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VwGH 19.03.1970, 1806/68

VwGH 19.03.1970, 1806/68

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
B-VG Art118 Abs3 Z4;
StVO 1960 §43 Abs2 litb;
StVO 1960 §45 Abs2;
RS 1
Die Gewährung einer Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs 2 StVO von einem Fahrverbot, das für einen Weg im Gemeindegebiet angeordnet wurde, ist - unabhängig davon, welche Behörde dieses Fahrverbot erlassen hat - im ausschließlichen Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden, weshalb sie mit Wirksamkeit der Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1962 als ein Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde von dieser in eigener Verantwortung und unter Ausschluß eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde zu besorgen ist.
Normen
AVG §68 Abs1;
BAO §273 Abs1 lita impl;
BAO §278 impl;
RS 2
Weder nach dem Wortlaut des Gesetzes noch nach dessen Sinn ist für die Frage der Zurückweisung wegen entschiedener Sache der Umstand von Bedeutung, ob die Behörde über den neuen Antrag Erhebung durchgeführt hat oder nicht. Von einer Identität der Sache kann nur gesprochen werden, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgeblichen tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und anderseits sich das neue Parteibegehren im wesentlichen mit dem früheren deckt (Hinweis auf E , 908/67). Eine Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wegen Änderung des Sachverhaltes setzt voraus, daß es sich um eine solche Änderung des Sachverhaltes handelt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluß zuläßt, daß nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann (Hinweis auf E , 1202/58).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. Dr. Porias und die Hofräte DDr. Dolp, Dr. Schmid, Dr. Raschauer und Dr. Jurasek als Richter, im Beisein des Schriftführers Bezirksrichter Dr. Gerhard, über die Beschwerde der Dr. AS in I, vertreten durch Dr. Michael Stern, Rechtsanwalt in Wien I, Seilerstätte 22, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. II b - 647/1-1968, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung von einem Fahrverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 1.116,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom hatte die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte Dr. Max Sch. beim Magistrat der Stadt Innsbruck die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Befahren des R.-wegen beantragt. Sie hatten diesen Antrag damit begründet, dass sie in Innsbruck, G., ein landwirtschaftliches Bauwerk (Pferdestall) mit Wohn- und Wirtschaftsräumen errichtet hätten und dass sie dieses Haus ganzjährig bewohnten. Vor kurzem sei für den R.-weg, der die einzige direkte Zufahrt zu diesem Haus darstelle, ein Fahrverbot für Sonn- und Feiertage erlassen worden. Aus beruflichen Gründen seien sie gezwungen, auch an Sonntagen diesen Weg mit Fahrzeugen zu benutzen.

Mit Bescheid vom hatte der Magistrat der Stadt Innsbruck diesem Ersuchen unter Berufung auf § 45 StVO 1960 mit der Begründung keine Folge gegeben, dass der Wohnsitz der Antragsteller in Innsbruck, M.-straße, sei. Außerdem sei für das Objekt am R.-plateau der Baubewilligungsbescheid nur für einen Pferdestall und eine Wohnung für den Knecht erteilt worden. Die im Ansuchen vorgebrachte Nutzung des Objektes als Wohnung für die Liegenschaftsbesitzer entspreche daher nicht den Angaben im seinerzeitigen Bauansuchen und stehe mit der Bestimmung des Gebietes in Widerspruch.

Gegen diesen Bescheid hatten die Liegenschaftseigentümer Berufung erhoben und darin vorgebracht, dass ursprünglich tatsächlich nur um Genehmigung zur Errichtung eines Pferdestalles mit einer Wohnung für den Pferdewärter angesucht worden sei. Bei der Bauausführung hätte sich durch gewisse Änderungen die Möglichkeit ergeben, diese Wohnung für die Liegenschaftseigentümer bewohnbar zu machen. Dies sei deshalb notwendig geworden, weil geeignetes Personal zur Wartung der Pferde nicht hätte gefunden werden können. Die Liegenschaftseigentümer betrieben in Innsbruck, M.-straße, ein Textilgeschäft und nächtigten manchmal dort, wenn sich die Notwendigkeit dazu ergebe. Sonst jedoch wohnten sie in G., weil sie selbst täglich für die dort untergebrachten Pferde sorgen müssten. Die Veränderungen des Hauses während der Bauführung seien schließlich ausdrücklich genehmigt worden. Überdies könne man den Liegenschaftseigentümern nicht zumuten, das Haus und die Ställe nur durch einen langen anstrengenden Fußweg von etwa 5 km mit Überwindung eines Höhenunterschiedes von etwa 250 m zu erreichen. Bei dem zur Errichtung des Gestütes und der Wohnung in G. geführten Bauverfahren sei behördlicherseite niemals von einer Beschränkung der Zufahrt die Rede gewesen. Es liege sohin ein erhebliches persönliches und wirtschaftliches Interesse an einer Ausnahmegenehmigung vor. Ein öffentliches Interesse, das sich auf Gründe der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs stütze, stehe im gegenständlichen Fall, einer Erteilung der Ausnahmegenehmigung nicht entgegen.

Dieser Berufung hatte die belangte Behörde mit dem Bescheid vom keine Folge gegeben. Sie berief sich in der Begründung dieses Bescheides auf die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides und fügte bei, dass die Einschreiter einen Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht besäßen.

Im übrigen stehe einer solchen Bewilligung das öffentliche Interesse, insbesondere ein solches aus Gründen der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Fußgängerverkehrs, eindeutig entgegen. So werde besonders an Sonn- und Feiertagen der R.-weg, der fast durchgehend nur eine Breite von etwa 2 m aufweise und keinerlei Ausweichen und Sicherungen für den Fußgängerverkehr besitze, von einer Unzahl von Fußgängern (vorwiegend ältere, gebrechliche Leute, sowie Familien mit Kindern und Kinderwagen) benützt, die in ihrer Erholungsabsicht schon durch ein einziges dort verkehrendes Auto stark gestört und auch körperlich gefährdet würden, sodass jegliche Fernhaltung von Kraftfahrzeugen von diesen Ausflugs- und Erholungswegen im öffentlichen Interesse dringendst geboten sei. Dieser Bescheid blieb unangefochten.

Mit Eingabe vom stellte die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte neuerlich einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Befahren des R.-weges, der damit begründet würde, dass die beiden schon seit vier Jahren das Haus in Innsbruck, R.-weg, ganzjährig bewohnten. Bis zur Erteilung des Fahrverbotes an Sonn- und Feiertagen hätten sie den R.-weg täglich - auch an Sonn- und Feiertagen - benützt. Der Gebrauch des Ru.-weges könne ihnen nicht zugemutet werden, weil dieser sehr schlecht und während der Wintermonate bis ins Frühjahr unbenützbar sei. Im übrigen hätten auch die Besitzer des P.-hofes eine Ausnahmegenehmigung erhalten. Der Magistrat der Stadt Innsbruck führte sodann Erhebungen durch, ob die Antragsteller tatsächlich seit vier Jahren ihren ständigen Wohnsitz in Innsbruck, R.-weg, hätten und holte von der Gebietsbauleitung Innsbruck für Wildbach- und Lawinenverbauung eine Stellungnahme zu dem Antrag ein, die besagt, dass das Anwesen R.-weg im Ausschüttungsbereich der A.- lawine liege, die nahezu jährlich abgehe. Auf diese Gefährdung seien die Besitzer auch seinerzeit aufmerksam gemacht worden, doch hätten sie versichert, das Haus in der winterlichen Gefahrenzeit nicht zu bewohnen. Das genannte Objekt sei nicht nur durch stärkere Grundlawinen gefährdet, sondern würde auch im Falle einer großen Staublawine, die gerade darauf zustoßen würde, zerstört werden. Es sei daher keineswegs als ein ganzjährig bewohnbares Objekt anzusehen.

Mit Bescheid vom wies der Bürgermeister der Stadt Innsbruck das Ansuchen vom wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück. Dieser Bescheid wurde damit begründet, dass gegenüber dem seinerzeitigen Ansuchen vom weder in rechtlicher noch in sachlicher Hinsicht eine Änderung eingetreten sei; auf Grund einer neuerdings eingeholten Stellungnahme der Gebietsbauleitung für Wildbach- und Lawinenverbauung vom liege das Anwesen R.-weg im Ausschüttungsbereich der A.-lawine, die nahezu jährlich abgehe, weshalb das Objekt keineswegs als ganzjährig bewohnbar anzusehen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und brachte im wesentlichen vor, dass im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für eine Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 AVG gegeben seien, weil aus dem seinerzeitigen Bescheid vom niemandem ein Recht erwachsen sei. Der Beschwerdeführerin sei auch nicht Gelegenheit gegeben worden, zu der eingeholten Stellungnahme der Gebietsbauleitung für Wildbach- und Lawinenverbauung Kenntnis und dazu Stellungnahme zu nehmen.

Mit Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Begründung wurde zunächst der Gang des Verwaltungsverfahrens dargestellt und unter Berufung auf Mannlicher, Das Verwaltungsverfahren, ausgeführt, dass es für die Beurteilung, ob entschiedene Sache vorliege, nicht auf den Wortlaut des Parteienbegehrens ankomme; ein Antrag sei schon dann wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Stattgebung des Antrages auf die Abänderung oder Behebung eines formell rechtskräftigen Bescheides hinauslaufe. Wie sich aus dem Vergleich der beiden gestellten Anträge ergebe, habe die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag keine neuen, begünstigenden Verhältnisse geltend gemacht und habe dies auch nicht tun. können. Ihre neu hinzugekommenen Angaben über den Ru.-weg seien nicht als neue Tatsachen zu bewerten, weil dieser Weg schon bei der Abweisung des ersten Antrages bestanden habe. Ein Eingehen auf den neuen Antrag bzw. ein Stattgeben würde daher auf eine Aufrollung eines bereits durch einen rechtskräftigen Bescheid abgeschlossenen Verfahrens bzw. auf die Abänderung oder Behebung eines bereits rechtskräftigen Bescheides hinauslaufen. Die Zurückweisung wegen entschiedener Sache sei daher zu Recht erfolgt, wenn auch insofern ein Verfahrensmangel unterlaufen sei, als die Erstinstanz der Partei keine Gelegenheit gegeben habe, von den Erhebungen Kenntnis und dazu allenfalls Stellung zu nehmen. Es sei jedoch im Berufungsverfahren Parteiengehör gewährt und der diesbezügliche Verfahrensmangel in erster Instanz saniert worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin beruft sich in der Beschwerde auf die Ausführungen im Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen von Hellbling, wonach die Zurückweisung eines Anbringens wegen entschiedener Sache nicht mehr Platz greifen könne, sobald die Behörde das betreffende Anbringen zum Anlass von Erhebungen genommen habe. Gerade das sei aber im gegenständlichen Fall geschehen, weil neuerdings eine Stellungnahme der Gebietsbauleitung für Wildbach- und Lawinenverbauung eingeholt worden sei. Überdies sei die belangte Behörde nicht darauf eingegangen, dass die Nachbarn der Beschwerdeführerin die Ausnahmegenehmigung von dem Fahrverbot für die ganze Familie erhalten hätten. Dies sei eine neue Behauptung ebenso wie die Behauptung, dass das Haus in Innsbruck, R.-weg, bereits durch vier Jahre hindurch bewohnt werde. Auch das Vorbringen hinsichtlich des R.-weges sei neu und es komme nach Ansicht der Beschwerdeführerin nicht darauf an, dass der R.-weg seinerzeit bereits bestanden habe. Schließlich könne auch die Stellungnahme der Gebietsbauleitung für Wildbach- und Lawinenverbauung vom kein zureichender Grund für die Verweigerung der Ausnahmegenehmigung sein, weil ja die Nachbarn die gleiche Genehmigung erhalten hätten. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin wäre die belangte Behörde auch zu einer Stellungnahme verpflichtet gewesen, warum gerade die Besitzer des P.-hofes die Ausnahmegenehmigung erhalten hätten und welcher Unterschied zwischen den Verhältnissen des P.-hofes und des Anwesens der Beschwerdeführerin bestehe.

Zunächst ist darauf zu verweisen, dass im vorliegenden Fall durch den erstinstanzlichen Bescheid der Antrag der Beschwerdeführerin vom unter Berufung auf § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde; die dagegen erhobene Berufung hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG war daher die Frage, ob hinsichtlich des neuen Antrages der Beschwerdeführerin vom entschiedene Sache vorgelegen ist und nicht, ob eine Ausnahmebewilligung von einem Fahrverbot zu erteilen war. Es gehen demnach jene Beschwerdeausführungen ins Leere, mit denen dargetan werden soll, dass vorliegend kein Grund für die Versagung der erbetenen Ausnahmebewilligung vorgelegen sei. Im übrigen sind nach § 68 Abs. 1 AVG Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer amtswegigen Verfügung gemäß dem Abs. 2 bis 4 des § 68 AVG (auf die aber gemäß § 68 Abs. 7 AVG niemandem ein Anspruch zusteht) findet. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Parteienbegehren wegen entschiedener Sache zurückzuweisen ist, hat den Verwaltungsgerichtshof bereits des Öfteren beschäftigt. So hat er in seinem Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 2863/A, hervorgehoben, es sei der Sinn der materiellen Rechtskraft eines Bescheides, dass eine Angelegenheit, über die in ihren wesentlichen Punkten bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist; bei unverändertem Sachverhalt nicht neuerlich aufgerollt werden dürfe. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist weder nach dem Wortlaut des Gesetzes noch nach dessen Sinn für die Frage der Zurückweisung wegen entschiedener Sache der Umstand von Bedeutung, ob die Behörde über den neuerlichen Antrag Erhebungen durchgeführt hat oder nicht, sondern Voraussetzung ist, dass eine Identität der Sache vorliegt. Davon kann aber nur gesprochen werden, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgeblichen tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und dass sich anderseits das neue Parteibegehren im wesentlichen mit dem früheren deckt. Eine Modifizierung des Parteibegehrens in Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, vermag, wie der Verwaltungsgerichtshof in dem schon genannten und in weiteren Erkenntnissen (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 296/63, und vom , Zl. 904/66) ausgesprochen hat, an der Identität der Sache nichts zu ändern. Die bloße Behauptung, dass eine neue Tatsache entstanden sei, welche nach Meinung des Antragstellers eine Änderung des Sachverhaltes bedeute, löst keineswegs schon die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung aus. Denn einerseits muss es sich um eine solche Änderung des Sachverhaltes handeln, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. dazu Erkenntnis vom , Zl. 1202/58); andererseits wird oft erst durch geeignete Erhebungen geklärt werden können, ob überhaupt die Behauptung über die wesentliche Änderung des Sachverhaltes den Tatsachen entspricht, weil erst nach Klärung dieser Frage über den neuerlichen Antrag - sei es im positiven Sinne, sei es durch Zurückweisung des neuen Antrages wegen entschiedener Sache - entschieden werden kann.

Im gegenständlichen Fall wurde mit dem unangefochten gebliebenen Bescheid der belangten Behörde vom die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung von dem Fahrverbot vor allem deswegen versagt, weil eine solchen Bewilligung das öffentliche Interesse - insbesondere ein solches aus Gründen der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Fußgängerverkehrs - eindeutig entgegenstehe. Dies nach der weiteren Begründung dieses Bescheides deshalb, weil der R.-weg, der fast durchgehend nur eine Breite von etwa 2 m aufweise, keinerlei Ausweichen oder Sicherungen für den Fußgängerverkehr besitze, insbesondere an Sonn- und Feiertagen von einer Unzahl von Fußgängern (vorwiegend ältere, gebrechliche Leute, weiters Familien mit Kindern und Kinderwägen) benützt werde, die in ihrer Erholungsabsicht schon durch ein einziges dort verkehrendes Auto stark gestört und auch körperlich gefährdet würden, sodass jegliche Fernhaltung von Kraftfahrzeugen von diesen Ausflugs- und Erholungswegen im öffentlichen Interesse dringendst geboten sei. Nun hat aber die Beschwerdeführerin in ihrem neuen Antrag vom gar nicht behauptet, dass sich die eben angeführten Umstände, die nach dem Inhalt des rechtskräftigen Bescheides vom für die Versagung der Ausnahmebewilligung maßgebend waren, geändert hätten, denn sie hat nur vorgebracht, dass sie seit vier Jahren ihr am R.-weg gelegenes Haus ganzjährig bewohne, dass sie bis zur Erlassung des Fahrverbotes den R.-weg täglich befahren habe, dass ihr die Benützung des Ru.-weges nicht zugemutet werden könne und dass auch die Besitzer des P.-hofes eine Ausnahmebewilligung erhalten hätten. Da demnach die Beschwerdeführerin in ihrem neuerlichen Antrag vom weder eine Änderung der Rechtslage noch eine Änderung des Sachverhaltes, der im rechtskräftigen Bescheid vom als maßgebend angesehen wurde, behauptet hat, wäre der Magistrat der Stadt Innsbruck auch berechtigt gewesen, diesen Antrag ohne Erhebungen wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Wenn diese Behörde - anscheinend zur Klärung jener Umstände, die für eine amtswegige Verfügung nach § 68 Abs. 2 AVG von Bedeutung sein könnten - Erhebungen durchgeführt hat, dann vermag dies, wie oben bereits ausgeführt wurde, nichts an den vorliegend gegebenen Voraussetzungen für die Zurückweisung des Antrages wegen entschiedener Sache zu ändern. Demnach war das Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrem neuen Antrag vom im Hinblick auf den rechtskräftigen Bescheid vom nicht geeignet, eine neue Sachentscheidung herbeizuführen, vielmehr war das Begehren der Beschwerdeführerin wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 zurückzuweisen.

Zur Zurückweisung des Antrages der Beschwerdeführerin vom wäre aber nicht der Bürgermeister der Stadt Innsbruck als Bezirksverwaltungsbehörde, sondern der Stadtmagistrat Innsbruck zuständig gewesen.

Gemäß Art. 118 Abs. 2 B-VG (Fassung Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1962, BGBl. Nr. 205) umfasst der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde neben den im Art. 116 Abs. 2 B-VG angeführten Angelegenheiten alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer Grenzen besorgt zu werden. Nach Abs. 3 Z. 4 dieser Bestimmung sind der Gemeinde zur Besorgung im eigenen Wirkungsbereich die behördlichen Aufgaben insbesondere auch in den Angelegenheiten der örtlichen Straßenpolizei gewährleistet.

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um die Gewährung einer Ausnahmebewilligung von einem Fahrverbot, das für einen im Gemeindegebiet der Stadt Innsbruck gelegenen Weg angeordnet worden ist. Eine solche Angelegenheit ist aber im ausschließlichen Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden, weshalb sie mit Wirksamkeit der Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1962 als eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde von dieser in eigener Verantwortung und unter Ausschluss eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde zu besorgen ist (vgl. dazu auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 1219/66, und vom , Zl. 444/69).

Die belangte Behörde, der ebenso wie der beschwerdeführenden Partei gemäß § 41 Abs. 1 VwGG 1965 Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Rechtsfrage gegeben wurde, vertrat - im Gegensatz zu der Beschwerdeführerin - die Auffassung, dass im vorliegenden Fall zur Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 2 StVO 1960 deshalb die Bezirksverwaltungsbehörde in erster Instanz und die Landesregierung als Berufungsinstanz zuständig gewesen sei, weil das Fahrverbot seinerzeit auch durch eine Verordnung der Stadt Innsbruck als Bezirksverwaltungsbehörde und nicht im eigenen Wirkungsbereich dieser Gemeinde erlassen worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof kann sich dieser Auffassung nicht anschließen, weil im vorliegenden Fall die Frage der Zuständigkeit nur davon abhängig ist, ob es sich bei der Erteilung der Ausnahmegenehmigung von dem Fahrverbot um eine Angelegenheit der örtlichen Straßenpolizei handelt, nicht aber, von welcher Behörde das Fahrverbot seinerzeit erlassen wurde und ob diese die Verordnung erlassende Behörde dazu zuständig gewesen ist oder nicht. Zur Stützung ihrer Ansicht verweist ferner die belangte Behörde auf die Bestimmung des § 94 d StVO 1960 (Fassung BGBl. Nr. 209/1969), in der die Agenden des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden aufgezählt seien und die Besorgung der gegenständlichen Angelegenheit im Sinne des § 45 Abs. 2 StVO 1960 nicht dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zugeordnet werde. Es braucht nun nicht näher auf die Frage eingegangen werden, ob die Vorschrift des § 94 d Z. 5 StVO 1960 im Hinblick auf die Verfassungsbestimmung des Art. 118 Abs. 2 und Abs. 3 Z 4 B-VG (Fassung Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1962) nicht zu eng gefasst ist, weil sie im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht in Kraft war.

Sohin wäre zur Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin vom nach den §§ 37 Abs. 2 und 41 Abs. 1 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck, LGBl. für Tirol Nr. 17/1966 in der Fassung LGBl. Nr. 28/1969, in erster Instanz der Stadtmagistrat und nicht der Bürgermeister der Stadt Innsbruck als Bezirksverwaltungsbehörde, in zweiter Instanz der Stadtsenat der Stadt Innsbruck zuständig gewesen.

Da die belangte Behörde dies nicht erkannt und den erstinstanzlichen Bescheid nicht wegen Unzuständigkeit des Bürgermeisters der Stadt Innsbruck aufgehoben hat, war der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. Nr. 4. Das Kostenmehrbegehren war als im Gesetz nicht gedeckt abzuweisen.

Wien, am

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Normen
AVG §68 Abs1;
BAO §273 Abs1 lita impl;
BAO §278 impl;
B-VG Art118 Abs3 Z4;
StVO 1960 §43 Abs2 litb;
StVO 1960 §45 Abs2;
Sammlungsnummer
VwSlg 7762 A/1970;
Schlagworte
Zurückweisung wegen entschiedener Sache
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1970:1968001806.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAF-55959