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VwGH 24.04.1953, 1786/51

VwGH 24.04.1953, 1786/51

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Unter dem Begriff "kurzlebige Wirtschaftsgüter" iSd § 6 a EStG 1939 sind nur Güter des ANLAGEVERMÖGENS zu verstehen. Wirtschaftsgüter, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von nicht mehr als einem Jahr erstreckt, können nach der für die Gesetzesauslegung maßgebenden Verkehrsauffassung nicht zum Anlagevermögen gerechnet werden.
Normen
RS 2
Die Bildung einer Investitionsrücklage nach dem Steueränderungsgesetz 1949 kann auch durch Aufwendungen zur Anschaffung oder Herstellung abnutzbarer Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gerechtfertigt werden, die in der Bilanz nicht aktivert werden. Dazu gehören auch die "kurzlebigen Wirtschaftsgüter" iSd § 6 a EStG 1939.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Putz als Vorsitzenden und die Räte Dr. Ondraczek, Dr. Wasniczek, Dr. Schirmer und Dr. Koprivnikar als Richter, im Beisein des Ministerialoberkommissärs Dr. Hückel als Schriftführer, über die Beschwerde des J H in L gegen die Berufungsentscheidung der Berufungskommission für Oberösterreich vom , Zl. 6/17-BK-1951, betreffend Investitionsrücklage für 1948, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Möbelfabrikant in L. Er hatte in seiner Einkommensteuererklärung für 1948 einen Gewinn von 79.658,65 S ausgewiesen und beantragt, diesen Gewinn gemäss Art. IX Abs. 1 lit. a des Steueränderungsgesetzes 1949, BGBl. Nr. 132, um die dreifachen Absetzungen für Abnützung (AfA) in der Höhe von 2.725,77 S zu kürzen. Ferner hatte er in seiner Bilanz zu Lasten des steuerlichen Gewinnes eine Investitionsrücklage von 10.850,61 S gebildet. Diesen Betrag hatte er mit 15 % des unverkürzten Gewinnes, abzüglich der dreifachen Absetzungen für Abnützung errechnet. Tatsächlich hatte er nach seinen Ausführungen an „Investitionen“ im Jahre 1948 12.425,56 S zur Wiederherstellung des im Kriege durch Bomben beschädigten Betriebsgebäudes und weitere 3.582,87 S zur Anschaffung kurzlebiger Wirtschaftsgüter aufgewendet und die Aufwendungen zur Wiederherstellung des Betriebsgebäudes über Gewinn- und Verlustkonto voll abgebucht sowie die kurzlebigen Wirtschaftsgüter in der Gewinn- und Verlustrechnung auf den Erinnerungswert von 1,-- S abgeschrieben.

Das Finanzamt ermittelte bei der Veranlagung zur Einkommensteuer und zur Gewerbesteuer für 1948 den Gewinn aus Gewerbebetrieb mit 90.509 S, unterliess irrtümlich die Absetzung der dreifachen AfA und erkannte die Bildung der Investitionsrücklage zu Lasten des Gewinnes nicht an. Es begründete diese Entscheidung damit, dass der Investitionsrücklage keine Aktivierung gegenübergestanden sei.

Der Beschwerdeführer berief. Er führte aus, das Steueränderungsgesetz 1949 begrenze die Aufwendungen „zur Wiederherstellung von Betriebsgebäuden“ in keiner Hinsicht. Es denke nicht nur an aktivierungspflichtige Anschaffungen oder Selbstherstellungen. Das ergebe sich daraus, dass das Gesetz zuerst allgemein alle abnutzbaren Anlagegüter nenne und dann erst noch die Wiederherstellung von Betriebsgebäuden daneben anführe. Auch die kurzlebigen Wirtschaftsgüter würden schliesslich zur Gänze über Betriebskosten abgeschrieben und bildeten dennoch (als Anlagegüter) eine Anrechnungspost auf die Investitionsrücklage.

Die Berufungskommission zog die dreifache AfA vom Gewinn ab und berichtigte entsprechend das Einkommen und den Gewerbeertrag für 1948 und die darauf entfallenden Steuern, gab der Berufung aber darüber hinaus keine Folge. In der Begründung ihrer Entscheidung führte sie aus, die steuerfreie Rücklagenbildung nach Art. IX des Steueränderungsgesetzen 1949 setze voraus, „dass sie für die Anschaffung oder Herstellung gewisser Wirtschaftsgüter vorgenommen wird“. Eine bestimmungsmässige Verwendung der Rücklage liege aber nur dann vor, wenn die Kosten der Investitionsgüter aus der Rücklage bestritten werden. Die Aufwendungen für Betriebsausgaben würden aber nicht aus der Rücklage, sondern zu Lasten des Erfolges „getätigt“. Daher stelle die Anschaffung oder Herstellung solcher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, deren Kosten kraft besonderer Vorschriften (§ 6a des Einkommensteuergesetzes, EStG.) im Jahre der Anschaffung oder Herstellung voll als Betriebsausgaben abgezogen werden, keine bestimmungsmässige Verwendung der Investitionsrücklage dar. Die Bewertungsfreiheit für kurzlebige Wirtschaftsgüter und die Begünstigung des Art. IX Abs. 5 des Steueränderungsgesetzes 1949 dürften nicht gleichzeitig nebeneinander für ein und dasselbe Wirtschaftsgut in Anspruch genommen werden. Aus dem gleichen Grunde könnten auch nicht Wiederherstellungskosten von Betriebsgebäuden, die zu Lasten des Erfolges verbucht werden, „als Voraussetzung für die steuerfrei zu erfolgende Rücklagenbildung gewertet werden“.

Über die gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde hat der Gerichtshof erwogen:

Nach Art. IX Abs. 5 des Steueränderungsgesetzes 1949 BGBl. Nr. 132/1949 können u.a. Steuerpflichtige, die den Gewinn gemäss § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG. ermitteln und Produktionsunternehmungen führen, wenn sie im Wirtschaftsjahr 1948 „Aufwendungen zur Anschaffung oder Herstellung abnutzbarer Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens oder zur Wiederherstellung von Betriebsgebäuden getätigt haben, zu Lasten des Gewinnes des im Kalenderjahr 1948 endenden Wirtschaftsjahres steuerfreie Rücklagen bilden“. Die Zuweisungen an die Rücklage dürfen nicht höher sein als 15 % des im Wirtschaftsjahr 1948 erzielten steuerpflichtigen Gewinnes und dürfen den Betrag der im Wirtschaftsjahr 1948 „getätigten Ausgaben für Investitionen der im ersten Satz angeführten Art nicht übersteigen“. Sie vermindern sich ausserdem um den Betrag der erhöhten AfA gemäss Abs. 1 lit. a oder lit. b dieses Artikels.

Bei dieser „Rücklage“ handelt es sich nicht um eine Rücklage im betriebswirtschaftlichen Sinn; denn nach der angeführten Gesetzesstelle wird die „Rücklage“ für Aufwendungen gebildet, die bereits „getätigt“ worden sind, nach dem Sprachgebrauch der Betriebswissenschaft und den Grundsätzen kaufmännischer Buchführung aber kann man eine Rücklage nicht für bereits vorgenommene Aufwendungen bilden, diese Aufwendungen können vielmehr nur allenfalls in dem Jahr, in das sie fallen, abgeschrieben werden, wobei die Steuergesetze bestimmen, wie weit das steuerlich zulässig ist. Art. IX Abs. 5 des Steueränderungsgesetzes 1949 lässt aber auch jede Anordnung darüber vermissen, was mit dieser „Investitionsrücklage“ weiter zu geschehen hat. (Erst das Investitionsbegünstigungsgesetz 1949, BGBl. Nr. 134/1949, ordnet in seinem § 3 und das Investitionsbegünstigungsgesetz 1951, BGBl. Nr. 192/1951, in seinem § 3 Abs. 4 an, dass bestimmungsmässig verwendete Rücklagen oder Teile von solchen „auf Kapitalkonto oder auf eine als versteuert geltende freie Rücklage zu übertragen“ sind). Die sogenannte Investitionsrücklage 1948 erfüllt somit im Wesen nicht die betriebswirtschaftliche Funktion einer Rücklage, sondern sie hat steuerlich zunächst dieselbe Wirkung wie eine Bewertungsfreiheit für bestimmte im Jahre 1948 angeschaffte Wirtschaftsgüter. Wenn das Gesetz gleichwohl nicht ausdrücklich Bewertungsfreiheit für derartige Aufwendungen gewährt, sondern die Konstruktion der „Rücklage“ gewählt hat, so kann diese Regelung - da sie sonst jedes Sinnes entbehren würde - nur die Bedeutung haben, dass die mit der Einräumung und der Ausnützung der Bewertungsfreiheit verbundene Ausscheidung des Wirtschaftsgutes aus der Bilanz vermieden und dem Steuerpflichtigen neben der Bewertungsfreiheit noch die Begünstigung eingeräumt werden sollte, von dem Wirtschaftsgut die normalen, der voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer entsprechenden AfA in Anspruch zu nehmen. (Dies hat der Gesetzgeber denn auch in der Folge im § 1 Abs. 4 des Investitionsbegünstigungsgesetzes 1949 und im § 6 Abs. 1 des Investitionsbegünstigungsgesetzes 1951 besonders ausgesprochen).

Sollte somit der Steuerpflichtige durch die Bildung einer Investitionsrücklage für 1948 nicht gehindert sein, die angeschafften “Investitionsgüter“ in der Folge laufend abzuschreiben, so kann ihm sinngemäss auch nicht verwehrt werden, „kurzlebige Wirtschaftsgüter“ auf die Investitionsbegünstigung anzurechnen. Denn die durch § 6a EStG. (Fassung des Art. I Z. 2 des Steueränderungsgesetzes 1949) eingeräumte Erlaubnis, abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, deren Wert 800 S nicht übersteigt, im Anschaffungs- oder Herstellungsjahr voll abzuschreiben, kann nur daraus erklärt werden, dass bei diesen Wirtschaftsgütern aus ihrem verhältnismässig geringen Wert von vornherein auf eine kurze Gesamtnutzungsdauer geschlossen wird und dass der Steuerpflichtige zu Zwecken der Vereinfachung sowohl der Bilanzerstellung als auch der Steuerveranlagung der Notwendigkeit enthoben werden soll, in jedem einzelnen Jahr ihrer Benützung den verhältnismässigen Teil der AfA geltend zu machen. Bedeutet aber die Bewertungsfreiheit für kurzlebige Wirtschaftsgüter sonach im Wesen nichts anderes als eine Pauschalierung der AfA, dann fehlt jeder hinreichende Grund, die kurzlebigen Wirtschaftsgüter in bezug auf die Investitionsbegünstigung anders zu behandeln als alle anderen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, solange das Gesetz sie nicht ausdrücklich von der Begünstigung ausnimmt. Eine solche ausdrückliche Ausnahmsbestimmung ist aber im Steueränderungsgesetz 1949 nicht enthalten (erst das Investitionsbegünstigungsgesetz 1951 hat die kurzlebigen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens in seinem § 3 Abs. 1 für die Zeit ab 1951 von der Begünstigung ausgeschlossen), Voraussetzung für die Bildung der Investitionsrücklage 1948 ist nach dem ersten Satz des Art. IX Abs. 5 des Steueränderungsgesetzes 1949 vielmehr nur die „Tätigung“ von Aufwendungen zur Anschaffung oder Herstellung abnutzbarer Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und nicht auch deren „Aktivierung“ in der Bilanz. Zu den abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens gehören aber auch die „kurzlebigen Wirtschaftsgüter“ im Sinne des § 6a EStG.

Eine Einschränkung der Begünstigung auf Wirtschaftsgüter, die in der Bilanz als Aktiva aufscheinen, lässt sich insbesondere auch nicht aus dem Gebrauch des Wortes „Investition“ im zweiten Satz des Artikels IX Abs. 5 ableiten. Denn wenn dort gesagt wird, dass die Zuweisungen an die Rücklage den Betrag der im Wirtschaftsjahr 1948 getätigten Ausgaben für Investitionen der im ersten Satz angeführten Art nicht übersteigen dürfen, so kann im gegebenen Zusammenhang unter dem Wort Investitionen in Ermangelung einer abweichenden Begriffsbestimmung nichts anderes als eine abgekürzte Bezeichnung für die Aufwendungen der im ersten Satz umschriebenen Art verstanden werden. Mithin erweisen sich die Ausführungen des angefochtenen Bescheides, soweit sie sich auf die Versagung der Investitionsbegünstigung für die Anschaffung der „kurzlebigen Wirtschaftsgüter“ beziehen, als irrig.

Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass unter den „kurzlebigen Wirtschaftsgütern“ im Sinne des § 6 a EStG. nur Güter des Anlagevermögens zu verstehen sind und dass Wirtschaftsgüter, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäss auf einen Zeitraum von nicht mehr als einem Jahr erstreckt, nach der für die Gesetzesauslegung massgebenden Auffassung des Verkehres nicht zum Anlagevermögen gerechnet werden können. Wenn sich also - was die belangte Behörde nicht untersucht hat - auch derartige Wirtschaftsgüter unter den „kurzlebig“ abgeschriebenen Gütern im Gesamtwert von 3.582,87 S befunden haben sollten, wäre die Bildung von Investitionsrücklagen insoweit unzulässig.

Die irrige Ansicht der belangten Behörde, dass nur in der Bilanz „aktivierte“ Aufwendungen die Bildung der Investitionsrücklage rechtfertigen können, hat aber auch zur unrichtigen Behandlung des vom Beschwerdeführer geltend gemachten Bauaufwandes geführt.

Wenn nämlich Art. IX Abs. 5 des Steueränderungsgesetzes 1949 eine Investitionsbegünstigung auch für Aufwendungen zur „Wiederherstellung“ von Betriebsgebäuden vorsieht, so wird damit zwar nur ein Wiederherstellungsaufwand und nicht auch ein blosser Erhaltungsaufwand begünstigt, die Begünstigung für den Wiederherstellungsaufwand wird aber nicht von seiner Aktivierung in der Bilanz abhängig gemacht. Die belangte Behörde hätte somit festzustellen gehabt, ob es sich im vorliegenden Fall in der Tat um Wiederherstellungs- oder nur um Erhaltungsaufwand gehandelt hat, wobei für die Beurteilung der Frage, ob Wiederherstellungs- oder Erhaltungsaufwand vorlag, aus den im Erkenntnis vom , Zl. 906/52, ausgeführten Gründen, nicht der Umfang der Bauarbeiten entscheidend zu sein, sondern es darauf anzukommen hatte, ob Gebäudeteile zerstört oder so beschädigt waren, dass die Arbeiten erforderlich waren, um ein zerstörtes Wirtschaftsgut des Anlagevermögens wiederherzustellen. Aus der Tatsache, dass der Beschwerdeführer die „Wiederherstellungskosten“ zur Gänze als Betriebsausgaben über Gewinn- und Verlustkonto ausgebucht hatte, durfte die Behörde dagegen steuerliche Folgerungen für die Frage der Gewährung einer Investitionsbegünstigung nicht ziehen. Sie hätte nur, wenn es sich tatsächlich um Wiederherstellungsaufwand handelte, auf die gewinnerhöhende Aktivierung dieser Aufwendungen in der Bilanz dringen können, dem Beschwerdeführer in diesem Falle aber die Möglichkeit, die entsprechenden Absetzungen für Abnützung von diesen Aufwendungen geltend zu machen, nicht versagen dürfen.

Die angefochtene Entscheidung beruht also auch in bezug auf die Bauaufwendungen für das Betriebsgebäude auf einer unrichtigen Rechtsansicht der belangten Behörde, so dass ihr Bescheid auch in diesem Punkt seinem Inhalte nach rechtswidrig war. Er musste deshalb gemäss § 42 Abs. 2 lit. a VwGG. 1952 aufgehoben werden.

Wien,

Zusatzinformationen


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Normen
Sammlungsnummer
VwSlg 0748 F/1953
Schlagworte
Investitionsrücklage 1948 für kurzlebige Wirtschaftsgüter
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1953:1951001786.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
BAAAF-55913