VwGH 27.03.1964, 1882/62
Entscheidungsart: ErkenntnisVS
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Grundstückserwerb zwecks Erfüllung der Verpflichtung des Bauwerbers zur Straßengrundabtretung nach § 17 Wr BauO ist nicht als Erwerb eines Grundstückes nach den für die bessere Gestaltung von Bauland geltenden Vorschriften anzusehen. Die Befreiungsvorschrift des § 4 Abs 1 Z 4 lit b GrEStG 1955 kann daher nicht zur Anwendung kommen. |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
1883/62
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Werner, und den Senatspräsidenten Dr. Ondraczek sowie die Hofräte DDr. Dorazil, Dr. Krzizek, Dr. Mathis, Dr. Eichler, Dr. Rath, Dr. Raschauer und Dr. Frühwald als Richter, im Beisein des Schriftführers, prov. Finanzkommissärs Dr. Blaschek, über die Beschwerden der Dr. OS in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA VIII-735/1/629 und des Dr. LP in W, gegen den Bescheid derselben Behörde vom , Zl. GA VIII-1302/5/629 betreffend Grunderwerbsteuerbefreiung, zu Recht erkannt
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführer (der Zweitbeschwerdeführer Dr. LP gemeinsam mit seiner Ehegattin) hatten im Jahre 1960 zwecks Errichtung von Eigenheimen jeder für sich Grundstücke erworben und hiefür nach ihrem Vorbringen in der Beschwerde bei der Anzeige jedes der Erwerbsvorgänge die Freiheit von der Grunderwerbsteuer gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a des Grunderwerbsteuergesetze 1955, BGBl. Nr. 140/1955 (im folgenden kurz mit GrEStG bezeichnet), geltend gemacht. Diesen Anträgen folgend hatte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern, in Wien eine Abgabe nicht vorgeschrieben.
Zwecks Baureifmachung ihrer Grundstücke verhielt der Magistrat der Stadt Wien als Baubehörde die Beschwerdeführer gemäß den Bestimmungen der §§ 16 und 17 der Bauordnung für Wien vom , LGBl. Nr. 11/1930, in der geltenden Fassung, unbestrittenermaßen mittels Fluchtlinienbescheides vom zum Erwerb kleinerer Baumasken sowie zum Erwerb von in das öffentliche Gut zu Straßenzwecken abzutretenden Grundstücksflächen. Auf Grund dieser aus Anlaß der Bekanntgabe der Fluchtlinien und Höhenlagen für Abteilungszwecke erteilten Auflagen erwarben die Erstbeschwerdeführerin mit Kaufvertrag vom eine vom Grundstück 621/10 Acker, reservierter Straßengrund (vorgetragen unter EZ. 240 im Grundbuch der KG. P) abzutrennende, im Abteilungsplan mit 621/25 bezeichnete Teilfläche im Ausmaß von 84 m2 um einen Betrag von S 10.500,-- (zur Abtretung in das öffentliche Gut bestimmt) und der Zweitbeschwerdeführerin (gemeinsam mit seiner Ehegattin) mit Kaufvertrag, ebenfalls vom , eine in das öffentliche Gut abzutretende Teilfläche im Ausmaß von 44 m2 aus der Parzelle 621/10 Acker, reservierter Straßengrund (EZ. wie oben), um den Betrag von S 5.500,-- (im Abteilungsplan mit 621/20 bezeichnet). Die Erstbeschwerdeführerin erwarb außerdem mit Kaufverträgen vom 27. August und die in die Baufläche einzubeziehenden Baumasken (und zwar das Grundstück 592/28, vorgetragen unter EZ. 225 im Grundbuch über die KG. P, im Ausmaß von 32 m2 um den Betrag von S 8.000,-- sowie Teilflächen des Grundstückes 592/4, vorgetragen unter EZ. 10 im Grundbuch der KG. P, die im Abteilungsplan mit den Parzellennummern 592/51 und 592/52 bezeichnet sind, im Gesamtausmaß von 78 m2 um den Betrag von S 12.500,--. Für diese Erwerbsvorgänge machten die Beschwerdeführer die Grunderwerbsteuerfreiheit nach § 4 Abs. 1 Z. 4 lit. b GrEStG geltend, wie sich aus den Veräußerungsanzeigen im Zusammenhang mit den Kaufverträgen ergibt.
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien hatte den Beschwerdeführern und der Ehegattin des Zweitbeschwerdeführers für die Kaufverträge vom 18. Juli, 27. August und am (mit getrennten Bescheiden) dennoch Grunderwerbsteuer vorgeschrieben und dabei die geltend gemachte Abgabenfreiheit mit dem Hinweis verneint, daß von den Parteien trotz finanzämtlicher Aufforderung die notwendigen „Zweckdienlichkeitsbescheinigungen“ nicht vorgelegt worden seien. Die von den Beschwerdeführern gegen diese Bescheide eingelegten Rechtsmittel wurden vom Finanzamt zunächst mit Berufungsvorentscheidung (im Falle des Zweitbeschwerdeführers ist eine solche auch an dessen Ehegattin ergangen, die Berufung nicht erhoben hatte (die Bescheide wurden noch als Einspruchsbescheide bezeichnet)) ddto. mit der Begründung abgewiesen, daß die Zweckdienlichkeitsbescheinigungen nicht vorgelegt worden seien. Die Vorlage der Zweckdienlichkeitsbescheinigung sei Voraussetzung der Steuerbefreiung. Die Beschwerdeführer (und auch die Ehegattin des Zweitbeschwerdeführers) stellten sodann den Antrag auf Entscheidung der Finanzlandesdirektion über ihre Berufungen. Sie brachten gleichlautend vor, gemäß § 10 der Bauordnung für Wien müsse für jeden Neubau um die Bekanntgabe der Fluchtlinien angesucht werden. Der auf Antrag ergehende Fluchtlinienbescheid und Fluchtlinienplan habe gemäß § 10 Abs. 4 lit. b der Bauordnung unter anderem die Ausmaße und die grundbücherliche Bezeichnung der nach den Fluchtlinien abzutretenden oder einzubeziehenden Grundflächen einschließlich jener Flächen, die nach § 17 zu erwerben und ins öffentliche Gut zu übertragen sind, zu enthalten. Die Baubehörde erteile die Zweckdienlichkeitsbescheinigung erst nach Vorliegen eines rechtskräftigen Abteilungsbescheides. Ein solcher liege aber in den streitgegenständlichen Fällen noch nicht vor, weil sich der Abschluß des Abteilungsverfahrens durch die Notwendigkeit, ein Enteignungsverfahren einzuleiten, verzögert habe. Darum sei es den Antragstellern nicht möglich, die geforderten Zweckdienlichkeitsbescheinigungen vorzulegen. Die Zweckdienlichkeit werde jedoch vom Magistrat der Stadt Wien nicht bestritten. Im weiteren Verlaufe führte die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland Erhebungen beim Magistrat der Stadt Wien, Abteilung 37, durch; dieser teilte am mit, daß die vorgeschriebenen Erwerbungen und Übertragungen in das öffentliche Gut lediglich zur Baureifmachung von Grundstücken dienten; ohne diese könnten keine Bauplätze geschaffen und in der Folge auch keine Baubewilligungen erteilt werden. Als Umlegung nach §§ 21 ff oder Grenzberichtigung nach §§ 36 bis 38 der Bauordnung für Wien könnten die vorgeschriebenen Grundstückserwerbungen nicht angesehen werden.
Mit zwei Bescheiden, und zwar im Falle der Erstbeschwerdeführerin vom und im Falle des Zweitbeschwerdeführers und seiner Ehegattin vom , wurden die Berufungen mit folgender Begründung abgewiesen: Die Berufungsbehörde stimme den Berufungsausführungen insoweit zu, als sie die Forderung nach Vorlage der Zweckdienlichkeitsbescheinigung betreffen. Eine Zweckdienlichkeitsbescheinigung werde für die Anwendung der Befreiungsbestimmung nach § 4 Abs. 1 Z. 4 b GrEStG nicht gefordert. Dennoch sei die begehrte Steuerbefreiung zu versagen. Die Bescheide des Magistrates der Stadt Wien, auf die sich die Beschwerdeführer berufen hätten, seien auf § 17 der Bauordnung für Wien gestützt, der die Grundabtretung zu Verkehrsflächen regle. Ein solcher Bescheid beende nicht ein Verfahren zur besseren Gestaltung von Bauland im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 4 lit. b GrEStG, sondern sei ein Teil des Fluchtlinien- und Höhenlagenbescheides nach § 10 der Bauordnung. Der Einleitungssatz des § 4 Abs. 1 Z. 4 GrEStG verlange als Grundvoraussetzung der Steuerbefreiung Maßnahmen zur besseren Gestaltung von Bauland. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom , Zl. 477/61, festgestellt, daß dies behördliche Maßnahmen sein müßten, durch die oder in deren Zug eine Übertragung von Grundstücken stattfinde. Die von den Berufungswerbern vorgelegten Beweismittel bezeugten aber bloß das Fehlen solcher Maßnahmen, ein Umstand, der auch durch Rückfrage bei der Baubehörde festgestellt worden sei.
Gegen diese beiden Bescheide der Finanzlandesdirektion richten sich die beiden vorliegenden, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden. Diese hat der Verwaltungsgerichtshof wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Behandlung und Entscheidung verbunden.
In den an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten diesbezüglichen Schriftsätzen wird mit im wesentlichen gleichlautender Begründung wie folgt ausgeführt: Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 4 lit. b GrEStG sei bei Maßnahmen zur besseren Gestaltung von Bauland der Erwerb eines Grundstückes nach den für die bessere Gestaltung von Bauland geltenden Vorschriften von der Grunderwerbsteuer befreit. Die belangte Behörde sehe zu Unrecht nur die Umlegung und die Grenzberichtigung als eine solche Maßnahme an. Nach der Bauordnung für Wien bilde der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan die Grundlage für die Maßnahmen zur besseren Gestaltung von Bauland. Die zur Durchführung dieser Pläne erforderlichen Maßnahmen seien im Abschnitt II der Bauordnung unter der Bezeichnung „Änderung von Liegenschaftsgrenzen“ zusammengefaßt und gliederten sich in drei Kapitel: A) Abteilungen, B) Umlegungen und C) Grundberichtigungen. Der Fluchtlinienbescheid beende nicht ein Verfahren zur besseren Gestaltung von Bauland, sondern bilde die Grundlage zu einem solchen Verfahren. Da auch Umlegungen und Grenzberichtigungen auf Antrag der Grundeigentümer durchgeführt würden, sei nicht einzusehen, warum das Abteilungsverfahren, das ebenfalls auf Antrag der Grundeigentümer durchgeführt werde und durch welches Bauplätze geschaffen würden, nicht zu den Maßnahmen zur besseren Gestaltung von Bauland gezählt werden könnte. Die Durchsetzung der angeführten behördlichen Maßnahmen erfolge auf dem gesetzlich geregelten Weg des Enteignungsverfahrens und des Abteilungsverfahrens sowie durch den Erwerb der erforderlichen Grundflächen durch die Partei. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom , Zl. 1473/61, ausgesprochen, daß der Erwerb von Grundstücken zwecks Errichtung von Kleinwohnungen auch dann von der Besteuerung ausgenommen sei, wenn das Grundstück nur zum Teil zur Schaffung solcher Wohnungen verwendet werde, sofern die teilweise Verwendung zu anderen Zwecken aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen mit der Errichtung von Kleinwohnungen zwangsläufig verbunden sei, sich nur auf einen verhältnismäßig kleinen Teil der erworbenen Grundstücke beziehe und die Eigenschaft der zu schaffenden Wohnungen als Kleinwohnungen nicht beeinträchtige. Dies gelte sinngemäß auch für den Erwerb von Grundstücken gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG zur Schaffung von Arbeiterwohnstätten. Der begünstigte Zweck hätte gar nicht erreicht werden können, wenn nicht durch Erwerb der gegenständlichen Grundstücksteile die Voraussetzung für die Schaffung der Bauplätze erfüllt worden wäre. Die Erstbeschwerdeführerin fügte dem noch bei, daß mit den sie treffenden Kaufverträgen nur zum geringsten Teile Grundstücksflächen zur Grundabtretung für Zwecke der Schaffung von Verkehrsflächen gemäß § 17 der Bauordnung erworben worden seien und daß der größere Teil der erworbenen Grundstücksflächen der unmittelbaren Ergänzung und Schaffung des Bauplatzes gedient habe. Nach Auffassung der Beschwerdeführer sei daher sowohl die Befreiungsvorschrift des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a als auch die des § 4 Abs. 1 Z. 4 lit. b GrEStG gegeben.
Wegen der Grundsätzlichkeit der zu lösenden Rechtsfrage wurde der erkennende Senat gemäß § 11 Abs. 4 Z. 2 VwGG 1952 durch vier weitere Mitglieder verstärkt. Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den verstärkten Senat über die Beschwerden erwogen:
Gemäß des als Befreiungstatbestand geltend gemachten § 4 Abs. 1 Z. 4 GrEStG, BGBl. Nr. 140/1955, ist bei Maßnahmen zur Regelung der Flurverfassung (Bodenreform) oder zur besseren Gestaltung von Bauland
a) der Erwerb eines Grundstückes im Zug eines Verfahrens vor der Agrarbehörde und
b) der Erwerb eines Grundstückes nach den für die bessere Gestaltung von Bauland geltenden Vorschriften von der Besteuerung ausgenommen. Diese Befreiungsbestimmung setzt für ihre Anwendung zunächst die Erlassung von Maßnahmen voraus. Der Gesetzgeber hat es allerdings unterlassen, darzulegen, was er als eine solche Maßnahme, d. h. einen in der äußeren Welt in Erscheinung tretenden Vorgang, verstanden wissen wollte. Daraus aber, daß in der zitierten lit. a von einem Erwerb eines Grundstückes im Zug eines Verfahrens vor der Agrarbehörde die Rede ist, ist zu erkennen, daß in den Rahmen der Z. 4 ein Erwerb fällt, der unmittelbar die Folge einer behördlichen Verfügung im Zug eines Verfahrens vor der Agrarbehörde zur Regelung der Flurverfassung (Bodenreform) oder vor der Baubehörde im Verfahren zur besseren Gestaltung von Bauland ist. Diese Auslegung findet eine weitere Stütze in der Z. 5 des § 4 Abs. 1 GrEStG, die sich mit dem freiwilligen Erwerb von Grundstücken beschäftigt und - ähnlich wie in der Z. 4 - eine Abgabenfreiheit für den Übergang von Grundstücken vorsieht, der aus agrarpolitischen oder baupolitischen Erwägungen heraus nicht mit einer Grunderwerbsteuer belastet werden soll. Bei dieser Rechtsauslegung wird es verständlich, daß der Gesetzgeber dort, wo der Erwerb von Grundstücken ein freiwilliger ist, im Grunde der Sache also auf eine rechtsgeschäftliche Abmachung zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber zurückgeht, die Steuerfreiheit nur dann eintreten läßt, wenn der Erwerb im einzelnen Fall von der zuständigen Behörde als für die Flurverfassung vorteilhaft erklärt (§ 4 Abs. 1 Z. 5 lit. a GrEStG in der Fassung des Art. I der Grunderwerbsteuernovelle 1956, BGBl. Nr. 178) oder der Erwerb anläßlich des Austausches von Grundstücken unter anderem zur besseren Gestaltung von Bauland von der zuständigen Behörde, als zweckdienlich anerkannt wird (§ 4 Abs. 1 Z. 5 lit. b GrEStG in der Fassung des Art. I der Grunderwerbsteuernovelle 1956, BGBl. Nr. 178). Gerade die den Parteien auferlegte Verpflichtung zur Beibringung einer entsprechenden Erklärung der zuständigen Behörde zeigt auf, daß von § 4 Abs. 1 Z. 4, wo eine sogenannte „Zweckdienlichkeitsbescheinigung“ für die Abgabenfreiheit gar nicht verlangt wird, nur ein Erwerb getroffen wird, der als Folge eines behördlichen Abspruches eintritt. In einem solchen Falle macht das Ergebnis des durchgeführten Verwaltungsverfahrens jede weitere Prüfung überflüssig, ob der Erwerb von Grundstücken den agrarpolitischen oder baupolitischen Zielen entgegenkommt oder nicht.
Im Streitfalle nun ist im Verwaltungsverfahren unbestritten geblieben, daß die Beschwerdeführer die gegenständlichen Grundstücke auf Grund von Kaufverträgen erworben haben. Ihr Erwerb war sohin ein freiwilliger. Auf ihn kann schon deswegen die Befreiungsvorschrift des § 4 Abs. 1 Z. 4 lit. b GrEStG nicht zur Anwendung kommen. Die Freiwilligkeit des Erwerbes kann auch nicht mit dem Einwand in Frage gestellt werden, daß die Beschwerdeführer auf Grund des Fluchtlinienbescheides des Magistrates der Stadt Wien als Baubehörde gehalten waren, die Grundstücke zu erwerben, weil sie ansonsten weder die Genehmigung der Abteilung zwecks Schaffung von Bauplätzen noch in der Folge die Baubewilligung für Bauvorhaben erhalten könnten. Denn für die Anwendung der Z. 4 hat es nur darauf anzukommen, ob das Eigentumsrecht an einem Grundstück auf Grund von behördlichen Maßnahmen unmittelbar als Rechtswirkung derselben erworben wird, also durch das behördliche Verfahren bewirkt wird, wie dies z. B. zufolge § 33 der Bauordnung für Wien bei Umlegungen der Fall ist. Auch die Durchführung einer Grenzberichtigung im Weg einer gütlichen Einigung der beteiligten Parteien über die Veränderung der Grenzen durch Grundtransaktionen im Sinne des § 38 Abs. 1 der Bauordnung für Wien, die die Behörde gemäß Abs. 2 des zitierten Paragraphen nach den Bestimmungen der Bauordnung über Abteilungen zu genehmigen hat, fällt unter den Begriff der Maßnahme im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 4 GrEStG, weil die Parteienvereinbarung das Ergebnis eines behördlichen Verfahrens ist, auf eine behördliche Verfügung zurückgeht, und das bereits auf Antrag beteiligter Grundeigentümer oder von Amts wegen eingeleitete Grenzberichtigungsverfahren zum Abschluß bringt, andernfalls die Zwangsänderung der Grenzen benachbarter Grundstücke von Amts wegen verfolgt wird. Es kann also auch aus einem weiteren Gesichtspunkt heraus in Fällen, wie den vorliegenden, nicht von Maßnahmen im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 4 GrEStG gesprochen werden. Das Wesen einer Einwirkung durch Maßnahmen besteht darin, daß derjenige, den die Maßnahme trifft, keine Möglichkeit hat, ihr auszuweichen, etwa in der Weise, daß er ein bestimmtes Vorhaben aufgibt. In den Streitfällen bestand eine solche Wirkung für die Beschwerdeführer nicht. Denn es ist freier Wille der Parteien, das geplante Bauvorhaben durchzuführen oder davon wieder Abstand zu nehmen. Mit anderen Worten ausgedrückt, die Beschwerdeführer waren trotz des Fluchtlinienbescheides nicht gezwungen, die darin ausgewiesenen Grundstücke zu erwerben und zu diesem Zweck die Durchführung eines Abteilungsverfahrens nach § 13 Abs. 2 lit. a der Bauordnung für Wien zu beantragen. Sie nahmen nur das Risiko auf sich, daß die Bekanntgabe der Fluchtlinien ihre Gültigkeit verliert (§ 11 der Bauordnung für Wien). Wirkte der Fluchtlinienbescheid demnach nicht gegen den Willen der Beschwerdeführer, dann kann im Streitfalle nicht von Maßnahmen im Sinne der in Rede stehenden Befreiungsvorschrift die Rede sein. Im Grunde genommen ist der belangten Behörde beizupflichten, wenn sie der Auffassung war, daß im Gegenstande die Anwendung des § 4 Abs. 1 Z. 4 GrEStG nicht stattfinden konnte, weil die Anwendung dieser Rechtsvorschrift behördliche Maßnahmen voraussetzt, durch die oder in deren Zug eine Übertragung von Grundstücken stattfindet.
Die Beschwerdeführer hatten sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch noch auf die Befreiungsvorschrift des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG berufen und darauf hingewiesen, daß die in Rede stehenden Erwerbsvorgänge im Zusammenhang mit der Schaffung je einer Arbeiterwohnstätte erfolgten. Die belangte Behörde hatte sich mit dieser Frage nicht beschäftigt; es bot sich ihr dazu auch kein Anlaß, weil aus den von den Parteien vorgelegten Unterlagen (Kaufverträgen, Veräußerungsanzeigen) nicht hervorging, daß der Ankauf der Grundstücke zur Schaffung von Arbeiterwohnstätten dienen sollte. Das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist, da es auch im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens nicht erfolgt ist, als unzulässige Neuerung anzusehen, die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtlich ist. Mit dem Hinweis auf die dieses Vorbringen tragende Rechtsvorschrift des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG konnten die Beschwerdeführer für ihren Rechtsstandpunkt daher nichts gewinnen (§ 41 Abs. 1 VwGG 1952). Eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften konnte nicht festgestellt werden.
Die Beschwerde erwies sich demnach als unbegründet, weshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 wie im Spruch zu erkennen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 3053 F/1964 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1964:1962001882.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
SAAAF-56217