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VwGH 12.12.1978, 1929/78

VwGH 12.12.1978, 1929/78

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
VStG §1 Abs4;
RS 1
Eine reformatio in peius liegt nicht vor, wenn die Berufungsbehörde in Abänderung der rechtlichen Subsumtion das dem Beschuldigten angelastete Verhalten als zwei Verwaltungsübertretungen beurteilt, wogegen die Behörde erster Instanz vom Vorliegen nur einer Verwaltungsübertretung ausgegangen war, sofern insgesamt keine höhere Strafe verhängt wurde.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rath und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Herberth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsrat Dr. Thumb, über die Beschwerde des FK in S, vertreten durch Dr. Josef Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, Anichstraße 10/I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ve-550-217/48, betreffend Verwaltungsstrafen nach der Tiroler Bauordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer hat dem Bundesland Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2628/76, zu verweisen. Mit diesem Erkenntnis war der damals angefochtene Bescheid der Tiroler Landesregierung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes deswegen aufgehoben worden, weil nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes durch das dem Beschwerdeführer angelastete Verhalten in Wahrheit zwei Straftatbestände des § 5 Abs. 1 lit. a der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 42/1974, erfüllt worden waren und daher die Verwaltungsstrafbehörde zwei Strafen hätte verhängen müssen. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes Rechnung getragen und das dem Beschwerdeführer angelastete Verhalten, soweit ihm vorgeworfen worden war, ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne Bewilligung ausgeführt zu haben, als Verwaltungsübertretung nach § 53 Abs. 1 lit. a erster Halbsatz TBO und, soweit das Bauvorhaben vor Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung ausgeführt worden war, als Verwaltungsübertretung nach § 53 Abs. 1 lit. a zweiter Halbsatz TBO qualifiziert und gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 2 desselben Gesetzes jeweils eine Strafe von S 7.500,--, im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils sieben Tagen, verhängt. Der angefochtene Bescheid wurde damit begründet, dass die Tiroler Landesregierung unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes vom Vorliegen zweier Straftatbestände habe ausgehen müssen. Die damit vorgenommene Änderung stelle keine reformatio in peius dar, weil das dem Beschwerdeführer in erster Instanz angelastete Verhalten nur rechtlich anders gewürdigt worden und auch in der Strafe keine Verschärfung eingetreten sei. Abschließend wurde die Strafbemessung begründet.

In der Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, die belangte Behörde habe den Grundsatz des Verbotes der reformatio in peius verletzt und hinsichtlich der Übertretung des ersten Halbsatzes des § 53 Abs. 1 lit. a TBO liege Verfolgungsverjährung vor.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Auffassung, eine reformatio in peius liege vor, begründet der Beschwerdeführer damit, dass er nunmehr wegen der Übertretung zweier Delikte, dem Bescheid der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz jedoch lediglich wegen eines Deliktes bestraft worden sei. Es unterliege nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keinem Zweifel, dass Vorstrafen, insbesondere wenn sie auf der gleichen schädlichen Neigung beruhten, bei der Strafbemessung nach § 19 VStG 1950 einen Erschwerungsgrund darstellten. Gerade die präsumtive Möglichkeit der Behörde, in Hinkunft bei Begehung eines Deliktes bei der Strafbemessung auf zwei einschlägige Vorstrafen zu verweisen und damit eine entsprechende Straferhöhung zu verbinden, stelle für den Beschwerdeführer eine Verschlechterung gegenüber der Entscheidung der Behörde erster Instanz dar. Außerdem stelle nach § 53 Abs. 2 TBO der "Wiederholungsfall" einen gravierenden Erschwerungsgrund dar.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es ein allgemeiner Grundsatz jedes Strafverfahrens, dass ein ausschließlich zu Gunsten des Bestraften ergriffenes Rechtsmittel niemals zu einer strengeren Verurteilung führen darf - Verbot der reformatio in peius (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N.F. Nr. 890/A u. a.). Dem Beschwerdeführer ist darin zuzustimmen, dass eine reformatio in peius nicht nur dann vorliegt, wenn eine strengere oder höhere Strafe ausgesprochen wird, sondern etwa auch dann, wenn die ursprüngliche Strafe aufrechterhalten wird, obwohl einer von mehreren Übertretungstatbeständen weggefallen ist. Im vorliegenden Fall ist jedoch weder ein Übertretungstatbestand weggefallen noch wurde das angelastete Verhalten eingeschränkt:

vielmehr wurde das Verhalten des Beschwerdeführers in Abänderung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses rechtlich anders subsumiert. Darin aber, dass die Berufungsbehörde in Abänderung der rechtlichen Subsumtion dasselbe inkriminierte Verhalten nunmehr als zwei Verwaltungsübertretungen wertete, ist eine reformatio in peius nicht gelegen. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in einem künftigen Verfahren durch die nunmehrige Subsumtion des ihm angelasteten Verhaltens als zwei Verwaltungsübertretungen schlechter gestellt sein könnte, vermag eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Sinne einer reformatio in peius nicht darzutun. In Bindung an die in seinem Erkenntnis vom ausgedrückte Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes hatte vielmehr die belangte Behörde, wie sie in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt, von zwei Verwaltungsübertretungen auszugehen, deren Tatbestandsmäßigkeit auch der Beschwerdeführer nicht bestreitet.

Der Beschwerdeführer bringt unter dem Gesichtspunkt der Verfolgungsverjährung noch vor, im Jahre 1975 sei eine Verfolgungshandlung nur wegen Übertretung nach dem zweiten Halbsatz des § 53 Abs. 1 lit. a TBO gesetzt worden, wie sich aus dem Beschuldigtenladungsbescheid der Strafbehörde erster Instanz vom ergebe. Hinsichtlich der Übertretung nach dem erster Halbsatz der erwähnten Gesetzesstelle sei keine Verfolgungshandlung gesetzt worden. Mit dem erwähnten Beschuldigtenladungsbescheid war dem Beschwerdeführer angelastet worden, das Bauvorhaben auszuführen, welchem mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom die rechtliche Grundlage entzogen worden und für welches seither keine rechtskräftige Baubewilligung erteilt worden sei. Damit wurde aber dem Beschwerdeführer angelastet, einerseits nach Aufhebung der zunächst erteilten baubehördlichen Bewilligung ein Bauvorhaben ohne Baubewilligung ausgeführt zu haben und andererseits, dass eine rechtskräftige Baubewilligung noch nicht vorliege. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom wurde das dem Beschwerdeführer angelastete Verhalten in der gleichen Weise umschrieben; die Strafbehörde erster Instanz ging hiebei davon aus, dass der neuerliche Baubewilligungsbescheid erst mit der Erlassung des Berufungsbescheides des Gemeindevorstandes der Gemeinde Seefeld rechtskräftig werde. Dem Beschwerdeführer war also rechtzeitig angelastet worden, einerseits ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne Bewilligung und andererseits vor Eintritt der Rechtskraft der später erteilten Baubewilligung ausgeführt zu haben. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verfolgungsverjährung liegt daher nicht vor.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie der Verordnung BGBl. Nr. 542/1977.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
VStG §1 Abs4;
Sammlungsnummer
VwSlg 9722 A/1978
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1978:1978001929.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
RAAAF-56346