VwGH 05.05.1970, 1894/68
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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RS 1 | Die Tätigkeit eines Ausstellungsgestalters ist keine künstlerische. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Dr. Kaupp, Hofstätter, DDr. Heller und Dr. Simon als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Smekal, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VI, vom , Zl. VI-3297/1/67, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1962 bis 1965 des Prof. WH in W, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Finanzkommissär Dr. BW, und des Vertreters der mitbeteiligten Partei, Rechtsanwalt Dr. Dietrich Roessler, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte hat die Wiener Kunstgewerbeschule besucht, ist Mitglied des Berufsverbandes bildender Künstler und der Präsidentenkonferenz aller Organisationen der bildenden Künstler Österreichs. Am wurde ihm vom Bundespräsidenten der Titel Professor verliehen. In dem Verleihungsdekret wird der Mitbeteiligte als akademischer Maler und Graphiker bezeichnet.
Das Finanzamt für den 1. Bezirk in Wien gewährte dem Mitbeteiligten für die Jahre 1962 bis 1964 antragsgemäß, ohne weitere Erhebungen zu pflegen, den Freibetrag gemäß § 4 Abs. 1 Z. 13 Umsatzsteuergesetz und beurteilte die Einnahmen des Mitbeteiligten in diesen Jahren als Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
Eine Betriebsprüfung betreffend die Jahre 1962 bis 1965 gelangte jedoch zur Auffassung, daß die Tätigkeit des Mitbeteiligten im Prüfungszeitraum ��berwiegend Werbe- und Gebrauchsgraphik betroffen habe und daher nicht als künstlerische Tätigkeit angesehen werden könne. Daraus ergebe sich die Gewerbesteuerpflicht des Mitbeteiligten; auch auf die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 13 UStG könne er sich nicht berufen.
Das Finanzamt folgte der Auffassung der Betriebsprüfung und erließ am berichtigte Umsatz- und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1962 bis 1964, Gewerbesteuerbescheide für diese Jahre sowie Bescheide für die Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für das Jahr 1965. Gegen diese Bescheide erhob der Mitbeteiligte Berufung an die belangte Behörde, in der er sich auf den Standpunkt stellte, er sei gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) als Künstler freiberuflich tätig. Die Ausstellungsgestaltung des Mitbeteiligten sei mit Werken der Innenarchitekten und Bühnenbildner zu vergleichen. Im Zuge des Berufungsverfahrens zog der Mitbeteiligte die von ihm gegen die die Wiederaufnahme bewilligenden Bescheide erhobene Berufung zurück.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insoweit Folge, daß die gemäß § 303 Abs. 4 der Bundesabgabenordnung (BAO) berichtigten Umsatzsteuerbescheide vom für die Jahre 1962 bis 1964 aufgehoben wurden, wodurch die Erstbescheide für diese Jahre wieder in Kraft traten; ferner wurde der Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 1965 und die Gewerbesteuerbescheide für 1962 bis 1965 teilweise Folge gegeben. Im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Zu der im vorliegenden Beschwerdeverfahren noch strittigen Frage, ob eine künstlerische Tätigkeit des Mitbeteiligten vorgelegen sei, führte die belangte Behörde aus, daß es sich bei den Einnahmen für Freskomalereien, Sgraffitos und ähnliches eindeutig um Einnahmen aus künstlerischer Tätigkeit handle. Der Mitbeteiligte habe die Höhe dieser Einnahmen für 1963 mit S 72.330,--, für 1964 mit S 70.422,-- und für 1965 mit S 92.754,-- glaubhaft gemacht. Diese Beträge hätten 19 bzw. 9 bzw. 11 % des Umsatzes der Jahre 1963 bis 1965 ausgemacht. Die Feststellung der Betriebsprüfung, daß der Mitbeteiligte zu weitaus überwiegendem Teil nicht künstlerisch tätig gewesen sei, sei vom Mitbeteiligten hinsichtlich eines Umsatzteiles von 31 % für 1963 und 1964 und von 43 % für 1965, unbestritten geblieben. Die restlichen 50 % bzw. 60 % bzw. 46 % des Umsatzes 1963 bis 1965 stammten aus Ausstellungsarbeiten, die der Mitbeteiligte ebenfalls für künstlerisch halte. Nach Prüfung der Arbeitsproben für diesen Teil der Tätigkeit des Mitbeteiligten sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, daß sich der Entwurf einer Ausstellungsgestaltung und die zur Durchführung dieses Planes erforderlichen Einzelarbeiten weitgehend mit dem Aufgabenbereich eines Bühnenbildners bzw. eines Bühnen- und Filmgestalters decken. Deren Tätigkeit gelte allgemein als künstlerisch, weshalb die belangte Behörde auch die Umsätze des Mitbeteiligten aus den Ausstellungsarbeiten als Einnahmen aus einer Tätigkeit als Künstler beurteile. Wegen der Schwierigkeit, die einzelnen Einnahmeposten auf ihre Zugehörigkeit zur Gruppe der Einnahmen aus künstlerischer Tätigkeit einerseits oder zur Gruppe der Einnahmen aus kunstgewerblicher Tätigkeit anderseits zu prüfen, sei eine Aufteilung des Umsatzes im Schätzungswege gerechtfertigt. Da der Mitbeteiligte auch qualifizierte Mitarbeiter beschäftigt habe, habe die belangte Behörde den Teil des kunstgewerblichen Umsatzes im Jahre 1963, für das noch die Vervielfältigungstheorie anzuwenden gewesen sei, größer angenommen als in den Jahren 1964 und 1965 und habe eine Schätzung des nicht aus einer künstlerischen Tätigkeit stammenden Umsatzes von 50 % für 1963 und von je 33 1/3 % für 1964 und 1965 für richtig gehalten. Da im Jahre 1962 nach den glaubwürdigen Ausführungen des Mitbeteiligten ähnliche Verhältnisse vorgelegen seien wie im Jahre 1963, habe die belangte Behörde die nichtkünstlerischen Umsätze wie für 1963 ebenfalls mit 50 % des Gesamtumsatzes geschätzt. Die Aufteilung des Gewinnes in Einkünfte aus selbständiger Arbeit und Einkünfte aus Gewerbebetrieb sei mangels Anhaltspunkte für eine andere Regelung im Sinne der Umsatzaufteilung erfolgt.
Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde erhob der Präsident der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Entscheidend sei, ob die Tätigkeit des Mitbeteiligten überwiegend als künstlerische anzusehen sei. Strittig sei hiebei lediglich, ob die Gestaltung von Ausstellungen als künstlerische Tätigkeit gewertet werden könne. Der Beschwerdeführer stellte sich in seiner Beschwerde dazu auf den Standpunkt, das Gestalten von Ausstellungen könne nicht als Leistung in einem umfassenden Kunstfache und daher nicht als künstlerische Tätigkeit gewertet werden. Die Tätigkeit eines Ausstellungsgestalters sei keine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Z. 1 EStG. Da somit der Mitbeteiligte zum überwiegenden Teil auf kunstgewerblichem Gebiet tätig gewesen sei, sei der Gewinn aus seiner gesamten Tätigkeit als Maler und Graphiker der Umsatz- und Gewerbesteuer zu unterziehen. Die künstlerische und nichtkünstlerische Tätigkeit des Mitbeteiligten stünden in einem sachlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang, sodaß die Gesamtbetätigung als Einheit aufzufassen sei.
Der Mitbeteiligte beantragte, die Beschwerde abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Was vorweg die Einwendungen des Mitbeteiligten anlangt, die Erhebung der Beschwerde verstoße gegen Treu und Glauben, da bei der Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde eine einvernehmliche Lösung angestrebt worden sei, weshalb sich der Mitbeteiligte zu einer Einschränkung seiner Berufung herbeigelassen habe, ist dem entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer dadurch in seinem Recht nach § 292 BAO nicht beschränkt werden kann. Im übrigen handelt es sich auch im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Mitbeteiligten sehr wohl um die Lösung strittiger Rechtsfragen und nicht bloß um die Feststellung eines strittig gewesenen Sachverhaltes.
Daran, daß der Beschwerdeführer die vorliegende Beschwerde, die dem Verwaltungsgerichtshof durch das Bundesministerium für Finanzen übermittelt wurde, selbst unterfertigt hat, besteht für die Mitglieder des erkennenden Senates, denen die Unterschrift des Beschwerdeführers aus zahlreichen Beschwerdefällen geläufig ist, kein Zweifel. Auch ist der Beschwerdeführer nach Ansicht des Gerichtshofes befugt, auch bei Beschwerden nach § 292 BAO wie in allen anderen Amtsangelegenheiten einen Beamten der Finanzlandesdirektion mit seiner Vertretung zu betrauen.
Im übrigen ist der Mitbeteiligte jedoch im Recht, wenn er sich gegen die Auffassung des Beschwerdeführers wendet, die gesamte Tätigkeit des Mitbeteiligten sei als Einheit aufzufassen, weil sie in einem engen sachlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang stehe. Im vorliegenden Fall sind die einzelnen vom Mitbeteiligten im strittigen Zeitraum erbrachten beruflichen Tätigkeiten abgrenzbar. Es ist daher im Falle des Mitbeteiligten durchaus möglich, zu untersuchen, ob die durch die einzelnen Tätigkeiten bezogenen Einkünfte solche kunstgewerblicher oder künstlerischer Art sind. In einem solchen Falle kommt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die sogenannte typisierende Betrachtungsweise nicht zur Anwendung, da es nicht zweifelhaft sein kann, daß ein Steuerpflichtiger nebeneinander Einkünfte aus einer gewerblichen und aus einer freiberuflichen Tätigkeit bezieht, soferne diese Tätigkeiten nicht wirtschaftlich als Einheit aufzufassen sind.
Berechtigung kommt der Beschwerde jedoch insoweit zu, als sie sich gegen die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde wendet, die Tätigkeit eines Ausstellungsgestalters sei schlechthin eine künstlerische. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nämlich als Künstler nur derjenige anzusehen, der eine persönliche eigenschöpferische Tätigkeit in einem Kunstzweig auf Grund künstlerischer Befähigung entfaltet. Die Entscheidung der Frage, ob jemand Künstler im Sinne des Abgabenrechtes ist, ist in jenen Fällen leichter, in denen der Betreffende auf Grund seiner abgeschlossenen vollwertigen künstlerischen Hochschulbildung seine Kunst ausübt. Im vorliegenden Fall hat jedoch der Mitbeteiligte selbst angegeben, daß er lediglich die Wiener Kunstgewerbeschule besucht hat. Im übrigen wäre - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 2190/F, ausgesprochen hat - auch bei Personen mit abgeschlossener künstlerischer Hochschulbildung der künstlerische Wert ihrer Leistungen nur dann im Einzelfall nicht nachzuprüfen, so lange diese Leistungen im Bereich ihrer Kunst liege. Soweit sie sich aber praktisch auf wirtschaftlichem Gebiete betätigen und mittypischen Gewerbebetrieben in Wettbewerb treten, muß auch bei ihnen eingehend geprüft werden, ob es sich um eine künstlerische Tätigkeit oder bloß um eine solche handelt, die nicht aus dem Rahmen einer üblichen gewerbsmäßigen Tätigkeit herausfällt. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher auch in seinem Erkenntnis vom , Zl. 1320/68, ausgesprochen, daß es keinem Zweifel unterliegen könne, daß Tätigkeiten wie das Dekorieren von Schaufenstern, die propagandistische Ausgestaltung von Verkaufskojen, der Entwurf von gewöhnlichen Werbeprospekten, Plakaten usw. im allgemeinen nicht als künstlerisch anzusehen seien. Wer auf diesen Gebieten arbeite, werde in der Regel nur als gewerblich tätig anzusehen sein, selbst wenn er dabei manche originelle Leistung erbringt. Mit dieser Entscheidung folgte der Verwaltungsgerichtshof der in seinem Erkenntnis vom , Zl. 476/66, vertretenen Auffassung, daß auch die Ausstattung von Messeständen und die Herstellung von Schaufensterplakaten, Inseraten- und Prospektentwürfen keine künstlerischen Tätigkeiten seien. Dabei handle es sich um Erzeugnisse, für die vor allem der Werbeerfolg bestimmend sei. Das Ziel, Kunstwerke zu schaffen, trete bei solchen Arbeiten hinter dem wirtschaftlichen Zweck in der Regel zurück. Der Verwaltungsgerichtshof hält an der in diesen Erkenntnissen vertretenen Rechtsmeinung fest.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht die Tätigkeit eines Ausstellungsgestalters eher der eines Gestalters von Schaufenstern und Ausstellungskojen als der eines Bühnenbildners. Ein Ausstellungsgestalter erbringt keine Leistung, die als solche primär künstlerische Wirkungen erzielen soll. Sie soll in erster Linie auf den Beschauer werbend einwirken und ihn informieren. Die Tätigkeit eines Ausstellungsgestalters verlangt zwar zweifellos guten Geschmack, originelle Ideen und auch kunstgewerbliche Fähigkeiten, sie ist aber deshalb allein noch keine künstlerische Tätigkeit. Auch die im Akt erliegenden Arbeitsproben lassen, soweit sie die Tätigkeit des Mitbeteiligten als Ausstellungsgestalter betreffen, nicht auf eine künstlerische Tätigkeit schließen, da sie nicht über das hinausgehen, was von einem - allerdings qualifizierten - Kunstgewerbetreibenden bei Gestaltung von Schaufenstern, Ausstellungskojen und Ausstellungsräumen üblicherweise geboten wird. Ebensowenig kann der Ansicht des Mitbeteiligten zugestimmt werden, daß die Erstellung des Gesamtkonzeptes der von ihm ausgerichteten Ausstellungen eine künstlerische Tätigkeit sei. Aus den von ihm vorgelegten Grundrissen ergibt sich kein Hinweis dafür, zumal das Gesamtthema vom Veranstalter vorgegeben war und damit die Art der Exponate feststand. Das Arrangieren derselben ist aber noch keine künstlerische Tätigkeit.
Schließlich kann auch nicht gesagt werden, daß die Tätigkeit des Mitbeteiligten als Ausstellungsgestalter einem im § 18 Abs. 1 Z. 1 EStG aufgezählten Beruf ähnlich sei. Wenn die Aufzählung in der genannten Gesetzesstelle auch nur eine demonstrative ist, so muß doch verlangt werden, daß die betreffende Berufstätigkeit einem der im Gesetz aufgezählten Berufe zumindest ähnlich ist. Dies trifft jedoch für den Fall eines Ausstellungsgestalters nicht zu. Die Auffassung der belangten Behörde, die Tätigkeit des Mitbeteiligten als Ausstellungsgestalter sei eine künstlerische gewesen, ist daher rechtswidrig.
Die Beschwerde erweist sich in diesem Umfang als berechtigt, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben werden mußte.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 4082 F/1970 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1970:1968001894.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-56252