VwGH 16.09.1977, 1979/77
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Norm | SchUG 1974 §49 Abs1; |
RS 1 | Ausführungen hinsichtlicheines Schulausschlusses wegen eines disziplinären Verhaltens bei einem Schulskikurs (Alkoholkonsum, Besuch eines Mädchenzimmers) |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
1980/77
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knoll und die Hofräte Dr. Zach, Dr. Kirschner, Dr. Liska und Dr. Schubert als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsrat Dr. Thumb, über die Beschwerde des minderjährigen NK in W, vertreten durch Heinz Kutscher in Wien, dieser vertreten durch Dr. Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien I, Gonzagagasse 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom , Zl. 1.045/14-4/77, betreffend Ausschluss von der Schule, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war im Schuljahr 1976/77 Schüler der 6 b des Bundesrealgymnasiums Wien XV. Der Stadtschulrat für Wien sprach mit Bescheid vom aus, der Beschwerdeführer werde gemäß § 49 des Schulunterrichtsgesetzes, BGBl. Nr. 139/1974, von der Schule ausgeschlossen. In der Begründung führte er aus, am habe am Bundesrealgymnasium Wien XV eine Disziplinarkonferenz stattgefunden, die sich mit Vorfällen anlässlich des Schikurses der 6. Klassen im Jugendsportheim O vom 29. Jänner bis zu befassen gehabt habe. In der Folge sei es zur Stellung eines Antrages auf Ausschluss des Beschwerdeführers und zweier anderer Schüler an die Schulbehörde erster Instanz gekommen. Wie die durchgeführten Erhebungen und die Einsicht in die Unterlagen, insbesondere in das Konferenzprotokoll und die beigelegten Gedächtnisprotokolle der beteiligten Lehrer und der beteiligten Schüler sowie in das Vernehmungsprotokoll mit Vertragslehrer P. ergeben habe, sei von dem Schikursleiter Professor B. in einer Einleitungsrede nach Ankunft im Heim ausdrücklich auf das bestehende Alkoholverbot und Zimmerbesuchsverbot hingewiesen worden. Dennoch seien der Beschwerdeführer und zwei andere Schüler am anlässlich eines Kontrollganges von Professor B. um zirka
22.30 Uhr in schwer betrunkenem Zustand (bei einer darauf folgenden Einvernahme sei der Beschwerdeführer beim Verlassen des Bettes umgefallen) vorgefunden worden. Es sei hierauf von Seiten des Lehrers eine strenge Verwarnung und die Androhung der Heimfahrt bei weiteren Verfehlungen ausgesprochen worden. Ein weiterer disziplinär zu ahndender Vorfall habe sich am um etwa 20.30 Uhr ereignet. Vertragslehrer P. habe während eines Rundganges durch die einzelnen Zimmer festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer in einem Mädchenzimmer befunden habe und mit einer Schülerin im Bett gelegen sei. Der Beschwerdeführer habe dabei einen Arm um die Schulter des Mädchens gelegt gehabt und seine Hose sei geöffnet gewesen. Das Licht im Zimmer sei ausgedreht gewesen. Den Einwendungen des Beschwerdeführers, dass er nicht schwer betrunken gewesen sei, sei entgegenzuhalten, dass außer dem Schikursleiter auch ein anderer Professor den durch die Trunkenheit erfolgten Sturz beobachtet und dass Vertragslehrer P. die Schüler in betrunkenem Zustand unmittelbar bei der Kontrolle durch den Schikursleiter gesehen habe. Der weiteren Einwendung des Beschwerdeführers, dass er von dem Mädchen nur einen ihr früher zum Flicken gegebenen Pullover abholen wollte, sei entgegenzuhalten, dass von dem kontrollierenden Lehrer ein solcher Pullover im Zimmer nicht gesehen worden sei. Unabhängig davon sei jedoch eindeutig erwiesen, dass der Beschwerdeführer das Verbot des Besuches von Mädchenzimmern nicht eingehalten habe und darüber hinaus mit einem Mädchen im Bett liegend vorgefunden worden sei. Der Beschwerdeführer habe auf Grund seines Verhaltens trotz vorheriger eingehender Ermahnung seine Pflichten gemäß § 43 des Schulunterrichtsgesetzes in schwer wiegender Weise verletzt. Die Zuwiderhandlung gegen das Verbot des Alkoholgenusses auf Schulveranstaltungen stelle eine Verletzung des § 9 Abs. 1 der Verordnung betreffend die Schulordnung, BGBl. Nr. 373/1974, dar, die Missachtung des Besuchsverbotes von Mädchenzimmern sei trotz vorheriger Verwarnung erfolgt. Die Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 des Schulunterrichtsgesetzes für einen Ausschluss von der Schule lägen somit vor.
Die belangte Behörde wies mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 49 des Schulunterrichtsgesetzes im Zusammenhalt mit § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab. In der Begründung führte sie aus, in der Berufung seien folgende Mängel geltend gemacht worden: Dem Schüler sei weder eine Zweitschrift des Ausschlussantrages zugestellt worden noch sei ihm Parteiengehör gewährt worden; im Gedächtnisprotokoll des Professors B. seien unrichtige Feststellungen enthalten, nämlich dass der Berufungswerber schwer betrunken gewesen sein soll, sich zu verstecken versucht habe und nur teilweise bekleidet gewesen sein soll; aus den Aussagen der Zimmerbelegschaft gehe hervor, dass der Beschwerdeführer nicht schwer betrunken gewesen sei; die im Bescheid des Stadtschulrates getroffenen Feststellungen über schon bei Ankunft im Heim erklärte Alkohol- und Zimmerbesuchsverbote seien mangelhaft; das Protokoll der Schulkonferenz lasse darauf schließen, dass den Schülern Alkohol- und Zimmerbesuchsverbote unbekannt gewesen seien; das Auffinden eines männlichen Schülers in einem Mädchenzimmer erscheine mit der Entfernung des Schülers vom Schikurs zweifelsfrei ausreichend geahndet; eine allfällige Alkoholisierung gefährde weder die Sittlichkeit noch die körperliche Sicherheit oder das Eigentum anderer Schüler und sei zweifelsfrei nicht dauernd, so daß die Alkoholisierung keine Grundlage für eine Maßnahme nach § 49 des Schulunterrichtsgesetzes sein könne; der Besuch eines Knaben in einem Mädchenzimmer könne wohl nicht gegen den Willen des Mädchens stattgefunden haben; in einem ergänzenden Schriftsatz vom sei vorgebracht worden, dass der Bescheid des Stadtschulrates für Wien an Aktenwidrigkeit leide, da der Beschwerdeführer keineswegs mehrfach, sondern lediglich wegen der gegenständlichen Vorfälle verwarnt worden sei.
Nach dem Berufungsvorbringen ergebe sich nach Meinung des Beschwerdeführers nachstehender Sachverhalt: Am habe der Beschwerdeführer nach dem Abendessen im Rahmen einer Zimmerparty Alkohol genossen und anschließend Turnübungen vorgeführt. Die Alkoholisierung sei vom Professor B. am späten Abend bemerkt worden. Nach Androhung der Heimfahrt bei weiteren Verfehlungen habe der Beschwerdeführer keinen Alkohol mehr genossen. Am habe Vertragslehrer P. den Schlafraum der Mädchen betreten und den Beschwerdeführer mit einer Schülerin im Bett liegend vorgefunden. Der Beschwerdeführer habe die Gürtelschnalle seiner zu engen Jeans geöffnet gehabt und der vorderste Knopf sei aufgesprungen gewesen. Er habe das Zimmer betreten, um einen Pullover abzuholen, den das Mädchen hätte nähen sollen. Der Beschwerdeführer habe die Schülerin wegen eines Vorfalles zu trösten versucht, wobei die Schüler nicht länger als fünf Minuten allein gewesen seien. Eine sexuelle Betätigung habe nicht stattgefunden. Dies sei der Aussage der betroffenen Schüler und der Lehrer zu entnehmen.
Die belangte Behörde nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an: Der Beschwerdeführer habe am Alkohol zu sich genommen und einen auffallenden Grad der Alkoholisierung aufgewiesen. Am sei er in einem Mädchenzimmer mit einer Mitschülerin im Bett liegend aufgefunden worden. Das Zimmer sei abgedunkelt gewesen, ein Umstand, der gegen die behauptete Pulloverübergabe spräche, abgesehen davon, dass von dem in Frage stehenden Pullover nichts zu bemerken gewesen sei. Es erscheine unerklärlich, weshalb der Beschwerdeführer nicht das Licht aufgedreht habe, wenn er das Zimmer zwecks Pulloverübergabe aufgesucht habe. Des Beschwerdeführers Alkoholgenuss am , der zu einer auffallenden Trunkenheit geführt habe, habe schwer wiegend gegen die Bestimmungen des § 9 Abs. 1 der Schulordnung, BGBl. Nr. 373/1974, verstoßen und bedeute ein negatives Beispiel für seine Mitschüler. Die deswegen erfolgte Verwarnung (§ 8 der Schulordnung) habe den Beschwerdeführer allerdings nicht zu einem disziplinierten Verhalten bewogen, da er entgegen dem bei Schikursen bestehenden und ausdrücklich eingeschärften Verbot des Besuches von Burschen in Mädchenzimmern (bzw. umgekehrt) ein Mädchenzimmer aufgesucht und dort auf eine Weise mit einer Mitschülerin Kontakt aufgenommen habe, die den Gedanken an eine sexuelle Annäherung im Schulbereich nahe lege. Es sei also nicht nur das Zimmerbesuchsverbot übertreten, sondern auch ein Verhalten gesetzt worden, dem das Verbot entgegenwirken sollte. Über das Zimmerbesuchsverbot habe der Schikursleiter bei der Einleitungsrede im Heim ausdrückliche Hinweise gegeben, abgesehen davon, dass dieses schon auf Grund der getrennten Unterbringung von Schülern bzw. Schülerinnen jedermann einsichtig hätte sein müssen.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer gegen seine Pflichten als Schüler innerhalb kurzer Zeit trotz Verwarnung mehrmals verstoßen habe und die Anwendung des Erziehungsmittels erfolglos geblieben sei. Das gegenständliche Verhalten des Schülers mit seinen Beispielsfolgerungen stelle auch eine dauernde Gefährdung anderer Schüler hinsichtlich ihrer Sittlichkeit dar (§ 49 Abs. 1 des Schulunterrichtsgesetzes). Die Schüler seien gemäß § 43 des genannten Gesetzes verpflichtet, sich in die Klassengemeinschaft in einer Weise einzuordnen, die mithelfe, die Aufgabe der österreichischen Schule zu erfüllen. Zu dieser Aufgabe der Schule gehöre die Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen Werten. Eine solche Ausrichtung der Vorgänge in der Schule, im Unterricht und bei den Schulveranstaltungen würden auch die Eltern von der Schule erwarten; die Schulbehörde habe die gesetzliche Aufgabe der Schule und das Vertrauen der Eltern in die Schule zu schützen. Da das Verhalten des Beschwerdeführers in der Klassengemeinschaft in schwer wiegender Weise den Schülerpflichten entgegengesetzt gewesen sei und eine dauernde Gefährdung der Mitschüler bedeute, sei der Ausschluss zu bestätigen gewesen. Das Parteiengehör sei im Berufungsverfahren gewährt worden. Der Vertreter des Schülers habe eine Stellungnahme zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens abgegeben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde, in der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht werden, erwogen:
Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, dass die von ihm aufgezeigten Mängel (keine Möglichkeit der Rechtfertigung des Beschwerdeführers vor der Antragstellung der Disziplinarkonferenz, keine Möglichkeit der Erziehungsberechtigten zur Stellungnahme, Unterlassen der Zustellung der Zweitschrift des Antrages der Disziplinarkonferenz an den Schüler, Verletzung des Parteiengehörs), wenn sie, wie geschildert, eingetreten sind, eine Verletzung von Verfahrensvorschriften darstellen. Es muss jedoch in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass einzelne Behauptungen des Beschwerdeführers nicht mit der Aktenlage übereinstimmen. So geht aus dem vom Beschwerdeführer dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Protokoll Nr. 5 der Disziplinarkonferenz vom hervor, dass der Beschwerdeführer bei dieser Konferenz anwesend war, ferner ist diesem Protokoll zu entnehmen, dass eine Aussprache mit den Eltern des Beschwerdeführers trotz schriftlicher und telefonischer Vorladung nicht möglich gewesen sei. Alle vom Beschwerdeführer geltend gemachten Verletzungen von Verfahrensvorschriften beziehen sich überdies nicht auf den angefochtenen Bescheid, sondern auf die Disziplinarkonferenz und das Verfahren vor dem Stadtschulrat für Wien. Die allenfalls unterlaufene Verletzung von Verfahrensvorschriften in der unteren Instanz ist jedoch nicht wesentlich und kann nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof führen, weil der Beschwerdeführer auch noch im Berufungsverfahren Gelegenheit hatte, alles das vorzubringen, was er bzw. seine Erziehungsberechtigten seinerzeit vorgebracht hätten.
Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, seine Trunkenheit hätte unberücksichtigt bleiben müssen, da das angewandte Erziehungsmittel, nämlich die Verwarnung, erfolgreich gewesen sei. Jedenfalls stellten die beiden dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verbotsverletzungen keine schwer wiegenden Pflichtverletzungen im Sinne des § 49 Abs. 1 des Schulunterrichtsgesetzes dar, dies insbesondere unter Berücksichtigung der besonderen Situation eines Schikurses. Überdies habe der Ausschluss von einer Schule zur Voraussetzung, dass die Schule im Rahmen ihrer Pflichten versucht habe, unter Anwendung der im § 47 des Schulunterrichtsgesetzes genannten Erziehungsmittel auf die Schüler einzuwirken, was im gegenständlichen Fall unterlassen worden sei.
Gemäß § 43 erster Satz des Schulunterrichtsgesetzes sind die Schüler verpflichtet, durch ihre Mitarbeit und ihre Einordnung in die Gemeinschaft der Klasse und der Schule mitzuhelfen, die Aufgabe der österreichischen Schule zu erfüllen und die Unterrichtsarbeit zu fördern. Gemäß § 49 Abs. 1 des Schulunterrichtsgesetzes ist der Schüler von der Schule auszuschließen, wenn er seine Pflichten (§ 43) in schwer wiegender Weise verletzt und die Anwendung von Erziehungsmitteln erfolglos bleibt oder wenn das Verhalten eines Schülers eine dauernde Gefährdung anderer Schüler hinsichtlich ihrer Sittlichkeit, körperlichen Sicherheit oder ihres Eigentums darstellt.
Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer am in alkoholisiertem Zustand angetroffen und deshalb auch unter der Androhung, er werde im Falle weiterer Verfehlungen vom Schikurs entfernt, verwarnt wurde. Bereits zwei Tage später ist es zu dem erwähnten Vorfall im Zimmer einer Mitschülerin gekommen. Im Hinblick auf die näheren Umstände dieses Vorfalls (insbesondere Verdunkelung des Zimmers, Schüler und Schülerin in einem Bett) kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Beschwerdeführer nicht nur das Zimmerbesuchsverbot übertreten, sondern auch ein Verhalten gesetzt hat, dem das Verbot entgegenwirken sollte. Das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers, das er trotz vorheriger Belehrung gesetzt hat, insbesondere aber das Verhalten am nach knapp vorhergegangener Verwarnung, rechtfertigt nach der Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichtshofes den Ausschluss des Beschwerdeführers vom Bundesrealgymnasium Wien XV gemäß § 49 Abs. 1 des Schulunterrichtsgesetzes.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG 1965 ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Damit ist auch der Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.
Wien, am
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Norm | SchUG 1974 §49 Abs1; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1977:1977001979.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-56573