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VwGH 29.06.1964, 1878/63

VwGH 29.06.1964, 1878/63

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
RS 1
Ein Zusatz oder Nachtrag zu einer bereits vollständig ausgefertigten Urkunde, der nur nach Maßgabe der zusätzlichen Beurkundung der Gebühr unterliegt, ist dann nicht gegeben, wenn in der neuen Urkunde ausdrücklich niedergelegt ist, daß sie alle Vereinbarungen der Parteien über ein bestimmtes Rechtsgeschäft vollständig und ausschließlich enthält und daß alle vorher abgeschlossenen Vereinbarungen zur Gänze außer Kraft getreten sind.
Normen
RS 2
Ist ein Bestandvertrag nach Inhalt der darüber aufgesetzten Urkunde auf unbestimmte Zeit eingegangen, dann kann aus der gleichzeitig vereinbarten grundbücherlichen Sicherstellung der Bestandrechte für eine bestimmte Zeit allein nicht auf eine gegenseitige Bindung beider Vertragsteile für eine bestimmte Dauer geschlossen werden.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Ondraczek, und die Hofräte Dorazil, Dr. Mathis, Dr. Schmid und Dr. Raschauer als Richter, im Beisein des Schriftführers, prov. Finanzkommissärs Dr. Blaschek über die Beschwerde des Dipl. Ing. RB und der AB in S gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA VIII-539/3/63, betreffend die Gebühr von einem Pachtvertrage, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Beschwerdeführer hatten am von MW den Gutsbetrieb Sch. ab auf unbestimmte Zeit gepachtet. Der Pachtvertrag war jedoch beiderseits erstmalig zum kündbar und die Pachtrechte waren im Lastenblatte der betreffenden Grundbuchseinlagen einzuverleiben. Für diesen Pachtvertrag war mit Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vom die Rechtsgeschäftsgebühr vom zehnfachen Jahresentgelte mit S 13.756,-- vorgeschrieben worden. Nach der Einleitung zu einem neuen am von den Vertragsteilen abgeschlossenen Pachtvertrag ist der am abgeschlossene Pachtvertrag „durch eine Reihe von Nachtragsvereinbarungen abgeändert und unübersichtlich geworden, sodaß die Vertragsparteien übereingekommen sind, den bestehenden Vertragstext zusammenzufassen wie folgt“. Der neue Pachtvertrag betrifft denselben Pachtgegenstand (§ 1), ist wieder auf unbestimmte Zeit abgeschlossen (§ 8), enthält aber im Gegensatze zu § 16 des alten Vertrages, der im ersten Absatze die beiderseitige Kündbarkeit des Pachtvertrages erstmalig zum unter Einhaltung einer halbjährigen Kündigungsfrist und in der Folge zum 1. November eines jeden Jahres vorgesehen hatte, nur mehr Bestimmungen über die vorzeitige Auflösung (fristlose Aufkündigung) durch die Verpächterin, in § 20 die Einwilligung der Verpächterin zur Einverleibung des Bestandrechtes für die Pächter bis und abschließend die Bestimmung: „Der im vorstehenden festgehaltene Vertragstext enthält alles und ausschließlich, was die Vertragsschließenden, den Vertragsgegenstand betreffend, vereinbart haben. Alle vorher abgeschlossenen Vereinbarungen sind somit zur Gänze außer Kraft getreten.“

Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien hatte für diesen Pachtvertrag eine Gebühr in der Höhe von S 7.484,-- vom dreifachen Jahresentgelte vorgeschrieben. In der dagegen erhobenen Berufung führten die Beschwerdeführer aus, der Pachtvertrag sei lediglich aus Gründen gebotener Vorsicht angezeigt worden. Er stelle jedoch keine gebührenpflichtige Urkunde vor, weil das gleiche Rechtsgeschäft bereits einmal beurkundet und „der Vergebührung unterzogen“ worden sei. Es handle sich lediglich um die Zusammenfassung einer Reihe von durch den Ablauf der Zeit erforderlichen Änderungen vertraglicher Bestimmungen, „die als solche aber auch kein höheres Entgelt des Pächters für die Bestandsache beinhalten“. Die darüber ergangene Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes vom hat durch den Antrag der Beschwerdeführer auf Entscheidung durch die Finanzlandesdirektion gemäß § 276 der Bundesabgabenordnung (BGBl. Nr. 194/1961, BAO) ihre Wirkung verloren. Mit der nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtewidrigkeit ihres Inhaltes angefochtenen Berufungsentscheidung hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Finanzamtes als unbegründet abgewiesen und diesen Bescheid gemäß § 289 Abs. 2 BAO dahin abgeändert, daß die Gebühr, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 4,323.186,-- mit S 43.232,-- festgesetzt werde und daß der Mehrbetrag gegenüber der bereits vorgeschriebenen Gebühr binnen 30 Tagen nach Zustellung einzuzahlen sei. In den Entscheidungsgründen hat die belangte Behörde aus der Schlußbestimmung des Pachtvertrages vom gefolgert, daß die Bestandrechte nicht mehr aus dem Pachtvertrage vom abgeleitet, sondern nur noch aus dem Pachtvertrage vom geltend gemacht werden können. Dieser sei daher eine neue gebührenpflichtige Vereinbarung. Das Finanzamt habe der Gebühr eine unbestimmte Dauer des Bestandverhältnisses zugrunde gelegt, die auch in § 8 des Vertrages vereinbart sei. In § 20 werde jedoch von der Verpächterin die Zustimmung zur Einverleibung des Bestandrechtes bis gegeben. Diese Eintragung sei auch laut Mitteilung des Bezirksgerichtes O. am vollzogen worden. Sie binde einen künftigen Erwerber des Pachtgegenstandes bis zum eingetragenen Zeitpunkt an den Pachtvertrag. Habe sich die Verpächterin bereit erklärt, ihren allfälligen Rechtsnachfolger zeitlich zu binden, dann habe auch sie selbst sich bis zu diesem Zeitpunkt binden wollen. Trotz der Verdinglichung eine unbestimmte Dauer anzunehmen, würde dieser Vereinbarung jeden Sinn nehmen. Daß der Wille beider Parteien auf eine Dauer bis gerichtet war, sei auch aus dem Nachtrage vom zum vorhergegangenen Pachtvertrage vom zu ersehen, mit dem die Einverleibung des Pachtverhältnisses bis bewilligt worden war. Wenige Wochen vor dem letztgenannten Zeitpunkt sei der neue Pachtvertrag vom abgeschlossen worden, in dem eine Verdinglichung bis vereinbart wurde. Zum Abschlusse des neuen Vertrages könne es daher nicht bloß deshalb gekommen sein, um den durch Nachtragsvereinbarungen unübersichtlich gewordenen Vertrag zusammenzufassen, sondern weil eine Verdinglichung auf weitere 12 Jahre angestrebt wurde. Der Bemessung. der Gebühr sei somit eine zwölfjährige Dauer zugrunde zu legen gewesen.

Die Ausführungen der Entscheidungsgründe über die Einbeziehung des von den Beschwerdeführern zu leistenden Beitrages zur Instandsetzung der Gebäude sowie der ihnen nach § 10 des Pachtvertrages obliegenden Leistungen (Vergütung der auf dem Pachthofe ruhenden Abgaben und Lasten sowie der Prämien für die Feuerversicherung der Gebäude) in die Bemessungsgrundlage, werden von der nunmehr vorliegenden Beschwerde nicht bekämpft. Die Beschwerde versucht vor allem wieder darzutun, daß nur eine neue Form des unübersichtlich gewordenen seinerzeit abgeschlossenen Vertrages vorliege. Pachtgegenstand und Gegenleistung seien gleich geblieben, der Vertrag sei weiterhin auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Die Einverleibung des Bestandrechtes für die Zeit bis habe mit der vertraglichen Dauer nichts zu tun. Diese Bestimmung sei in den Pachtvertrag nur deshalb aufgenommen worden, weil die Einverleibung des Bestandrechtes im Grundbuch auf unbestimmte Zeit unzulässig sei. Demgegenüber weist die belangte Behörde auch in ihrer Gegenschrift darauf hin, daß der Vertrag vom Jahre 1952 nicht unverändert gelassen, sondern auf 12 Jahre verlängert worden und daher nach § 21 des Gebührengesetzes (BGBl. Nr. 267/1957, GebG) die Gebühr von der zusätzlichen Dauer zu bemessen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber erwogen:

Nach § 21 GebG ist ein Zusatz oder Nachtrag zu einer bereits vollständig ausgefertigten Urkunde, durch den die darin zum Ausdrucke gebrachten Rechte und Verbindlichkeiten ihrer Art oder ihrem Umfange nach geändert werden oder der durch Zeitablauf erlöschende Vertrag verlängert wird, nach Maßgabe seines Inhaltes selbständig gebührenpflichtig. Im vorliegenden Falle handelt es sich jedoch nicht um einen solchen Zusatz oder Nachtrag, sondern um eine voll ausgefertigte Urkunde, in der nach ihrem letzten Absatz alle Vereinbarungen der Parteien über das Pachtverhältnis vollständig und ausschließlich enthalten sind und in der - ebendort - ausdrücklich festgehalten ist, daß alle vorher abgeschlossenen Vereinbarungen zur Gänze außer Kraft getreten sind. Somit war das beurkundete neue Rechtsgeschäft im vollen Umfange der Beurkundung der Gebührenbemessung zu unterziehen.

Der neue Vertrag enthält in § 16 nur Bestimmungen über die fristlose Auflösung in den dort angeführten Fällen, nicht aber wie der alte Vertrag auch solche über die Kündigung ohne Anführung von Gründen zu einem bestimmten Termin und unter Einhaltung einer bestimmten Frist und auch nicht über die erstmalige Zulässigkeit einer solchen Kündigung. Er wäre daher nach § 1116 ABGB, „sofern die Dauer des Bestandvertrages weder ausdrücklich, noch stillschweigend, noch durch besondere Vorschriften bestimmt ist, ... sechs Monate vorher aufzukündigen, als die Abtretung erfolgen soll“. Die von der Verpächterin in § 20 des Pachtvertrages zugestandene und nach den Feststellungen der belangten Behörde auch vollzogene grundbücherliche Einverleibung des Bestandrechtes bis läßt - darin ist der belangten Behörde zu folgen - darauf schließen, daß für so lange Zeit die Beschwerdeführer sich sichern und die Verpächterin sich und ihre Rechtsnachfolger - von den in § 16 angeführten Fällen der vorzeitigen Auflösung abgesehen - binden wollten.

Bei der Beurteilung der Maßgeblichkeit dieser im Pachtvertrage vom vereinbarten zeitlichen Bindung darf aber nicht übersehen werden, daß die Einverleibung des Bestandrechtes für die Beschwerdeführer bis die Beschwerdeführer keineswegs hindert, das Bestandverhältnis auch vor diesem Zeitpunkt in Ermanglung von vertraglichen Bestimmungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen aufzulösen. Daß bis zu diesem Zeitpunkt auch sie sich dieser Möglichkeit begeben wollten oder die Verpächterin sie ihnen nehmen wollte, kann aus ihrer in § 20 des Pachtvertrages beurkundeten Zustimmung zur Einverleibung des Bestandrechtes für die Beschwerdeführer bis nicht abgeleitet werden. Das hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf § 1095 ABGB, auch in den Entscheidungsgründen seines Erkenntnisses vom , Slg, N. F. Nr. 1530 (F), ausgeführt. Die belangte Behörde hat dagegen aus der „Verdinglichung auf weitere 12 Jahre“ abgeleitet, daß mit dem neuen Pachtvertrag eine Bindung auf weitere 12 Jahre beabsichtigt war und daß der Bemessung der Gebühr somit eine zwölfjährige Dauer zugrunde zu legen sei. Sie hat dabei nicht beachtet, daß jedenfalls für die Beschwerdeführer eine solche Bindung nicht besteht. Ist aber nur ein Vertragsteil zeitlich gebunden, während der andere das Vertragsverhältnis ohne Beschränkung auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Gründe durch Kündigung auflösen kann, dann ist - wie ein verstärkter Senat des Verwaltungsgerichtshofes mit Erkenntnis vom , Zl. 840/62, ausgesprochen hat - ein Bestandverhältnis auf unbestimmte Zeit anzunehmen. Gemäß Art. 19 Abs.4 der hg. Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 220/1952, werden Ausfertigungen dieses Erkenntnisses den Parteien übermittelt werden, wenn sie dies binnen zwei Wochen nach Zustellung des Erkenntnisses in der vorliegenden Beschwerdesache verlangen. Auch im vorliegenden Falle mußte somit der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden, wenn auch der Rechtsansicht der Beschwerdeführer, daß eine Gebührenpflicht hier überhaupt nicht bestehe, nicht beigepflichtet werden konnte.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Sammlungsnummer
VwSlg 3111 F/1964
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1964:1963001878.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAF-56196