VwGH 27.04.1962, 1783/61
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | EStG 1953 §4 Abs4 Z4 |
RS 1 | Das Gesetz stellt keine Formvorschrift für die "Mitteilung" der vollbeschäftigten Mitarbeit des anderen Ehegatten auf. Hat der Steuerpflichtige in den Steuererklärungen auf diese Mitarbeit hingewiesen und auch in den beim Finanzamt überreichten Gewinnrechnungen und Verlustrechnungen die Absetzungsbeträge für diese Mitarbeit mit einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit geltend gemacht, dann ist das Finanzamt in der Lage und zugleich auch verpflichtet, die Richtigkeit dieser Angaben zu überprüfen. Hat es die Absetzungsbeträge bei der Steuerveranlagung anerkannt, dann kann es nicht mehr in der Folge auf Grund einer Aufdeckung von Fehlern die Anerkennung nachträglich mit der Begründung versagen, daß die vollbeschäftigte Mitarbeit des anderen Ehegatten nicht in gebührender Form mitgeteilt worden sei (Hinweis E , 2471/57, VwSlg 1930 F/1958). |
Norm | BAO §115 Abs4 |
RS 2 | Wenn das Finanzamt eine überprüfbare Mitteilung der Partei, für die kein gesetzliches Formerfordernis vorgeschrieben war, und gegen deren Wahrheitsgehalt keinerlei Bedenken obwalteten, als rechtsgültig anerkannt hat, durfte sich die Partei auf den auch für die Finanzbehörden verbindlichen Grundsatz von Treu und Glauben verlassen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Wasniczek und die Räte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Finanzoberkommissärs Dr. Zatschek als Schriftführern über die Beschwerde des RB in V gegen den Bescheid der Berufungskommission bei der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl.508-II-1961, betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer für 1956, 1957 und 1958 (Mitarbeit der Ehegattin), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Beschwerdeführer, der eine Bäckerei betreibt, gab in den Steuererklärungen für 1955 und die folgenden Jahre als Beschäftigung der Ehegattin "Mithilfe" an und setzte unter den Betriebsausgaben einen Aufwand von S 5.000 bzw. S 6.000 jährlich mit der Bezeichnung "mitarbeitende Ehegattin" oder "Mitarbeiterpauschale" zu Lasten des Gewinnes ab. Das Finanzamt übernahm die in den Steuererklärungen ausgewiesenen Gewinnziffern in die Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide und auch eine im Jahre 1956 vorgenommene Betriebsprüfung beanstandete den für das Jahr 1955 erklärten Gewinn nicht. Im Jahre 1960 fand beim Beschwerdeführer eine die Jahre 1956 bis 1958 betreffende Betriebsprüfung statt, die zu einer Änderung der steuerpflichtigen Gewinne führte. Der Prüfer vertrat außerdem den Standpunkt, daß der für die mitarbeitende Gattin vorgesehene Absetzungsbetrag nicht anzuerkennen sei, weil der Beschwerdeführer die gesetzlich vorgeschriebene Meldung nicht erstattet habe. Unter Bezugnahme auf diese Rechtsansicht brachte der Beschwerdeführer am noch ausdrücklich eine Meldung über die Mitarbeit seiner Gattin beim Finanzamt ein. Er verwies darauf, daß an der Vollbeschäftigung der Gattin in seinem Betrieb niemals gezweifelt worden sei und daß das Finanzamt den geltend gemachten Absetzungsbetrag immer anerkannt habe. Der Betriebsprüfer habe sich auch von der Vollbeschäftigung der Gattin des Beschwerdeführers im Betrieb überzeugen können. Der Schriftsatz trägt den amtlichen Vermerk "Vollbeschäftigung ist gegeben". Das Finanzamt ließ einen Abzug gemäß § 4 Abs. 4 Z. 4 EStG in den nach § 24 AbgRG auf Grund des Betriebsprüfungsberichtes berichtigten Einkommen- und Gewerbesteuerbescheiden 1956/1958 nicht zu. Die vom Beschwerdeführer gegen diese Bescheide erhobene Berufung wurde von der Berufungskommission als unbegründet abgewiesen. Der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid vertritt die Ansicht, daß eine den gesetzlichen Erfordernissen entsprechende Mitteilung über die vollbeschäftigte Mitarbeit der Gattin erst mit der Eingabe vom rechtswirksam erstattet worden sei. Der bloße Hinweis in den Steuererklärungen habe eine ordnungsgemäße Meldung, die auch Angaben über den Beginn und über den Umfang der Mitarbeit enthalten müsse, nicht ersetzen können. Der Umstand, daß bei einer früheren Betriebsprüfung eine Beanstandung nicht erfolgt sei, sei unmaßgeblich.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer wegen Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde erhoben. Die Beschwerde führt aus, daß ein Fehler in der Veranlagung nicht vorgelegen sei. Das Finanzamt habe die in den Steuererklärungen enthaltenen, der Wahrheit entsprechenden Angaben bei der Veranlagung verwertet. Weder im Veranlagungsverfahren noch im wiederaufgenommenen Verfahren sei ein Zweifel an den Angaben des Beschwerdeführers auch nur angedeutet worden. Das Finanzamt habe aber auch jederzeit die Möglichkeit gehabt, die Richtigkeit dieser Angaben zu überprüfen. In der Formlosikeit einer Mitteilung könne höchstens eine Ordnungswidrigkeit erblickt werden, die aber nicht zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens berechtige. Im übrigen müsse sich der Steuerpflichtige nach dem Grundsatz von Treu und Glauben auf das Verhalten der Steuerbehörde verlassen können, die einen Formmangel hinsichtlich der Mitteilung über die Mitarbeit der Gattin im Betrieb des Beschwerdeführers nicht beanstandet habe. Im Hinblick darauf, daß in der am abgegebenen Steuererklärung auf die "Mithilfe" der Gattin im Betrieb des Beschwerdeführers hingewiesen worden sei, gebühre der gesetzlich vorgesehene Absetzungsbetrag für 3 Monate des Jahres 1956 und für die Jahre 1957 und 1958 im vollen Ausmaße.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 4 Z. 4 EStG 1953 gehört zu den Betriebsausgaben auch ein Absetzungsbetrag, wenn ein Ehegatte im Betrieb des anderen Ehegatten vollbeschäftigt mittätig ist. Dieselbe Gesetzesvorschrift gilt - abgesehen von einer späteren Änderung der Höhe des Absetzungsbetrages - auch für die Gewinnermittlung der weiteren Jahre. Die Anerkennung der erwähnten Betriebsausgabe ist allerdings nach wie vor an die Bedingung geknüpft, daß der Inhaber des Betriebes, zu Beginn des Kalenderjahres 1954 oder falls die Mitarbeit des anderen Ehegatten erst später beginnt, dies dem Finanzamt in diesem Zeitpunkt "mitteilt". Im Gesetz sind also keine formellen Erfordernisse für die gegenständliche Mitteilung vorgeschrieben und auch dem Sinn der gesetzlichen Bestimmung kann nur entnommen werden, daß dem Finanzamt von der Mitarbeit des Ehegatten im Betrieb des anderen Ehegatten in einer geeigneten Weise Mitteilung gemacht werden muß, die die Überprüfung ihrer Richtigkeit ermöglicht. Nun genügt wohl eine gelegentliche Erwähnung der behaupteten Mitarbeit in einer die Gewinnermittlung nicht betreffenden Angelegenheit oder eine formlose Erwähnung gegenüber dem Referenten des Finanzamtes noch nicht, um den Anspruch auf den Abzug des gesetzlichen Absetzungsbetrages zu begründen. (Vgl. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 1930/F.) Im vorliegenden Fall hat aber der Beschwerdeführer in den Steuererklärungenbereits ab 1955 sowohl auf die Mitarbeit seiner Gattin hingewiesen als auch in den Gewinn- und Verlustrechnungen in Rede stehenden Jahre, die vom Gesetz vorgesehenen Absetzungsbeträge mit einer jeden Zweifel ausschließenden Bezeichnung geltend gemacht. Das Finanzamt war daher, ohne daß es einer weiteren Mitteilung bedurfte, in der Lage, die Richtigkeit dieser Angaben zumindest ab dem letzten Jahresviertel 1956 zu überprüfen. Es war hiezu nach § 204 ff AO verpflichtet. Bei den im Jahre 1956 und 1960 durchgeführten Betriebsprüfungen wurden keinerlei Bedenken gegen die Vollbeschäftigung der mitarbeitenden Ehegattin laut. Auch das Finanzamt hat bei der Veranlagung für die gegenständlichen Jahre eine vollbeschäftigte Mitarbeit der Ehegattin im Betrieb des Beschwerdeführers ohne weiteres anerkannt. Wenn das Finanzamt eine überprüfbare Mitteilung des Beschwerdeführers, für die kein gesetzliches Formerfordernis vorgeschrieben war und gegen deren Wahrheitsgehalt keinerlei Bedenken obwalten, als rechtsgültig anerkannt hat, durfte sich der Beschwerdeführer auf den auch für die Finanzbehörden verbindlichen Grundsatz von Treu und Glauben verlassen und konnte von einer besonderen Mitteilung über die Mitarbeit der Ehegattin in seinem Betrieb absehen, ohne dadurch den Rechtsanspruch auf den erwähnten Absetzungsbetrag zu verwirken. Es bestand also kein Grund, der geltend gemachten Absetzung bei der Gewinnermittlung in dem für die Jahre 1956 bis 1958 wiederaufgenommenen Verfahren in dem von der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof angegebenen Umfang die Anerkennung zu versagen. Da der angefochtene Bescheid sohin auf einer Auslegung beruht, die dem Wortlaut und dem Sinn der Bestimmung des § 4 Abs. 4 Z. 4 EStG nicht gerecht wird, war er gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Bei dieser Rechtslage war auf die weiteren Einwendungen der Beschwerde nicht mehr einzugehen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 2638 F/1962 |
Schlagworte | Meldung über Mitarbeit des anderen Ehegatten |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1962:1961001783.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAF-55911