregenz einem Schweizer Pkw-Lenker einen Geschlechtsverkehr gegen ein Entgelt von SFr 50,-- angeboten habe, obwohl dies im Stadtgebiet von Bregenz verboten sei; sie habe daher eine Verwaltungsübertretung nach § 90 Abs. 3 in Verbindung mit §§ 1 Abs. 1 und 2 der Verordnung des Amtes der Stadt Bregenz vom begangen. Gemäß § 90 Abs. 3 Gemeindegesetz wurde eine Arreststrafe in der Dauer von 10 Tagen verhängt (die von der Beschwerdeführerin zu zahlenden Kosten des Strafverfahrens wurden mit S 50,-- festgesetzt, weiters wurde die Beschwerdeführerin verhalten, die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen).
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der fristgerecht gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin nicht Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass das in Strafe gezogene Verhalten der Beschwerdeführerin eine Übertretung der Verordnung der Stadtvertretung der Landeshauptstadt Bregenz vom darstelle (die von der Beschwerdeführerin zu zahlenden Kosten des Berufungsverfahrens wurden mit S 50,-- festgesetzt).
Durch diesen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihren Rechten auf ein mängelfreies Verfahren, auf schuldangemessene Bestrafung und auf Freizügigkeit im Land Vorarlberg verletzt. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Zur Begründung der behaupteten Rechtswidrigkeit führt die Beschwerdeführerin aus, dass der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt nicht bestritten werde.
Weiters legte die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde unter anderem dar, dass die verhängte Freiheitsstrafe, noch dazu im Ausmaße von zehn Tagen, schuldunangemessen sei. Bei rechtlich richtiger Ausmessung der Strafe müsse in Betracht gezogen werden, einerseits, welches Rechtsgut verletzt worden sei und anderseits, welches angemessenes Strafmittel innerhalb des Strafrahmens angewendet werden solle. Es komme daher, neben der Schuldfrage, im wesentlichen darauf an, welches geschütztes Rechtsgut verletzt worden sei. Der Entzug der Freiheit als Strafe könne daher in einem Rechtsstaat nur dann verantwortet werden, wenn bei entsprechender Güterabwägung eine andere Strafe als der Freiheitsentzug nicht denkbar sei. Die über die Beschwerdeführerin verhängte Freiheitsstrafe sei daher rechtswidrig.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Beschwerde zum Ausdruck gebracht, dass der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt nicht bestritten wird. Diese Feststellung der Beschwerde und die übrigen Ausführungen derselben zeigen somit eindeutig, dass sich die vorliegende Beschwerde nur gegen Strafart und Strafhöhe richtet.
In diesem Rahmen ist die Beschwerde begründet.
Nach der Anordnung des § 1 Abs. 1 der Verordnung der Stadtvertretung der Landeshauptstadt Bregenz vom war im Gebiet der Landeshauptstadt Bregenz in der Öffentlichkeit die Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht und das Anbieten hiezu verboten. § 2 leg. cit. sah vor, dass derjenige, der dem Verbot des § 1 zuwiderhandelt, eine Verwaltungsübertretung begeht und gemäß § 90 Abs. 3 des (Vorarlberger) Gemeindegesetzes von der Bezirkshauptmannschaft bestraft wird. Die Bestimmung des § 90 Abs. 3 des Gemeindegesetzes kennt wahlweise Geldstrafen bis zu S 6.000,-- oder Arreststrafen bis zu sechs Wochen.
Gemäß dem § 19 Abs. 1 VStG 1950 in der Fassung des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 117, ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im Grunde des Abs. 2 der bezogenen Gesetzesstelle sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches anzuwenden.
Der Gesetzgeber hat im § 19 VStG 1950 in der geltenden Fassung den für die Strafbemessung maßgeblichen Sinn des Gesetzes in verfassungskonformer Weise (VfGH u.a. VfSlg. 5240, 5810, 5980), sohin in einer Form zum Ausdruck gebracht, die dem Verwaltungsgerichtshof im Einzelfall eine verlässliche Beurteilung, der Frage ermöglicht, ob vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde.
Der Umstand, wonach die VStG-Novelle, BGBl. Nr. 117/1978, erst im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides dem Rechtsbestand angehörte, steht ihrer Anwendung auf den Beschwerdefall in Hinsicht darauf nicht entgegen, dass der § 19 VStG 1950 den Anwendungsfällen des § 1 Abs. 2 dieses Gesetzes nicht zuzuordnen ist; enthält doch § 19 VStG 1950 in den hier in Betracht kommenden Fassungen lediglich Bestimmungen über die Strafbemessung.
Nach der Anordnung des § 60 AVG 1950, diese Bestimmung gilt zufolge § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren, sind in der Begründung eines Bescheides die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof zu wiederholten Malen dargetan hat, ist die Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens eine Ermessensentscheidung; im Zusammenhang sei unter anderem auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1846/65, unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Im Grunde des Art. 130 Abs. 2 B-VG liegt im Bereich des verwaltungsbehördlichen Ermessens Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von diesem im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, so auch in seinen Erkenntnissen vom , Slg. Nr. 8134/A, vom , Slg. Nr. 4501/F, und vom , Zl. 1513/74, ausgeführt hat, in der Begründung ihres Bescheides, die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist. In diesem Zusammenhang wird u. a. auch der hier rechtserhebliche Auffälligkeitsgrad des Verhaltens in der Öffentlichkeit, der der Beschwerdeführerin als Ausübung der Prostitution zur Last gelegt wurde, darzutun sein.
Da die belangte Behörde es unterließ, ihre Wertung der Tat innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens darzutun - das ist im Beschwerdefall die Beantwortung der gemäß dem § 19 Abs. 1 VStG 1950 rechtserheblichen Frage nach der Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, ob und inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat -, vernachlässigte sie es, die Grundlagen für die Bemessung der Strafe im Sinne der eben zitierten Gesetzesstelle aufzuzeigen. Da sie weiters neben dem objektiven Kriterium des Unrechtsgehaltes der Tat auch die subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Tat (§ 19 Abs. 2 VStG 1950 in Verbindung mit § 32 StGB) - von den Vorstrafen abgesehen - unerörtert ließ, entzog sie den angefochtenen Bescheid in Hinsicht auf die Strafzumesssung der nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts darüber, ob sie, von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie insoweit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dieser war daher, im Umfange des Spruches dieses Erkenntnisses, gemäß dem § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 aufzuheben (siehe hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 3273/78, auf welches unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen wird).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 542/1977. Darnach könnte lediglich der pauschalierte Schriftsatzaufwand, nicht aber der von der Beschwerdeführerin nicht näher bezeichnete Aufwand an Stempelgebühren zugesprochen werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | VStG §1 Abs2; VStG §19; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1980:1978001979.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAF-56574