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VwGH 30.04.1964, 1830/62

VwGH 30.04.1964, 1830/62

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
RS 1
Daß sich die Parteien bei Errichtung eines Bestandvertrages auf eine längere Bestanddauer binden wollten, kann dann, wenn beiden Teilen das Recht der Kündigung des Bestandvertrages zusteht, nicht schon daraus abgeleitet werden, daß gewisse Regelungen im Vertrag für längere Zeit (zB Festsetzung des Bestandzinses für 50 Jahre)getroffen worden sind.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH Erkenntnis VS 1964/04/08 0840/62 1
Normen
RS 2
Absatz 3 Satz 2 des § 33 TP 5 GebG muß dahin verstanden werden, daß nicht jede vorbehaltene schranklose Kündigungsmöglichkeit es der Behörde erlaubt, einen Bestandvertrag dennoch, wenn in ihm auch ein Endzeitpunkt des Vertragsverhältnisses angegeben ist, als einen Vertrag auf bestimmte Zeit zu werten, sondern daß dies nur dann zulässig ist, wenn die Möglichkeit der Kündigung für einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle vorgesehen ist. Ist nur ein Vertragsteil zeitlich gebunden, während der andere das Vertragsverhältnis ohne Beschränkung auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Gründe durch Kündigung auflösen kann, dann ist ein Bestandverhältnis auf unbestimmte Zeit anzunehmen (Nur Modifikation, jedoch nicht Abgehen von E , 2128/59, VwSlg 2249 F/1960).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH Erkenntnis VS 1964/04/08 0840/62 2

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Ondraczek, und die Hofräte Dr. Mathis, DDr. Dorazil, Dr. Raschauer und Dr. Frühwald als Richter, im Beisein der Schriftführer, des Bezirksrichters Dr. Gottlich und des prov. Finanzkommissärs Dr. Blaschek, über die Beschwerde der A in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA VIII-1258/62, betreffend die Gebühr von einem Mietvertrage, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hat mit schriftlichem Vertrag vom bestimmte Räumlichkeiten in einem Haus in Wien von dessen Miteigentümern um einen monatlichen Mietzins von S 13.000,-- zuzüglich eines Betriebskostenanteiles von monatlich S 1.500,-- in Bestand gegangen. Das Vertragsverhältnis wurde mit Wirkung vom auf unbestimmte Zeit eingegangen. Für beide Vertragsteile sollte das Mietverhältnis je zum Ende eines Kalendermonates unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist auflösbar sein. Die Vermieter erklärten jedoch, den Vertrag während der ersten zehn Jahre seines Bestandes (d.i. bis ) „nur wegen eines Verschuldenstatbestandes im Sinne des § 19 MG“ aufzukündigen.

Mit Bescheid vom schrieb das zuständige Finanzamt der Beschwerdeführerin für dieses Rechtsgeschäft unter Hinweis auf § 33 TP 5 des Gebührengesetzes 1957 (BGBl. Nr. 267/1957, GebG) vom zehnfachen Jahresmietzins (einschließlich des Betriebskostenanteiles) eine 1%ige Rechtsgeschäftsgebühr in Höhe von S 17.400,-- (und außerdem Stempelgebühren in der Höhe von S 12,--) vor.

Die Beschwerdeführerin berief und machte geltend, sie habe einen Mietvertrag auf unbestimmte Dauer abgeschlossen, der die Behörde nur zur Einhebung einer Gebühr vom dreifachen Jahresmietzinse berechtigte. Sie berief sich u. a. auch auf mehrere Erlässe des Bundesministeriums für Finanzen, denenzufolge als Bemessungsgrundlage der Gebühr für einen ausdrücklich auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietvertrag der dreifache Jahreswert auch dann zu gelten habe, wenn der Bestandgeber nicht auf das Kündigungsrecht überhaupt, sondern nur auf die Geltendmachung eines einzelnen bestimmten Kündigungsgrundes während eines bestimmten Zeitraumes verzichtet.

Die Finanzlandesdirektion wies die Berufung mit Bescheid vom als unbegründet ab. Sie begründete ihre Entscheidung wie folgt: Gemäß § 17 Abs. 1 GebG sei für die Festsetzung der Gebühr der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Urkunde maßgebend. Nach dem Wortlaute der Vertragsurkunde könnten die Vermieter während der ersten zehn Jahre des Mietverhältnisses den Vertrag nur wegen eines „schuldhaften Tatbestandes“ im Sinne des § 19 MG kündigen. Die zunächst vereinbarte unbestimmte Dauer sei durch diese vertragliche Vereinbarung dahin abgeändert worden, daß die Vermieter einen Kündigungsverzicht abgegeben haben, der jedoch auf jene Tatbestände des § 19 MG eingeschränkt sei, die kein schuldhaftes Verhalten des Mieters voraussetzen. Die Beschwerdeführerin sei nun der Auffassung, die Vermieter hätten einen Kündigungsverzicht nur für den Fall des Eigenbedarfes abgegeben, da ein Teil der Kündigungsgründe des § 19 MG auf den vorliegenden Vertrag nicht angewendet werden könne und die übrigen, mit Ausnahme des Eigenbedarfes, ein schuldhaftes Verhalten des Mieters voraussetzten. Dieser Meinung könne nicht gefolgt werden. Eine Untersuchung der Kündigungsgründe nach § 19 MG ergebe, daß nur der in Z. 3 angeführte Tatbestand allein durch schuldhaftes Verhalten verwirklicht werden könne, die übrigen Tatbestände jedoch auch durch schuldhaftes Verhalten gesetzt werden könnten. Der Verwaltungsgerichtshof habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß ein Mietvertrag wie der vorliegende gebührenrechtlich als ein Vertrag auf bestimmte Dauer anzusehen sei. Da im vorliegenden Falle der Kündigungsverzicht auf die Dauer von zehn Jahren abgegeben worden sei, habe das Finanzamt mit Recht die zehnfache Jahresleistung der Bemessung zugrunde gelegt.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beruft sich die Beschwerdeführerin auf § 33 TP. 5 Abs. 3 GebG und auf einige Erlässe des Bundesministeriums für Finanzen. Soweit sie sich auf diese Erlässe bezieht, ist ihr Vorbringen für den Verwaltungsgerichtshof unbeachtlich, weil diese Erlässe nicht im Bundesgesetzblatte verlautbart worden sind und demnach auf Grund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als allgemein verbindliche Rechtsvorschriften, sondern nur als Verwaltungsanweisungen des Bundesministeriums für Finanzen angesehen werden können, die keine im Rechtswege durchsetzbaren Ansprüche der Steuerpflichtigen begründen. Sonach ist nur zu prüfen, ob das Begehren der Beschwerdeführerin im Gesetz eine Deckung findet.

Gemäß § 33 TP. 5 Abs. 3 GebG ist abweichend von den einschlägigen Bestimmungen des Bewertungsgesetzes 1955 (BGBl. Nr. 148/1955) bei unbestimmter Dauer des Bestandverhältnisses der dreifache jährliche Bestandzins als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Die Beschwerdeführerin behauptet nun, der vorliegende Vertrag sei ein solcher Bestandvertrag auf unbestimmte Dauer, von dem also die Gebühr nur nach dem dreifachen Jahresentgelte bemessen werden könne. Die Beurteilung, ob ein Vertrag für Zwecke der Gebührenbemessung als ein solcher auf bestimmte oder als ein solcher auf unbestimmte Zeit zu werten ist, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ab, ob sich aus dem erklärten Willen der Parteien eine Bindung auf eine bestimmte Zeit ableiten läßt oder nicht. Eine solche Bindung ist, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Slg. 1829(F), ausgeführt hat, jedenfalls dann anzunehmen, wenn beide Vertragsteile auf das Recht, den seinem Wortlaute nach auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Vertrag zu kündigen, auf eine bestimmte Zeit verzichtet oder für diese bestimmte Zeit die Kündigung nur aus bestimmten einzelnen Gründen für zulässig erklärt haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings in einer Reihe anderer Erkenntnisse, so in denen vom , Slg. 1808(F), vom , Zl. 1153/59, und vom , Zl. 1105/60, einen dem Wortlaute nach auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Bestandvertrag auch dann als auf bestimmte Zeit abgeschlossen gewertet, wenn nur einer der beiden Vertragsteile für eine bestimmte Zeit auf die Kündigung verzichtet hat. An dieser Rechtsanschauung hält jedoch der Verwaltungsgerichtshof nicht mehr fest. Er hat in seinem von einem verstärkten Senate beschlossenen Erkenntnis vom , Zl. 840/62, ausgesprochen, daß dann, wenn nur ein Vertragsteil zeitlich gebunden ist, der andere Vertragsteil aber das Bestandverhältnis ohne Beschränkung auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Gründe durch Kündigung auflösen kann, ein Bestandverhältnis auf unbestimmte Zeit anzunehmen ist. (Auf Verlangen werden den Parteien Abschriften dieses Erkenntnisses übermittelt werden.)

Im vorliegenden Falle haben nur die Vermieter einen Kündigungsverzicht bis zum Ablaufe der ersten zehn Jahre des Bestandverhältnisses abgegeben, der Beschwerdeführerin stand jedoch nach dem Vertrage das Recht zu, das Mietverhältnis zum Ende eines jeden Kalendermonates unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist aufzulösen. Da somit nur für den einen Vertragsteil, die Vermieterseite, nicht aber für beide Vertragsteile eine zeitliche Bindung vorliegt, mußte der Vertrag als ein solcher auf unbestimmte Zeit gewertet und konnte der Gebührenbemessung nur das dreifache jährliche Mietentgelt zugrunde gelegt werden. Da die belangte Behörde aber die Vorschreibung einer Gebühr von zehnfachen Jahresentgelte bestätigt hat, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden. Bei dieser Sache und Rechtslage war es entbehrlich, auf die weiteren Ausführungen der Beschwerde einzugehen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1964:1962001830.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAF-56033