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VwGH 25.09.1979, 1933/78

VwGH 25.09.1979, 1933/78

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
LMKV §3 Z18
RS 1
Als auszuweisende Bestandteile in diesem Sinn kommen nur "einfache" Lebensmittel, also nicht deren chemische Bestandteile, aber auch nicht zusammengesetzte Lebensmittel unbestimmten Inhalts in Betracht. Als nach der zitierten Bestimmung alternativ zugelassene "Gattungsbezeichnungen" können nur Oberbegriffe für einfache Lebensmittel gleicher und ähnlicher Art verstanden werden; dabei wird sich die Grenze im Einzelfall an dem sich aus der teleologischen Bestimmung der Norm gestützten Bedürfnis der Konsumenten nach sachgerechter Information zu orientieren haben (Hinweis E , 0756/78); keinesfalls kann der Begriff "Gattungsbezeichnung" hier als Unterbegriff von "Lebensmittel" verstanden werden. Die Bezeichnung "Öl" reicht nach der derzeitigen Gesetzeslage bei Sardinen aus (Größenschluß aus § 4 Abs 1 Z 32 LMKV 1973).
Normen
LMKV
VStG §1
RS 2
Gerade bei Blankettstrafnormen muss die Abgrenzung des erlaubten vom unerlaubten Verhalten so eindeutig erkennbar sein, dass jeder berechtigte Zweifel des Normunterworfenen über den Inhalt seines pflichtgemäßen Verhaltens ausgeschlossen ist (Hinweis E vom , 1376/77). Es muss daher auch das von dem jeweils Verantwortlichen erwartete Verhalten in der LMKV so eindeutig umschrieben sein, dass berechtigte Zweifel am Inhalt ausgeschlossen sind.
Norm
VwGG §59 Abs2 lita
RS 3
Wurde in der Beschwerde nur ein Schriftsatzaufwand von weniger als S 2.400,-- geltend gemacht, obwohl hiefür ein Pauschbetrag von S 2.400,-- vorgesehen ist, vor der mündlichen Verhandlung jedoch der volle Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand (S 2.400,--) verzeichnet, so ist das Kostenmehrbegehren (hier: S 240,--) wegen nicht rechtzeitiger Einbringung zurückzuweisen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 0957/75 E RS 2

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rath und die Hofräte Mag. Kobzina, Mag. Öhler, Dr. Würth und Dr. Hnatek als Richter, im Beisein des Richters Dr. Gerhard als Schriftführer, über die Beschwerde der SG in K, vertreten durch Dr. Leo Kaltenbäck, Rechtsanwalt in Graz, Kaiserfeldgasse 15, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. GZ 12-172 G 29/4-1978, betreffend Übertretung der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Be-richters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Leo Kaltenbäck, sowie des Vertreters der belangten Behörde, Landesregierungsrat Dr. FW, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 7.202,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das „Mehrbegehren“ wird abgewiesen.

Begründung

Nach dem Spruch des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom wurde am durch Organe des städtischen Marktamtes Villach bei der Firma H, W Gasse, eine Probe Sardinen gelb-schwarz-rot lackiert, Deckelprägung „CA 5 1975 Espana“, Bodenprägung „Espana“ Dose mit der Aufschrift „montecillos Spanische Sardinen in Öl - 130 - Sterilisierte Ware“, welche zum Verkauf bereitgehalten waren, entnommen und bei der Untersuchung festgestellt, daß die genauere Sachbezeichnung des verwendeten Öles fehlt. Die Beschwerdeführerin als „dafür“ Verantwortliche habe „dadurch“ eine Verwaltungsübertretung nach § 3 Z. 18 der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973 (LMKV 1973) begangen; gemäß § 74 Abs. 5 Z. 1 LMG 1975 werde gegen die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe von S 500,--, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Arreststrafe in der Dauer von 24 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurden Kosten für die Probeuntersuchung an der Landwirtschaftlich-chemischen Versuchs- und Lebensmittel-Untersuchungsanstalt für Kärnten vorgeschrieben.

Begründend wies die Strafbehörde erster Instanz darauf hin, daß „im Gutachten ... festgestellt“ worden sei, daß die genaue Sachbezeichnung des verwendeten Öles fehle. Der Rechtfertigung der Beschwerdeführerin, daß dieselbe Bezeichnung von anderen Behörden nicht beanstandet worden sei, könne nicht gefolgt werden, da es nicht Aufgabe der Behörde sei, festzustellen, aus welchem Grund seinerzeit die Ware nicht beanstandet worden sei. Als „Tatsache“ sei „festzuhalten“, daß von der zitierten Anstalt die Ware begründet beanstandet worden sei, weshalb der strafbare Tatbestand als erwiesen anzunehmen sei. Mit dem angefochtenen Bescheid gab der Landeshauptmann von Steiermark der Berufung keine Folge und bestätigte das Straferkenntnis. Begründend führte die nunmehr belangte Behörde aus, daß es bei der Deklaration der Bestandteile von Fischkonserven im Sinn des § 3 Z. 18 LMKV 1973 erforderlich sei, das zur Verwendung gelangte Öl näher zu kennzeichnen, weil die alleinige Angabe von „Öl“ nicht ausreiche. Nach den Richtlinien des Österreichischen Lebensmittelbuches, 2. Auflage, Heft 12, als Auslegungsgrundlage würden unvermischte Öle nach der Samen- oder Fruchtart bezeichnet (z. B. Olivenöl, Sojaöl, Sonnenblumenöl etc.), verschnittene Öle hingegen dürften nur als „Speiseöl“ oder „Tafelöl“ bezeichnet werden. Bei der Anführung der Bestandteile wäre daher das verwendete Öl zumindest dem Rahmen der oben angeführten Gattungsbezeichnung zuzuordnen gewesen, da die alleinige Bezeichnung „Öl“ keine Beurteilung durch den Konsumenten zulasse, zu dessen Schutz die LMKV in erster Linie geschaffen worden sei. Daran vermöge auch der Hinweis auf § 4 Abs. 1 Z. 32 LMKV 1973 nichts zu ändern, der den Umfang der Kennzeichnung der Speiseöle und Speisefette zum Gegenstand habe, die als solche auf den Markt gebracht würden. Diese Bestimmung könne nicht „in einen Topf“ mit § 4 Abs. 1 Z. 2 LMKV 1973 geworfen werden, dem eine ganz andere Grundlage zukomme und die einen anderen Zweck verfolge. Außerdem enthalte § 4 Abs. 1 Z. 32 LMKV 1973 bereits selbst die geforderte genaue Bezeichnung, nämlich Speise-Öl usw., sodaß auch aus dem Wortlaut dieser Bestimmung heraus eine Erklärung und Bestätigung der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht möglich sei. Wenn die Beschwerdeführerin vorbringe, daß ihr ein Rechtsirrtum zugute komme, da sie auf Grund eines eingeholten Gutachtens einer Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung habe annehmen können, über eine ausreichend bezeichnete Ware zu verfügen, und auch andere Behörden (insbesondere, Zoll) die importierte Ware ohne Beanstandung akzeptiert hätten, so müsse ihr entgegengehalten werden, daß eine Beurteilung dieser Frage wohl nur von den hiezu berufenen Stellen erfolgen könne. Da die Ware unter der verantwortlichen Leitung der Beschwerdeführerin in Verkehr gebracht worden sei, habe sie auch das Fehlen ausreichender Kennzeichnungselemente verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten. Als Leiterin einer bedeutenden Filiale der Lebensmittelbranche sei ihr die genaue Kenntnis der einschlägigen lebensmittelrechtlichen Vorschriften zuzumuten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung erwogen:

Das von der belangten Behörde vermißte Kennzeichnungselement nach § 3 Z. 18 der durch § 77 Abs. 1 Z. 19 des Lebensmittelgesetzes 1975 in den Gesetzesrang erhobenen Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973, BGBl. Nr. 627, (LMXV 1973) betrifft „Bestandteile - ausgenommen Wasser, soweit dessen Zusatz der Verkehrsauffassung entspricht, und Zusatzstoffe - in absteigender Reihenfolge ihres Anteiles oder ihrer Bedeutung, wobei Gattungsbezeichnungen verwendet werden dürfen“. Nie der Gerichtshof in dem grundlegenden Erkenntnis vom , Zl. 756/78, auf dessen Entscheidungsgründe im Sinne des Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung (BGBl. Nr. 45/1965) verwiesen wird, ausführlich dargelegt hat, kommen als auszuweisende „Bestandteile“ im Sinne des § 3 Z. 18 LMKV 1973 einerseits nur „einfache“ Lebensmittel, also nicht deren chemische Bestandteile, andererseits auch nicht zusammengesetzte Lebensmittel unbestimmten Inhalts in Betracht. Unter den nach der zitierten Bestimmung alternativ zugelassenen „Gattungsbezeichnungen“ können nur Oberbegriffe für einfache Lebensmittel gleicher oder ähnlicher Art verstanden werden; dabei wird sich die Grenze im Einzelfall an dem sich aus der teleologischen Bestimmung der Norm gestützten Bedürfnis der Konsumenten nach sachgerechter Information zu orientieren haben.

Die belangte Behörde stützt ihre Annahme, derzufolge die Angabe von „Öl“ nicht ausreiche, sondern das zur Verwendung gelangte Öl näher zu kennzeichnen sei, darauf, daß nach den Richtlinien des Österreichischen Lebensmittelbuches, 2. Auflage, Heft 12, unvermischte Öle nach der Samen- oder Fruchtart (z. B. Olivenöl, Sojaöl, Sonnenblumenöl etc.), verschnittene Öle hingegen als „Speiseöl“ oder „Tafelöl“ zu bezeichnen seien. Selbst wenn man diese Richtlinien bei der Auslegung der LMKV 1973 heranzöge, ist demgegenüber nicht zu erkennen, inwiefern die für verschnittene Öle zulässige Bezeichnung „Speiseöl“ oder „Tafelöl“ zu einer besseren Information der Konsumenten beitragen könnte. Denn selbst die belangte Behörde behauptet nicht, daß im vorliegenden Zusammenhang der Begriff „Öl“ beim Konsumenten höhere Qualitätsvorstellungen als der Begriff „Tafelöl“ hervorrufe.

Darüber hinaus verkennt die belangte Behörde, wie insbesondere durch die Gegenschrift klargestellt wurde, das Wesen des Begriffes der „Gattungsbezeichnung“ nach 3 Z. 18 LMKV 1973, wenn sie annimmt, daß „Gattungsbezeichnung“ der Unterbegriff eines Lebensmittels sei. Wie sich aus dem in dieser Hinsicht klaren Gesetzestext ergibt, wonach Gattungsbezeichnung verwendet werden dürfen, stellt der Begriff „Gattungsbezeichnungen“ gegenüber jenem des „Bestandteiles“ (worunter regelmäßig ein einfaches Lebensmittel zu verstehen sein wird) den weiteren Begriff dar.

Die belangte Behörde irrte jedoch auch, wenn sie den schon in der Berufung erfolgten Hinweis der Beschwerdeführerin auf § 4 Abs. 1 Z. 32 LMKV 1973 damit abtat, daß es sich dabei um eine Bestimmung handle, der eine ganz andere Grundlage zukomme und die einen anderen Zweck verfolge. Daß zwischen dem Bestandteil „Öl“ in Lebensmitteln und der Bezeichnung „Speiseölen kein rechtserheblicher Unterschied besteht, wurde bereits dargelegt. Wenn der Gesetzgeber in der vorzitierten Bestimmung für „Speiseöle“ und „Speisefette“, wenn sie gesondert angeboten werden, keinerlei nähere Herkunftsangabe oder sonstige Spezifikation fordert, dann muß dies schon kraft Größenschlusses erst recht für jene Fälle gelten, in denen Speiseöle als Bestandteil zusammengesetzter Lebensmittel; also auch im vorliegenden Fall des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a LMKV 1973 aufzuscheinen haben.

Der belangten Behörde ist daher zwar einzuräumen, daß möglicherweise ein Interesse des Konsumenten daran bestehen mag, das verwendete Öl nach dessen Herkunft in die verschiedenen Ölarten aufzugliedern, allenfalls auch unter Angabe des jeweiligen Mengenverhältnisses; der Gerichtshof kann indes keinerlei gesetzliche Grundlage für eine derartige Forderung finden.

Darüber hinaus darf gemäß § 1 Abs. 1 VStG 1950 als Verwaltungsübertretung eine Tat nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war. Nach dem sich daraus ergebenden Grundsatz „nulla poena sine lege“ muß gerade bei Blankettstrafnormen die Abgrenzung des erlaubten vom unerlaubten Verhalten so eindeutig erkennbar sein, daß jeder berechtigte Zweifel des Normunterworfenen über den Inhalt seines pflichtgemäßen Verhaltens ausgeschlossen ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1376/77). Für die Anwendung der Strafbestimmung des § 74 Abs. 5 Z. 1 LMG 1975 bedeutet dies, daß die Annahme einer Verwaltungsübertretung voraussetzt, daß das von dem jeweiligen Verantwortlichen erwartete Verhalten in den Bestimmungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973 auf eine berechtigte Zweifel am Inhalt ausschließende Weise umschrieben ist. Auch diese Überlegungen würden im vorliegenden Fall zur Verneinung des Vorliegens einer Verwaltungsübertretung führen.

Da die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid also zu Unrecht eine Verwaltungsübertretung durch Verletzung des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a in Verbindung mit § 3 Z. 18 LMKV 1973 angenommen hat, belastete sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf die Frage bedurfte, ob sich die belangte Behörde mit dem von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsirrtum als Grundlage ihres Entlastungsbeweises hinreichend auseinandergesetzt hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542, jedoch beschränkt durch das Begehren (der rechtzeitig geltend gemachte, jedoch eingeschränkte Schriftsatzaufwand kann in der mündlichen Verhandlung nicht mehr ausgedehnt werden). Hingegen konnten die verzeichneten Stempelgebühren nur in dem Ausmaß zugesprochen werden, in dem sie zur Rechtsverfolgung notwendig waren. Der Anspruch auf gesonderten Ersatz von Umsatzsteuer ist im Gesetz überhaupt nicht gedeckt.

Wien, am

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Normen
LMKV
LMKV §3 Z18
VStG §1
VwGG §59 Abs2 lita
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1979:1978001933.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
EAAAF-56359