Suchen Hilfe
VwGH 24.10.1974, 1973/73

VwGH 24.10.1974, 1973/73

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm
GEG §9 Abs2;
RS 1
Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Die Behörde hat sich auf eine "Mitteilung" des Bundesministeriums für Justiz gestützt.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Eichler und die Hofräte Dr. Kadecka, Kobzina, Dr. Straßmann und Dr. Salcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Finanzkommissär Dr. Heinrich über die Beschwerde des V in W und des Bankhauses F-KG in W, vertreten durch Dr. Otto Schuhmeister, Rechtsanwalt in Schwechat, Bruck-Hainburgerstraße 7, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom , Zl. Jv 51.652-33a/73, betreffend Nachlaß einer Gerichtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner beschlossen, die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers zurückzuweisen.

Der Zweitbeschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am richteten die Beschwerdeführer an das Bezirksgericht Baden den Antrag, die im Zusammenhang mit der Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Eintragung eines Pfandrechtes über Aufforderung entrichtete Eingaben- und Eintragungsgebühr gemäß § 9 Abs. 2 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes 1962 (GEG 1962) nachzulassen und die Rückzahlung dieses Betrages an den Zweitbeschwerdeführer zu veranlassen. Sie beriefen sich unter Hinweis auf Punkt II des Erlasses des Bundesministeriums für Justiz JMZl. 223-K/62 darauf, daß der Erstbeschwerdeführer ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen und als solches nach den Bestimmungen der Verordnung vom , DRGBl. Nr. I, S 702, über die Gebührenbefreiung beim Kleinwohnungsbau (im folgenden kurz: Gebührenbefreiungsverordnung) von der Zahlung der Gerichtsgebühren persönlich befreit sei, der Zweitbeschwerdeführer aber, obwohl dieser Begünstigung persönlich nicht teilhaftig, in Ausübung der ihm nach den Schuldscheinbedingungen zustehenden Berechtigung die Eintragungsgebühr auf den Erstbeschwerdeführer überwälzt habe, wodurch letzterem Geldmittel entzogen worden seien, die dieser nach dem Gesetz zum Bau von Kleinwohnungen oder zu dessen Förderung zu verwenden habe.

Der gemäß § 9 Abs. 2 GEG 1962 wegen der Höhe des Betrages zur Entscheidung berufene Präsident des Oberlandesgerichtes Wien gab dem Antrag mit Bescheid vom keine Folge. Voraussetzung für den Gerichtsgebührennachlaß im Sinne der von den Einschreitern ins Treffen geführten ministeriellen Mitteilung sei es, daß ein Darlehen zum Bau von Kleinwohnungen oder dessen Förderung gewährt und verwendet, die Gerichtsgebühr für die pfandrechtliche Sicherstellung des Darlehens auf das gemeinnützige Wohnungsunternehmen überwälzt werde und die Gebarung des Unternehmens den Bestimmungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes entspreche. Eine extensive Auslegung dieser Mitteilung des Bundesministeriums für Justiz in der Richtung, daß in den festgelegten Rahmen auch der Ankauf von Liegenschaften und Gerichtsgebühren für pfandrechtliche Rangordnungen einbezogen werde, sei schon auf Grund des eindeutig klaren Wortlautes der Mitteilung, die das Bauvorhaben (Errichtung des Gebäudes) oder die Förderung des Bauvorhabens von Kleinwohnungen (die Errichtung des Gebäudes hiefür) und Gerichtsgebühren für die pfandrechtliche Sicherstellung von Darlehen zum Gegenstand habe, nicht möglich. Bereits aus diesem Grund müßten daher auch öffentliche Interessen für die Gewährung des begehrten Gerichtsgebührennachlasses verneint werden. Daß die Einbringung des Gerichtsgebührenbetrages mit einer besonderen Härte verbunden wäre, sei im Hinblick auf die erfolgte Zahlung sowie in Ansehung der Person des zahlungspflichtigen Erstbeschwerdeführers auszuschließen und auch nicht behauptet worden. Eine Zahlungspflicht des Zweitbeschwerdeführers gegenüber dem Bund sei hingegen überhaupt nicht eingetreten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführer, die sich in ihrem Recht auf Nachsicht der vorgeschriebenen Gerichtsgebühren verletzt erachten, wenden sich gegen die von der belangten Behörde vertretene Rechtsansicht, für den Ankauf einer Liegenschaft und die Finanzierung des Grundstückes, auf welchem die geförderten Wohnungen errichtet würden, sei keine Gebührenbefreiung zu erzielen. Man habe davon auszugehen, daß Kleinwohnungsbauten oder Einfamilienhäuser auf Grundstücken stehen, die von den gemeinnützigen Baugesellschaften mangels eines Grundstücksvermögens auf dem Liegenschaftsmarkt angeschafft werden müßten, wobei der Erwerb dieser Grundstücke nach § 4 des Grunderwerbsteuergesetzes 1955 grunderwerbsteuerfrei sei. Es handle sich bei den bezeichneten Geschäften daher keineswegs um Vorgänge unabhängig von der Errichtung der Gebäude und außerhalb der Tätigkeit gemeinnütziger Unternehmen. Der Erwerb eines Grundstückes sei vielmehr der erste Akt zur Ausführung eines Bauvorhabens. Auch das Wohnbauförderungsgesetz 1968 betrachte vergleichsweise das Bauvorhaben als ein Ganzes und nehme nicht einzelne Phasen davon von der Gebührenbefreiung aus. Wenn also, wie dies auch der herrschenden Praxis entspreche, der Erwerb einer Liegenschaft gebührenfrei sei, müsse man auch zugestehen, daß die von gemeinnützigen Firmen zur Finanzierung des Liegenschaftskaufpreises auf dem Kapitalmarkt beschafften Beträge zugunsten des Gläubigers gebührenfrei besichert werden können. Es unterliege keinem Zweifel, daß die vorgeschriebene Gebührensumme bei widmungsgemäßer Verwendung des Grundstückes, zu welcher der Erstbeschwerdeführer auf Grund der Gemeinnützigkeit verpflichtet sei, die Wohnungs- und Eigentumswerber belasten werde, weil diese im Zuge der Gesamtabrechnung alle mit dem Erwerb und der Verbauung des Grundstückes auflaufenden Kosten zu bestreiten hätten. Es sei ferner nicht einzusehen, warum gemeinnützige Gesellschaften mangels eigener Mittel für ihre Zwecke nicht Bankkredite in Anspruch nehmen könnten. Demgemäß habe auch der Präsident des Kreisgerichtes Wiener Neustadt einem gleichartigen Berichtigungsantrag der Beschwerdeführer im Jahr 1973 entsprochen und unter Bedachtnahme auf die Gebührenfreiheit gemäß § 1 Abs. 1 der Gebührenbefreiungsverordnung die Löschung und Rückerstattung der vorgeschriebenen Gebühr angeordnet. Nach dieser Gesetzesstelle sei im übrigen keine Einschränkung der Gebührenfreiheit vorgesehen, sie könne also beispielsweise ebenso im Falle der Aufnahme eines reinen Betriebsmittelkredites in Anspruch genommen werden. Öffentliche Interessen für den beantragten Gebührennachlaß seien gegeben, obzwar nicht Voraussetzung der Gebührenbefreiung, weil die Tätigkeit des Erstbeschwerdeführers (schon) zufolge der Zuerkennung der Gemeinnützigkeit im öffentlichen Interesse liege. Es stimme, daß der Zweitbeschwerdeführer im Rangordnungsgesuch nur als Zustellungsanschrift angeführt und daher für ihn eine Zahlungsverpflichtung nicht eingetreten sei. Falls aber erwartungsgemäß der errichtete Schuldschein später verbüchert würde, könnte eine Solidarhaftung der Vertragspartner für die Gesamtschuld entstehen. Der Zweitbeschwerdeführer habe es daher zweckmäßig gefunden, auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof den Standpunkt des Erstbeschwerdeführers zu unterstützen.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde. Sie weist darauf hin, es sei ausschließlich ein Begehren nach § 9 Abs. 2 GEG 1962 gestellt worden, weshalb die Gründe zur vorangegangenen Gebührenvorschreibung und Einwendungen gegen die Richtigkeit von deren Festsetzung und Einhebung außer Betracht zu bleiben hätten. Andernfalls würde nämlich auf dem Umweg des Nachsichtsverfahrens die Nichtanerkennung oder Nichtanwendbarkeit einer Gebührenbefreiungsbestimmung wieder aufgehoben werden können. Dies sei nicht der Sinn des Gesetzes. Es wäre ja der Zweitbeschwerdeführerin freigestanden, die Zahlungsaufforderung des Bezirksgerichtes Baden zurückzusenden und die Erlassung eines Zahlungsauftrages zu verlangen, welcher im Rahmen des § 7 Abs. 3 GEG 1962 hätte bekämpft werden können. Da die Gebühr nicht ohne Aufforderung entrichtet worden sei, treffe auch nicht die Voraussetzung für eine Rückzahlung gemäß § 41 Abs. 2 Z. 2 des Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetzes 1962, BGBl. Nr. 289/1962 (GJGebGes 1962) zu.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 2 GEG 1962 können Gebühren und Kosten auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlaß im öffentlichen Interesse gelegen ist. Als antragsberechtigt sind der Zahlungspflichtige sowie der für die Gebühren Haftende (§ 6 bzw. § 7 GJGebGes 1962) anzusehen. Wie den Unterlagen des vorausgegangenen Verfahrens zu entnehmen ist und in der Beschwerde ausdrücklich erklärt wird, ist beim Zweitbeschwerdeführer, der im Grundbuchsgesuch nur als die von der Erledigung zu verständigende Person angegeben worden war, keine Zahlungsverpflichtung, und es ist auch keine Haftung eingetreten. Daß er die Gebühr entrichtet hat, oder daß möglicherweise künftig eine Solidarhaftung begründet werden wird, hat auf seine Rechtsstellung im Beschwerdefall keinen Einfluß: Der Zweitbeschwerdeführer war zu einem Antrag gemäß § 9 Abs. 2 GEG 1962 also nicht legitimiert und er konnte daher durch den angefochtenen Bescheid, womit der von ihm und dem Erstbeschwerdeführer gestellte Antrag abgewiesen wurde, nicht in seinen Rechten verletzt worden sein. Die Beschwerde mußte deshalb, soweit sie ihn betrifft, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG 1965 aus dem Mangel der Berechtigung zu deren Erhebung zurückgewiesen werden.

Der Erstbeschwerdeführer ist Zahlungspflichtiger gemäß § 6 und § 28 lit. a GJGebGes 1962; für ihn wurde die Gebührenschuld entrichtet. Er ist daher zu einem Antrag gemäß § 9 Abs. 2 GEG 1962 berechtigt. Eine besondere Härte, die für den Zahlungspflichtigen mit der Einbringung verbunden wäre, wurde von ihm nicht geltend gemacht. Sie anzunehmen, findet sich auch sonst kein Anhaltspunkt. Es ist daher zu prüfen, ob die andere Voraussetzung, die das Gesetz für eine stattgebende Entscheidung verlangt, nämlich das Vorliegen des öffentlichen Interesses, im Beschwerdefall erfüllt war. Die belangte Behörde hat sich mit dieser Frage auseinandergesetzt und sie verneint. Sie hat sich dabei allerdings auf die Mitteilung des Bundesministeriums für Justiz Zl. 223-K/62 berufen, der, wie dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1651/69, zu entnehmen ist - an Art 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, wird erinnert - keine Rechtsverbindlichkeit zukommt. Ganz abgesehen davon, ob die belangte Behörde dem Sinn der "Mitteilung" überhaupt gerecht geworden ist, hat sie jedenfalls nicht versucht, sich mit der Frage, ob der beantragte Gebührennachlaß im öffentlichen Interesse gelegen ist, inhaltlich auseinanderzusetzen, sondern sich damit begnügt, ihre Entscheidung, soweit für sie diese Frage maßgebend war, auf den Wortlaut der "Mitteilung" zu stützen. Damit hat sie aber gegen die Bestimmung des § 9 Abs. 2 GEG 1962 verstoßen, die die unmittelbare Rechtsgrundlage dafür hätte bilden müssen zu zeigen, warum ihrer Ansicht nach im Beschwerdefall das für einen Gebührennachlaß erforderliche öffentliche Interesse nicht vorliegt.

Da sich die belangte Behörde solcherart bei ihrer Entscheidung nicht von der richtigen Rechtsansicht leiten ließ, wurde der Erstbeschwerdeführer im Beschwerdepunkt in seinen Rechten verletzt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und die Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 427; dem Erstbeschwerdeführer war ein Aufwandersatz mangels eines Antrages nicht zuzuerkennen; was die Kostenersatzpflicht des Zweitbeschwerdeführers betrifft, wird auch auf den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N. F. Nr. 7175/A, hingewiesen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm
GEG §9 Abs2;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1974:1973001973.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
PAAAF-56526