VwGH 24.01.1977, 1950/76
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | VwGG §21 Abs1 idF 1976/316; |
RS 1 | Durch den Erfolg der Anfechtung des Verwaltungsaktes können nur solche rechtlichen Interessen berührt werden, die vom angefochtenen Bescheid rechtswirksam erfasst werden. Im Falle der Aufhebung eines Baubewilligungsbescheides oder eines Bescheides, mit dem eine Planabweichung bewilligt wird, durch den VwGH werden die - von der Bauordnung für Wien anerkannten - rechtlichen Interessen des (bloßen) Liegenschaftseigentümers nicht berührt. |
Normen | BauO Wr §134 Abs3 idF vor 1976/018; BauO Wr §63 Abs1 idF vor 1976/018; BauRallg impl; |
RS 2 | Der (bloße) Liegenschaftseigentümer besitzt kein rechtliches Interesse an der Erteilung der Baubewilligung (Hinweis E , 771/75). |
Normen | BauO Wr §60 idF vor 1976/018; BauRallg impl; |
RS 3 | Baulichkeiten die dem Wohnzweck dienen, sind schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch dem Gebäudebegriff zuzuordnen. |
Normen | BauO Bgld 1926 §101 Abs1 idF vor 1976/018; BauRallg impl; |
RS 4 | Auch Balkone müssen, so weit sie an der Nachbargrenze angeordnet sind, mit Feuermauern abgeschlossen werden. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehne und die Hofräte Dr. Hrdlicka, Dr. Straßmann, Dr. Draxler und Onder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weitzer, über die Beschwerde der U F und des Dr. R F, beide in W, beide vertreten durch Dr. Franz Furler, Rechtsanwalt in Wien I, Salztorgasse 7, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MDR-B XVIII-12/76, betreffend die Bewilligung von Planabweichungen (mitbeteiligte Parteien: Dr. G S, P K und W L, alle in W, alle vertreten durch Dr. Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien I, Herrengasse 6-8/II), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm im administrativen Instanzenzug die Bewilligung erteilt wurde, bei der Ausführung des mit dem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom , Zl. MA 37/18, bewilligten Vorhabens der Mitbeteiligten die Begrenzungsplatten der südseitigen Balkone bis auf die Höhe von 1,15 m wegzulassen, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat U F Aufwendungen in der Höhe von S 2.370,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren der Beschwerdeführer wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom war gemäß § 70 der Bauordnung für Wien die Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf der Liegenschaft Wien XVIII, D-Straße Nr. nn, (Grundstücke 526/7, 526/10 und 526/12, alle Katastralgemeinde P) erteilt worden.
Mit dem Anbringen vom beantragte Baumeister Ing. A P namens der Mitbeteiligten die Bewilligung zur Vornahme von Planabweichungen, die u.a. darin bestanden, daß die - ursprünglich vorgesehenen - Begrenzungsplatten der südseitigen, bis an die Nachbargrenze reichenden Balkone bis auf eine Höhe von 1,15 m weggelassen werden.
Bei der Bauverhandlung gaben die Beschwerdeführer - als Nachbarn - folgende Erklärung ab: "Wir erheben gegen die Abänderung der seitlichen Balkonabdeckungen im ersten Stock Einspruch, weil dadurch die Feuersgefahr erhöht wird."
Mit dem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wurde für die beantragten Planabweichungen gemäß den §§ 70 und 73 der Bauordnung für Wien die Bewilligung erteilt. Unter einem wurden die Einwendungen der Beschwerdeführer "als im Gesetz nicht begründet abgewiesen" bzw. "soweit sich diese Einwendungen jedoch auf sonstige Forderungen beziehen sollten", als privatrechtliche erklärt und die Streitteile auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Der Bescheid erging - außer an die Beschwerdeführer - an: "Firma Ing. A P, Herrn W L, Herrn Dr. G S und Frau P K als Bauwerber und Grundeigentümer, z.Hd. Herrn Ing. H
P".
Über die Berufung der Beschwerdeführer erging der angefochtene Bescheid, mit dem diese gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet abgewiesen wurde. Zur Begründung führte die belangte Behörde in Erwiderung auf das Berufungsvorbringen aus, es sehe das Bauvorhaben, soweit es von den Beschwerdeführern bekämpft werde, die Weglassung der seitlichen Begrenzungsmauer eines an der Grundgrenze gelegenen Balkones vor. Es finde sich in der Bauordnung für Wien nun keine Bestimmung, die zwingend vorsehen werde, daß ein bis zur seitlichen Grundgrenze reichender Balkon an der Grenze zur Nachbarliegenschaft durch eine Feuermauer begrenzt sein müsse. Die Baubehörde erster Instanz sei bei Erlassung ihres Bescheides vielmehr richtigerweise davon aasgegangen, daß sich aus § 101 Abs. 1 der Bauordnung für Wien, wonach Gebäude, die an Nachbargrenzen angebaut werden, an diesen in allen Geschoßen Feuermauern erhalten müssen, lediglich ergebe, daß das Gebäude selbst, welches eine in fester Verbindung mit dem Boden hergestellte kunstmäßige Konstruktion behufs Herstellung eines abgeschlossenen Raumes (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N.F. Nr. 5951/A, u.a. hinsichtlich der Gebäudedefinition) darstelle, an Nachbargrenzen Feuermauern aufweisen müsse. Auch in brandschutztechnischer Hinsicht begegne das Projekt keinen Bedenken, da nicht ersichtlich sei, inwiefern ein Balkon, wie der in Rede stehende, eine Feuersgefahr für die Nachbarliegenschaft auslösen könnte.
Die Zustellverfügung des angefochtenen Bescheides lautete hinsichtlich der Bauwerber wie jene des erstinstanzlichen Bescheides.
In der Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes beantragt. Die belangte Behörde und die Mitbeteiligten haben Gegenschriften erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Es war zunächst zu prüfen, ob allen Personen, welche als Mitbeteiligte eingeschritten sind, diese Rechtsstellung zukommt.
Eingangs der Gegenschrift der Mitbeteiligten heißt es: "Alle mitbeteiligten Parteien waren und sind Bauwerber und waren schon im Zeitpunkt der Einreichung des Bauvorhabens außerbücherliche Eigentümer der zur Bebauung gelangenden Liegenschaft. Durch eine allfällige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wären alle Einschreiter mit erheblichen Nachteilen bedroht, was zur Parteistellung im Sinne des § 21 Abs. 1 VwGG führt."
Nach § 21 Abs. 1 VwGG 1965 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 316/1976 sind Mitbeteiligte jene Personen, die durch den Erfolg der Anfechtung des Verwaltungsaktes in ihren rechtlichen Interessen berührt werden.
Durch den Erfolg der Anfechtung des Verwaltungsaktes - dieser tritt hier im Falle der Aufhebung des angefochtenen Bescheides ein - können nur solche rechtlichen Interessen berührt werden, die vom angefochtenen Bescheid rechtswirksam erfaßt werden. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen - die Bewilligung von Planabweichungen nach der Bauordnung für Wien erteilenden - Bescheid lediglich über die Rechte und rechtlichen Interessen der Bauwerber und der betroffenen Nachbarn abgesprochen. Der Liegenschaftseigentümer kann im Baubewilligungsverfahren nach der Bauordnung für Wien nur verlangen, daß ohne seine Zustimmung die Baubewilligung nicht erteilt werde; ein - von der Bauordnung für Wien anerkanntes - rechtliches Interesse an der Erteilung der Baubewilligung besitzt er nicht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 771/75). Im Falle der Aufhebung eines Baubewilligungsbescheides oder eines Bescheides, mit dem eine Planabweichung bewilligt wird, durch den Verwaltungsgerichtshof werden daher die rechtlichen Interessen des Liegenschaftseigentümers nicht berührt.
Die in der Gegenschrift der Mitbeteiligten enthaltene Behauptung, es seien "alle mitbeteiligten Parteien" Bauwerber gewesen, trifft auf das mit dem angefochtenen Bescheid abgeschlossene Verwaltungsverfahren nicht zu. Jedenfalls hinsichtlich der den Gegenstand dieses Verwaltungsverfahrens bildenden Planabweichungen sind lediglich Dr. G S, P K und W L als Bauwerber eingeschritten. Der Umstand, daß "alle mitbeteiligten Parteien außerbücherliche Eigentümer der zur Bebauung gelangenden Liegenschaft" seien, muß nach der dargestellten Rechtslage selbst dann außer Betracht bleiben, wenn die Mitbeteiligten in anderer Form als durch Intabulation Grundeigentümer geworden wären, was allerdings, dies sei in diesem Zusammenhang angemerkt, durch Erwerb des bloßen schuldrechtlichen Anspruches auf den Eigentumsübergang nicht bewirkt würde.
J P und H P sind daher in diesem Verfahren nicht Mitbeteiligte.
Die Beschwerdeführer erachten sich, wie aus dem gesamten Beschwerdevorbringen hervorgeht, dadurch in ihren Rechten verletzt, daß nach der erteilten Bewilligung die an der Nachbargrenze angeordneten Balkone des gegenständlichen Hauses gegen ihre Liegenschaft nicht mit einer öffnungslosen Feuermauer abgeschlossen werden. Die im § 101 Abs. 1 der Bauordnung für Wien vorgeschriebene Feuermauer erfülle, so begründen die Beschwerdeführer im wesentlichen ihren Standpunkt, nur dann ihren Zweck, wenn sie öffnungslos hergestellt werde. Man brauche keine brandschutztechnische Ausbildung zu haben, um zu erkennen, daß von einem Balkon für die Nachbargrundtücke Gefahren ausgingen; sei es, daß ein Raucher ein brennendes Zündholz wegwerfe, daß auf dem Balkon eine brennende Flüssigkeit vergossen werde oder daß eine schadhafte elektrische Leitung einen Brand verursache.
Im § 101 Abs. 1 der Bauordnung für Wien - diese ist im vorliegenden Fall noch in der Fassung vor dem Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle 1976, Landesgesetzblatt für Wien Nr. 18, anzuwenden - lautet der erste Satz: "Wird ein Gebäude an Nachbargrenzen angebaut, so muß es an diesen in allen Geschoßen Feuermauern erhalten, die, soweit sie Aufenthaltsräume abschließen, mindestens die Feuerbeständigkeit von 25 cm starken Ziegelmauern haben."
Der Begriff "Gebäude" wird in der Bauordnung für Wien nicht näher umschrieben. Aus § 60 der Bauordnung für Wien ergibt sich lediglich, daß das "Gebäude" vom weiteren Begriff der "baulichen Anlage" bzw. "Baulichkeit" mitumfaßt wird. Baulichkeiten, die dem Wohnzweck dienen, sind jedoch schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch dem Gebäudebegriff zuzuordnen. In diesem Sinne wird auch im § 6 Abs. 3 der Bauordnung für Wien der Begriff "Wohngebäude" verwendet. Es spricht nichts dafür, daß der Gesetzgeber insoweit mit dem Ausdruck "Gebäude" im § 101 Abs. 1 der Bauordnung für Wien eine andere Bedeutung verbindet. Soweit Vorschriften, die sich auf Gebäude beziehen, auch auf Gebäudeteile, wie Balkone, anzuwenden sind, ist nach dem normativen Gehalt dieser Vorschriften zu beurteilen.
Mit der Anordnung, Gebäude, die an Nachbargrenzen angebaut werden, gegen das Nachbargrundstück mit Feuermauern abzuschließen, verfolgt der Gesetzgeber die klar erkennbare Absicht, die Ausbreitung eines Brandes auf das Nachbargrundstück zu verhindern oder zu erschweren. Diese Erwägung führt zu dem - durch den Wortsinn gedeckten - Auslegungsergebnis, daß § 101 Abs. 1 der Bauordnung für Wien auch solche - an der Grundgrenze angeordnete - Gebäudeteile erfaßt, welche die Ausbreitung eines Brandes begünstigen können.
Wohl müssen nach § 97 Abs. 7 erster Satz der Bauordnung für Wien u.a. Balkone aus feuerbeständigen Baustoffen heftgestellt sein. Balkone dürfen ferner, wie sich aus § 90 Abs. 1 zweiter Satz und § 110 der Bauordnung für Wien ergibt, nicht zur Lagerung von Brennstoffen verwendet werden. Es bringt aber bereits die bestimmungsgemäße Verwendung von Balkonen mit sich, daß dort brennbare Gegenstände, wie Sitz- und Liegemöbel aus Holz und dergleichen, aufgestellt werden. Da schon dadurch die Gefahr der Ausbreitung eines Brandes auch auf den Grund des Nachbarn gegeben ist, erweist sich nach der dargestellten Rechtslage die Auffassung der belangten Behörde, es müßten die bis zur seitlichen Grundgrenze reichenden Balkone des gegenständlichen Wohnhauses nicht durch Feuermauern abgeschlossen werden, als verfehlt. Aus § 107 Abs. 1 (der Bauordnung für Wien - darnach sind Balkone, freie Gänge, Terrassen, Fußbodenöffnungen, Plattformen, zugängliche flache Dächer und dgl. mit einem standsicheren Geländer gegen Absturz zu versehen, das in der Regel 1 m hoch sein muß - kann entgegen dem Vorbringen der Mitbeteiligten für den Standpunkt der belangten Behörde nichts gewonnen werden. Ihrem klaren normativen Gehalt nach kommt nämlich diese Vorschrift nur dort zum Tragen, wo ohne die Anbringung eines Geländers die Gefahr eines Absturzes gegeben wäre. Dies ist dann, wenn der betreffende Gebäudeteil. durch eine öffnungslose (Feuer-)Mauer abgeschlossen wird, naturgemäß nicht der Fall. Schon unter diesem Gesichtspunkt wäre es verfehlt, § 107 Abs. 1 der Bauordnung für Wien gegenüber § 101 Abs. 1 leg. cit. als lex specialis aufzufassen. Der angefochtene Bescheid war daher in dem im Spruch dieses Erkenntnisses angeführten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGBl. Nr. 4/1975. Das Kostenmehrbegehren der Beschwerdeführer, gerichtet auf den Ersatz der für die 7. und 8. Beschwerdeausfertigung, deren Vorlage nicht erforderlich war, entrichteten Stempelgebühren, war gemäß § 58 VwGG 1965 abzuweisen.
Wien, am
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Normen | BauO Bgld 1926 §101 Abs1 idF vor 1976/018; BauO Wr §134 Abs3 idF vor 1976/018; BauO Wr §60 idF vor 1976/018; BauO Wr §63 Abs1 idF vor 1976/018; BauRallg impl; VwGG §21 Abs1 idF 1976/316; |
Schlagworte | Baurecht allgemein spezielle Zuordnung offen BauRallg12 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1977:1976001950.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAF-56422