Suchen Hilfe
VwGH 16.02.1973, 1798/72

VwGH 16.02.1973, 1798/72

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AVG §58 Abs2 impl;
BAO §20;
FinStrG §187;
RS 1
Nach § 187 FinStrG, der mit "Gnadenrecht" überschrieben ist, hat niemand auf die gnadenweise Nachsicht oder Umwandlung einer Abgabenstrafe einen Rechtsanspruch. Auch die Ermessensentscheidung ist aber jedenfalls insoweit zu begründen, als dies für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Überprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (Hinweis E , 375/69 und die darin zitierten Vorerkenntnisse). Der Behörde obliegt es somit, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen soweit aufzuzeigen, daß den Parteien des Verwaltungsverfahrens die Verfolgung ihrer Rechte und dem VwGH die rechtliche Kontrolle des Ermessens möglich ist (Hinweis E , 1687/71, und die darin zitierten Vorerkenntnisse)(Hier: Die bloße Erklärung, daß einem Ansuchen "mangels Vorliegens derart berücksichtigungswürdiger Umstände, die eine solche Gnadenmaßnahme rechtfertigen würden," nicht stattgegeben werden, ist keine ausreichende Begründung für die Ablehnung).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Eichler und die Hofräte Dr. Kadecka, Kobzina, Dr. Straßmann und Dr. Liska als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Baran, über die Beschwerde des AH in F, vertreten durch Dr. Egon Uhl, Rechtsanwalt in Linz, Scharitzerstraße 5 a, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom Zl. 475/4-VIII/N-1972, bekannt gegeben mit der Erledigungsmitteilung des Finanzamtes Linz vom , Str.L.Nr. 412/68, betreffend die gnadenweise Nachsicht einer Geldstrafe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Finanzlandesdirektion für Oberösterreich) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.105,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Finanzamt Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz verhängte mit seinem Straferkenntnis vom über den Beschwerdeführer gemäß § 33 Abs. 3 FinStrG eine Geldstrafe von S 10.000,-- und erkannte gemäß § 19 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 FinStrG für einen Traktor Steyr-Diesel, Type 180 a, an Stelle des Verfalles auf einen Wertersatz in der Höhe von S 11.250,--. Die dagegen eingebrachte Berufung wurde von der belangten Behörde mit Berufungsentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde angelastet, "er habe in F im Jahre 1968 vorsätzlich zu seinem Vorteil als Abgabepflichtiger eine Verkürzung der Mineralölsteuer von S 1.22 bewirkt, indem er veranlasst habe, in den Kraftstofftank eines zum vermittlungsweisen Verkauf übernommenen Traktors 2 l steuerbegünstigtes Gasöl einzufüllen, und sich dadurch gemäß § 33 Abs. 2 in Verbindung mit § 11 FinStrG und §§ 2 und 6 Abs. 1 und 3 Gasölsteuerbegünstigungsgesetz (Gasöl-StBG) schuldig gemacht".

Auf Grund eines schriftlichen Antrages auf Stundung und Gewährung von Ratenzahlungen vom bewilligte die belangte Behörde mit Schreiben vom dem Beschwerdeführer unter der Bedingung, dass er auf den damals noch aushaftenden Rückstand bis längstens einen Teilbetrag entrichte, gnadenweise die Abstattung des sodann noch aushaftenden Strafrückstandes in neun Monatsraten. Im letzten Absatz dieses Schreibens wies die belangte Behörde ausdrücklich darauf hin, dass sich ihre Erledigung auf den § 187 des Finanzstrafgesetzes, in Verbindung mit dem § 1 der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen vom , BGBl. Nr. 290, in der Fassung der Verordnung BGBl. Nr. 408/1967, gründe.

Am brachte der Beschwerdeführer ein vom datiertes Ansuchen um gnadenweise Nachsicht der Geldstrafe und der Wertersatzstrafe bei der belangten Behörde ein. Mit der (von der belangten Behörde im Verwaltungsakt so bezeichneten) "Erledigungsmitteilung" vom , Str.L.Nr. 412/68, gab das Finanzamt Linz dem Beschwerdeführer bekannt, dass die belangte Behörde mit Verfügung vom , Zl. 475/4-VIII/N-1972, über das Ansuchen des Beschwerdeführers vom um gnadenweise Nachsicht hinsichtlich der über ihn mit Straferkenntnis des Finanzamtes Linz vom verhängten Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- und des Wertersatzes im Betrag von S 11.250,--, die zur Gänze schon entrichtet seien, entschieden habe, dass dem Ansuchen mangels Vorliegens derart berücksichtigungswürdiger Umstände, die eine solche Gnadenmaßnahme rechtfertigen würden, nicht stattgegeben werde. Diese Erledigung gründe sich - nach dem letzten Absatz dieses Schreibens - auf § 187 des Finanzstrafgesetzes in Verbindung mit § 1 der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen vom , BGBl. Nr. 290, in der Fassung der Verordnung BGBl. Nr. 408/1967.

Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Über sie sowie über die von der belangten Behörde dazu erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer meint, dass der belangten Behörde gemäß der zitierten Bestimmung des Finanzstrafgesetzes und der Verordnung des Bundesministeriums, für Finanzen das Recht zugestanden sei, die Entscheidung über die Gnadenbitte nach eigenem Ermessen zu fällen. Bei der Verweisung einer Entscheidung in den Ermessensbereich werde zwar die Wahlmöglichkeit zwischen zwei oder mehreren Lösungen eingeräumt, jedoch bedeute "Ermessen" nicht "Willkür" und die Ermessensübung findet nach Lehre und Rechtsprechung dort ihre Grenzen, wo sie mit dem Sinn des Gesetzes, also mit dessen ausdrücklich erklärter oder noch erkennbarer Absicht, der die Ermessensübung dienen sollte, in Widerspruch gerate. Die Festsetzung von Mindeststrafen in so bedeutender Höhe, wie dies im § 6 Abs. 3 des Gasöl-StBG erfolgt sei, könne nur in Verbindung mit der Absicht des Gesetzgebers hingenommen werden, in besondern Fällen die Institution des § 187 FinStrG eingreifen zu lassen, weil eine Straffestsetzung in einem Vieltausendfachen des Verkürzungsbetrages ohne Zweifel das Maßgefühl rechtlich denkender Menschen verletzen würde. Eine so drakonische Bestrafung müsste als unmenschlich empfunden werden; sie stelle eine so arge Verletzung des persönlichen Rechtsbereiches dar, dass sie einer demokratischen Rechtsordnung unwürdig wäre. Auch die Beachtung des Rechtes auf gleichmäßige Gesetzanwendung verlange im gegenständlichen Fall den Einsatz des § 187 FinStrG, ginge es doch nicht an, den Beschwerdeführer wegen einer ihm angelasteten Abgabenverkürzung in Höhe von gleich Null so hart zu bestrafen, sich in anderen Fällen von Abgabenverkürzungen - durch Hinterziehung in Millionenhöhe herbeigeführt - mit einem geringen Bruchteil des Verkürzungsbetrages als Strafsatz zu begnügen. Es könne dem Gesetzgeber die Absicht nicht unterschoben werden, einen umso niedrigeren Strafsatz zu verlangen, je höher der Verkürzungsbetrag sei und so hätte die belangte Behörde - wollte sie mit ihrer Ermessensübung im Rahmen des Gesetzes bleiben - die verhängte Strafe durch Gnadenerweis berichtigen müssen.

Gemäß § 187 FinStrG kann das Bundesministerium für Finanzen bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände über Ansuchen des Bestraften durch die Finanzbehörden verhängte Strafen ganz oder teilweise nachsehen oder Freiheitsstrafen in Geldstrafen umwandeln. Unter denselben Voraussetzungen können über Ansuchen verfallene Gegenstände und Beförderungsmittel dem früheren Eigentümer ohne Entgelt oder gegen Leistung eines Geldbetrages freigegeben werden. Das Bundesministerium für Finanzen kann die ihm untergeordneten Behörden durch Verordnung zur Ausübung dieser Befugnisse mit Ausnahme der Befugnis zur Nachsicht von Freiheitsstrafen und zur Umwandlung von Freiheitsstrafen in Geldstrafen ermächtigen. In Durchführung dieser Bestimmung werden im § 1 der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen vom , BGBl. Nr. 290, in der Fassung der Verordnung BGBl. Nr. 408/1967, die Finanzlandesdirektionen ermächtigt, die dem Bundesministerium für Finanzen gemäß § 187 FinStrG zustehenden Befugnisse bis zu einem Gesamtbetrag von S 60.000,-- ausüben.

Nach dem Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 6225/A, weist der Gebrauch des Wortes "kann" im allgemeinen auf die Einräumung eines Ermessens hin. Es gibt jedoch - so wird in diesem Erkenntnis ausgeführt - nach der Vorjudikatur des Gerichtshofes auch Fälle, in welchen trotz der Verwendung dieses Wortes die von der Behörde zu treffende Entscheidung keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung ist. Ob das eine oder das andere vorliegt, kann nur der in Betracht kommenden Verwaltungsvorschrift entnommen werden. Auch der Verfassungsgerichtshof vertritt In seinem Erkenntnis vom , G 19/63, V 17, 18/63, Slg. Nr. 4644, die Auffassung, dass der Ausdruck "kann" die Einräumung des Ermessens bedeuten kann, aber nicht muss. Es ist daher sehr oft nur durch Auslegung aus dem Geist des Gesetzes oder aus dem Zusammenhalt mit anderen Normen die Ermittlung möglich, was für einen Auftrag oder eine Vollmacht eine gesetzliche Vorschrift der Behörde erteilt.

Der Verwaltungsgerichtshof ist der Meinung, dass im Lichte dieser Betrachtungsweise nach dem § 187 FinStrG der mit "Gnadenrecht" überschrieben ist, niemand auf die gnadenweise Nachsicht oder Umwandlung einer Abgabenstrafe einen Rechtsanspruch hat. In dieser Hinsicht unterscheidet sich diese Regelung nicht von der vorherigen des § 477 der Abgabenordnung, bezüglich der der Verwaltungsgerichtshof den Anspruch auf den gnadenweisen Erlass einer Abgabenstrafe ebenfalls verneint hat (vgl. Beschluss vom , Slg, Nr. 490/F).

Daraus folgt aber keineswegs, dass, wie die Behörde vermeint, eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers durch die Abweisung seines Gnadenantrages nicht in Betracht kommt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seit damals sind nämlich Ermessensentscheidungen jedenfalls insoweit zu begründen, als dies für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 375/69 und die darin zitierten Vorerkenntnisse). Der Behörde obliegt es somit, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände sind Erwägungen soweit aufzuzeigen, dass den Parteien des Verwaltungsverfahrens die Verfolgung ihrer Rechte und dem Verwaltungsgerichtshof die rechtliche Kontrolle des Ermessens möglich ist (vgl. das Erkenntnis vom , Zl 1687/7l, und das darin zitierte Vorerkenntnis).

Dies verkannte die belangte Behörde, da sie für die Ablehnung des Gnadenansuchens des Beschwerdeführers keine ausreichende Begründung gab. Die bloße Erklärung in der "Erledigungsmitteilung" des Finanzamtes Linz vom , das dem Ansuchen des Beschwerdeführers "mangels Vorliegens derart berücksichtigungswürdiger Umstände, die eine solche Gnadenmaßnahme rechtfertigen würden", nicht stattgegeben werde, ist zu wenig. Die aufgezeigte Begründungslücke ist insofern von wesentlicher Bedeutung, als sie zur Folge hat, dass die von der belangten Behörde, angestellten Erwägungen nicht hinreichend erkennbar sind und die Überprüfung der behördlichen Entscheidung auf die Rechtmäßigkeit ihres Inhaltes behindert wird. Der angefochtene Bescheid war daher ungeachtet des Umstandes, dass die Beschwerde das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels nicht rügt, gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse Slg. Nr. 321/A und Slg. Nr. 6649/A).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vor , BGBl. Nr.  427, die gemäß ihrem Art. IV Abs. 2 auf den gegenständlichen Beschwerdefall anzuwenden ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AVG §58 Abs2 impl;
BAO §20;
FinStrG §187;
Sammlungsnummer
VwSlg 4501 F/1973
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1973:1972001798.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
AAAAF-55948