VwGH 05.09.1966, 1808/65
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Auf die Erlassung eines Polizeibefehls in Brausachen (hier: Baueinstellungsauftrag) steht niemanden, also auch nicht einer Partei des der Erlassung des Befehls vorangehenden Verwaltungsverfahrens, ein Rechtsanspruch zu (Hinweis E , 377/52, VwSlg 2525 A/1952, E , 2376/60, E , 2374/63). |
Normen | BauO Wr §127 Abs5 BauRallg |
RS 2 | Die Untersagung der Fortführung behördlich nicht bewilligter Arbeiten ist ihrer Natur nach eine aus Antrieb der Behörde zu setzende polizeiliche Maßnahme, also ein Polizeibefehl. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Borotha und die Hofräte Dr. Krzizek, Dr. Lehne, Dr. Rath und Dr. Leibrecht als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bily, über die Beschwerde des KS in W, vertreten durch Dr. Karl Albrecht Majer, Rechtsanwalt in Wien I, Rathausstraße 15, gegen die Bauoberbehörde für Wien (Bescheid des Wiener Magistrates im selbständigen Wirkungsbereich vom , Zl. MDR-3 XIX-6-64-R), betreffend die Zurückweisung eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Miteigentümer des Grundstückes Nr. xx, inneliegend EZ X des Grundbuches der Katastralgemeinde K. Ein Teil der Fläche dieses Grundstückes ist durch den Bau der H Brücke in Anspruch genommen worden, für deren Errichtung nach der Aktenlage eine Baubewilligung zum Zeitpunkt des für diesen Beschwerdefall maßgebenden Verwaltungsgeschehens nicht erwirkt worden war. Mit Eingabe vom stellte der Beschwerdeführer beim Wiener Magistrat - Magistratsabteilung 37 als Baubehörde erster Instanz - den Antrag, es möge in Handhabung des § 127 Abs. 5 der Bauordnung für Wien binnen 24 Stunden die Fortsetzung der - damals in Gang befindlichen - Bauarbeiten an der Brücke mittels Bescheides untersagt werden, da eine Baubewilligung, die diese Arbeiten decke, nicht erflossen sei. Eine Entscheidung über diesen Antrag des Beschwerdeführers erließ der Magistrat nach der Aktenlage nicht. Am langte bei der als Einlaufstelle der Bauoberbehörde für Wien fungierende Dienststelle des Magistrates ein Antrag des Beschwerdeführers ein, in dem er unter Berufung auf § 73 Abs. 2 AVG das Verlangen stellte, die genannte Kollegialbehörde möge die Zuständigkeit zur Entscheidung über seinen Antrag vom - auf Baueinstellung - übernehmen. Mit Sitzungsbeschluß vom wies die Bauoberbehörde für Wien dieses Verlangen auf Übergang der Entscheidungspflicht an sie gemäß § 73 AVG 1950 als unzulässig zurück. In der Begründung des in Ausfertigung dieses Sitzungsbeschlusses ergangenen und nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides heißt es, ein Recht auf Entscheidung stehe nur demjenigen zu, der als Partei ein Recht auf Entscheidung habe. Bei einem Baueinstellungsbescheid gemäß § 127 Abs. 5 der Bauordnung für Wien handle es sich um einen in Handhabung der Verwaltungspolizei ergehenden Bescheid, auf dessen Erlassung niemandem ein Rechtsanspruch zustehe. Dies habe zur Zurückweisung des Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht führen müssen.
Gegen diesen Bescheid rief der Beschwerdeführer zunächst mittels einer auf Artikel 144 B-VG gestützten Beschwerde den Verfassungsgerichtshof an, der mit Erkenntnis vom zur Zl. B 288/64 aussprach, daß der Beschwerdeführer durch den in Rede stehenden Bescheid in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden sei und die Beschwerde antragsgemäß zur Entscheidung darüber, ob er durch diesen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sei, dem Verwaltungsgerichtshof abtrat. Über dieses ihm abgetretene, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Vor dem Verwaltungsgerichtshof ist ein Bescheid angefochten, mit welchen ein die Entscheidungspflicht geltend machender Antrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen worden ist. Die Rechtmäßigkeit eines derartigen Bescheides und damit das Schicksal der vorliegenden Beschwerde hängt von der Beantwortung der Frage ab, ob der Beschwerdeführer berechtigt war, einen solchen Anspruch geltend zu machen oder ob ihm ein solches Recht gefehlt hat. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Frage im verneinenden Sinn entschieden. Wenn der Verwaltungsgerichtshof dennoch - und zwar im Gegensatz zu seiner langjährigen Rechtsprechung, nach welcher in einem solchen Falle mit der Zurückweisung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde vorgegangen ist - die Beschwerde zur Sachentscheidung angenommen hat, so deshalb, weil diese Rechtsprechung in dem auf dem Beschluß eines verstärkten Senates beruhenden hg. Erkenntnis vom , Zl. 658/63, aus den dort niedergelegten Gründen verlassen und die Pflicht des Verwaltungsgerichtshofes zur eigenständigen Prüfung auch in solchen Fällen als gegeben angesehen worden ist. Die demnach durch den Verwaltungsgerichtshof anzustellende Untersuchung der entscheidenden Rechtsfrage ergibt folgendes:
Nach der Begründung des Bescheides hat die belangte Behörde die Legitimation des Beschwerdeführers zur Stellung seines Antrages vom sowie sein Recht, eine Entscheidung über diesen Antrag zu verlangen, vor allem aus der Erwägung heraus verneint, daß er in einem Verfahren, das der Erlassung eines Baueinstellungsbescheides vorangehe, Parteistellung nicht genieße. Auch der Verfassungsgerichtshof hat die Billigung der vor ihm angefochtenen Entscheidung und die Abweisung der an ihn gerichteten Beschwerde mit dem Mangel der Parteistellung des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren begründet. Demgegenüber ist der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, daß die Frage der Parteistellung auf sich beruhen kann und daher alle jene Darlegungen in Beschwerde und hiezu erstatteter Gegenschrift keiner Erörterung bedürfen, die sich mit dieser Frage befassen. Dies gilt insbesondere für die gesamte, auf den Nachweis einer Verletzung der Parteienrechte des Beschwerdeführers abzielende Verfahrensrüge. Ist es nämlich - wie noch zu zeigen sein wird - richtig, daß auf die Erlassung eines Polizeibefehles in Bausachen niemandem ein Anspruch zukommt, so ist ein solcher Anspruch auch einer Partei im Verfahren nicht gewährleistet. Auch der Adressat des - stets von Amts wegen zu erlassenden - Polizeibefehlen, über dessen Parteistellung es keinen Zweifel geben kann, und der Bauführer, dem unter gewissen Voraussetzungen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 2493/A, auf das sich der Beschwerdeführer mehrfach berufen hat) die Stellung einer Partei zukommen kann, hat daher keinen Anspruch auf Bescheiderlassung. Selbst dann also, wenn, wie der Beschwerdeführer immer wieder behauptet und in ausführlichen Darlegungen zu begründen sucht, der Eigentümer des Grundes, auf dem ein bewilligungsloser Bau errichtet worden ist, in dem der Erlassung eines Baueinstellungsbescheides vorangehenden Verfahren Parteistellung hätte, wäre daraus ein im Verwaltungswege mit den Mitteln des öffentlichen Rechtes verfolgbarer Anspruch auf Einleitung eines Baueinstellungsverfahrens und auf Erlassung eines Baueinstellungsbescheides nicht ableitbar.
Bei dieser rechtlichen Situation könnte der angefochtene Bescheid dann rechtswidrig sein, wenn es sich entweder bei den in Vollziehung des § 127 Abs. 5 der Bauordnung für Wien ergehenden Bescheiden nicht um Polizeibefehle handelt oder aber wenn der Grundsatz, saß auf die Erlassung eines Polizeibefehles in Bausachen niemanden ein Anspruch eingeräumt hat, nicht aufrechtzuerhalten wäre. Beides trifft aber nicht zu. Der für die Beurteilung der ersten Frage maßgebende Satz der vorzitierten Gesetzesstelle lautet: „Finden die Vertreter der Behörde, daß ein Bau ohne Bewilligung aufgeführt wird, ... so haben sie die Fortsetzung der Arbeiten zu untersagen.“ Es kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes keinem Zweifel unterliegen, daß die Untersagung der Fortführung behördlich nicht bewilligter Arbeiten ihrer Natur nach eine aus Antrieb der Behörde zu setzende polizeiliche Maßnahme, also ein Polizeibefehl, ist. Auch der Beschwerdeführer hat zwar (insbesondere zu den Punkten b) und f) der Beschwerdeergänzung vom ) die Gründe dafür dargelegt, warum er das aus der Qualifikation des Baueinstellungsbescheides als Polizeibefehl zu folgernde Ergebnis für unbefriedigend hält; er hat indessen nicht aufgezeigt, inwiefern und aus welchen Gründen er diese Qualifikation für rechtlich verfehlt hält. Der Gerichtshof kann ferner - dies zu der zweiten weiter oben umschriebenen Frage - weder der erwähnten Beschwerdeergänzung vom noch den durch den Beschwerdeführer selbst verfaßten umfangreichen Äußerungen vom 14. Februar und vom irgendwelche Argumente entnehmen, die ihn veranlassen könnten, von seiner in langjähriger Rechtsprechung (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , Slg. N. F. Nr. 2525/A, vom , Zl. 2376/60, vom , Zl. 2374/63, und viele andere) stets vertretenen Auffassung abzugehen, wonach ein Anspruch auf die Erlassung von Polizeibefehlen in Bausachen niemanden gewährleistet ist. Der Beschwerdeführer übersieht nämlich vor allem, daß dieser Grundsatz, wie schon weiter oben klargestellt worden ist, mit der speziellen Rechtsstellung des Grundeigentümers nichts zu tun hat, weshalb aus Hinweisen wie jene auf seine Haftung für bauordnungswidrige Zustände auf der ihm anteilsmäßig gehörigen Liegenschaft für ihn nichts zu gewinnen ist. Auch die in extenso wiedergegebenen Ausführungen aus dem Werk „Das öffentliche Nachbarrecht“ von Friedrich Krzizek befassen sich nicht, wie der Beschwerdeführer glauben machen möchte, mit der Frage, ob nicht etwa doch ein solcher Anspruch - de lege lata - besteche - der gegenteilige Grundsatz wird vielmehr ausdrücklich und ohne jede kritische Behandlung als feststehend wiedergegeben -, sondern enthalten die rechtspolitische Forderung nach einer gesetzlichen Neuregelung. Die durch den Beschwerdeführer unter Hinweis auf dieses Werk vorgebrachte Behauptung, die zu dieser Frage bestehende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei nicht unbestritten geblieben, hält daher einer Überprüfung nicht stand.
Da sohin die geltend gemachte inhaltliche Rechtswidrigkeit den in Beschwerde gezogenen Bescheid nicht belastet und die Verfahrensrüge, wie schon erwähnt, ausschließlich auf den Nachweis einer Verletzung von Parteienrechten abgestellt ist, um die es aber nach dem Tenor des angefochtenen Bescheides nicht gehen kann, war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
An den Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung war der Verwaltungsgerichtshof nicht gebunden, da er erst am und daher außerhalb der Beschwerdefrist gestellt worden ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Slg. N. F. Nr. 155/A, und vom , Zl. 1424/64).
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:1966:1965001808.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-55964