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VwGH 12.06.1963, 1965/62

VwGH 12.06.1963, 1965/62

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
StVO 1960 §2 Abs1 Z11
StVO 1960 §93 Abs1
RS 1
"Gehweg" ist - anders wie der Gehsteig (§ 2 Abs 1 Z 10) - nicht Teil der eine Fahrbahn aufweisenden Straße, sondern ein Weg, der mit einer Fahrbahn in keinem unmittelbaren Zusammenhang steht.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Porias, und die Hofräte Dr. Chamrath, Dr. Kaniak, Dr. Strau und Dr. Umshaus als Richter, im Beisein des Schriftführers, Bezirksrichters Dr. Gottlich, über die Beschwerde des BH in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. M. Abt. 70-IX-H 199/62, betreffend Verwaltungsübertretung nach der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Bundes-Polizeidirektion Wien, Bezirks-Polizeikommissariat Penzing, sprach mit Straferkenntnis vom aus, die Beschwerdeführerin habe es am unterlassen, in Wien den vereisten Verbindungsweg von der H-Straße zur L-Stiege zu bestreuen und habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 93 Abs. 1 StVO begangen. Gemäß § 99 Abs. 4 lit. h StVO wurde gegen sie eine Geldstrafe von S 200,-- (Ersatzarreststrafe in der Dauer von 48 Stunden) verhängt. Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom keine Folge. Unter Bedachtnahme auf die Berufungseinwendungen wurden in der Begründung ausgeführt, die Beschwerdeführerin bestreite nicht, die Bestreuung des an ihr Grundstück angrenzenden Teiles des Verbindungsweges zwischen H-Straße und L-Gasse unterlassen zu haben. Wenn die Beschwerdeführerin dem Begehren der Magistratsabteilung 48, den unteren ebenen Zugangsweg zur Stiege anstatt des an ihr Grundstück angrenzenden Teiles des Verbindungsweges und der L-Stiege zu reinigen bzw. zu streuen, nicht habe entsprechen wollen, dann hätte sie im Sinne des § 93 Abs. 1 StVO zumindest den an ihr Grundstück angrenzenden Teil des Verbindungsweges bestreuen müssen (vgl. auch die Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom , M. Abt. 70- II/115/61). Daß es sich bei der gegenständlichen Verkehrsfläche um einen Gehweg im Sinne des § 2 Z 11 StVO, nämlich um einen für den Fußgängerverkehr bestimmten und getrennt von der Fahrbahn verlaufenden Weg handle, unterliege wohl keinem Zweifel. Aber selbst wenn die gegenständliche Verkehrsfläche nicht als Gehweg, sondern als Straße zu qualifizieren wäre, wäre für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen, weil sie auch in diesem Fall zur Bestreuung des Straßenrandes in der Breite von 1 m verpflichtet gewesen wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes und Rechtswidrigkeit des Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und ausgeführt wird, die belangte Behörde sei auf den Einwand der Beschwerdeführerin, es handle sich um einen freiwillig gestatteten Durchgang, der überdies auf fremdem Grund, nämlich dem der Österreichischen Bundesbahnen liege, nicht eingegangen. Auf einen freiwillig gestatteten Durchgang aber fänden die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung keine Anwendung. Darüber hinaus könne von Gehweg im Sinne des § 2 Z 11 StVO nur in Verbindung mit einer Straße gesprochen werden. Im gegenständlichen Fall befinde sich weder in näherer oder weiterer Ferne eine Straße, was übrigens schon deshalb unmöglich wäre, weil der Durchgang in eine ziemlich steile Stiege übergehe. Wenn aber die belangte Behörde meine, wenn es sich nicht um einen Gehweg handle, wäre der Durchgang als Straße zu qualifizieren, so überschreite sie ihre Kompetenz. Die Berufungsbehörde habe sich an die Verfahrensergebnisse zu halten und sei nicht berechtigt, ohne entsprechende Verfahrensunterlagen verfahrensfremde Feststellungen zu treffen. Habe sie Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung erster Instanz gehabt, hätte sie diese beheben müssen. Daß sie an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung Zweifel gehegt habe, gehe daraus hervor, daß sie selbst verfahrensrechtliche Feststellungen treffe, die beweisen sollten, daß die Beschwerdeführerin jedenfalls - auch bei Nichtvorliegen der erstinstanzlichen Feststellungen - strafbar sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 93 Abs. 1 StVO haben die Eigentümer von Liegenschaften in Ortsgebieten dafür zu sorgen, daß die dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteige und Gehwege einschließlich der in ihrem Zuge befindlichen Stiegenanlagen entlang der ganzen Liegenschaft in der Zeit von 6 bis 22 Uhr von Schnee und Verunreinigungen gesäubert sowie bei Schnee und Glatteis bestreut sind.

Bei Beurteilung, ob auf die gegenständliche Verkehrsfläche die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung Anwendung finden, kommt es nach § 1 dieses Gesetzes nicht auf die Besitz- und Eigentumsverhältnisse oder darauf an, ob es sich um einen "freiwillig gestatteten Durchgang" handelt. Maßgebend ist, ob es sich um eine Straße mit öffentlichem Verkehr handelt, als die jede Straße gilt, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benutzt werden kann.

Da diese genannten Voraussetzungen im gegenständlichen Fall zutreffen, ist die gegenständliche Verkehrsfläche als "Straße mit öffentlichem Verkehr" im Sinne der bezogenen Bestimmungen anzusehen. Es kann daher keinen wesentlichen Begründungsmangel ausmachen, wenn die belangte Behörde auf den Einwand der Beschwerdeführerin, es handle sich um einen freiwillig gestatteten Durchgang auf einem den Österreichischen Bundesbahnen gehörigen Grund, nicht näher eingegangen ist.

§ 2 Abs. 1 Z 11 StVO bezeichnet als "Gehweg" einen für Fußgängerverkehr bestimmten und getrennt von der Fahrbahn verlaufenden Weg.

Nun ist jede für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche samt den in ihrem Zug befindlichen und diesem Verkehr dienenden baulichen Anlagen als Straße im Sinne des Gesetzes anzusehen (§ 2 Abs. 1 Z 1); also ist auch der für den Fußgängerverkehr bestimmte Gehweg eine Straße im Sinne des Gesetzes. Die Beschwerdeausführungen sind also wohl so zu verstehen, daß man von einem "Gehweg" nur sprechen könne, wenn dieser in Verbindung mit einer Fahrbahn steht. Der Verwaltungsgerichtshof kann sich dieser Auffassung nicht anschließen.

Begriffsbestimmend ist der Zweck, dem die Verkehrsfläche dienen soll: die "Straße" muß für den Fußgängerverkehr bestimmt sein. Wenn weiters verlangt ist, daß sie als ein von der Fahrbahn getrennter Weg verläuft, so bedeutet das offenbar, daß der "Gehweg" - anders wie der "Gehsteig" (Z 10) - nicht Teil der eine Fahrbahn aufweisenden Straße ist, sondern daß es sich hier um einen Weg handelt, der mit einer Fahrbahn in keinem unmittelbaren Zusammenhang steht. Es bedeutet aber nicht, daß der "Gehweg" neben einer Fahrbahn verlaufen muß. Die gegenteilige, von der Beschwerde vertretene Auffassung kann schon deshalb nicht mit dem Sinn des Gesetzes in Einklang gebracht werden, weil Gehwege in der Regel abseits, ja fern von Straßen mit Fahrahnen verlaufen und es - den Zweck, den § 93 Abs. 1 StVO unverkennbar verfolgt, beachtend - gerade im gegenständlichen Falle nicht einzusehen wäre, warum eine für den Fußgängerverkehr bestimmte "Straße" nur deshalb von den Anrainern nicht gegen die Gefährdung durch Schnee und Eis durch Bestreuung zu schützen sein sollte, weil sie nicht neben bzw. in der Nähe einer Fahrbahn verläuft. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß auch die im Zuge der Gehsteige und Gehwege befindlichen Stiegenanlagen der Betreuungspflicht der Anrainer unterliegen. Es ist also das Vorbringen der Beschwerdeführerin, der gegenständliche Weg gehe in eine ziemlich steile Stiege über, nicht geeignet, den Standpunkt der Behörde zu widerlegen.

Bei dieser Sachlage erübrigte es sich, auf die weiteren Beschwerdeausführungen einzugehen. Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
StVO 1960 §2 Abs1 Z11
StVO 1960 §93 Abs1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1963:1962001965.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
VAAAF-56482