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VwGH 20.01.1972, 1837/70

VwGH 20.01.1972, 1837/70

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
RS 1
Wird eine bewegliche Sache gegen eine bestimmte Summe Geldes UND eine Leibrente übergeben, so ist ein solcher Vertrag entweder als Leibrentenvertrag oder als Kaufvertrag zu beurteilen, da für Zwecke der Bemessung der Rechtsgebühr das Rechtsgeschäft nicht in einen Leibrentenvertrag und in einen Kaufvertrag aufgespaltet werden kann. Die Beurteilung, ob ein gebührenpflichtiger Leibrentenvertrag oder ein nicht einer Gebühr unterliegender Kaufvertrag vorliegt,richtet sich stets darnach, ob die Leibrente oder die hingegebene Summe Geldes die Hauptleistung bildet. Die Schuldübernahme stellt für den Veräußerer eine Entlastung dar, so daß die übernommenen Schulden als Kaufpreis für das übergebende Unternehmen zu gelten haben.
Norm
RS 2
Die Beurteilung, ob ein gebührenpflichtiger Leibrentenvertragoder ein nicht einer Gebühr unterliegender Kaufvertrag voriegt, richtet sich stets danach, ob die Leibrente oder die hingegebene Summe Geldes die Hauptleistung bildet.
Norm
RS 3
Die Schuldübernahme stellt für den Veräußerer eine Entlastung dar, so dass die übernommenen Schulden als Kaufpreis für das übergebende Unternehmen zu gelten haben.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. DDr. Dorazil und die Hofräte Dr. Frühwald, Dr. Schima, Dr. Reichel und Dr. Simon als Richter, im Beisein des Schriftführers Magistratsoberkommissär Dr. Thumb, über die Beschwerde des GP in V, vertreten durch Dr. Edmund Berndt, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, Stadtplatz 39, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , 477/3-IV/St-1970, betreffend Gebühr voll einem Leibrentenvertrage, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.063,80 binnen zwei Wochen bei. sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit notariellem Übergabsvertrag vom veräußerten die Ehegatten JW und MW an den Beschwerdeführer das gesamte Betriebsvermögen des in V betriebenen Unternehmens „Kaufhaus W“ um einen Übergabspreis von S 2,441.990,--. Zwecks Berichtigung dieses Übergabspreises verpflichtete sieh der Beschwerdeführer außer der Barzahlung eines Betrages von S 60.000,-- bestimmte Schulden im Betrage von S 2,381.990,-- zu begleichen. Weiters versprach der Beschwerdeführer für sich und seine Rechtsnachfolger, den Übergebern vom an auf die Lebensdauer des länger leben den Übergeberteiles einen Naturalauszug, bestehend aus einem Monatsgeld von 3.000,--, ferner aus zehn 7/10 Flaschen monatlich naturreinem. Tischwein und aus einem halben Liter Flaschenbier täglich, zu leisten, sowie für die Wartung und Pflege der Übergeber zu sorgen. Auf Grund der Abgabenerklärung und nach Feststellung des Einheitswertes des übergebenen Unternehmens schrieb das FA für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom , gestützt auf § 33 TP 17 Z 4 des Gebührengesetzes 1957 BGBl. 267 (GebGes), eine Rechtsgebühr in Höhe von S 11.920,-- vor. Gegen diesen Bescheid erhob der Notar Dr. HM im Namen des Beschwerdeführers Berufung, die sich zunächst gegen die Höhe der Bemessungsgrundlage wandte. Es sei der Einheitswert des Betriebsvermögens zum „von S 457.000,-- (ohne - Betriebsgrundstück) statt des Betrages von S 596.000,-- anzusetzen. Im gegenständlichen Falle läge aber überhaupt kein Leibrentenvertrag, sondern nur ein Kaufvertrag über bewegliche Sachen vor. Ein solcher Vertrag unterliege jedoch keiner Gebühr. Wenn eine bewegliche Sache gegen eine bestimmte Summe Geldes und eine Leibrente übergeben werde, dann läge, je nach dem, welche Gegenleistung überwiege, entweder ein Kauf- oder ein Leibrentenvertrag vor. Im gegenständlichen Falle betrage der ausgewiesene Kaufpreis S 2,441.990,-- , während die nach den Bestimmungen des Bewertungsgesetzes 1955 BGBl. 148 kapitalisierte Leibrente mit S 511.500,-- zu bewerten sei. Jedoch selbst dann, wenn der gegenständliche Vertrag als gemischter Vertrag aufzufassen sei, wären, da die Leibrente nur 17,3 des Gesamtkaufpreises (inklusive Leibrente) ausmache, als Bemessungsgrundlage auch nur 17,3 vH des mit S 457.000,--festgesetzten Einheitswertes anzusetzen.

Mit Bescheid vom hat die FLD für OÖ dem Rechtsmittel den Erfolg versagt, die Rechtsgebühr jedoch auf S 6.940,-- herabgesetzt. Die Behörde hat ihre Entscheidung mit dem Hinweis begründet, daß bei der Übergabe einer beweglichen Sache gegen eine bestimmte Summe Geldes und einer Leibrente das Vorliegen eines Kaufvertrages oder eines Leibrentenvertrages nach dem Überwiegen der jeweiligen Gegenleistung zu beurteilen sei. Nach rechtlicher Betrachtungsweise, welche für den Bereich des Gebührengesetzes maßgebend sei, sei ein Unternehmen nach § 302 ABGB als eine Gesamtsache aufzufassen. Diese Gesamtsache umfasse beim Unternehmen nicht nur die Aktiva, sondern auch die Passiva. Das Unternehmen werde als Komplex von körperlichen und unkörperlichen Sachen und im Interesse der Bedürfnisse des Verkehrs als eine rechtliche Einheit, als Sache im Sinne des§ 283 ABGB aufgefaßt. Da das Unternehmen auch die Passiva umfasse, könne auch nicht, wie es P 2 des Vertrages vorsehe, die Übernahme derselben als Kaufpreis angesehen werden. Übernommen werde nämlich nicht jeder einzelne Bestandteil des Unternehmens, sondern das Unternehmen als Ganzes. Es sei aber nicht möglich, daß der Kaufpreis im Wert der erworbenen Sache oder auch nur eines Teiles davon bestehe. Es ergebe sich somit, daß nach P 2 des Vertrages lediglich ein Kaufpreis von S 60.000,-- vorhanden sei. Dieser sei der kapitalisierten Leibrente von S 511.500,-- gegenüberzustellen. Daraus folge, daß die Leibrente überwiege und der ganze Vertrag als Leibrentenvertrag zu beurteilen sei. Nach § 16. Abs 1 Z 1 lit a GebGes entstehe die Gebührenschild bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, dazu gehörten auch Leibrentenverträge; wenn die Urkunde. von den Vertragsteilen unterzeichnet werde, im Zeitpunkt der Unterzeichnung. Die Urkunde über den Übernahmsvertrag sei am unterzeichnet worden und damit auch die Gebührenschuld an diesem Tag entstanden. Die Bewertung habe für diesen Zeitpunkt zu erfolgen gehabt. Für diesen Stichtag sei aber der Einheitswert zum Stichtag und nicht der zum , wie vom Beschwerdeführer beantragt werde, heranzuziehen gewesen.

Gegen diese Entscheidung der FLD für OÖ vom richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde, über die der VwGH erwogen hat:

Wird eine bewegliche Sache gegen eine bestimmte Summe Geldes und eine Leibrente übergeben, so ist ein solcher Vertrag nach herrschender Lehre entweder als Leibrentenvertrag oder als Kaufvertrag zu beurteilen, da für Zwecke der Bemessung der Rechtsgebühr das Rechtsgeschäft nicht in einen Leibrentenvertrag und in einen Kaufvertrag aufgespaltet werden kann (unter Erinnerung an Art 14 Abs 4 der hg GO BGBl 1965/45 wird auf das Erk d VwGH v , 2212/51 verwiesen). Die Beurteilung, ob ein gebührenpflichtiger Leibrentenvertrag oder ein nicht einer Gebühr unterliegender Kaufvertrag vorliegt, richtet sich stets darnach, ob die Leibrente oder die hingegebene Summe Geldes die Hauptleistung bildet [vgl. Latzka-Warnung, Die Stempel- und Rechtsgebühren, Bemerkungen zu § 33 TP 17, 179 und in diesem Zusammenhang das Erk d VwGH v , Slg 1516/(F)].

Während nun der Beschwerdeführer die übernommenen Schulden der Geldleistung zurechnet, sieht die belangte Behörde in einem Unternehmen eine Gesamtsache und behandelt als „Übergabepreis“ lediglich die Barzahlung in Höhe von S 60.000,--.

Gem § 302 ABGB macht der Inbegriff von mehreren besonderen Sachen, die als eine Sache angesehen und mit einem gemeinschaftlichen Namen bezeichnet zu werden pflegen, eine Gesamtsache aus. und wird als ein Ganzes betrachtet.

Ein solches-besonderes „künstliches“ Rechtsobjekt ist das Unternehmen. Gegenstand einer solchen organisierten Mehrheit von Sachen ist der gesamte Komplex von körperlichen und unkörperlichen Sachen. Die Einzelsachen sind wirtschaftlich durch die Einheit des Unternehmens verbunden, dem sie dienen. Diese Mehrheit von' Sachen ist nach der Rechtsprechung eine Gesamtsache im Sinne des § 302 ABGB, die als solche Gegenstand des Rechtsverkehrs ist (vgl Klang‘s Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl, 2. Bd 37/38; Heller-Radl, MietSlg 5595 und 9393)

Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, daß die Gesamtsache „Unternehmen“ in allen Belangen sowohl die Aktiva als auch die Passiva umfaßt und daß daher auch im vorliegenden Falle bei der Frage nach der Höhe der Gegenleistungdie übernommenen Schulden auszuscheiden und als Geldleistung lediglich der sogenannte „restliche Übergabspreis“ in Höhe von S 60.000,-- anzusehen ist. Es war im vorliegenden Fall verfehlt, die vom Beschwerdeführer übernommenen Schulden als „negative Vermögensbestandteile“ zu behandeln. Denn die belangte Behörde übersieht, daß die Schuldübernahme für die Ehegatten JW und MW in steuerlicher Sicht eine finanzielle Entlastung darstellt, sodaß auch dieser Betrag als Kaufpreis für das übergebene Unternehmen zu gelten hat, zumal die Übernahme der Schulden in „Berichtigung“ des Übergabspreises erfolgte (vgl  SZ 12/99 sowie unter neuerlicher Erinnerung an Art 14 Abs 4 der hg GO das Erk d VwGH v , 770/68). § 33 TP 17 Z 4 GebGes hat also an sich das Bruttovermögen im Auge.

Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, war die Beschwerde schon aus diesem Grunde begründet und der angefochtene Bescheid gern § 42 Abs 2 lit a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben:

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde unter Bedachtnahme darauf, daß sich die Beurteilung der Frage ob ein gebührenpflichtiger Leibrentenvertrag oder ein nicht der Rechtsgebühr unterliegender Kaufvertrag vorliegt, zu prüfen haben, ob der Wert der Leibrente oder der versprochene Kaufpreis überwiegt und sodann zu beurteilen haben; ob der vorliegende Vertrag als Leibrentenvertrag oder als Kaufvertrag anzusehen ist. Sollte die belangte Behörde das Vorliegen eines Kaufvertrages bejahen, so wird auch noch zu untersuchen sein, ob nicht eine gemischte Schenkung vorliegt, wobei nach der Rechtsprechung des VwGH nicht die Einheitswertet sondern allein die gemeinen Werte von Leistung und Gegenleistung zu vergleichen sein werden (in diesem Punkte sei unter nochmaliger Erinnerung an Art 14 Abs 4 der hg GO au die hg Erk v. , 1869/62 und v , 1055/70 hingewiesen).

Der Beschwerdeführer hat für den Fall seines Obsiegens einen Aufwandersatz in Hohe von S 1.132,-- (für den Schriftsatzaufwand S 1.000.,--, für Steinpelmarken S 45,-- für Kopien, Porti und dgl S 32,-- und für Umsatzsteuer S 55,--) beantragt. Diesem Begehren war im Hinblick auf § 47 Abs 1 und 2 lit a und b, § 48 Abs 1 lit. a und b, § 49 Abs 1 und § 59 Abs 1 und § 59 Abs. 1 und 2 it. a und d in Verbindung mit Art I A Z 1 der V d BKA vom BGBl 4 nur in Höhe von S 1.063,80 zu entsprechen. Die Kosten für Kopien, Porti und dgl sowie für Umsatzsteuer finden in den Pauschalkosten für den Schriftsatzaufwand ihre Deckung.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
Sammlungsnummer
VwSlg 4332 F/1972
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1972:1970001837.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
IAAAF-56054