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VwGH 03.05.1976, 1895/75

VwGH 03.05.1976, 1895/75

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BauO Bgld 1969 §94 Abs1;
BauRallg impl;
RS 1
Nachbarn sind die Eigentümer jener Liegenschaften, die zu der zur Verbauung vorgesehene Liegenschaft in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, daß der geplante Bau oder dessen konsensgemäße Benützung Einwirkungen auf diese Liegenschaften ausüben können, zu deren Abwehr die Bauordnung eine Handhabe bietet. Der Umstand, daß die in Betracht kommende Liegenschaften nicht aneinandergrenzen, sondern - etwa durch eine Straße - von einander getrennt sind, schließt die Nachbareigenschaft nicht aus. (Hinweis auf E vom , Zl. 2324/64, VwSlg 6670 A/1965, , Zl. 0089/68)
Normen
BauO Bgld 1969 §86 Abs1;
BauRallg impl;
RS 2
§ 86 Abs 1 der Bgld. BauO zählt zu jenen Vorschriften, die auch den Schutz der Nachbarn vor Immissionen zum Gegenstand haben. Eine auf diese Gesetzesstelle gestützte "Einwendung ist daher nach § 94 Abs 3 leg cit als öffentlich-rechtliche Einwendung" zu behandeln.
Normen
BauO Bgld 1969 §86 Abs1;
BauRallg impl;
RS 3
Die durch § 86 Abs 1 der Bgld. BauO anerkannten subjektiven öffentlichen Nachbarrechte erstrecken sich auch auf die Sicherung einer KÜNFTIGEN gesetzmäßigen Bebauung des Nachbargrundes. (Hinweis auf E vom , Zl. 0509/72)
Normen
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
RS 4
Einem vor der Einbringung der Berufung gefaßten Gemeinderatsbeschluß kann keinesfalls die rechtliche Bedeutung einer Entscheidung über die Berufung zukommen.
Norm
AVG §66 Abs4;
RS 5
Die Berufungsbehörde hat auch dann, wenn das Mitspracherecht des Berufungswerbers auf bestimmte Belange eingeschränkt ist, "in der Sache", im Baubewilligungsverfahren demnach darüber zu entscheiden, ob die Bewilligungsvoraussetzungen gegeben sind. (Hinweis auf E vom , Zl. 1381/56, VwSlg 4725 A/1958, vom , Zl. 0477/66, VwSlg 6979 A/1966, vom , Zl. 1957/70, VwSlg 8123 A/1971)
Normen
AVG §8 impl;
BauO Bgld 1969 §10 Abs3;
BauRallg impl;
RS 6
Die Nachbarn haben zwar im Verfahren zur Bauplatzerklärung keine Parteistellung, sie können aber gerade deswegen Widersprüche eines Bauvorhabens zu objektiven Rechtsordnung auch in den bei der Bauplatzerklärung zu behandelnden Belangen insoweit im Baubewilligungsverfahren geltend machen, als dadurch ihre subjektiven Rechte berührt werden.
Norm
BauO Bgld 1969 §10;
RS 7
Die Bauplatzerklärung hat unter Beachtung der zur Zeit der Erlassung des Bauplatzerklärungsbescheides geltenden generellen Bebauungsbestimmungen den Rahmen abzustecken, innerhalb dessen - auch sonst dem Gesetz entsprechende - Bauführungen zulässig sind.
Norm
BauO Bgld 1969 §10;
RS 8
Auch vor jedem Zu- oder Umbau, dem nach den Merkmalen des § 13 Abs 5 der Bgld. BauO rechtliche Bedeutung zukommt, ist die Bauplatzerklärung erforderlich.
Normen
AVG §13 Abs3;
BauO Bgld 1969 §90;
RS 9
Das Fehlen des Ansuchens um Bauplatzerklärung ist im Wege des § 13 Abs 3 AVG 1950 nicht behebbar.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Striebl und die Hofräte Dr. Hrdlicka, Dr. Straßmann, Dr. Liska und Öhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weitzer, über die Beschwerde des RW in M, vertreten durch Dr. Anton Schleicher, Rechtsanwalt in Oberpullendorf, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom , Zl. X-W-27/3-1975 (mitbeteiligte Parteien: 1.) JW in M, 2.) VZ vertreten durch Dr. Walter Hatvagner, Rechtsanwalt in Oberwart, und 3.) Gemeinde Mischendorf vertreten durch den Bürgermeister), betreffend eine Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte bei der Gemeinde Mischendorf die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer "Wirtschaftshalle" (dem Bauplan zufolge im wesentlichen als Rinderstall bestimmt), von drei Silos und von zwei Güllegruben auf einem Grundstück der Katatstralgemeinde R. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erging hierüber der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Mischendorf vom , mit dem dem Beschwerdeführer gemäß § 88 Abs. 1 sowie § 93 Abs. 4 im Zusammenhalt mit § 108 der Burgenländischen Bauordnung, LGBl. Nr. 13/1970, nach Maßgabe der Baupläne und der Baubeschreibung die Baubewilligung erteilt wurde.

In Entsprechung einer schriftlichen "Reklamation" der Mitbeteiligten JW und VZ - beide sind nach der Aktenlage Eigentümer von Grundstücken, welche von dem vom Beschwerdeführer in Aussicht genommenen Bauplatz nur durch einen Güterweg getrennt sind - stellte diesen das Gemeindeamt Mischendorf den angeführten Bewilligungsbescheid nachträglich zu.

Daraufhin erhoben die Mitbeteiligten folgende Berufung:

"Gegen den Bescheid, gerichtet an Herrn WR ... erhebe ich als

Anrainer Berufung und begründe diese wie folgt:

Herr RW errichtete einen Holzsilo, welcher weder dem von der Gemeinde festgelegten Abstand zur Straßenachse, noch den anderem Bestimmungen der Burgenländischen Bauordnung entspricht. Als Anrainer möchte ich den Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz und die zuständigen Gemeinderäte ersuchen, meinem Wunsche zu entsprechen . ...".

Mit dem Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Mischendorf vom wurde unter Berufung auf § 66 Abs. 2 AVG 1950 der Bescheid des Bürgermeisters dieser Gemeinde vom aufgehoben und die Bauangelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verwiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, es sei im erstinstanzlichen Verfahren die zwingende Vorschrift des § 10 der Burgenländischen Bauordnung "unterlassen" worden, wonach Bauführungen auf Grundflächen nur dann bewilligt werden dürften, wenn diese Grundflächen in einem gesondert durchgeführten Verfahren für die Bebauung geeignet erklärt worden seien (Bauplatzerklärung). Außerdem seien nach § 92 der Burgenländischen Bauordnung zur mündlichen Verhandlung alle Beteiligten und Parteien, der Verfasser der Pläne und der bestellte Bauführer unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG 1950 zu laden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung. Darin hieße es u. a., es sei die Berufung der Mitbeteiligten vom Gemeinderat "bei der Gemeinderatssitzung am " abgewiesen worden. Somit sei der Bewilligungsbescheid vom in Rechtskraft erwachsen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung gemäß § 79 Abs. 3 und § 77 der Burgenländischen Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 37/1965, als unbegründet abgewiesen.

In der Beschwerde wird vorgebracht, es sei der Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom rechtskräftig, weil der Gemeinderat der Gemeinde Mischendorf in seiner Sitzung vom die Berufung der Mitbeteiligten gegen diesen Bescheid zurückgewiesen habe. Dies sei dem Beschwerdeführer von einem Mitglied des Gemeinderates mitgeteilt worden. Ein Bescheid sei - so führt der Beschwerdeführer an einer anderen Stelle der Beschwerde aus - auf Grund dieser Entscheidung des Gemeinderates nicht erlassen worden. Der Bescheid des Gemeinderates vom sei somit nichtig. Es sei ferner eine Bauplatzerklärung nicht erforderlich gewesen, weil es sich bei dem Bauvorhaben um einen Ein- und Umbau eines bereits bestehenden Rinderstalles handle. Weiters seien die Mitbeteiligten nicht als Nachbarn anzusehen, weil deren Anwesen von dem Silo 15 m bzw. 20 m entfernt seien; dazwischen liege ein 9 m breiter Güterweg. Die Mitbeteiligten seien einer belästigenden Geruchseinwirkung nicht ausgesetzt. Es liege wohl eine Immission vor; diese sei aber nur insoweit zu untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreite und die ortsübliche Nutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtige. Dies sei nach den gegebenen örtlichen Verhältnissen nicht der Fall. Es kämen hier die Bestimmungen des § 364 Abs. 2 ABGB zur Anwendung. Bei einem Rinderstall und bei einem Silo könne wohl nicht von einer Geruchsbelästigung gesprochen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen

Für die Parteistellung im Baubewilligungsverfahren sind nicht, wie in der Beschwerde zum Ausdruck gebracht wird, die Vorschriften des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, sondern jene des öffentlichen Rechts maßgebend.

Im § 94 Abs. 1 der Burgenländischen Bauordnung wird bestimmt:

Nachbarn sind im Verfahren gemäß § 92 Parteien (§ 8 AVG 1950). Der Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, dass er durch das Vorhaben in seinem subjektiven Recht verletzt wird.

Der Begriff "Nachbar" wird in der Burgenländischen Bauordnung nicht näher umschrieben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von welcher abzugehen im Beschwerdefall kein Anlass besteht, sind Nachbarn die Eigentümer jener Liegenschaften, die zu der zur Verbauung vorgesehenen Liegenschaft in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, dass der geplante Bau oder dessen konsensgemäße Benützung Einwirkungen auf diese Liegenschaften ausüben können, zu deren Abwehr die Bauordnung eine Handhabe bietet. Somit begründet bereits die Möglichkeit, dass solche Einwirkungen ausgeübt werden, die Eigenschaft als Nachbar. Der Umstand, dass die in Betracht kommenden Liegenschaften nicht aneinander grenzen, sondern - etwa durch eine Straße - voneinander getrennt sind, schließt die Nachbareigenschaft nicht aus (vgl. die Erkenntnisse vom , Slg. N. F. Nr. 6670/A, und vom , Zl. 89/68).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid auf die Vorschrift des § 86 Abs. 1 der Burgenländischen Bauordnung hingewiesen, derzufolge Stallungen, Düngerstätten, Silos udgl. von Straßen und fremden Gebäuden, unbeschadet der sonstigen Abstandsvorschriften, soweit entfernt sein müssen, dass sie für die Straßenbenützer und Bewohner keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigungen verursachen. § 86 Abs. 1 leg. cit. zählt seinem klaren Wortsinn nach zu jenen Vorschriften, die auch den Schutz der Nachbarn vor Immissionen zum Gegenstand haben; eine auf diese Gesetzesstelle gestützte Einwendung ist daher nach § 94 Abs. 3 leg. cit. als "öffentlich-rechtliche Einwendung" zu behandeln. Unter diesem Gesichtspunkt kommt wohl die Verletzung eines subjektiven öffentlichen Nachbarrechtes nur dann in Betracht, wenn "Bewohner" von "fremder Gebäuden" Belästigungen ausgesetzt sein können. Durch den vom Beschwerdeführer in der Beschwerde und in seiner Äußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde angeführten Umstand, dass die auf den Liegenschaften der Mitbeteiligten bestehenden Objekte nicht ausschließlich Wohnzwecken dienten und eines dieser Objekte "seit über zwei Jahren" zur Einlagerung landwirtschaftlicher Produkte verwendet werde, wird aber diese Möglichkeit schon deshalb nicht ausgeschlossen, weil in der Vorschrift des § 86 Abs. 1 der Burgenländischen Bauordnung nicht auf den Schutz der Bewohner bestehender Gebäude abgestellt wird, sodass sich die durch diese Bestimmung anerkannten subjektiven öffentlichen Nachbarrechte auch auf die Sicherung einer künftigen gesetzmäßigen Bebauung des Nachbargrundes erstrecken (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 509/72). Dafür, dass auf den Liegenschaften der Mitbeteiligten Wohngebäude überhaupt unzulässig wären, findet sich in der Aktenlage kein Anhaltspunkt; auch vom Beschwerdeführer wird Derartiges nicht behauptet. Da ferner auch auf dem Boden des Beschwerdevorbringens, es seien die "Anwesen" der Mitbeteiligten "von dem Silo" 15 m bzw. 20 m entfernt und es befänden sich in diesem Bereich zahlreiche andere der Landwirtschaft dienende Objekte, nicht von vornherein auszuschließen war, dass die vom Beschwerdeführer geplanten Bauten eine das örtliche Ausmaß übersteigende Belästigung durch Geruch erwarten ließen, erweist sich die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Auffassung der belangten Behörde, es seien die Mitbeteiligten dem Bewilligungsverfahren als Parteien zuzuziehen gewesen, als nicht rechtswidrig. Nach der dargestellten Rechtslage war in diesem Zusammenhang nicht zu prüfen, ob die Mitbeteiligten durch die in erster Instanz erteilte Baubewilligung, wie in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt wurde, in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt wurden. (Angemerkt sei hier, dass der Begründung eines auf Abweisung lautenden Bescheides der Vorstellungsbehörde keine bindende Wirkung für das weitere Verfahren - vgl. § 77 Abs. 6 der Burgenländischen Gemeindeordnung -

zukommt.)

Die Mitbeteiligten konnten als in erster Instanz zunächst übergangene Nachbarn gegen den nachträglich zugestellten Bewilligungsbescheid Berufung erheben und darin ihre Einwendungen vorbringen. Der Beschwerdeführer tritt der dem Berufungsbescheid und dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Annahme, dass die Berufung der Mitbeteiligten das ganze Bauvorhaben erfasse, nicht entgegen. Auch nach der Aktenlage können die Berufungsausführungen der - rechtsfreundlich nicht vertreten gewesenen - Mitbeteiligten in dem Sinne verstanden werden, dass diese damit die schon vorher - am - eingebrachte "Reklamtion", in welcher es u.a. hieß, dass der Beschwerdeführer einen Um- bzw. Neubau seines Wirtschaftsgebäudes beabsichtige, der neben einer Wirtschaftshalle auch drei Hochsilos umfasse, wodurch § 86 der Burgenländischen Bauordnung nicht erfüllt sei, weiter verfolgen wollten. Unter diesem Umständen erblickt der Verwaltungsgerichtshof darin, dass es die Berufungsbehörde unterließ, die Mitbeteiligten zu einer Klarstellung ihres Berufungsvorbringens, in dem - wohl nur erzählend - von "einem Holzsilo" die Rede ist, keinen für den Ausgang des Beschwerdeverfahrens wesentlichen Mangel.

Es trifft zu, dass sich die belangte Behörde mit dem Vorstellungsvorbringen des Beschwerdeführers, es habe der Gemeinderat der Gemeinde Mischendorf über die "Berufung" der Mitbeteiligten schon am "" eine Entscheidung getroffen, nicht auseinander setzte. Darin vermag der Verwaltungsgerichtshof selbst für den Fall, dass am ein Gemeinderatsbeschluss in dieser Angelegenheit zu Stande gekommen sein sollte, keinen wesentlichen Begründungmangel zu erkennen, weil nach der Aktenlage die (rechtzeitig erhobene) Berufung der Mitbeteiligten erst am beim Gemeindeamt einlangte. Einem vor der Einbringung der Berufung gefassten Gemeinderatsbeschluss kann aber die rechtliche Bedeutung einer Entscheidung über die Berufung nicht zukommen. Schon aus diesem Grund konnte der Beschwerdeführer dadurch, dass ein vor dem zustandegekommener Gemeinderatsbeschluss unausgefertigt blieb, in seinen Rechten nicht berührt werden. Daraus ergibt sich, dass im Zeitpunkt der durch die Vorstellung bekämpften Entscheidung des Gemeinderates die Berufung der Mitbeteiligten noch anhängig und somit res iudicata nicht gegeben war.

Die Berufungsbehörde hat auch dann, wenn das Mitspracherecht des Berufungswerbers auf bestimmte Belange eingeschränkt ist, "in der Sache" (§ 66 Abs. 4 AVG 1950), im Baubewilligungsverfahren demnach darüber zu entscheiden, ob die Bewilligungsvoraussetzungen gegeben sind. (vgl. die Erkenntrasse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N. F. Nr. 4725/A, vom , Slg. N. F. Nr. 6979/A, und vom , Slg. N. F. Nr. 8123/A).

Dem Gemeinderat der Gemeinde Mischendorf lag eine zulässige Berufung vor, durch die nicht etwa nur einzelne Teile des Bescheides der Behörde erster Instanz erfasst waren (vgl. zur Frage der Trennbarkeit eines durch Berufung angefochtenen Bescheides das zuletzt angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes). Ungeachtet des Umstandes, dass den Mitbeteiligten als Nachbarn in der Frage, ob eine Bauplatzerklärung vorliege, kein Mitspracherecht zukommt, fiel es daher in die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde, auch das Fehlen der Bauplatzerklärung als einer Bewilligungsvoraussetzung wahrzunehmen. Angemerkt wird in diesem Zusammenhang, dass die Nachbarn zwar im Verfahren zur Bauplatzerklärung keine Parteistellung haben, aber gerade deswegen Widersprüche eines Bauvorhabens zur objektiven Rechtsordnung auch in dem bei der Bauplatzerklärung zu behandelnden Belangen insoweit im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, als dadurch ihre subjektiven Rechte berührt werden.

Mit dem Vorbringen, es sei im vorliegenden Fall, in dem es sich um einen Ein- und Umbau eines bereits bestehenden Rinderstalles handle, eine Bauplatzerklärung nicht erforderlich, verkennt der Beschwerdeführer, dass nach den in Betracht kommenden Vorschriften der Burgenländischen Bauordnung Zu- und Umbauten von dem Erfordernis der Bauplatzerklärung nicht schlechthin ausgenommen sind. Nach § 10 Abs. 1 leg. cit. dürfen Bauführungen nur auf Grundflächen bewilligt werden, die in einem nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen durchgeführten Verfahren für die Bebauung geeignet erklärt worden sind (Bauplatzerklärung). Nach § 13 Abs. 2 erster Satz leg. cit. ist die Bauplatzerklärung zu versagen, wenn die Grundfläche vom Standpunkt des öffentlichen Interesses für die Bebauung ungeeignet erscheint. Nach § 13 Abs. 5 leg. cit. hat die Baubehörde im Bescheid, mit dem die Bauplatzerklärung ausgesprochen wird, insbesondere festzusetzen:

a)

die Grundfläche, die zum Bauplatz erklärt wird;

b)

soweit es sich nicht um Bundesstraßen handelt, den Verlauf, die Breite (Regelprofile) und die Höhenlage der öffentlichen Verkehrsflächen (§ 9);

c)

die Baulinien

d)

die bauliche Ausnützung der Bauplätze;

e)

die Bebauungsweise;

f)

die maximalen Gebäudehöhen (Geschoßanzahl);

g)

allgemeine Bestimmungen über die äußere Gestaltung der Gebäude,

Einfriedungen, Gebote oder Verbote bestimmter Bauformen oder Bauweisen;

h) die vom Grundeigentümer nach Maßgabe des § 17 zu erfüllenden Verpflichtungen.

Der Behörde obliegt es daher nach diesen Vorschriften, in der Bauplatzerklärung für den einzelnen Bauplatz jene Bebauungsbeschränkungen festzusetzen, an welche sich der Bauwerber im Fall einer Bauführung zu halten hat. Die Bauplatzerklärung hat somit unter Beachtung der zur Zeit der Erlassung des Bauplatzerklärungsbescheides geltenden generellen Bebauungsbestimmungen den Rahmen abzustecken, innerhalb dessen - auch sonst dem Gesetz entsprechende - Bauführungen zulässig sind. Wurde, wie im vorliegenden Fall, für den Bauplatz eine Bauplatzerklärung noch nicht ausgesprochen, dann ist demzufolge vor jedem Zu- oder Umbau, dem nach den Merkmalen des § 13 Abs. 5 der Burgenländischen Bauordnung rechtliche Bedeutung zukommt, die in diesem Gesetz vorgesehene Bauplatzerklärung erforderlich. Da der Gesetzgeber für Zu- und Umhauten, die sich auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Burgenländischen Bauordnung schon bestehenden Baulichkeiten beziehen, keine andere Regelung trifft, sind die Vorschriften der §§ 10 ff dieses Gesetzes auch in einem solchen Fall anzuwenden.

Die Berufungsbehörde konnte im vorliegenden Fall vom Erfordernis einer Bauplatzerklärung schon deshalb ausgehen, weil durch das Vorhaben des Beschwerdeführers eine größere Grundfläche als durch den Altbestand in Anspruch genommen werden soll, wodurch jedenfalls die Merkmale des § 13 Abs. 5 lit. c und d der Burgenländischen Bauordnung berührt werden.

Nach § 90 Z. 4 der Burgenländischen Bauordnung sind dem Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung anzuschließen: "der Nachweis der Bauplatzerklärung und, wenn gleichzeitig um diese angesucht wird, die hiezu erforderlichen Unterlagen (§ 11 Abs. 1)." Nach § 93 Abs. 1 leg. cit. sind Ansuchen gemäß § 90 auf ihre Übereinstimmung mit den Vorschriften dieses Gesetzes und auf ihre Vollständigkeit zu prüfen und zur etwaigen Verbesserung und Ergänzung gemäß § 13 Abs. 3 AVG 1950 zurückzustellen. Nach § 93 Abs. 3 leg. cit. ist das Ansuchen ohne Durchführung einer

mündlichen Verhandlung abzuweisen, "wenn .... keine

Bauplatzerklärung vorliegt und nicht gleichzeitig um Bauplatzerklärung angesucht wird".

Aus diesen Vorschriften ergibt sich einerseits, dass das Fehlen der Bauplatzerklärung dann nicht zur Abweisung des Ansuchens um Erteilung der Baubewilligung führen darf, wenn "gleichzeitig", d. h. - bei Anwendung des hier offensichtlich gebotenen Größenschlusses - spätestens zugleich mit dem Bauansuchen um die Bauplatzerklärung angesucht wurde. Durch die Fassung des § 90 Z. 4 der Burgenländischen Bauordnung wird aber andererseits klargestellt, dass das Fehlen des Ansuchens um Bauplatzerklärung nicht im Wege des § 13 Abs. 3 AVG 1950 behebbar ist, weil nur die nach § 11 Abs. 1 lit. a bis d der Burgenländischen Bauordnung erforderlichen Unterlagen, nicht aber das Ansuchen um Bauplatzerklärung selbst, als Beilagen des Bauansuchens genannt werden. Unterlässt es daher ein Bauwerber, welcher noch keine Bauplatzerklärung erwirkt hat, spätestens gleichzeitig mit der Einbringung des Bauansuchens auch um die Bauplatzerklärung anzusuchen, dann liegt nach § 93 Abs. 3 der Burgenländischen Bauordnung ein zwingender Abweisungsgrund vor.

Nach der Aktenlage hatte der Beschwerdeführer aus Anlass des in Rede stehenden Bauvorhabens weder eine Bauplatzerklärung erwirkt noch ein Ansuchen um Bauplatzerklärung eingebracht. Nach der dargestellten Rechtslage hätte daher die Entscheidung des Gemeinderates der Gemeinde Mischendorf über die Berufung der Mitbeteiligten auf Abweisung des Bauansuchens des Beschwerdeführers lauten müssen.

Der Gemeinderat behob jedoch den Bescheid der Behörde 1. Instanz unter Berufung auf § 66 Abs. 2 AVG 1950. Nach der angeführten Gesetzesstelle darf eine solche Entscheidung nur dann getroffen werden, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. In der Beschwerde wird auch vorgebracht, es habe "der Gemeinderat der Gemeinde Mischendorf in der Sitzung am beschlossen, in einer Bauverhandlung über die Berufung zu entscheiden. Die Bauverhandlung wurde am durchgeführt, bei der Oberregierungsrat Dr. FS als Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Oberwart, der Bausachverständige Ing. WR, der Sachverständige für die Landwirtschaft OLWR Dipl. Ing. EG, der Sachverständige für Güterwegbau Ing. AM, der Sanitätspolizei-Sachverständige Kreisarzt Dr. FH und der Bauführer JS anwesend waren. Die Baukommission hat festgestellt, dass bei meinem Bauvorhaben kein Verstoß gegen die Bestimmungen der Burgenländischen Bauordnung vorliegt."

Dieses Vorbringen stimmt mit der Aktenlage insofern überein, als vom Bürgermeister der Gemeinde Mischendorf für den in der gegenständlichen Angelegenheit eine "Berufungsverhandlung" anberaumt wurde und zu dieser u. a. die in der Beschwerde angeführten Personen geladen wurden. Über das Ergebnis dieser Verhandlung geben zwar die von der belangten Behörde vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens keinen Aufschluss. Da aber die im § 38 Abs. 2 VwGG 1965 bezeichnete Säumnisfolge auch dann eintritt, wenn die Akten des Verwaltungsverfahrens unvollständig vorgelegt werden, hat der Verwaltungsgerichtshof auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers jedenfalls davon auszugehen, dass im Berufungsverfahren eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, bei der die Bauangelegenheit in Anwesenheit der Parteien und mehrerer Sachverständiger erschöpfend behandelt wurde. Damit lagen aber die in § 66 Abs. 2 AVG 1950 angeführten Voraussetzungen für die Behebung des erstinstanzlichen Bescheides nicht mehr vor, weil der der Berufungsbehörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung vorgelegene Sachverhalt keiner Ergänzung durch eine weitere mündliche Verhandlung bedurfte. Der Beschwerdeführer wurde demzufolge durch die Entscheidung der Berufungsbehörde in dem aus § 66 Abs. 2 und 4 AVG 1950 ableitbaren Recht auf Sachentscheidung verletzt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 679/74).

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die Vorstellung abwies, verletzte sie ihrerseits den Beschwerdeführer in dessen Rechten. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandsentschädigung im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGBl. Nr. 4/1975. Das Kostenmehrbegehren, gerichtet auf den Ersatz einem dem Pauschalsatz des Art. I Z. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 4/1975 übersteigenden Schriftsatzaufwandes sowie einer Umsatzsteuer, war gemäß § 58 VwGG 1965 abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §8 impl;
BauO Bgld 1969 §10 Abs3;
BauO Bgld 1969 §10;
BauO Bgld 1969 §86 Abs1;
BauO Bgld 1969 §90;
BauO Bgld 1969 §94 Abs1;
BauRallg impl;
B-VG Art119a Abs5;
Sammlungsnummer
VwSlg 9048 A/1976
Schlagworte
Verhältnis zu anderen Materien und Normen Gemeinderecht Vorstellung
Zulässigkeit der Vorstellung Parteistellung und Rechtsansprüche
der Parteien (außer der Gemeinde) im Vorstellungsverfahren
Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen
Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen
Instanzenzug Zuständigkeit Allgemein
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar Diverses BauRallg5/2
Rechtsnatur und Rechtswirkung der Berufungsentscheidung
Baurecht Nachbar übergangener
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die
Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens
Allgemein
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche
Rechte BauRallg5/1
Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde
Spruch des Berufungsbescheides
Formgebrechen nicht behebbare NICHTBEHEBBARE materielle Mängel
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1976:1975001895.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAF-56254