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VwGH 22.04.1968, 1859/66

VwGH 22.04.1968, 1859/66

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
BauO Wr §129 Abs2
BauRallg
RS 1
Folge der Instandhaltungspflicht des Eigentümers ist es, daß sobald die Behörde festgestellt hat, daß eine Baulichkeit dem bauordnungsgemäßen Zustand nicht entspricht und die Beseitigung dieses Baugebrechens im öffentlichen Interesse liegt, für den Eigentümer eine entsprechende Instandhaltungspflicht, die darin gelegen ist, daß er die an seinem Bauwerk festgestellten Baugerbrechen zu beseitigen hat, erwächst.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Borotha, und die Hofräte Dr. Krzizek, Dr. Lehne, Dr. Rath und Dr. Leibrecht als Richter, im Beisein des Schriftführers, prov. Magistratskonzipisten Dr. Macho über die Beschwerde der MW in W, vertreten durch Dr. Johannes Galvanek, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Türkenstraße 15, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom (mitgeteilt mit Bescheid der Magistratsdirektion der Stadt Wien - Rechtsmittelbüro - vom , Zl. MDR-B XII-22/66), betreffend Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Gemeinde Wien Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist zu einem 1/16 Anteil Miteigentümerin des Hauses W, P-gasse 5. (Die übrigen 15/16 Anteile stehen im Eigentum ihrer Stieftochter EW) Auf Grund einer Anzeige, wonach dieses Haus Baugebrechen aufweise, führte der Magistrat der Stadt Wien - MA 37 am an Ort und Stelle eine Verhandlung durch. Dabei wurde von dem fachkundigen Verhandlungsleiter an Ort und Stelle festgestellt, daß die Tragbalken der Abschlußdecke des Hauses und die Decke über dem Vorzimmer der Wohnung Nr. 1 b Wurmbefall und Rotfäule aufwiesen, acht Dippelbäume über dem Wohnzimmer der 1. Stockwohnung Nr. 2 bis zu 50 % der Holzstärke angemorscht seien, einige tragende Elemente der Dachkonstruktion ebenfalls Wurmbefall und Rotfäule aufwiesen und am Unterzug der Veranda gleichfalls Anmorschungen festzustellen seien. (Die Feststellung über die Vermorschung der Dippelbäume konnte getroffen werden, da laut einem Amtsbericht des Magistrates der Stadt Wien - MA 37 - an die Bauoberbehörde für Wien vom bei Vornahme des Lokalaugenscheines die Decken bereits geöffnet waren.) Die Beschwerdeführerin, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hatte, bestätigte mit ihrer Unterschrift im Verhandlungsprotokoll, daß sie den "vorgefundenen Sachverhalt" nicht bestreite. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien - MA 37 - vom wurde sodann den Hauseigentümern gemäß § 129 Abs. 2 und Abs. 4 der Bauordnung für Wien der Auftrag erteilt, binnen sechs Monaten nach Rechtskraft des Bescheides unter Heranziehung eines hiezu berechtigten Gewerbetreibenden 1.) die Abschlußdecke, weitere die Decken über dem Vorzimmer der Wohnung Nr. 1 b und dem Wohnzimmer der Wohnung Nr. 2 durch Instandsetzung oder Auswechslung in tragsicheren Zustand zu versetzen, und 2.) die angemorschten Teile der Dachkonstruktion und den Unterzug der Veranda auszuwechseln. Zur Begründung des Bescheides wurde - nach Hinweis auf das Ergebnis des Lokalaugenscheines - ausgeführt, daß diese Schäden eine Verschlechterung des ursprünglichen konsens- und bauordnungsmäßigen Zustandes des Hauses darstellten und ihrer Natur nach geeignet seien, das öffentliche Interesse zu beeinträchtigen, sodaß sie als Baugebrechen im Sinne des § 129 Abs. 2 und 4 der Bauordnung für Wien angesehen werden müßten.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie behauptete, daß nach dem erstinstanzlichen Bescheid der Umfang des Baugebrechens nicht genau umrissen werden könne, sodaß es erforderlich wäre, das Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen einzuholen, um den Schaden an den Decken umfangmäßig festzustellen sowie den Nachweis zu erbringen, daß durch einen allenfalls tatsächlich vorhandenen Schaden die Tragfähigkeit der Decken nicht gemindert sei. Die Berufung schloß mit dem Antrag, den erstinstanzlichen Bescheid dahin abzuändern, daß den Hauseigentümern der Auftrag erteilt werde, ein Sachverständigengutachten über den Umfang und das Ausmaß der Deckenschäden einzuholen und der Baubehörde vorzulegen. Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen und auf einem Beschluß der Bauoberbehörde für Wien vom beruhenden Bescheid wurde der erstinstanzliche Bescheid dahin abgeändert, daß anstelle des Wortes "tragsicheren" das Wort "bauordnungsgemäßen" (im Punkt 1 des Spruches) gesetzt wurde. Zur Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, daß zwar nicht jeder durch bloßen Zeitablauf eintretende Bauschaden ein Baugebrechen im Sinne des § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien darstelle, ein Baugebrechen aber doch stets dann vorliege, wenn sich der Zustand einer Baulichkeit im Vergleich zu ihrem ursprünglichen Bestand derart verschlechtert habe, daß öffentliche Interessen dadurch in Mitleidenschaft gezogen werden. Im vorliegenden Fall habe ein sachkundiges Organ der Behörde erster Instanz an Ort und Stelle die im erstinstanzlichen Bescheid genannten Bauschäden festgestellt. Diese seien zu Recht als Baugebrechen im Sinne des § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien qualifiziert worden, weil der gegebene Bauzustand mit Sicherheit in absehbarer, im voraus allerdings nicht genau bestimmbarer Zeit eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen darstelle. Es erübrige sich daher zu prüfen, ob die Tragfähigkeit der Decken bereits herabgemindert sei, zumal der festgestellte Bauzustand jedenfalls zur Herabminderung der Tragfähigkeit führe. Bei der gegebenen Sachlage habe die Behörde erster Instanz auch nicht zu Recht den Hauseigentümern einen Auftrag des Inhaltes erteilen können, bezüglich der Art und des Umfanges der Deckenschäden einen Befund eines Sachverständigen vorzulegen (§ 129 Abs. 5 der Bauordnung für Wien), weil bei der durchgeführten Augenscheinverhandlung bereits die Art des Baugebrechens und auch der Umfang festgestellt habe werden können. Ein Bauauftrag müsse nämlich nicht bis ins Detail den Umfang der zu behebenden Baugebrechen umschreiben, vielmehr genüge es, wenn der Bauauftrag soweit konkretisiert sei, daß ein befugter Gewerbetreibender auf Grund des Bescheides und des vorgefundenen faktischen Zustandes erkennen könne, welche Maßnahmen erforderlich seien, um den Bauauftrag zu erfüllen. Anstelle des Wortes "tragsicheren" sei das Wort "bauordnungsgemäßen" zu setzen gewesen, weil nach der Aktenlage nicht eindeutig feststehe, daß die Tragsicherheit der Decken nicht mehr gewährleistet sei, obwohl dies der Lage des Falles nach anzunehmen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Hierüber hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren lediglich vorgebracht hat, es fehle hinsichtlich der Schäden an den Abschlußdecken an einer Konkretisierung dieser Schäden sowie an einer Feststellung des Umfanges derselben und es wäre erforderlich gewesen, das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen. Der Sachverständige müsse auch feststellen, ob durch einen allenfalls tatsächlich vorhandenen Schaden die Tragfähigkeit der Decken gemindert sei, woraus sich erst ein Baugebrechen im Sinne des § 129 der Bauordnung für Wien ergeben würde. Die Beschwerdeführerin hält diese Behauptung im wesentlichen auch in der Beschwerde aufrecht und verbindet damit gegenüber dem angefochtenen Bescheid den Vorwurf der Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dazu ist nun zu sagen, daß der Sachverhalt, der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegt, nämlich die Feststellung der vorhandenen Bauschäden von der Behörde in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren, an dem auch die Beschwerdeführerin teilgenommen hat, erhoben worden ist. Wie aus der in den Verwaltungsakten erliegenden Niederschrift über den von der Baubehörde erster Instanz vorgenommenen Ortsaugenschein hervorgeht, hat die Beschwerdeführerin der Feststellung des sachkundigen Verhandlungsleiters über die tatsächlich vorliegenden Bauschäden nicht widersprochen, wenn nun dessenungeachtet die Beschwerdeführerin der Meinung war, die von der Behörde festgestellten Baugebrechen würden gar nicht vorliegen, so wäre es ihre Sache gewesen, von sich aus das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen und damit allenfalls dem von der Behörde 1. und 2. Instanz dem Bescheid zugrunde gelegten Sachverständigengutachten entgegenzutreten. Das aber hat die Beschwerdeführerin nicht getan. Damit kann aber Gegenstand der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nur mehr sein, ob die aus dem Gutachten des Amtssachverständigen von der belangten Behörde gezogenen rechtlichen Schlußfolgerungen gesetzmäßig sind oder nicht. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 1569/A, u.a.) liegt ein Baugebrechen dann vor, wenn sich der Zustand einer Baulichkeit derart verschlechtert, daß hiedurch öffentliche Interessen berührt werden. Ein öffentliches Interesse, das die Behörde zum Einschreiten berechtigt, ist schon immer dann gegeben, wenn durch den bestehenden Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit auch nur gegenüber einer Person herbeigeführt oder vergrößert werden kann. Allein der von der Behörde festgestellte Befall der Tramdecke durch Fäulnis, die dazu führen kann, daß die Decke einstürzt, muß als ein die Sicherheit gefährdender Umstand gewertet werden und widerspricht jedenfalls dem konsensgemäßen Zustand des Hauses. Da nun die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren weder die von der Behörde erster Instanz festgestellten Baugebrechen noch das angenommene öffentliche Interesse an deren Beseitigung bestritten hat, konnte die belangte Behörde mit Recht davon ausgehen, daß damit beide Voraussetzungen, die für die Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages auf Herstellung des "bauordnungsgemäßen Zustandes" gegeben sein müssen, vorliegen. Gemäß § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien hat der Eigentümer (wie jeder Miteigentümer) dafür zu sorgen, daß eine Baulichkeit in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten wird. Damit ist die Instandhaltungspflicht des Eigentümers gesetzlich festgelegt. Die Folge davon ist, daß, sobald die Behörde festgestellt hat, daß eine Baulichkeit diesem bauordnungsgemäßen Zustand nicht entspricht und die Beseitigung dieses Baugebrechens im öffentlichen Interesse liegt, für den Eigentümer eine entsprechende Instandhaltungspflicht, die darin gelegen ist, daß er die an seinem Bauwerk festgestellten Baugebrechen zu beseitigen hat, erwächst. Der Verwaltungsgerichtshof kann nach der gegebenen Aktenlage nicht finden, daß die von der Baubehörde erster Instanz festgestellten Baugebrechen so wenig konkretisiert wurden, daß es nicht möglich gewesen wäre, daraufhin einen Instandsetzungsauftrag im Sinne des § 129 Abs. 4 der Bauordnung für Wien zu erlassen. Bei dieser Sach- und Rechtslage wäre es - wie bereits ausgeführt - Sache der Beschwerdeführerin gewesen, falls sie der Meinung war, daß die festgestellten Baugebrechen überhaupt nicht vorliegen würden, dies durch einen von ihr selbst beauftragten Sachverständigen unter Beweis zu stellen und damit im Verwaltungsverfahren den Feststellungen der Baubehörde erster Instanz entgegenzutreten. Einen solchen Gegenbeweis hat aber die Beschwerdeführerin nicht einmal angeboten, geschweige denn erbracht. Es bestand daher für die belangte Behörde, wie diese sowohl im angefochtenen Bescheid als auch in ihrer Gegenschrift zur Verwaltungsgerichtshofbeschwerde

richtig ausgeführt hat, weder die Notwendigkeit noch eine rechtliche Möglichkeit, der Beschwerdeführerin die Vorlage eines weiteren Sachverständigengutachtens aufzutragen. Die Beschwerde erweist sich damit in dieser Hinsicht als unbegründet.

Was die weiteren Beschwerdebehauptungen anlangt, die dahin gehen, daß bei dem von der Behörde erster Instanz vorgenommenen Ortsaugenschein, die Decke gar nicht geöffnet war und die entsprechenden Untersuchungen daher gar nicht vorgenommen werden konnten, daß ferner das Verwaltungsverfahren gar nicht aus Gründen des öffentlichen Interesses, sondern nur im privaten Interesse der Miteigentümerin eingeleitet worden sei und dgl., so hat die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift mit Recht darauf verwiesen, daß es sich hiebei um Neuerungen handelt, die die Beschwerdeführerin erstmals vor dem Verwaltungsgerichtshof vorgebracht hat. Zufolge § 41 VwGG 1965 ist es aber dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, darauf einzugehen (vgl. Erkenntnisse Slg. N. F. Nr. 99/A, 753/A, 789/A, u.v.a.).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 47 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b, und § 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. Nr. 4.

Wien, am

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BauO Wr §129 Abs2
BauRallg
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1968:1966001859.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
PAAAF-56124