VwGH 21.10.1975, 1818/74
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Übergangene Parteien haben bereits mit ihrem Auftreten vor der Behörde, ohne daß es noch zusätzlich eines förmlichen Antrages bedürfte, Anspruch auf Zustellung eines ihnen bis dahin vorenthaltenen Bescheides. Die darin gelegene Rechtswidrigkeit, daß die Behörde erster Instanz in derselben Sache zweimal entschieden hat, ist in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen (Hinweis E , 1358/73). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Striebl und die Hofräte Dr. Rath, Dr. Leibrecht, Dr. Liska und Dr. Salcher als Richter, im Beisein des Schriftführers prov. Landesregierungskommissär Dr. Funovits, über die Beschwerde des Josef K in K, vertreten durch Dr. Heinz Napetschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Sterneckstraße 3/11, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 8 BauR 1-205/3/1974, betreffend eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: Roman und Margarethe R in K, vertreten durch Dr. Dieter Huainigg, Rechtsanwalt in Klagenfurt, St. Veiter Ring 39), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Auf Antrag des Beschwerdeführers erteilte diesem der Bürgermeister der Landeshauptstadt Klagenfurt erstmals mit Bescheid vom gemäß den §§ 4, 13 und 14 der Kärntner Bauordnung, LGBl. Nr. 48/1969, die Baubewilligung unter anderem für die Errichtung einer Einfriedung auf dessen Grundstück Nr. 458/72 Katastralgemeinde W. Wenig später stellte sich heraus, daß die nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Anrainer Roman und Margarethe R., denen das unmittelbar benachbarte Grundstück Nr. 552 Katastralgemeinde W. gehört, versehentlich dem Bauverfahren nicht beigezogen worden waren. Der Bescheid vom blieb unangefochten, doch erging, nachdem neuerlich eine mündliche Verhandlung, diesmal in Anwesenheit der Mitbeteiligten stattgefunden hatte, über dasselbe Ansuchen am ein zweiter Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt, mit dem die Baubewilligung noch einmal erteilt, jedoch eine der Auflagen, nämlich Punkt 4, dahingehend geändert wurde, daß nun "im Bereich des 3 m Abstandes zur Straße als Geländerfüllung anstelle einer stabilen, undurchsichtigen Füllung zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit der bestehenden Ausfahrt der genannten Anrainer ein Gittergeflecht verwendet werden sollte. Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid in bezug auf die eben erwähnte Auflage gerichtete Berufung veranlaßte den Stadtsenat der Landeshauptstadt Klagenfurt, zunächst selbst noch eine Verhandlung durchzuführen und sodann mit Bescheid vom gemäß § 76 Abs. 1 des Klagenfurter Stadtrechts, LGBl. Nr. 58/1967, in Verbindung mit den §§ 1 bis 23 der Kärntner Bauordnung sowie § 66 Abs. 4 AVG 1950 zu bestimmen, daß die Auflage Punkt 4 im Bescheid vom zu entfallen habe. Dagegen wandten sich nun die mitbeteiligten Anrainer mit Vorstellung (§ 77 des Klagenfurter Stadtrechts). Ihr gab die Kärntner Landesregierung statt, indem sie mit Bescheid vom die vor ihr angefochtene Entscheidung aufhob und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Landeshauptstadt Klagenfurt zurückverwies. Zu dem Ergebnis gelangte die Aufsichtsbehörde, indem sie erklärte, die Vorstellungswerber seien als übergangene Anrainer zu betrachten; als solchen hätte ihnen der Bescheid vom zugestellt werden müssen, worauf ihnen die Berufung gegen diesen offengestanden wäre. Die im Gegensatz zu einer derartigen verfahrensrechtlich richtigen Vorgangsweise stehende Erlassung eines weiteren Bescheides in Erledigung ein und desselben Bauansuchens sei rechtswidrig, das zweite Baubewilligungsverfahren daher schon deswegen mangelhaft gewesen. Des weiteren habe der polizeiliche Amtssachverständige bei der mündlichen Verhandlung vor der Berufungsbehörde zur Vermeidung einer krassen Störung des Ortsbildes einen Abstand von 3 m von der Einfriedung bis zur Straßengrundgrenze verlangt, ohne, daß sich dem angefochtenen Bescheid entnehmen lasse, warum die Gemeindebehörde zweiter Instanz diesem Gutachten nicht gefolgt sei, worin ein wesentlicher Begründungsmangel liege. Schließlich habe sich nach dem Gutachten des verkehrstechnischen Sachverständigen ergeben, daß durch die geplante Einfriedung eine Sichtbehinderung für die Lenker der nebenan ein- und ausfahrenden Fahrzeuge eintrete, so daß jeweils ein Einweiser nötig werde. Dies würde die Verkehrssicherheit auf der Straße nachteilig beeinflussen, weil damit gerechnet werden müßte, daß aus Bequemlichkeit die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen unterblieben. Es treffe zwar zu, daß Anrainern auf die Wahrung des Ortsbildes und der Interessen des öffentlichen Verkehrs kein Rechtsanspruch zustehe, doch bilde die in wesentlichen Begründungsmängeln gelegene Mangelhaftigkeit des Verfahrens schon für sich allein einen Aufhebungsgrund und stelle eine Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte der Vorstellungswerber dar, die einen dem Gesetz entsprechenden, begründeten Bescheid verlangen könnten. Ebensowenig dürfe sich die Tatsache von Vorstellungswerbern gegenüber nachteilig auswirken, daß diese nicht formell die Zustellung des (ersten) Baubewilligungsbescheides verlangt hätten. Die Baubehörde zweiter Instanz werde daher im folgenden den Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom aufzuheben haben.
Sodann werde den übergangenen Anrainern der Bescheid vom zuzustellen sein. Über eine allfällige Berufung dieser Anrainer werde der Stadtsenat der Landeshauptstadt Klagenfurt neuerlich zu entscheiden haben.
Gegen diesen Bescheid ist die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes desselben erhobene Beschwerde gerichtet, nach deren Inhalt sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Aufrechterhaltung der ihm im Umfang der gemeindebehördlichen Entscheidung zweiter Rechtsstufe erteilten Baubewilligung verletzt erachtet. Anrainer hätten weder einen Anspruch auf Wahrung des Ortsbildes noch auf Beachtung öffentlicher Verkehrsrücksichten. Ihren Interessen sei mit dem neu durchgeführten gemeindebehördlichen Verfahren durchaus Rechnung getragen worden. Mangels Verletzung von Rechten der Vorstellungswerber sei daher die Aufhebung des Baubewilligungsbescheides gemäß § 77 des Klagenfurter Stadtrechts zu Unrecht erfolgt. Die Voraussetzung für eine Maßnahme gemäß § 81 dieses Gesetzes habe ebensowenig vorgelegen.
Über die Beschwerde und die zu ihr erstattete Gegenschrift der belangten Behörde wurde erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 8481/A, festgestellt, daß der im § 18 der Kärntner Bauordnung verwendete Begriff der Einwendung jenen Inhalt besitzt, der schon in der bisherigen Rechtsprechung zum Ausdruck kommt. Relevant sind Einwendungen demnach nur, wenn sie sich auf Rechte stützen, die materiell-rechtlich gewährleistet sind und Vorschriften betreffen, die nicht nur dem öffentlichen sondern auch dem besonderen Interesse des Nachbarn dienen. Letzteres trifft weder in bezug auf den Schutz des Ortsbildes noch auf die öffentlichen Interessen des Verkehrs zu: diese in § 13 der Kärntner Bauordnung genannten öffentlichen Rücksichten hat die Behörde von Amts wegen zu vertreten und allenfalls fehlende Voraussetzungen von sich aus gemäß § 14 dieses Gesetzes durch entsprechende Auflagen herzustellen. Besondere Maßnahmen zum Schutz des nachbarlichen Eigentums sind in solchen Bestimmungen nicht gelegen. Dasselbe gilt für die Entfernungsvorschrift des § 47 des Kärntner Straßengesetzes 1971, LGBl. Nr. 48 (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1339/73). Die belangte Behörde hat sich zu dieser Rechtsansicht im angefochtenen Bescheid bekannt. Sie irrt aber, wenn sie meint, sie könnte als Aufsichtsbehörde einer Partei über durch materiell-rechtliche Bestimmungen umschriebene Ansprüche hinausreichende prozessuale Rechte zubilligen. Eine Rechtsverletzung der Vorstellungswerber ist daher insoweit nicht eingetreten, als den Gemeindebehörden Verfahrensmängel in einem Rechtsbereich unterlaufen sind, bezüglich dessen die Anrainer kein Mitspracherecht besaßen. Anders verhält es sich jedoch mit der von der belangten Behörde zu Recht ungeachtet der Tatsache, daß die Vorstellungswerber darauf selbst in der Vorstellung gar nicht eingegangen waren (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N. F. Nr. 7606/A), aufgegriffenen Rechtsverletzung, die dadurch entstanden ist, daß die Gemeindebehörde erster Instanz ohne Rücksicht auf den in derselben Sache bereits ergangenen erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid vom und somit, da sie zu einer neuerlichen Absprache nicht mehr berufen war, unzulässigerweise ein neues Verfahren durchgeführt und am neuerlich entschieden, die Rechtsmittelbehörde aber die darin gelegene Rechtswidrigkeit, auf die in jeder Lage des Verfahrens einzugehen war, nicht wahrgenommen hatte. Die belangte Behörde hat daher in dieser Hinsicht im Ergebnis richtig entschieden. (Vgl. auch das in einem ähnlichen Beschwerdefall ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1358/73, und die darin angeführte Judikatur.)
Der Verwaltungsgerichtshof pflichtet ihr in diesem Zusammenhang auch darin bei, daß übergangene Parteien bereits mit ihrem Auftreten vor der Behörde, ohne daß es noch zusätzlich eines förmlichen Antrages bedürfte, Anspruch auf Zustellung eines ihnen bis dahin vorenthaltenen Bescheides haben. Durch die Aufhebung des Bescheides des Stadtsenates der Landeshauptstadt Klagenfurt vom aus den nach den vorstehenden Ausführungen diese Aufhebung tragenden Gründen, wobei der Verlauf des fortzusetzenden Verfahrens auf Seite 6 (Zeile 20 - 29) des angefochtenen Bescheides zutreffend vorgeschrieben wurde, ist daher in subjektive Rechte des Beschwerdeführers nicht eingegriffen worden.
Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz erfolgte, unter Bedachtnahme auf den gestellten Antrag, gemäß den §§ 47 ff VwGG 1965 und den Bestimmungen der Verordnung BGBl. Nr. 4/1975.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 8903 A/1975 |
Schlagworte | Verfahrensbestimmungen Baurecht Grundeigentümer Rechtsnachfolger Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1975:1974001818.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAF-55996