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VwGH 23.05.1966, 1829/65

VwGH 23.05.1966, 1829/65

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
EStG 1953 §4 Abs1
RS 1
Rückständiger Abraum, dh der voraussichtliche Aufwand für unterbliebene Abraumarbeiten, ist entsprechend dem Erfordernis der periodenmäßig richtigen Rechnungsabgrenzung zu passivieren (Hinweis E , 1578/55; VwSlg 1469 F/1956).
Normen
EStG 1953 §12 Z1
EStG 1953 §4 Abs4
RS 2
Die Kranzspende des Arbeitgebers für einen verstorbenen Arbeitnehmer ist regelmäßig eine Betriebsausgabe.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Wasniczek, und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialsekretärs Dr. Walter, über die Beschwerde der Firma F, vertreten durch Dr. Helmut Buzzi, Rechtsanwalt in Wien I, Schellinggasse 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat, vom , ZI. VI-2465/65, betreffend einheitliche Gewinnfeststellung für 1963, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Beschwerdeführerin unterhält einen Steinmetzbetrieb und einen Steinbruch. Bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für 1963 wich das Finanzamt in mehreren Punkten von der Steuererklärung ab. Es lehnte die Anerkennung der in der Bilanz vom für nicht durchgeführte Abraumarbeiten im Steinbruch gebildeten Rückstellung in der Höhe von S 108.900,-- sowie der Kosten der für einen verstorbenen Arbeitnehmer geleisteten Kranzspende von S 123,-- als Betriebsausgaben ab und rechnete diese Beträge dem ermittelten Gewinn wieder hinzu. Die Beschwerdeführerin berief. Zum ersten der beiden vorangeführten Streitpunkte führte sie aus, die kontinuierliche Vornahme von Abraumarbeiten bilde einen wesentlichen Faktor für die Gesteinsarbeiten und die Kalkulation des Betriebes; wenn, wie dies 1963 der Fall gewesen sei, die Abraumarbeiten nicht in dem erforderlichen Maße durchgeführt werden, würden sich bei Nichtberücksichtigung einer Abgrenzungsposition Gewinnverschiebungen ergeben, die mit der Ertragslage nicht in Einklang stünden. Rückstellungen für künftige Aufwendungen, die mit dem Wirtschaftsjahr in ursächlichem Zusammenhang stehen, würden in der Rechtsprechung zugelassen. Wenn die Abraumarbeiten über das laufende, betriebsnotwendige Maß hinaus in einer Art vorgenommen worden wären, daß sie die Arbeiten für kommende Wirtschaftsjahre vorweggenommen hätten, und es wäre daraus ein Verlust entstanden, dann hätte die Behörde zweifellos eine Aktivierung jener Verluste vorgenommen, die kommende Ertragsperioden betreffen. Was aber für die Aktivierung Rechtens sei, das müsse auch für die Passivierung gelten. Es handle sich nicht um eine Rückstellung für zukünftige Verluste, sondern um die periodenweise richtige Abgrenzung von Aufwendungen. Folge man der Ansicht der Behörde, dann komme man zur Versteuerung unechter Gewinne, ohne daß die Möglichkeit bestehe, einen Ausgleich mit späteren Verlusten vorzunehmen. In dem Streitpunkt der Kranzspende wendete sich die Beschwerdeführerin dagegen, daß die entstandene Aufwendung als eine solche der privaten Lebensführung angesehen werde. Diese Ausgabe sei durch den Betrieb verursacht worden,eil die Beschwerdeführerin weder auf Grund ihrer gesellschaftlichen Stellung noch ansonsten eine Veranlassung gehabt habe, einen Kranz zu kaufen. Im Zuge des Berufungsverfahrens brachte die Beschwerdeführerin noch vor, der Steinbruch müsse auf Grund der vorliegenden Gegebenheiten terrassenförmig abgebaut werden. Dies entspreche sowohl den geologischen Notwendigkeiten als auch den einschlägigen Sicherheitsvorschriften. Die Beschwerdeführerin legte dazu an Hand einer Skizze den Abbruchsvorgang dar, der es erforderlich mache, beim Abbau einer Stufe nicht nur jeweils das auf der abzubauenden Stufe liegende Material, sondern auch das anderer Stufen abzuräumen. Werde der terrassenförmige Abbau nicht eingehalten was entgegen den Sicherheitsvorschriften bei sehr festem Gestein, wie bei dem gegenständlichen Steinbruch zeitweilig sei, bestehe die Gefahr eines Bergrutsches. Im Jahre 1963 sei ein entsprechender Abbau unterlassen worden, weil es sich bei dem abzubauenden Material um brüchigen, nicht verwertbaren Stein handelte, dessen Abbau keinerlei Ertrag gebracht hätte. Auch 1964 sei lediglich der verwertbare Stein am Fuße des Bruches abgebaut worden wodurch es dann zu einem Bergrutsch gekommen sei. Die vorgenommene Rückstellung für unterlassenen Abraum betreffe lediglich die Kosten des Abbaues jenes Materials, das vor der Gewinnung der 1963 erzeugten Steine hätte abgebaut werden müssen, um einen ordnungsmäßigen Ablauf der Produktion zu gewährleisten. Die Nichtberücksichtigung der Abraumkosten durch die Bildung einer Rückstellung würde zu einer Substanzversteuerung führen. Rückstellungen für Abraumrückstände würden daher - so wird unter Bezugnahme auf den Kommentar von Adler - Düring - Schmaltz „Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaften“, 3. Auflage, § 131, Z. 148, lit. f, S. 292) ausgeführt, steuerlich anerkannt. Es liege die zwangsweise Verknüpfung einer späteren Ausgabe mit einer Einnahme des letzten Jahres vor. Daran ändere der Umstand nichts, daß sich bei einer Betriebsaufgabe am Bilanzstichtag keine weitere Belastung für die Folgejahre ergeben würde. Für die weitere ertragssteuerliche Beurteilung stelle die Steuergesetzgebung nicht auf eine Betriebseinstellung, sondern wie etwa beim Teilwertbegriff auf die Fortsetzung des Unternehmens ab. Unter diesem Gesichtspunkt, würden sich in den Folgejahren eindeutige Belastungen dadurch ergeben, daß der erforderliche Abraum für die Steingewinnung des Jahres 1963 unterlassen wurde und daher nachgeholt werden müsse. Die fehlende Aktivierung von vorweggenommenem Abraum in den Vorjahren bedeute nicht etwa, daß es zur Steingewinnung genüge, bloß das vertikal über den abzubauenden Steinvorkommen lagernde Material abzuräumen Eine Vorwegnahme des Abraumes für das Jahr 1963 habe nicht stattgefunden, sodaß eine Aktivierung nicht in Frage gekommen sei.

Die belangte Behörde gab der Berufung in einem vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht mehr strittigen Punkte statt und wies sie in den beiden vor dem Verwaltungsgerichtshof strittigen Punkten ab. Bei dem Abraum handle es sich um unproduktive Arbeiten, die die laufende Ausbeutung des Steinbruches gewährleisten sollen. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Bildung von Rückstellungen nur für ungewisse Schulden, die dem Grund nach am Bilanzstichtag bereits bestehen, anerkannt. Er habe die Rückstellung für Schäden, die ein Hotelier in der Besatzungszeit durch nicht laufend vornehmbare Instandhaltungsarbeiten erleiden mußte, als steuerlich innbeachtliche Rücklage erkannt. Die Ansammlung von Eigenmitteln für die weitere Gewährleistung der Ausbeutungsfähigkeit einer Anlage stelle eine Art Selbstversicherung dar, welche in die Kategorie der Rücklagen einzureihen sei. Kranzspenden für verstorbene Arbeitnehmer eines Betriebes fielen in geradezu typischer Weise unter § 12 des Einkommensteuergesetzes 1953 (EStG) und seien daher keine Betriebsausgaben.

In der gegen diesen Bescheid leim Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wird der Standpunkt der belangten Behörde als rechtswidrig bekämpft und der Vorwurf einer Verletzung von Verfahrensvorschriften erhoben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Bei der vorliegenden Beschwerde geht es um die Frage der Passivierung des Aufwandes zur Beseitigung von „Abraum“. Im Beschwerdefall handelt es sich dabei um das dem im Steinbruch der Beschwerdeführerin zu gewinnenden Gestein vor- und übergelagerte Material. Die Entfernung des Abraumes ist ein Betriebsvorgang im Rahmen des Betriebes des Steinbruchs, die dabei entstehenden Kosten sind Herstellungskosten des zu gewinnenden Gesteins. Die Beseitigung des Abraums und die Gewinnung des Gesteins sind allerdings zwei verschiedene Arbeitsvorgänge. Da zur Gesteinsgewinnung zuerst das dem zu gewinnenden Gestein vor- und übergelagerte Material abgebaut werden muß, schreiten die beiden Arbeitsvorgänge nicht immer gleichmäßig voran. Es ergibt sich daher in den Fällen vorweggenommenen Abraums die Frage der Aktivierung der entstandenen Aufwendungen und in den Fällen rückständigen Abraums die Frage der Passivierung der für die Entfernung erforderlichen Aufwendungen.

Die belangte Behörde hat die von der Beschwerdeführerin für rückständigen Abraum vorgenommene Rückstellung mit der Begründung nicht anerkannt, es handle sich dabei um eine Rückstellung für ungewisse Schulden, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lediglich als eine steuerlich unbeachtliche Rücklage angesehen werden könne. Mit dieser Rechtsmeinung steht die Behörde allerdings nicht auf dem Boden der von Lehre und Rechtsprechung in der Frage der Passivierung von Abraumrückständen vertretenen Rechtsmeinung. Diese bejaht die Frage, ob rückständiger Abraum zu passivieren ist, und vertritt lediglich eine unterschiedliche Rechtsauffassung darin, ob der Abraumrückstand eine selbständig passivierbare Last darstellt, oder ob der für die Aufwendungen zur Beseitigung des Rückstandes gebildete Passivposten einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten darstellt. (Vgl. die Kommentare zum Einkommensteuergesetz von Blümich-Falk 9. Auflage 460, Littmann S. 358 und den Handkommentar „Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft“ von Adler - Düring - Schmaltz S. 292.)

Auch der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mit der steuerlichen Behandlung des Abraumes befaßt. In dem dem hg. Erkenntnis vom , Slg. 1469/F, zugrundeliegenden Beschwerdefall ging es zwar um die Frage, ob aktivierte Abraumkosten in einem Kohlenbergwerk ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens darstellen und dafür Absetzung für Abnutzung in Anspruch genommen werden könne. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber in diesem Zusammenhang ausgeführt: „In der Regel wird die Ausbeutung des freigelegten Kohlenvorkommens hinter den betreffenden Freilegungsarbeiten zurückbleiben. Daraus erhellt, daß die Abraumkosten in der Regel zu einem Großteil in einem Wirtschaftsjahr entstehen, in dem sie der Kohlenförderung nicht zugute kommen. Da aber bei der Besteuerung der tatsächliche wirtschaftliche Erfolg im Ermittlungszeitraum erfaßt werden soll, müssen rechnungsmäßig die Ausgaben in das Wirtschaftsjahr gebracht werden, das sie wirtschaftlich belasten. Ausgaben, die einem späteren Wirtschaftsjahr zugute kommen, müssen in dem vorangehenden Jahr oder in den vorangehenden Jahren, in denen sie entstanden sind, als Besitzposten in die Bilanz aufgenommen werden. Dieser buchmäßige Vorgang wird gemeinhin als Aktivierung bezeichnet.“

Die Beachtung dieser Grundsätze führt nun, dem Erfordernis der periodenmäßig richtigen Rechnungsabgrenzung entsprechend, bei vorweggenommenem Abraum zur Aktivierung. Es bedarf keiner besonderen Darlegung, daß die gleichen Grundsätze im Falle rückständigen Abraums zu einer entsprechenden Passivierung zu führen haben. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, ist der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund mit einer Rechtswidrigkeit behaftet.

Die belangte Behörde irrt aber auch in der Frage der Abzugsfähigkeit der Kranzspende für einen verstorbenen Arbeitnehmer. Sicherlich ist eine Kranzspende der Ausdruck der persönlichen Anteilnahme des Spenders an dem betreffenden Todesfall. Nach den Erfahrungen des Lebens kann aber kein Zweifel bestehen, daß die Kranzspende des Arbeitgebers für einen verstorbenen Arbeitnehmer regelmäßig, insbesondere aber wenn es sich nicht um ein Einzelunternehmen handelt, durch das Dienstverhältnis des Verstorbenen zum Betrieb veranlaßt ist, und daher eine Betriebsausgabe darstellt.

Somit erweist sich die Beschwerde in beiden Streitpunkten als berechtigt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Aufwandersatz wurde von der Beschwerdeführerin nicht beantragt, sodaß ein Ausspruch über die Kosten unterbleiben konnte.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
EStG 1953 §12 Z1
EStG 1953 §4 Abs1
EStG 1953 §4 Abs4
Sammlungsnummer
VwSlg 3462 F/1966;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1966:1965001829.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
CAAAF-56030